Anleihen sind für Otto Normalanleger immer weniger Thema, kein Wunder bei Zinsen im Minusbereich im Euroraum. Grundsätzlich gehören Anleihen aber durchaus als sinnvoller Baustein in ein ausgewogenes Investment-Depot.
Und nun sind in den US die Zinsen der 10-jährigen Staatsanleihen sogar wieder in den 2-3% Bereich gestiegen und es ist ein Moment in der nicht zu fernen Zukunft vorstellbar, ab dem die Renditen in eine kommende Rezession hinein wieder fallen werden und Anleihen zu besitzen, dann wieder besonders attraktiv sein wird.
Gleichzeitig merke ich aber immer wieder, dass vielen Anlegern die Grundlagen fehlen, um Anleihen wenigstens im Ansatz zu verstehen. Gerade die "verdrehte Kursstellung" - Anleihen fallen wenn Zinsen steigen - und die Frage was ein Kurs abweichend von 100 bedeutet, löst immer wieder Verwirrung aus.
Damit ergibt sich doch logisch die sinnvolle Aufgabe, Ihnen diese absoluten Basics rund um Anleihen zu vermitteln. Wenn Sie schon länger mit Anleihen handeln, können Sie den Artikel überspringen, Sie werden hier nichts finden, was Sie nicht schon längst wissen.
Das Besondere hier ist ja aber, dass mehr als eine abstrakte Erklärung nach Lehrbuch geliefert wird - die können Sie überall selber nachlesen. Und diese Erklärungen haben oft das Problem, dass sie mit neuen Begrifflichkeiten mehr neue Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Nein, hier werden die Themen mit Beispielen aus dem bekannten Leben aufgebaut und so soll es auch bei Anleihen sein.
Wir fragen uns also: Wat is ene Anleihe?
Da stelle mer uns janz dumm und stellen uns vor, wir wollten im superteuren Oberbayern ein grösseres Haus erwerben und das von einer Bank finanzieren lassen. Da braucht man dann schnell mal 1,5 Millionen, denn ein Quadratmeter Grund alleine, geht dort für 700 bis 1.000€ über den Tresen.
Eigentlich ist man sich ja sicher, dass man diese Finanzierung stemmen kann, aber die blöde Bank will natürlich "Sicherheiten" - man hat aber dummerweise keine zu bieten. So sinnt man nach einer anderen Finanzierung und kommt auf den Gedanken eine "Anleihe" zur Finanzierung heraus zu geben.
Eine Anleihe ist nichts weiter als eine institutionell konstruierte Schuldverschreibung, eine Art Schuld-Urkunde also, die ein Rückzahlungs- und Zinsversprechen enthält und demjenigen als Gegenleistung in die Hand gedrückt wird, der Ihnen Geld zu leihen bereit ist.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass in der Realität kein Häuslebauer eine Anleihe herausgeben wird, weil es sich erstens wegen der immensen Konstruktions-Kosten (Prospekt ua) nicht lohnt und zweitens auch andere institutionelle Hürden existieren.
Theoretisch ist das aber vorstellbar und wir tun nun mal so, als würden Sie zur Finanzierung Ihres Hauses eine Anleihe heraus geben. Der große Vorteil der Anleihe ist nämlich, Sie brauchen keine weiteren Sicherheiten. Sie bieten den Geldgebern einen Zins und die überlegen sich ganz frei, ob der Zins ihnen hoch genug ist, um damit auch das Risiko abzudecken, dass sie den Kredit (hier als Anleihe) nicht zurück zahlen können.
Das "Emissionsvolumen" ist ja klar, es wird 1,5 Millionen betragen, die Summe die Sie benötigen. Nun stellt sich die Frage der "Stückelung", also der kleinsten Einheit, in der Ihnen jemand einen "Teilkredit" geben kann.
Würden Sie die Stückelung weiter bei 1,5 Millionen belassen, wären Sie weiter im "Bank-Szenario", denn Sie hätten dann nur einen einzigen Gläubiger, so wie die Bank.
Da Sie aber glauben, dass Freunde und Nachbarn Ihnen auch Geld leihen werden, setzen Sie die Stückelung auf 1.000 Euro herab, so dass jeder sich beteiligen kann, der mag. Es werden also 1.500 Stücke Ihrer Anleihe a 1.000€ Nominalwert ausgegeben.
Bleibt die Laufzeit und der Zins. Die Laufzeit soll 10 Jahre betragen, danach versprechen Sie Ihren Gläubigern die Rückzahlung. Und beim Zins machen Sie im Vorfeld eine Umfrage, was denn die Mehrheit gerade noch so eben akzeptieren wird. Sie orientieren sich dabei an Vergleichswerten und kommen zum Ergebnis, einen Zins (Koupon) von 6% anzubieten.
Denn der Zins muss höher als beim Bankdarlehen sein, da Sie ja hinter der Anleihe keine Sicherheiten hinterlegen. Genau das ist eben der Umstand, den all die Privatanleger nicht verstanden haben, die "Mittelstandsanleihen" für eher lächerliche Zinssätze wie 6% gezeichnet haben, im Irrglauben das sei viel. Die Realität ist aber, dass viele dieser Firmen eben keinen Kredit von der Bank bekommen haben, in privaten Anlegern haben sie aber einen "greater fool" gefunden, der ihnen Geld für einen gegenüber dem Risiko viel zu kleinen Zins geliehen hat.
Aber zurück zu Ihnen und den 6%. Klar, wenn Sie nun ein Staat oder eine Bank wären, könnten Sie nun auch Anleihen mit 1% Zins ausgeben und diese würden ihnen trotzdem aus der Hand gerissen, weil die Notenbank dann Ihre Anleihe gleich mit frisch gedrucktem Geld aufkauft. Aber dieses Privileg haben wir kleine "Hanswürste" halt nicht, das ist nur den "Systemrelevanten" vorbehalten - einige sind eben gleicher als gleich. 😉
Sie aber wissen von Ihren Umfragen, dass für 6% Zins sich wohl in Ihrem Freundeskreis und Nachbarschaftsumfeld genügend Menschen finden, die Ihre Anleihe "zeichnen" und damit Ihre Privatplatzierung (Emission) ein Erfolg wird und gelingt.
Und so geschieht es, Ihre Anleihe ist voll ausgegeben, Sie haben 1,5 Millionen € Darlehen von Freunden und Nachbarn erhalten und haben dafür den Kreditgebern (Gläubigern) eine Schuldverschreibung in Form einer verbrieften Urkunde ausgegeben, in der Sie Rückzahlung und Zins zusichern.
Punkt. Das ist eine Anleihe. Das machen Unternehmen und Staaten im Prinzip genau so. Jetzt geht Ihre Geschichte aber weiter.
Denn 5 Jahre geht alles gut und Sie werden in Ihrer Nachbarschaft besonders liebevoll begrüsst und wenn Sie auf der Straße spazieren gehen, machen die Nachbarn einen besonders großen Bogen mit dem Auto, keiner will doch risikieren, dass der umgefahren wird, dem man Geld geliehen hat. 😉
Dann aber, im 6. Jahr, beginnt ein böses Gerücht in der Nachbarschaft umzulaufen, Sie haben Ihren Job verloren! Wären Sie jetzt Griechenland, würden Ihnen in der Metapher die Steuereinnahmen wegbrechen, mit dem gleichen Ergebnis.
Ihre Nachbarn beginnen hinter Ihrem Rücken zu flüstern, denn jedem ist klar, dass Sie nun vielleicht Ihre Anleihe nicht bedienen können, sprich den Zins nicht zahlen und vielleicht sogar die Rückzahlung nicht leisten. Und dummerweise haben Ihre Nachbarn ja keine weiteren Sicherheiten, die haben nur dieses Blatt Papier, diese Urkunde. Das macht nervös.
Lange wird nur geflüstert und Sie, der Sie tatsächlich den Job verloren haben, versuchen den Schein zu wahren. Dann aber an einem Abend, klopft es kräftig an die Tür. Der bärbeissige Nachbar drei Häuser weiter steht vor Ihnen und verlangt lautstark sein Geld zurück, er will seinen Kredit *jetzt sofort* zurück gezahlt haben.
Sie aber lehnen ab, Sie müssen ablehnen, denn die Anleihe ist ein Dokument, von dem man nicht einfach abweichen kann, denn das definiert den Rückzahlungstermin eindeutig und rechtsverbindlich für alle. Der Nachbar zieht am Ende wütend und mit Drohungen von dannen und Sie verwünschen sich, das mit der Anleihe je gemacht zu haben. Sie haben aber eine Idee, Sie rufen dem Nachbarn zu, dass dieser seine Teile der Anleihe ja an jemand anderen verkaufen könnte!
Ein Lächeln geht über dessen Gesicht und schon am Folgetag sehen Sie, wie der mit anderen Nachbarn verhandelt. Nur dummerweise für ihn, sind die anderen Nachbarn ja auch nicht doof und wissen um Ihren Jobverlust. 10.000€, also 10 Stücke, hat der bärbeissige Nachbar 3 Häuser weiter in Sie investiert, die anderen geben ihm aber aufgrund der höheren Risiken keine vollen 10.000 für die Anleihe mehr.
Lange wird verhandelt und am Ende einigt man sich auf einen Abschlag von 20%. 8.000€ bekommt Ihr Besucher und die Anleihe geht an einen anderen Nachbarn über. Dieser bärbeissige Nachbar wird Ihnen seinen Verlust nie vergessen.
Ihre Anleihe hat also zu 80% des Nominalwertes den Besitzer gewechselt, weil Ihre Finanzkraft nicht mehr so zweifelsfrei war, wie bei Emission der Anleihe.
Als Einwurf dürfen Sie hier einen weiteren Lernsatz aufnehmen, Anleihen werden immer in Prozentwerten des Nominalwertes gehandelt und haben keine "Kurse" im eigentlichen Sinne des Wortes, wie Sie das von Aktien kennen.
Die Jahre vergehen und Sie haben mal einen Job und mal keinen und Ihre Nachbarn zittern wie die Gläubiger Griechenlands. Zeitweilig wechselten weitere Anleihen den Besitzer und das nur noch für 70%, das Zutrauen Ihrer Nachbarn wurde also geringer.
Je näher aber die 10 Jahre kamen, desto mehr verstummten die Sorgen, denn wenn Sie bisher nicht die Pleite erklärt haben und alle Zinsen pünktlich gezahlt haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in den letzten Monaten nicht passiert, und Sie die Schulden (Anleihe) auch zurück zahlen können.
Am Ende zahlen Sie ihre Schulden alle zurück und Sie werden in der Nachbarschaft wieder ohne Getuschel gegrüsst. Nur der bärbeissige Nachbar drei Häuser weiter hat immer noch einen finsteren Blick, denn seine 2.000€ Verlust sind ganz real.
So..... soweit die kleine Geschichte.
Wir fassen also die ersten Lerninhalte zusammen:
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