Börsenzyklen Teil II : Der DAX seit 1959

Der folgende Beitrag erschien vor zwei Tagen im Premium-Bereich und stammt von unserem -> Kolumnisten <- Tokay, der sich hauptsächlich um eine makroökonomische Sicht auf das Marktgeschehen bemüht, für die er gerne mathematisch-statistische Herangehensweisen nutzt.

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In einem der vorangegangenen Beiträge habe ich mich mit den Börsenzyklen und der Dynamik des Aktienmarktes beschäftigt. Dabei habe ich die These vertreten, daß aufgrund der zentralen Bestimmungsfaktoren Gewinne/Gewinnerwartungen und Zinsen wiederkehrende Schwingungen erzeugt werden, also Zyklen. Die Existenz solcher Börsenzyklen ergibt sich aus den mathematischen Eigenschaften eines solchen Systems.

Die Existenz von Börsenzyklen kann für den deutschen Aktienmarkt nachgewiesen werden, wie die Entwicklung des DAX seit 1959 zeigt (eigentlich seit 1957, aber wir haben Tagesdaten für den zurückberechneten DAX erst seit 1959):

Zyklen im DAX seit Oktober 1959

Wir haben somit für 58 Jahre 13 Zyklen zu verzeichnen, das ergibt ca. 4 1/2 Jahre pro Zyklus. Die Länge der Zyklen ist dabei sehr unterschiedlich: Zwischen dem Anfang und Ende des 5. Zyklus vergingen fast 8 Jahre, aber der 8. Zyklus dauerte nicht einmal 2 Jahre. Die Einteilung der Zyklen orientiert sich übrigens grob an der Darstellung von Frank Mella, dem Vater des DAX, zu finden auf dieser Webseite. Das Auf und Ab an der Börse ist nicht sehr regelmäßig, was die Börsenweisheit bestätigt: "Zum Einstieg wird nicht geklingelt" und dem Konzept der Börsenzyklen zunächst einmal zu widersprechen scheint. Dennoch ist ein zyklisches Muster im Zeitablauf unschwer zu erkennen.

Das liegt daran, dass die konjunkturellen Bewegungen sich ihrerseits zyklisch vollziehen, Stichworte Juglar und Kitchin, und die mit der Konjunktur schwankenden Gewinne mit den jeweils aktuellen Zinsen abdiskontiert werden. Übrigens unterliegen die Zinsen ihrerseits einem Zyklus; manche sahen die Ursache der Finanzkrise von 2007-09 in einem Zusammentreffen der Wendepunkte des Juglar-Zyklus und des 30-jährigen Zinszyklus.

Manche rechnen den laufenden Börsenzyklus seit dem Jahr 2009. Für die USA mag das zutreffend sein, in Deutschland und in der Eurozone sah sich der Aktienmarkt jedoch in 2011 mit mehreren ungünstigen Entwicklungen konfrontiert: 1. Mit dem "Fiscal Cliff" in den USA, 2. Mit der Staatsschuldenkrise in den südeuropäischen Ländern, 3. Mit einer restriktiveren Geldpolitik seitens der EZB und 4. mit einer sich eintrübenden Konjunktur. Diese giftige Kombination führte zu Kurseinbrüchen am deutschen Markt zwischen Juli und September 2011. Dies führte andererseits jedoch dazu, daß ab September 2011 ein neuer Zyklus begann, der bis heute andauert. Der gegenwärtige Zyklus wäre bei durchschnittlichem Verlauf also in der ersten Jahreshälfte 2016 zu Ende. Doch muss man die oben angeführte Börsenweisheit im Auge behalten, die natürlich auch für den Ausstieg gilt. Für diesen sogar noch mehr, da Abwärtsbewegungen stets viel dynamischer sind als Aufwärtsentwicklungen. Aber natürlich besteht auch die Möglichkeit, daß der aktuelle 13. Zyklus (seit 1957) noch länger andauert.

Immer wieder hat sich der Einfluß politischer Ereignisse gezeigt, die bezogen auf das System Börse den Charakter exogener Schocks haben. Und so ist es aus diesem Grund kaum möglich, die Börsenentwicklung vorherzusagen, da man nicht wissen kann, welche exogenen Schocks innerhalb dieses Zeitraums das Börsengeschehen beeinflusst haben werden. Man kann aber ungefähr einschätzen, welche allgemeinen Einflußfaktoren wirksam sein werden. Die Geldpolitik der Notenbanken gehört so gut wie immer dazu, da sie die Gewinne der Unternehmen und die Zinsen unmittelbar beeinflusst.

Das bedeutet aber nicht, daß die Notenbanken das Geschehen beherrschen, denn die Entwicklung der Zinsen ist, wie wir gesehen haben, zu einem großen Teil zyklisch bedingt, und so folgen die Notenbanken dem Zinsmarkt eher, als daß sie ihn anführten, auch wenn sie in der öffentlichen Diskussion gerne als allmächtig dargestellt werden. Auch ist das Prinzip der Reflexivität von Bedeutung, so daß viele rational erscheinende Entwicklungen am Aktienmarkt bereits vorweggenommen werden und eine markante Reaktion nur dann festzustellen ist, wenn diese nicht den Erwartungen entspricht.

Man kann das Konzept der Börsenzyklen exzellent für das Markt-Timing verwenden, sofern man die aktuellen Entwicklungen der Konjunktur und der Zinsen richtig einordnen kann. Was das für die Entwicklung in 2016 bedeutet, damit werde ich mich in einem separaten Beitrag befassen.

Literatur:
Thoma, B.: Dynamische Prozesse in der Ökonomie und an den Finanzmärkten, 2000
www.frank-mella.de

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