Amputationsschmerz – Europa in der Sackgasse

Der folgende Artikel erschien schon gestern, Montag 13.07.15 08:30 Uhr in Hari Live, als das Ergebnis des Gipfels noch nicht fest stand

Guten Morgen!

Was schreibt man an so einem historischen Tag, an dem zum Zeitpunkt dieser Worte, immer noch kein weisser Rauch aus Brüssel aufgestiegen ist?

Sie wissen, wie ich zum Thema stehe. Wer nun immer noch nicht sieht, wie der -> fehlkonstruierte Euro <- Europa zerstört, dem kann ich nicht mehr helfen.

Denn was jetzt in Brüssel passiert, ist das Ergebnis eines Patts zwischen zwei unvereinbaren Grundpositionen, für die Frankreich und Deutschland stehen. Grundpositionen, die sich in 20 Jahren nicht geändert haben. Es geht nur vordergründig um Griechenland, in Wirklichkeit geht es darum, was das für eine Eurozone ist. Die auf Regeln und Stabilität ausgelegte Eurozone als Nachfolger der D-Mark. Oder die weiche und unter dem Primat politischer Wünsche stehende Eurozone Frankreichs, als Nachfolger des Franc.

Da sich beide Positionen unlösbar gegenüber stehen und auch keiner nachgeben kann - Frankreich schon alleine nicht aus Angst, als nächstes in den Fokus der Märkte zu geraten - wird nun ein Kompromiss auf Kosten Griechenlands geschmiedet, in dem Griechenland dem Wunsch Frankreichs entsprechend im Euro bleibt und die Bedingungen dafür aber so hart sind, dass es die deutsche Seite zufrieden stellt.

Dieser "Kompromiss" ist in der Zwangsjacke des Euros der kleinste gemeinsame Nenner zwischen beiden Positionen. Und gleichzeitig - und das ist das Fatale - kann er nicht über den Tag hinaus tragen.

Glaubt jemand ernsthaft, dass dieses Griechenland mit dieser sozialistisch/populistischen Regierung und einer Haltung der Bevölkerung, die Schuldige immer woanders sucht, einen Massnahmenkatalog umsetzt und dafür Mehrheiten gewinnt, der weit über alles hinaus geht, was bürgerliche Vorgängerregierungen getan haben? Unfug!

Damit stehen wir bald wieder an der gleichen Stelle und gewonnen ist Nichts. Nur das ganz viel Vertrauen und Zusammenhalt in Europa kaputt gegangen ist. Und das Blame-Game ist ja schon im vollen Gange und alter Hass gegen Deutschland bricht wieder auf.

Dabei ist es objektiv Frankreich und die Kommission, die mit ihrer kompromisslosen Haltung den einzigen sauberen Weg geschlossen haben und zu diesem Patt geführt haben. Griechenland hätte aus dem Euro gemusst und ganz wohlwollend, ausserhalb von der EU massiv gestützt werden müssen. Billiger wäre es dadurch nicht geworden, aber es wäre die sauberere Lösung gewesen - die Lösung die Hoffnung für die Zukunft macht. Auf die frechen Forderungen Tsipras einzugehen. hätte die Eurozone dagegen erst recht zerstört. Das war nie eine Option.

Mehr will ich dazu heute früh gar nicht schreiben, die Dinge sind ja noch im Fluss. Klar geworden sind aber endgültig zwei Dinge:

1. Der Euro ist in seiner Fehlkonstruktion der Totengräber Europas Einigkeit und bringt die Völker gegeneinander auf.
2. Der Ansatz in ein anderes demokratisches Land hinein zu regieren, ist absurd und kann nicht funktionieren.

Es gibt zwei Wege, wie Europa sich retten kann.

Der Erste wäre eine schnelle Integration zum föderalen Bundesstaat. Das ist irreal und scheitert vor allem an Frankreich. Daran sieht man auch, wie viel vom Europa-Gerede aus Paris zu halten ist. Frankreich, das sich immer noch als "Grande Nation" begreift, wird als Letztes bereit sein, seine Staatlichkeit aufzugeben. Der Weg ist unrealistisch.

Der zweite Weg ist, dass der Euro sich gesund schrumpft auf die Staaten, die unter dem gemeinsamen Korsett auch leben können, weil sie sich kulturell am nächsten sind. Der Weg der Gesundschrumpfung durch Austritt der Schwachen wird gerade entschieden. Wenn Griechenland nun nicht geht, wird nie irgend ein Land den Euro freiwillig verlassen, denn gerade die schwachen Länder profitieren am meisten und nicht Deutschland, wie immer unter Verdrehung der Tatsachen behauptet wird.

Wenn aber der Weg der Schrumpfung durch Austritt der Schwächsten nicht geht, bleibt nur der freiwillige Austritt Deutschlands. Das ist aber auch unrealistisch und wird keine Mehrheiten finden bzw erst dann, wenn die Krise wirklich schwer und für alle merkbar wird.

Im Moment geht es aber den Deutschen oberflächlich zu gut und die D-Mark ist so lange her, dass viele jüngere Menschen sich etwas anderes als den Euro gar nicht vorstellen können. Und die Herde hat hohe Beharrungskräfte, sie wird in Unsicherheit immer wählen, was sie kennt.

Bei der Einführung des Euros waren 60% der Deutschen gegen den Euro und für der Erhalt der eigenen Währung. Darüber sind die europatrunkenen Parteien ausnahmslos einfach hinweg gegangen. Hinweg gegangen auch über all die unzähligen warnenden Worte qualifizierter Ökonomen und Geldpolitiker. Heute gäbe es wohl eine 60:40 Mehrheit für den Euro, weil die Mehrheit sich etwas anderes nicht vorstellen kann und das Problem auch gar nicht versteht und nicht erkennt.

Abgesehen davon, wäre an dem Tag, an dem Deutschland aus dem Euro ausscheidet - und mit dem Euro wahrscheinlich einige andere Länder wie die Niederlande - der Euro am Ende, weil ihm der Anker fehlt. Auch das ist realistisch kein gangbarer Weg. Der einzige Weg, in dem der Überdruck hätte geordnet entweichen können, das Überdruckventil sozusagen, wurde aber gerade von Frankreich zugestellt.

Die Situation ist übel und ohne heftigen Amputationsschmerz nicht mehr zu lösen. Alles was jetzt passiert, ist wieder nur teuer Zeit zu erkaufen, ohne Chance auf Besserung oder Lösung. In jeder Krise liegt auch Chance, alleine mir fehlt die Wahrnehmung, dass die Beteiligten - insbesondere die Brüsseler Truppen um Juncker, Schulz und Co. - überhaupt das Problem begriffen und/oder wahrhaben wollen. Und diese Selbsterkenntnis, steht am Anfang jeder Chance auf Besserung.

So schnell geht es, wenn Radikale zu zündeln beginnen und dabei auf Verlogenheit und mühsam kaschierte Gegensätze treffen, die sie frei legen.

An dem Problem, das wir nun haben, hat Griechenland auf jeden Fall keine Schuld. Die griechischen Demagogen, sind in ihrer Verantwortungslosigkeit nur der Katalysator, der den Schleier all der Verlogenheiten frei legt und den Blick auf die im Kern bestehenden Widersprüche des Euros und Europas lenkt.

Am Ende gewinnt halt die Mathematik, die kann man weder betrügen, noch politisch umschiffen. 1+1 ist immer noch 2. Und 19-1 ist 18 und nicht Null.

Ach Europa!

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