Der lesenswerte Hari Seldon

Wer sich wundert, dass ich in den letzten Tagen hier wenig geschrieben habe, für den habe ich eine Erklärung.

Ich schreibe auf der Seite www.investorsinside.de - die auch unter meinen Links empfohlen ist - unter dem Pseudonym "Hari Seldon". Dieses Pseudonym ist absichtlich gewählt, denn die fiktive Person Hari Seldon aus Isaac Asimovs weltberühmter Foundation Trilogy, ist der Begründer der fiktiven Wissenschaft der "Psychohistorik", die es ihm erlaubt aus einer mathematischen Analyse des Verhaltens von Menschenmassen, deren zukünftiges Verhalten im Sinne von Wahrscheinlichkeiten vorher zu sagen. Ähnlichkeiten zur von mir geschätzten Behavioral Finance sind also keineswegs zufällig und von mir beabsichtigt.

Im Nachhinein war dieser Charakter eine überaus intelligente und weitsichtige Kreation von Isaac Asimov ! Wenn man bedenkt, dass Asimov diese Bücher in den 50er Jahren geschrieben hat, als die Wirtschaftswissenschaften sich gerade so richtig am Irrglauben der "effizienten Märkte" zu ergötzen begannen, kann man diese gedankliche Kreation der "Psychohistorik" gar nicht hoch genug bewerten. Übrigens hat auch der bekannte Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Paul Krugman den Charakter Hari Seldon als Grund angegeben, warum er angefangen hat sich für Wirtschaftswissenschaften zu interessieren. Auch ich habe die Foundation Trilogy in meiner Jugend mit Begeisterung gelesen. Alles weiter hier in der Wikipedia zu Hari Seldon und zur Psychohistorik

Um den Lesern den einfachen Zugang zu meinen Artikeln zu ermöglichen, werde ich hier nun jedes Mal eine entsprechende Referenz eröffnen und mit den aktuellen vier Artikeln der letzten Tage beginnen. Ich wünsche viel Spass beim Lesen !

SAP – meine grösste Fehleinschätzung. Oder warum man „Experten“ nicht immer trauen sollte.

Es war Anfang der 90er Jahre, ich berichtete zu dieser Zeit als Assistent an den damaligen deutschen IBM Research & Development Chef und hatte so durch meinen Chef die seltene Gelegenheit, ein denkwürdiges Treffen zwischen IBM und SAP aus nächster Nähe mitzubekommen. Die damals immer noch markbeherrschende IBM traf sich mit einer kleinen, aufstrebenden Softwareschmiede namens SAP, die seit 1988 an der Börse notierte und in Person von Hasso Plattner einen charismatischen Anführer hatte.

Es war zu diesem Zeitpunkt sichtbar, dass SAP mit R/3 einen Treffer gelandet hatte und die IBM hatte grosses Interesse, ihre Systeme und Datenbanken als Plattform für R/3 zu etablieren. Aus diesem Grund setze sich auch Topmanagement der US Division ins Flugzeug, um an diesem Meeting teilzunehmen.

Und da waren sie nun in einem Raum, die IBM Herren über zehntausende Mitarbeiter und Milliarden an Umsatz und dieser Herr Plattner, dessen SAP zu diesem Zeitpunkt noch einen Umsatz im dreistelligen Millionen-Umfang hatte. Hier traf also David auf Goliath.

Was dann aber geschah war, dass die Rollen völlig vertauscht wurden. Hasso Plattner bot in der ihm eigenen Art eine extrem selbstbewusste Vorstellung und setzte klar die Bedingungen, die IBM Herren wurden von ihm in die Rolle eines Bittstellers gedrückt. Dieses Meeting zeigte ganz klar, wer in diesem Moment Koch und wer Kellner war.

Mit meinem heutigen Wissen und meiner Erfahrung wäre ganz klar gewesen, was ich nach diesem nachhaltigen Eindruck gemacht hätte. Ich wäre am nächsten Tag mit allem Ersparten an die Börse gegangen und hätte SAP gekauft. So eine Gelegenheit, an der man die Chance hat ein Unternehmen zu erkennen, das vor Kraft kaum laufen kann – und dieses noch dazu, bevor es die breite Masse an der Börse bemerkt – so eine Gelegenheit, hat man nicht so oft im Leben.

Und was tat ich ? Ich war ja Experte für Software. Ich rümpfte die Nase über die vermeintliche Selbstüberschätzung dieser SAP. Einzig und alleine, weil ich einen rein technischen Blick auf deren Software hatte, die in meinen Augen vom Design her nichts Besonderes war. Ich war viel zu jung und unerfahren, um das zu erkennen worum es wirklich geht – um Geschäftspotentiale und nicht um Software-Design.

Auch Windows 3.1 ist ja nicht deshalb erfolgreich geworden, weil es eine technologisch besonders ansprechende Implementierung war. Ein gutes Stück spielte bei meiner Fehleinschätzung auch mein Dünkel eine Rolle, sich als Betriebssystem-Experte im Vergleich zu diesen Anwendungs-Programmierern der SAP wie ein Kampfpilot vorzukommen, der herablassend auf eine Cessna unter sich blickt. Völlig ungerechtfertigter Dünkel zwar, wie ich heute weiss, aber nicht unüblich für sogenannte „Experten“ mit ihren fachlichen Scheuklappen.

Ich kaufte also keine SAP, sondern irgendwelche Softwareaktien die technologisch tolle Software machten. Wer am Ende mehr Geld an der Börse verdient hat, hat das Schicksal dann ja eindeutig bewiesen. Ich brauchte ein paar Jahre und jede Menge Erfahrung mit geschäftlicher Verantwortung im Management, bis ich meinen Fehler erkennen konnte. Nur leider hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon eine mehrfache Verdoppelung des Kurses der SAP verpasst.

Und was lernen wir aus dieser Anekdote ? Dass sogenannte „Experten“ alles andere als verlässliche Ratgeber bei der Frage sind, ob eine Firma mit ihren Produkten in der Zukunft Erfolg haben wird und ob sie viel Geld verdienen wird. „Experten“ sind zu oft zu stark spezialisiert, als dass sie den Wald vor lauter Bäumen noch sehen könnten. Und sie unterliegen zu oft einem Experten- oder Standes-Dünkel, der in keinster Weise gerechtfertigt ist, sobald sie ihr kleines, beschränktes Wissensgebiet verlassen.

Heute könnte mir dieser Fehler nicht mehr passieren, heute interessiere ich mich aber auch nicht mehr für einzelne Bäume, sondern habe immer den Wald im Auge.

Über Investoren und Trader

In Deutschland wird der Begriff "Trader" gerne mit einem leichten Anflug von Abscheu benutzt, es scheint nicht politisch korrekt zu sein, sich als solcher zu erkennen zu geben, obwohl es ja nur die englische Form von Händler ist. Und obwohl es für einen Händler - oder Kaufmann - ja durchaus so etwas wie eine Kaufmanns-Ehre gibt.

Auffällig ist auch, wie nahezu jeder Normalanleger der sich für Aktien interessiert, sich in der Öffentlichkeit nach dem Motto: “Ich bin Investor, aber kein Trader” positioniert.

Viele unterliegen dabei in meinen Augen einem Missverständnis. Das kommt daher, dass sie durch Medien und Politik immer mit dem polemischen Gedanken bombardiert werden: Trader sind schlecht, Investoren sind gut. Jeder will ein Investor und wie Warren Buffet sein, Trader dagegen sind böse "Zocker".

Klären wir doch also mal was ein Investor wie Warren Buffet so wirklich macht:

1. Er analysiert die Bücher des Ziel-Unternehmens bis ins allerletzte Detail
2. Er redet selber mit dem Management und verschafft sich einen persönlichen Eindruck
3. Er analysiert detailliert den Wettbewerb und den Markt und redet mit Mitbewerbern oder Branchenspezialisten
4. Er berechnet den inneren Wert des Unternehmens nach einer der diversen Methoden wie zb DCF

Jeden dieser Schritte macht ein Investor und mehr. Jeden dieser Schritte beherrscht ein Warren Buffet zur Perfektion. Und zum Schluss:

5. Ihm ist es völlig egal ob der Kurs kurzfristig etwas hoch oder runter geht. Er kennt den inneren Wert und verkauft erst dann, wenn er diesen Wert gemehrt hat und dafür den Preis bekommt, den er erwartet. Und wenn das Jahre dauert.

Das ist ein Investor.

Und jetzt frage ich alle, die aufgrund von Berichten in Magazinen und nach maximal einer Stunde Überlegung Aktien kaufen weil sie sie für "billig" halten - und sich dabei als "Value-Investoren" fühlen: Sind Sie wirklich Investoren? Wenn ja, warum sorgen Sie sich über eine momentane Börsenpanik? Sie kennen doch den wahren Wert Ihres gekauften Unternehmens. Oder? 😛

Nachdem ich uns so ironisch den Spiegel vorgehalten habe, sage ich Ihnen was die meisten von uns sind: Anleger, die sich wie Trader verhalten. Denn Trader bedeutet keineswegs nur Day-Trader. Es gibt unzählige Methoden und viele Stile, bei denen Aktien auch über Monate gehalten werden.

Der Trader unterscheidet sich aber vom Investor dadurch, dass er die Schritte oben nicht oder nur oberflächlich macht. Und er unterscheidet sich dadurch, dass ihn sehr interessiert wie sich der Kurs entwickelt, weil er in einem überschaubaren Rahmen von Tagen, Wochen, Monaten mit Gewinn verkaufen will. Und um das zu erreichen setzt er Techniken (Charts, Sentimentanalysen etc) ein, mit denen er sich einen Vorsprung vor den anderen Marktteilnehmern holen will.

Aber jemand der eine Aktie nach ein oder zwei Empfehlungen in Medien einfach an der Börse kauft und sich dann schon am nächsten Tag um den Kurs sorgt und von “Verlusten” redet, ist definitiv kein Investor, sondern eher ein Trader. Und dieser jemand tut gut daran sich nichts vorzumachen, sondern sich schnellstens die Tools und Techniken anzueignen, die es braucht um an den Märkten zu überleben. Warren Buffet weiss das natürlich, er kann aber jahrelang warten bis sich seine Investition auszahlt. Können Sie das auch?

In den hektischen und volatilen Märkten dieser Zeit ist es sowieso erste Bürgerpflicht flexibel zu sein. Was ist also schlimm daran sich wie ein Trader zu verhalten? Ich sage nur: Willkommen im Team!

Der Erfolg kommt nicht durch das richtige Etikett das man darauf klebt, sondern nur dadurch, dass man seine Sache gut macht. Und dazu ist es sehr wichtig zu verstehen, was die eigene Sache überhaupt ist. Denn nur dann kann man die richtigen Techniken einsetzen.