Die Legende von der “bösen” Spekulation – Reloaded

Es gibt Artikel, die sind zu wertvoll und in die hat man zu viel Energie hinein gesteckt, um sie so einfach schnell im Meer der Aktualitäten verschwinden zu lassen.

Zumal es gerade diese Artikel sind, die nicht mit reisserischen Titelzeilen und auch nicht mit Keyword-Spamming dienen können und damit auch nicht so leicht gefunden werden.

Und deshalb habe ich mir angewöhnt, bestimmte Grundsatzartikel im freien Bereich nach einem guten Jahr noch einmal einzustellen - in der Hoffnung, dass auch Leser diese wahrnehmen, die vor einem Jahr noch nicht dabei waren.

Mir ist bewusst, dass Google das im Sinne "Duplicate Content" nicht so gerne mag, aber darum schere ich mich nicht, da dieser Blog glücklicherweise nicht davon abhängig ist, in SEO Rankings oben zu stehen, nur um dann -> Advertorials und Schleichwerbung <- möglichst gut bezahlt unter das Volk zu bringen.

So ist heute mein Grundsatzartikel zur Spekulation an der Reihe, den ich vor einem guten Jahr im September 2013 erstmalig Online gestellt hatte.

Dieses grundsätzliche Thema passt doch auch gut als Kontrapunkt zum aktuellen, höchst spannenden Marktgeschehen, das wir in der Community intensiv besprechen. Gestern hatten wir einige der Reversals auf den Punkt auf dem Radar und es war sicher einer der spannendsten Börsentage des Jahres. Und heute morgen gibt es eine Menge zu besprechen, wie man den verschiedenen "Marktlagen" entnehmen kann.

Hier aber ist die Spekulation nun Thema, die nämlich volkswirtschaftlich extrem sinnvoll und wichtig ist und zu Unrecht von den wahren Totengräbern des Fortschritts verteufelt wird.

Viel Spass beim Lesen!

Ihr Hari

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Es gibt Artikel, die will man schon immer schreiben. Und Reden, die man schon immer mal halten wollte. Weil Sie grundsätzlicher Natur sind. Und weil sie unbedingt mal gesagt werden müssen.

Nur tut man es nie, weil sie wie ein langer Roman viel Arbeit machen und man überhaupt erst einmal einen Faden finden muss. Und weil immer irgend etwas Aktuelles dazwischenkommt und der Artikel sich wieder in den Hintergrund schiebt.

Bei mir ist das beim Thema der vermeintlich "bösen, bösen" Spekulation der Fall. Es ist ja eine der Lebenslügen unserer Gesellschaft, dass Spekulation per se etwas Böses und Zerstörerisches sei. Und dass diese unbedingt eingegrenzt, reguliert und verhindert werden muss.

Gegen diesen Konsens etwas zu sagen oder zu schreiben, hat schon fast den Charakter einer Gotteslästerung. Man kommt sozusagen wie Galileo Galilei vor die gesellschaftliche Inquisition und muss öffentlich Abbitte leisten, wenn man sich nicht Beschimpfungen und Schlimmerem aussetzen will.

Leider kann ich nicht anders und muss um der Wahrheit willen einfach sagen: "Und die Spekulation ist doch wichtig !". Im Mittelalter war der Konsens auch mal, dass alte, weise Kräuterfrauen "Hexen" seien, die man verbrennen müsste. Der gesellschaftliche Konsens hat also nicht immer Recht. 😉

Von mit Testosteron geschwängerten "Masters of the Universe"

Erschwert wird eine sinnvolle Argumentation leider massiv durch das wahnwitzige Gebaren, das gelgehaarte Jünglinge mit zu viel Testosteron im Blut, in den Handelsräumen der Grossbanken dieser Welt an den Tag legen. Wer sich für die "Masters of the Universe" hält, weil er Kurse durch eigene Marktmacht manipulieren kann, gehört in psychologische Behandlung, aber nicht vor einen Trading-Desk, mit dem man Milliarden bewegen kann.

Das sind ohne Frage Exzesse, die keinen gesellschaftlichen Zweck haben. Und dass diese überhaupt möglich sind, müssen sich primär die Politiker vorwerfen lassen, die nun so lautstark über Spekulation per se schimpfen. Denn erst durch politische Entscheidungen - wie den "Glass Steagall Act" zu Zeiten Bill Clintons aufzuheben - wurde der Boden für diese Exzesse bereitet. Und auch heute könnte die Politik dem schnell ein Ende machen, wenn Sie endlich ein hartes Trennbankensystem wieder einführen würde. Ich habe das in Artikeln wie -> Bankenregulierung - ein Kasperletheater <- oder -> Deutsche Bank zerschlagt sie endlich ! <- mehrfach und überdeutlich thematisiert. Nur tut die Politik genau das nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Tatsache ist aber, dass die Spekulation per se eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften ist, ohne die unsere moderne Gesellschaft nicht existieren könnte. Ich werde das im Folgenden ausführen. Und nur weil es Auswüchse und von Testosteron umnebelte Gehirne in solchen Handelsräumen gibt, ist nicht Spekulation per se schlecht. Es gibt im Fussball auch Randalierer, Krakeler, Neonazis und alles mögliche. Der Abschaum der Menschheit ist manchmal im Fussballstadion zu finden. Ist deshalb der Sport Fussball pauschal ein schlechter Sport, den man unterbinden muss ?

Zu Recht würde der gesellschaftliche Konsens jeden, der so ein Argument für den Fussball aufbaut, in die Schranken weisen. Warum ? Weil alle wirklich wissen, worüber sie reden und deshalb die Randalierer als Auswuchs eines ansonsten schönen und wichtigen Sportes einordnen können. Anders ist das bei der Spekulation. Die ist von Unwissen geprägt, wie das mittelalterliche Wissen um das, was die Kräuterfrauen gemacht haben. Und was man nicht versteht, verbrennt man halt gerne mal auf dem Scheiterhaufen und lässt sich von Demagogen leiten.

Ein Lichtstrahl in der Dunkelheit

Und während ich also dazu schon lange etwas schreiben wollte, kam ein Lichtstrahl in das Dunkel der Unwissenheit. Und zwar in Form eines unbedingt! lesenswerten Artikels des WiWo Redakteurs Dieter Schnaas. Dieser ist nun auch Online erschienen und kann hier
-> Es lebe die Spekulation ! <-
nachgelesen werden. Ich kann nur dringend dazu raten, das zu tun.

In dem Artikel sagt Schnaas viele Dinge, die ich auch schon immer sagen wollte und leitet den bedeutenden Wert her, den Spekulation für unsere zivilisatorische Entwicklung hat. Denn Spekulation ist weit mehr, als ein Trade vor einem Trading Desk. Es ist die Wette auf einen Gewinn in der Zukunft, die man mit Risiko in der Gegenwart eingeht. Auch Elon Musks Tesla oder SpaceX oder Solar City ist Spekulation pur und zwar im besten Sinne. Hohes Risiko, keinerlei Gewissheit über den Ausgang inklusive grosser Chance des Scheiterns. Und unermessliche Gewinne und eine Veränderung der Welt, wenn es gelingt. Auch das ist Spekulation. Und ohne den "Spekulanten" der auf Leute wie Elon Musk setzt und ihnen damit Kapital und Rückenwind verschafft, könnten diese nie erfolgreich sein. Und dafür braucht es zwingend einen Markt für Unternehmensbeteiligungen, auch "Börse" genannt. 😉

Es sind die Kräfte der -> schöpferischen Zerstörung <- im Schumpeterschen Sinne, die den Fortschritt bringen. Erst durch die Kraft der Zerstörung kommt oft der Wandel, auf dem Besseres gedeihen kann. Ohne die Zerstörung, beginnt die Welt langsam wie in Bernstein zu erstarren.

Was konservativ mit konservieren zu tun hat

Und da sind wir auch bei dem Punkt, in dem ich die Gedanken von Dieter Schnaas weiter führen will. Denn hinter der Ablehnung der Spekulation steht oft eine weit tiefer gehenden Denkstruktur bei den Menschen. Es ist kein Zufall, dass sich Menschen, die die Welt und Natur fast ausschliesslich im Sinne des Wortes "bewahren" betrachten, besonders oft kritisch zur Spekulation äussern und diese vehement ablehnen. Und zwar der Kirchenmann auf der Kanzel ebenso, wie der Öko-Aktivist mit dem Megaphon in der Hand, obwohl die beiden sonst in der Regel nicht viel gemein haben.

Der Begriff des konservativen Denkens ist dafür genau zutreffend. Wer primär bewahren will und erhalten und Veränderung vermeidet, denkt konservativ - ist es nicht notwendigerweise im politischen, verdreht gebrauchten Sinne, aber denkt so im eigentlichen Sinn des Wortes. Er/Sie "konserviert". Um das vom politischen Begriff "konservativ" abzugrenzen, nennt man diese Denkstrukturen auch "strukturkonservativ" oder "wertkonservativ" und die finden sich unter allen politischen Flaggen.

Dahinter steht eine Lebensphilosophie, die die Welt eher statisch bewahren will und den Wandel eher als Bedrohung empfindet. Das ist auch verständlich und will ich gar nicht kritisieren, wir Menschen sind ja auch wie Nussschalen auf dem grossen welligen Ozean des Lebens und unser Leben in weiten Teilen davon geprägt, diese Unsicherheiten irgendwie beherrschbar zu machen. Es ist unser Überlebenswille, der uns von einer Welt wie einem Schrebergarten träumen lässt, in der alles seinen Platz hat, schön anzuschauen ist und keine Überraschungen drohen. Genau das ist "strukturkonservativ" und menschlich sehr verständlich. Und es ist ja auch vieles "bewahrenswert" und ich bin der Letzte, der das nicht so sieht. Nur vergisst eine zu einseitige Sicht darauf, dass die Welt auch den Wandel braucht, um voran zu schreiten.

Dummerweise ist es genau dieser gefürchtete Wandel und die permanente, damit einher gehende Zerstörung, die wesentlich daran mitwirkt, dass diese herrliche und bewundernswerte Natur um uns herum überhaupt erst hervor gebracht wurde ! Und ohne die Schumpetersche Zerstörung wäre die Menschheit auch nicht existent und die Welt noch von Dinosauriern bevölkert. Nur gut, dass damals niemand da war, der die Dinosaurier vor dem Aussterben geschützt hat, ich würde heute hier wohl nicht schreiben. 😉 Nein genau genommen, wäre das Leben noch nicht einmal aus dem Urmeer gekrochen. Wozu denn auch, ist doch unter Wasser auch schön ? 😉

Schumpeters schöpferische Zerstörung am Werk

Ich hatte in diesem Zusammenhang ein eindrückliches Erlebnis vor ziemlich genau 30 Jahren. Ich war im Raum Tübingen vor dem Albtrauf und in der Nähe im Raum Mössingen kam auf einer Breite von ca. einem Kilometer der Albtrauf in Form eines Bergrutsches herunter. Alle Bäume vernichtet und alles nur Staub und Dreck und Steine. Lesen Sie von einem aktuellen kleinen Rutsch rund um den alten Bergrutsch: -> Bergrutsch bei Mössingen <-

Es war damals die Zeit der Panik vor dem "Sauren Regen" und dem "Waldsterben" und entsprechend waren die Reaktionen. Untergangsszenarien wurden alarmistisch gemalt, nach denen bald die ganze Schwäbische Alb so aussehen würde, wenn wir jetzt nicht dringend "einhalten würden" usw. usw.

Die Jahre vergingen und die Natur ergriff wieder Besitz von der Brachfläche. Und bald danach kam ein Naturfreund dort vorbei und stellte das einzige ausseralpine Vorkommen von dieser Pflanze und jenem Insekt dort fest. Und der Bergrutsch wurde 1988 Naturschutzgebiet. Und ist ein Kleinod der Natur geworden, über den ich mich freue, da ich diese Monokultur-Wälder der industriellen Waldbewirtschaftung sowieso nicht leiden kann und Natur für mich etwas wildes, bewegtes und lebendes ist und eben kein gepflegter Garten, der immerdar gleich bleibt.

Was hatte der Bergsturz also bewirkt ? Er hat eine künstliche Monokultur hinweg gefegt und damit erst den Boden für all die seltenen Arten geschaffen, die dort nun siedeln. Die Vernichtung hat also erst den Fortschritt bewirkt. Schöpferische Zerstörung im besten Schumpeterschen Sinne.

Ich könnte endlos solche Beispiele bringen und am Ende ist es wie ich oben sagte: die Natur ist kein Schrebergarten im Bernsteinglas, in dem alles seinen festen Platz hat und auf keinen Fall verändert werden darf. Das sind schwärmerisch romantische Vorstellungen die einige haben, in so einer statischen Welt zu leben, wäre aber wohl eher ein Albtraum.

Die Natur und die Welt ist gewaltig, brutal, immer im Wandel und voller Überraschungen und Wunder. Sie kann die ganze Menschheit in genau 5 Minuten von jetzt vernichten, weil genau dann uns ein Gammablitz von einer Supernova in unserer näheren Sternumgebung erreicht, der derzeit schon unwiederruflich unterwegs ist. Sie kann aus der Antarktis einen Tropenwald machen und in Italien eine Eiswüste erzeugen, weil sie beliebt am morgigen Sonntag den 15.09. die Erdachse zu kippen, wie sie es schon oft so gerne gemacht hat.

Und am Ende schafft die Natur so den Raum, auf dem sich Neues entwickeln kann. Ohne diese Mechanismen wäre die Menschheit nicht existent und das Leben wäre nicht einmal aus den Ozeanen gekrochen. Und es gäbe für "Baumwächter" nichts zu bewachen. Das ist die Natur. Ihre Vielfalt und grandiose Schönheit entsteht aus dem Wandel und der schöpferischen Zerstörung. Stillstand ist dagegen völlig "unnatürlich".

Ohne Markt keine Arbeitsteilung und ohne Arbeitsteilung keine Zivilisation

Und was hat das mit der Spekulation zu tun ? Ganz viel. Denn die Spekulation ist nichts weiter als die zivilisatorische Triebfeder dieses wichtigen Prinzips der schöpferischen Zerstörung, mit dem sich der Fortschritt Bahn bricht. Denn nach der natürlichen Evolution hat mit dem Auftreten des Menschen auch eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Evolution begonnen, die letztlich zu unserer mehr oder weniger "modernen" Zivilisation geführt hat. Und die Triebfeder dieser zivilisatorischen Entwicklung waren unter anderem entscheidende Erfindungen wie das Geld, der Markt und das alles angetrieben von der schöpferischen Kraft dessen, was man "Spekulation" nennt. Dem gestalterischen Versuch nämlich, sich in der Zukunft einen Vorteil zu verschaffen, in dem man in der Gegenwart Risiken eingeht.

Denn bitte bedenken Sie. Eine der wichtigsten Grundlagen unserer zivilisatorischen Entwicklung und der Entstehung von Musik, Theater, Wissenschaft usw. usw. ist die Arbeitsteilung. Erst die Arbeitsteilung hat ermöglicht, dass die Menschen über den täglichen Lebenskampf um Nahrung und Wasser hinaus schauen konnten und Zeit und Musse für Kultur und Wissenschaft und später Sport fanden. Denn erst die Arbeitsteilung ermöglicht uns, uns so zu spezialisieren, dass wir in dem was wir tun, immer besser werden und die Erfindung der Schrift hat dann ermöglicht, das weiterzugeben.

Wie kann aber die Arbeitsteilung gelingen, wenn der spezialisierte Bauer der nun dummerweise seine Ernte wegen der Jahreszeiten im Herbst einfahren muss, seine Kartoffeln nicht gegen eine Wertaufbewahrung eintauschen kann, so dass er damit erst im Frühjahr zum Schneider gehen und sich eine neue Jacke kaufen kann ? Diese Wertaufbewahrung ist das Geld. Eine der wichtigsten zivilisatorischen Erfindungen überhaupt.

Aber das Geld alleine reicht nicht. Denn um Geld zu bekommen, muss der Bauer einen Käufer finden und es reicht einfach nicht, immer nur die 2 oder 3 Nachbarn in der Umgebung abzuklappern, die haben vielleicht schon selber Kartoffeln. Also braucht es den Markt, eine weitere entscheidenen zivilisatorische Errungenschaft. Denn am Markt werden Käufer und Verkäufer zusammen geführt und so entsteht im freien Spiel von Angebot und Nachfrage ein Preis. Genau der Preis der Kartoffeln im Verhältnis zur Jacke des Schneiders. Und genau deshalb war der Marktplatz der Mittelpunkt der mittelalterlichen Stadt ! Das Mittelalter hat den Sinn und die Bedeutung des Marktes besser verstanden, als einige Vertreter der Gegenwart !

Ohne den Markt also keine funktionierende Arbeitsteilung. Und ohne Arbeitsteilung keine Zivilisation. Der Markt ist zwingend notwendig. Man kann versuchen diesen Mechanismus durch zentral festgelegte Preise zu ersetzen: das hatten wir schon und nannte man dann Kommunismus bzw Sozialismus. Der Versuch musste zwangsläufig scheitern, denn Kartoffeln sind in einem schlechten Jahr halt mehr wert als bei guter Ernte. Und wenn man diese Anpassung nicht zulässt, funktioniert die Arbeitsteilung am Ende nicht mehr, weil die Anreize fehlen.

Spekulation als zivilisatorische Triebfeder des Fortschritts

Und hier kommt auch die Spekulation als Triebfeder ins Spiel. Denn der Bauer der die Marktpreise für Kartoffeln kennt, sinnt nach Möglichkeiten, mehr Geld dafür zu erzielen. Damit er nicht nur sich, sondern auch allen Kindern diese tolle Jacke vom Schneider kaufen kann. Da er den Marktpreis für Kartoffeln nicht steigern kann, muss er sich also um mehr Ernte - um mehr Umsatz - kümmern. Und hat da so eine Idee, von einem "Eisendings", das man von seinem Esel ziehen lässt, um damit schneller den Acker umzupflügen.

Nun investiert der Bauer also. Er geht ins Risiko. Er gibt Geld aus und investiert Zeit, die er eigentlich nicht hat und die ihm bei der Ernte fehlt. Er riskiert für diese Idee sogar, dass seine Familie im Winter nicht genug zu Essen hat, weil er die Ackerarbeit vernachlässigt. Er schert also sozusagen aus dem Gleichmass der Masse aus. Er geht ins Risiko und "spekuliert". Und er hat Erfolg. Und erfindet den "Pflug". Und macht in Folge die höchsten Kartoffelumsätze des Marktes.

Und andere machen es ihm nach. Und so entsteht ein Überangebot an Kartoffeln, das die Preise fallen lässt und allen Bürgern im Ort mehr Geld für andere Dinge lässt. Und den Hunger im Nachbarort verringert, wo der Boden nicht so für Kartoffeln geeignet ist. Die Spekulation des Bauers hat die Welt verändert. Getrieben war sie vom simplen Wunsch "mehr Geld" zu haben. Und möglich war dieses Streben nur, weil da ein Markt war, der den höheren Output an Kartoffeln dann auch aufnehmen konnte.

Das ist der Sinn der Spekulation und dieses Streben nach "mehr", diese Wette auf eine Zukunft, führt am Ende zum Fortschritt, auch wenn es ebenso gerne mal in Sackgassen führt. In diesem Sinne hat Gordon Gekko Recht: "Greed is good" - Gier ist gut. Die Gier des Bauern auf mehr Gewinn und mehr Umsatz auf jeden Fall.

Der Unterschied zwischen wichtiger Spekulation und Exzessen

Am Beispiel des Bauern kann man auch wunderschön klar machen, wie verzerrt unsere gesellschaftliche Diskussion zum Thema schon geworden ist. Nehmen wir das leidige Thema der "Spekulation" mit Agrarerzeugnissen. Machen Sie mal eine Umfrage auf der Strasse und sie bekommen eine 99,999% Mehrheit für die Aussage: "das tut man nicht !"

Und nun vergleichen Sie diese instinktive Reaktion mal mit der obigen Geschichte des Bauers, der ohne diese Spekulation nie den Pflug erfunden hätte. Und es passiert schon seit Tausenden von Jahren, das Reis und Getreide und Mais auf Märkten gehandelt werden und so der Preis entsteht. Und damit spekuliert wird. Es war nie ein Problem, im Gegenteil, es ist volkswirtschaftlich absolut unverzichtbar, das die Preise in Jahren schlechter Ernten höher sind als in guten Jahren ! Und auf dem besagten Markt des Mittelalters im Mittelpunkt der Ansiedlung, war der Handel mit Agrargütern die Hauptbeschäftigung.

Das Problem ist ein ganz anderes. Wir haben zugelassen, dass man Getreide handeln kann, ohne es physisch hinterlegt zu haben ! Das ist das gleiche Problem wie das, was wir derzeit am Goldmarkt erleben, wo Grossbanken die hundertfache Menge des realen physischen Gold an der Comex handeln, ohne das die gehandelten Mengen eine physische Entsprechung haben ! Es ist das gleiche Problem wie ein ungedeckter Leerverkauf (nicht ein Leerverkauf per se) wo Aktien verkauft werden, auf die die Verkäufer gar keinen Zugriff haben !

Das alles sind kranke Auswüchse, die schon lange zu unterbinden wären. Auswüchse die nur der Grossfinanz helfen und keinen volkswirtschaftlichen Sinn haben. Und das hat auch alles gar nichts mit einem freien Markt zu tun, im Gegenteil - die Einflüsse dieser gigantischen Geldströme machen den Markt unfrei und lassen ihn zum Spielball weniger Grossbanken werden. Statt das zu differenzieren und den Kern des Übels zu erkennen, wird das aber alles mit der gesellschaftlich wichtigen Spekulation pauschal in einen Topf geworfen und so das Kind gleich mit dem Bade ausgeschüttet.

Die Spekulation auf steigende oder fallende Preise ist gesellschaftlich extrem wichtig, sie ist die Triebfeder des Fortschritts. Auch bei Nahrungsmitteln. Wer aber Spekulation ohne reale Hinterlegung zulässt, muss sich nicht wundern, wenn das System aus dem Ruder läuft. Da liegt das Problem !

Lassen Sie es mich etwas plakativ formulieren: Spekulation ist gut ! Spekulation mit heisser Luft gehört aber unterbunden !

Warum fällt es unserer Gesellschaft, unserer Politik und unseren Regulatoren eigentlich so schwer, diesen Unterschied zu begreifen ?

Spekulation und Innovation - zwei Seiten der selben Medaille

Ich hoffe, ich habe mit dem Beispiel des Bauern klar gemacht, dass Spekulation und Innovation nur zwei Seiten der selben Medaille sind. Im aktuellen gesellschaftlichen Glaubensbekenntnis ist aber Innovation gut und Spekulation schlecht. Mit Verlaub, das ist kompletter Unfug, das eine geht gar nicht ohne das andere !

Das Problem ist hier, dass man am Begriff Spekulation oder "Spekulant" nur die negativen Auswüchse festmacht. Also den "Master of the Universe" bei Goldman Sachs und nicht den Investor Elon Musk, der ebenso sein Geld über die Börse in Bewegung setzt. Aber beides sind nur unterschiedliche Ausprägungen derselben Sache. Es ist der Versuch, sich in der Zukunft im Wertaufbewahrungsmittel "Geld" einen Vorteil zu verschaffen, in dem man in der Gegenwart Risiken eingeht.

Und niemand weiss bei einer Innovation vorher, ob sie die Welt positiv verändert oder sinnlos ist. Ebenso wenig lässt sich das für die Spekulation sagen. Wenn man die Spekulation nicht mehr zulässt, verhindert man auch all die positiven Veränderungen, die sie bewirkt. Eine Welt ohne Spekulation ist eine ohne Innovation, eine Welt in Bernstein.

Ich will darin nicht leben. Es wäre die Hölle. Lassen Sie uns also nicht die Spekulation wie die "Hexen" des Mittelalters verteufeln. Lassen Sie uns statt dessen deren offensichtliche Exzesse begrenzen und ansonsten die Spekulation ihre Arbeit machen. Damit die Mittel und Energien der Welt auf Fortschritt und Innovation gerichtet werden. Und sich so am Ende "das Bessere" durchsetzt. Was immer das ist. Wie in der Natur. Auch die Säugetiere haben sich mal gegen die Dinosaurier durchgesetzt.

Lassen wir uns also von der Zukunft überraschen, statt sie zu fürchten !

Ihr Hari

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Gentherapie: Von Bluebird Bio und Juno Therapeutics zu Cellectis

Ein Beitrag unseres regelmässigen -> Kolumnisten <- "Toni", der im "BioTonicum" das Geschehen in der Biotech-Branche begleitet.

Vor wenigen Tagen erschien im Fachjournal Nature Biotechnology ein Artikel zur Preisgestaltung der Gentherapie (The special case of gene therapy pricing, Nature Biotechnology, 2014; 32 (9): 874)

Die Autoren schlagen hier ein alternatives Modell zur Bezahlung gentherapeutischer Behandlungen vor. Da diese sehr teuren Therapien in der Regel nur einmalig ausgeführt werden müssen, sieht ihr Modell eine Art jährliche Ratenzahlung vor, deren Höhe vom Erfolg der Therapie abhängig sein soll. Diese Modell soll den pharmazeutischen Firmen finanzielle Mittel für ihre aufwendige Forschung sichern und gleichzeitig die Kassen des Gesundheitssystems schonen.

Nun ist es allerdings gar nicht meine Absicht, dieses oder ähnliche Modelle zu diskutieren. Vielmehr nehme ich den Artikel zum Anlaß, über den Stand der Gentherapie zu schreiben.

Ist die Gentherapie schon soweit fortgeschritten, dass diese Fragen jetzt in den Vordergrund rücken? Um ein besseres Verständnis für die Entwicklungen in der Gentherapie zu bekommen, will ich heute versuchen, einige Aspekte zu beleuchten.

Was versteht man unter Gentherapie

Wenn auch die molekularbiologischen und medizinischen Zusammenhänge alles andere als trivial sind, so kann man es etwas trocken so formulieren:

Eine medizinische Maßnahme, bei der ein mutiertes Gen, dessen Defekt ursächlich für die betreffende Erkrankung ist, durch das „gesunde“ Gen ersetzt wird. Dabei muss das Gen (bzw die DNA) in die Zellkerne (Nukleus) der Organe oder des Gewebes hineingeschleust werden, in denen es dann als korrekte Vorlage für die Proteinsynthese dient (DNA--> messengerRNA--> Protein). Außerdem soll die DNA stabil in die chromosomale DNA integriert werden. Das neue Gen sollte aber nicht an Stellen im Genom integriert werden, an denen es möglicherweise mehr Schaden als Nutzen anrichtet; nämlich dann, wenn durch sein Einfügen in den DNA-Strang die ursprüngliche Sequenz zerstört bzw. unterbrochen wird (Insertionsmutagenese). Außerdem müssen auch die genetischen Elemente, die für die Regulation des Gens sorgen, vorhanden sein und hoffentlich funktionieren.

Etwas zur Geschichte

Erkrankungen, deren genetische Ursachen schon seit Jahrzehnten bekannt und die mittels konventioneller Medikamentation nicht zu heilen sind, sind z.B. die Mukoviszidose (zystische Fibrose) oder bestimmte Formen der Bluterkrankheit (Hämophilie).

Die Idee, Krankheiten durch den Austausch oder das Einbringen eines Gens zu heilen ist im Grunde so alt wie die Entdeckung der Nukleinsäuren als Träger unserer Erbinformation. Oswald T. Avery postulierte das 1944 aufgrund seiner bahnbrechenden Arbeiten.

Konkreter wurden diese Ideen aber erst in den 1970er Jahren als die Molekularbiologie schon weit fortgeschritten war. Der genetische Code wurde bereits durch Severo Ochoa entziffert und Jaques Monod präsentierte- ebenfalls ein Geniestreich- das Operon-Modell zur Genregulierung. 1972 wurde erstmals fremde DNA in Bakterien (E.Coli) exprimiert.

Mit der Kettenabruchsequenzierung durch Frederick Sanger und Walter Gilbert Mitte der 70er nahm die Molekularbiologie dann aber richtig Fahrt auf.

Trotz all dieser unglaublichen Fortschritte galt die Gentherapie noch als unreife Idee, zu deren Verwirklichung wesentliche Punkte an Grundlagenwissen fehlten.

In den frühen 70er Jahren wurden erste Versuche mit Zellkulturen oder in Tiermodellen erforscht und in den 80er Jahren fügte man rekombinante DNA, also DNA die mittels der molekularbiologischen Techniken erzeugt wird, in Viren ein, um sie mit deren Hilfe in die Körperzellen einzuschleusen. Dabei wurden körpereigene Zellen des Patienten entnommen, die dann ex vivo mit der DNA bzw. dem viralen Vehikel behandelt wurden bevor sie wieder transplantiert wurden. Später wurde dann versucht, die DNA mit verbesserten Vektoren bzw. Vehikeln direkt in den Körper des Patienten zu transportieren (in vivo).

1990 wurde die weltweit erste Gentherapie in den USA durchgeführt:

Bei der Patientin handelte es sich um ein 4 jähriges Mädchen, das an dem schweren kombinierten Immundefekt (-> SCID <-) litt. Bei dieser sehr seltenen Krankheit bildet das Knochenmark keine funktionstüchtigen B- und T-Zellen. Einzige Therapiemöglichkeit bis dahin war die nicht ungefährliche und komplikationsreiche Stammzelltransplantion des Knochenmarks. Der Erfolg dieser Maßnahmen hing daher auch von der Existenz eines geeigneten Spenders ab.

Dieser Therapie, die wegen der kurzen Lebensdauer der genetisch veränderten Leukozyten mehrmals im Jahr wiederholt werden musste, ging ein dreijähriges Genehmigungsverfahren voraus. Im Laufe der nächsten Jahre wurden mehrere Patienten mit ähnlichen Krankheiten auch in Europa behandelt. Obwohl die Therapie erfolgreich ansprach, erkrankten aber einige Patienten nach Jahren an Leukämie. Es wird angenommen, dass dies durch die oben erwähnte Insertionsmutagenese verursacht wird.

1999; Der Rückschlag:

Der damals 18 jährige Jesse Gelsinger, der an der Ornithin-Transcarbamylase-Defizienz litt, überlebte die Therapie aufgrund einer Überreaktion seines Immunsystems auf die Adenoviren, die als Genvektor dienten, nicht.

Im Gegensatz zur konventionellen Therapie , bei der ein Medikament abgesetzt werden kann, sobald sich Unheil ankündigt, ist dies bei der Gentherapie nicht möglich. Ist ein Gen erst einmal im Genom integriert, so gibt es kein zurück mehr.

Für die Gentherapie versprach das nichts Gutes; die FDA stoppte klinische Studien, auch um die ethischen und medizinisch-biotechnologischen Fragen neu zu überdenken. Versuche, die Gentherapie zu kommerzialisieren gerieten in weite Ferne und den wenigen Biotechfirmen, die hierauf spezialisiert waren, drohte ein abruptes Ende.

Zu den wissenschaftlichen Rückschlägen gesellte sich auch die Ablehnung dieser Technik in der Bevölkerung; sei es nun aus ethischen oder religiösen Gründen oder aber aus der Angst vor einer Medizin, deren Risiken überhaupt noch nicht abzuschätzen sind.

Dazu kam noch, dass die Vorstellung über das, was Gentherapie bedeutet, doch sehr vage war (ist).

Natürlich wird heute auch in den Medien vermehrt über die Möglichkeiten der Gentherapie berichtet. Gerade dann, wenn es darum geht, in naher Zukunft Menschen mit Mukoviszidose zu heilen und nicht nur die Symptome zu bekämpfen. Aber häufig verbindet man mit Gentherapie reproduktives Klonen oder Wissenschafltler der Embryonalstammzellforschung, die es mit der eigenen Reproduktion (ihrer Daten) nicht so genau nehmen.

Die Forschung zur Gentherapie führte in den letzten Jahren dennoch zu einem enormen Erkenntnisgewinn. „Versuche“ an seltenen genetischen Erkrankungen offenbarten dabei erstaunliche Erfolge. Dabei steht die Entwicklung sicherer und effizienterer Vektoren, die das Gen zielsicher an den Ort des Geschehens bringen sollen, im Vordergrund.

Biotechs und Pharmaindustrie:

Trotz der -> Fehlschläge <-, mit denen die Gentherapie immer noch zu kämpfen hat, wächst die Zahl der Biotechfirmen und Startups, die sich darauf spezialisiert haben, diese Technik zu kommerzialisieren. Fast alle Pharmaunternehmen betreiben dazu Forschungen oder kooperieren mit Biotechs.

2012 ließ die EMA (European Medicines Agency) unter sehr strengen Auflagen und zeitlicher Begrenzung das erste gentherapeutische "Medikament" zu (zumindest in der westlichen Welt):

Glybera; entwickelt von der niederländischen Firma UniQure (NASDAQ: QURE) zur Behandlung der sehr seltenen Lipoprotein Lipase Defizienz. Die Therapie erscheint dabei fast simpel aber mit 1,6 Millionen Euro auch nicht gerade billig:

Mehrere intramuskuläre Injektionen eines Adeno-assoziierten viralen (AAV) Vektors, der das korrekte Gen für die benötigte Lipase in sich trägt. Um die nicht ungefährliche Immunantwort auf virale Proteine zu unterdrücken, werden die Patienten allerdings mit Immunsuppresiva behandelt. Ein stationäre Behandlung, bei der Gewebe oder Zellentnahme oder aber eine Chemotherapie angewendet wird, ist nich nötig; lediglich die Unterweisung des Arztes ist nötig. So einfach ist es leider nicht bei allen Gentherapien.

 

Bluebird Bio

Dieses Jahr (2014) wurde erstmals ein Patient mit ß-Thalassämie durch das von BlueBird Bio entwickelte gentherapeutische Verfahren erfolgreich behandelt.

Bei dieser Krankheit, genauer bei der schwerwiegensten Form- der Thalassämia major, führen Mutationen im ß-Globin-Gen zu einem nicht voll funktionstüchtigen Hämoglobin und damit zur Bildung defekter roter Blutkörperchen. Bislang bestand die kurative Therapie in der Transplantation hämatopoietischer Stammzellen eines geeigneten, meist verwandten Spenders. Zuvor müssen alle Zellen des Knochenmarks durch Chemotherapie und Bestrahlung zerstört werden. Ein Video dazu findet man auf Bluebirds Website.

2012 wurde Bluebird Bio von FierceBiotech zu den 15 zukunftträchtigsten Biotechs gewählt. “The Fierce 15 celebrates the spirit of being ‘fierce’ – championing innovation and creativity, even in the face of intense competition.”

Bluebirds Börsengang im letzten Jahr brachte dem Unternehmen 116 Millionen Dollar ein. Eine Summe die wohl die Bedeutung, die Investoren der Gentherapie zumessen, unterstreicht. Bluebirds Programme beschränken sich dabei nicht nur auf die Thalassämien.

Hier einmal der aktuelle Chart (Mitte Juni: Bericht über die offenbar erfolgreiche Therapie)

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Bluebird, aber natürlich auch ander Wissenschaftler aus Forschung und Industrie versuchen, die Technik des gezielten Gentransfers weiterzuentwickeln. Ideal wäre es ja, wenn man nur den defekten DNA-Bereich gegen die korrigierte DNA-Sequenz (bei einer Punktmutation nur eine Base) austauschen könnte. Damit bliebe das Gen in seiner ursprünglichen chromosomalen Umgebung erhalten. Insertionsmutationen sollten so ausgeschlossen sein und auch die Regulation des Gens sollt genauso funktionieren wie im gesunden Menschen.

Die molekularbiologischen Methoden, Gene wie mit dem Skalpell punktgenau zu modifizieren oder gezielt an einen Ort zu übertragen („Gen Editing“) haben in den letzten Jahren unglaubliche Fortschritte erzielt. Über die Entdeckung des CRISPR-Systems habe ich hier im Forum schon berichtet.

Es ist natürlich nicht verwunderlich, dass Gentechnikfirmen ein vitales Interesse am Erwerb entsprechender Lizenzen zum Genediting erhalten. Bluebird Bio übernahm dieses Jahr die Firma “Precision Genome Engineering” um deren Homing Endonukleasen zu nutzen.

 

Gentherapie in der Krebstherapie?

Die hier erwähnten Behandlungen monogener Erkrankungen (Krankheiten, die nur auf den Defekt eines Gens zurückzuführen sind) gelten als Paradebeispiel für die Gentherapie im Sinne einer Heilung durch genetische Korrektur. Es scheint, als sei diese Form der Therapie längst aus den Kinderschuhen heraus gewachsen.

Schaut man sich die Pipelines von Firmen wie Bluebird, Kite Pharma, Cellectis oder Juno Therapeutics an, so wird man dort auch Programme zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen finden. Der gentherapeutische Ansatz bei Erkrankungen, die von mehreren Genen verursacht werden, ist hier allerdings ein anderer.

Dies führt uns zu einem der interessantesten Ansätze im Grenzbereich Gentherapie: der adoptiven T-Zelltherapie mittels der CART-Technologie.

Das Prinzip ist, Lymphozyten eines an Krebs Erkrankten zu isolieren und nach entsprechender Aktivierung wieder in den Körper zurückzugeben sehr alt.

Schon 1891 wurde eine Methode der Aktivierung von Lymphozyten in Tumoren angewandt. Trotz einiger aufsehenerregender Berichte blieben reproduzierbare und wissenschaftlich fundierte Erfolge aber aus.

Zu den neueren Erfolgen eines adoptiven T-Zell-Transfers zählen u.a. die Behandlung von Hodgkins Lymphomen (Lymphogranulomatose) durch Epstein-Barr-Virus Infektionen, die sehr häufig nach Stammzelltransplantationen auftreten. Leider funktioniert dieser Ansatz aber nur wenn bestimmte Ausgangsbedingungen vorhanden sind. Das ist nicht immer Fall.

Verschiedene Programme konzentrieren sich darauf, diese körpereigenen Lymphozyten, die sich im Tumorgewebe befinden (Tumor infiltrating Lymphocytes, TIL), außerhalb des Körpers mit Methoden zu aktivieren, die wir neuen Erkenntnissen über Immunregulation und Tumorevasion verdanken.

 

Mit der von Carl June (Juno Therapeutics) entwickelten CART-Technologie werden nun diese körpereigenen (autologen) T-Zellen des Erkrankten genetisch verändert, um sie angriffslustiger zu machen. CART steht für „Chimeric Antigen Receptor T-Cell".

Im Prinzip handelt es sich hierbei um einen artifiziellen T-Zell-Rezeptor, der genetisch so verändert wird, dass er bestimmte Antigene, die auf den Tumorzellen des Patienten exprimiert werden, besser erkennt. Außerdem besitzt dieser Rezeptor eine zusätzliche Domäne, die der Stimulation der T-Zelle dient. Diese ist Voraussetzung für eine effiziente zytotoxische Antwort.

Die CART-Therapie gilt neben den uns schon bekannten Immuncheckpoint Antikörper-Therapien (-> Breakthrough of the Year 2013 <-), zu der wir ja schon hier bei Mr-Market einige Firmen kennengelernt haben, als eines der vielversprechendsten und heißesten Unterfangen im Bereich der Onokologie.

Sicherlich ein Begriff, der etwas überstrapaziert wird, aber die bisherigen Studien zu Leukämieerkrankungen mögen dieses Attribut rechtfertigen.

Der „Markt“ um die CART- Technologie ist ziemlich unübersichtlich, nicht zuletzt weil die Forschungen aus der Zusammenarbeit verschiedener akademischer, nationaler und privater Institute (Fred Hutchinson Cancer Research Center, Memorial Sloan Kettering, National Cancer Institute etc) hervorgingen und weil man sich auf unterschiedliche CART-Varianten und Technologien konzentriert .

Allein in den letzten 2 Jahren haben "CART-Firmen" zwei- bis dreistellige Millionen Beträge über IPOs oder privat aufnehmen können:

Kite Pharma (IPO 2014, $115M) aus Santa Monica benutzt CARTs lizensiert vom National Cancer Institut.

Juno Therapeutics, der Vorreiter hat schon in weniger als einem Jahr 300 Millionen US-Dollar eintreiben können. Novartis unternimmt zusammen mit Forschern der Universität von Pennsylvania (UPenn) und Juno Therapeutics alle Anstrengungen, die CART-Technologie für die akute lymphoblastischen Leukämie zur „Marktreife“ zu bringen. (Mittlerweile scheinen sich Junos und Novartis Wege aber in einigen Bereichen zu trennen, da die Firmen angeblich mit unterschiedlichen CARTs aufgrund von Patentstreitigkeiten arbeiten wollen.)

Auch im CART-Geschäft ist nun der Gentechnik-Experte Bluebird Bio in Zusammenarbeit mit Celgene .

Pfizer versucht offensichtlich einmal mehr seine schwache Position im Onkologiemarkt aufzupeppen. Der Riese ist bereit, der französischen Firma Cellectis 185 Millionen Dollar an Meilensteinzahlungen für jedes erfolgreiches CART-Projekt zu überweisen (es sind immerhin 15).

Cellectis dürfte den Kontrahenten vom wissenschaftlichen know-how zwar weit hinterherhinken; dafür fahren sie aber eine andere, möglicherweise viel attraktivere Strategie:

Cellectis modifiziert nicht in mühseliger Weise die T-Zellen des Patienten, sondern sucht in Spendern nach geeigneteren Lymphozyten, die schon diverse "Krebsantigen" erkennen. Auf diese Art entwickeln sie eine Kollektion verschiedener CARTs, die dann Patienten sofort zur Verfügung ständen.

Dass die im Juni vorgestellten Daten überaus positiv bewertet werden, kann man schön am Kursverlauf der Cellectis-Aktie bewundern.

ALCLS 23.09.14

Fazit

Bei allem Enthusiasmus darf man nicht vergessen, dass sich die Gentherapie noch in einem frühen Stadium befindet.

Vergleichen wir das mit dem langen Weg der monoklonalen Antikörper von ihrer Herstellung durch Köhler und Milstein 1975 bis zu ihrem heutigen Durchbruch in der Medizin, so darf man aber erstaunt sein, wie weit die therapeutischen Ansätze schon gediehen sind.

Wann die Türen zu einer routinemäßigen Klinik geöffnet werden, ist schwer zu beantworten. Genauso offen bleibt die Frage, ob diese meist individuellen ("personalisierten") kurativen Therapien in der Zukunft überhaupt wie konventionelle Medizin vermarktet werden können.

Für die Gesundheitssysteme und die nationalen Zulassungsbehörden von Arzneimittlen ergeben sich auf jeden Fall neue Fragestellungen und große Herausforderungen.

Und auf der Seite der Pharmaindustrie werden sich wahrscheinlich schon Heerscharen von Patentanwälten und Juristen mit dem geistigen Eigentum zur genetischen Modifizierung einer autologen Körperzelle beschäftigen. Aber das soll jetzt nicht das Thema sein.

 

In einem späterern Artikel im Mitglieder-Bereich, werde ich einige Biotechs und Methoden zur Gentherapie vorstellen, die einen völlig anderen Weg gehen. Noch befinden sich diese Versuche in der experimentellen Phase. Die Technologie, die hier genutzt wird, könnte große Vorteile bieten.

Toni

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Alibaba und IPOs – Sinn oder Unsinn für Anleger?

Der folgende Beitrag erschien am 15.09.14 09:45 in Hari Live und wurde für den freien Bereich leicht angepasst, um den Kontext verständlich zu halten

Im Zusammenhang mit einem Kommentar zu Charly Mungers Interview in Sachen Buffett und Berkshire Hathaway, habe ich daran erinnert, dass sich die Wissenden gegenüber den Ahnungslosen dadurch auszeichnen, dass sie wissen, was sie *nicht* wissen. Dieser wichtige Punkt passt in meinen Augen sehr gut zum Thema Alibaba und Börsengängen generell.

Sie haben bisher hier auf Mr-Market nichts zum Börsengang von Alibaba gelesen. Ein Börsengang, der übrigens weniger ein Börsengang, als eine Kapitalerhöhung ist, denn Alibaba ist mit seinem Businessportal alibaba.com schon -> 2007 in Hongkong an die Börse gegangen <- und wurde aber -> 2012 wieder delisted <-. Formal war das natürlich eine andere rechtliche Einheit, dahinter stand aber auch damals Jack Ma und die Internet Plattform Alibaba. Von dieser Geschichte liest man aber nun nichts mehr, warum wohl? Die Antwort erscheint mir persönlich klar: rein - raus - wieder rein ist nicht wirklich vertrauenerweckend. 😉

Aber darüber will ich hier gar nicht schreiben, ich will eigentlich zu Alibaba gar nichts sagen. Ich will Ihnen aber erklären, warum Sie dazu hier auf Mr-Market nichts lesen und auch nicht zu anderen IPOs.

Der Grund ist ganz einfach, weil ich grundsätzlich *NIE* an IPOs teilnehme, sondern immer abwarte, was der Markt daraus macht, nachdem Lockup-Periode und Kurspflege durch die Investmentbanken ausgelaufen sind und sich erstmalig unbeeinflusste Kurse ergeben.

Wenn ich die drei wichtigsten Eigenschaften aufschreiben müsste, die man braucht um konsistent am Markt erfolgreich zu sein, wäre eine der drei Eigenschaften ganz eindeutig der Satz:

-> Man muss gnadenlos rational sein und nur dort agieren, wo man für sich wirklich einen objektiven Vorteil (Edge) erkennen kann, der die eigenen Chancen zumindest zu einem 51 zu 49 Verhältnis führt. Wo man diesen Vorteil rational nicht sehen kann, bleibt man konsequent und ohne Reue fern.

Und es gibt wohl kaum einen Moment bei Aktien, an dem man ein schlechteres Chance/Risiko Verhältnis hat, als bei einem IPO - und zwar egal bei welchem. Warum wird auch schnell klar, wenn man sich mal überlegt, wer sich da mit welcher Motivation gegenüber steht.

Einen IPO, verbunden mit der Last der öffentlichen Berichtspflichten, machen Altgesellschafter nur, wenn sie auf diese Art und Weise zu guten Konditionen aussteigen können und/oder sich Cash ins Unternehmen holen können, auf jeden Fall zu besseren Konditionen, als sie ohne IPO selber erzielen könnten.

Da das Unternehmen aber noch nicht öffentlich ist, wissen genau genommen nur die Altgesellschafter sicher, was im Unternehmen wirklich los ist und was es wert ist. Und ab welcher Schwelle ein IPO ein Premium erzeugen würde, das diesen aufwendigen Weg lohnend macht.

Neben den Altgesellschaftern stehen dann noch die Investmentbanken, die den IPO begleiten und befeuern. Diese kommen gerade dann an das Mandat, wenn sie den Altgesellschaftern versprechen können, dass sie den IPO zuverlässig durchbringen und einen besonders hohen Emissions-Preis erzielen können. Und die Investmentbanken sind auch oft so incentiviert, diesen hohen Preis zu erzielen.

Wir haben also auf der einen Seite zwei starke Kräfte, die genau wissen was im Unternehmen los ist und ein massives, wirtschaftliches Interesse haben, den Preis hoch zu treiben. Er darf zwar nicht so hoch gehen, dass gleich eine massiver Einbruch droht, das würde an der Reputation der Investmentbanken nagen, aber er darf und soll schon 10 oder 20 oder mehr Prozent über dem liegen, was die "Wissenden" dem Unternehmen eigentlich zubilligen, sonst würde man ja keinen IPO machen. Und um trotz eines überhöhten Emissionspreises dann den folgenden Einbruch zu verhindern, gibt es eben Lockup-Perioden und vor allem die Kurspflege der Investmentbanken, weswegen sich ernst zu nehmende Marktpreise erst dann entwickeln können, wenn beide ausgelaufen sind.

Und auf der anderen Seite haben wir die Schafe - Entschuldigung ich meinte natürlich die Investoren 😉 - die zur Tränke geführt werden müssen, aber gar nicht die Daten und Mittel haben, um zuverlässig den Wert des Unternehmens einzuschätzen, wie die auf der anderen Seite des Deals.

Und um die Investoren zur Tränke zu führen, wird natürlich massiv beworben, gute Stimmung gemacht usw. Und eben Themen wie 2007-2012 dezent unter dem Tisch deponiert. "Roadshow" nennt man das, in der die potentiellen Investoren vom Einstieg überzeugt werden sollen, man kann das also mit einer gewissen Logik auch eine "Verkaufsveranstaltung" nennen. 😉 Sicher, wer in den Roadshows sitzt, bekommt sicher tieferen Einblick und die institutionellen Investoren haben ganze Teams, die sich in die Zahlen zum IPO vergraben können. Aber trotzdem bleibt auch da immer noch eine Restunsicherheit, den man kann nur analysieren, was einem von den Altgesellschaftern auch gesagt und gezeigt wird.

Damit ist doch offensichtlich und klar, dass bei so einem Setup - so einem Ungleichgewicht zwischen den Wissenden im Unternehmen und denen, die ihnen ihr Kapital geben sollen - kein 50/50 Chancengleichgewicht existieren kann. Nein, so ein IPO ist strukturell immer eher ein 40/60 Szenario zu Gunsten der Altgesellschafter.

Das heisst nicht, dass nicht auch mal IPOs für die Anleger gut ausgehen können. Auch 40% treffen oft ein. Und es gibt auch IPOs, bei denen es den Altgesellschaftern nicht auf einen schnell Cash-Out, sondern wirklich auf langfristige Aktionäre ankommt und die deswegen auch beim Emissionspreis sehr fair und realistisch sind.

Aber der entscheidende Punkt ist der, den ich oben gemacht habe: es ist sonnenklar, dass wir als kleine Anleger hier keinen Edge haben können! Und deshalb halte ich mich von IPOs generell fern und warte ab, bis Mr. Market Monate später ein unbeeinflusstes Urteil fällt. Und habe keine Reue, wenn dann auch mal ein IPO gut läuft und ich etwas "verpasst" habe.

Denn erneut: Man ist dann erfolgreich, wenn man gnadenlos rational ist und nur dort agiert, wo man für sich wirklich einen objektiven Vorteil (Edge) erkennen kann! Bei IPOs aber kann das strukturell gar nicht der Fall sein.

Ihr Hari

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EZB, First Solar, Facebook, Deutsche Bank – Vier „Hari Live“ Schnipsel

Das Kernproblem eines Konzeptes mit einem geschlossenen Mitgliederbereich - wie ich es hier auf Mr-Market aus gutem Grunde und erfolgreich fahre - ist die Frage, wie man neuen Lesern, die vor der geschlossenen Tür stehen, nahe bringt, was sie denn im geschlossenen Bereich erwartet.

Und die einzige Antwort ist, immer mal wieder einen selektiven Blick durch das "Gucklock" zu ermöglichen. Das will ich heute mal wieder tun und zwar anhand vier aktueller Themen. Ich habe neben dem kurzen Statement zur heutigen EZB Sitzung, die drei kleinen Hinweise/Artikel zu Aktien bewusst alle aus dem gestrigen Tag entnommen, nicht nur weil sie damit aktuell sind, sondern auch um Ihnen zu zeigen, dass dergleichen jeden Tag zu finden ist.

Der Kern des Premium-Bereiches ist "Hari Live", in dem ich über den Tag verteilt den Markt kommentiere, aber auch grundsätzliche Artikel und Themen adressiere. 5-15 Hinweise bzw. Beiträge kommen da an einem typischen Tag zusammen, von denen ca. 3-7 den Umfang eines kleinen Artikels haben.

Daneben gibt es die beiden Kolumnen der Kolumnisten, die uns mit ihrem Fach-Wissen zum Thema "Clean Tech" und "Biotech" sehr bereichern und uns auch schon schöne Gewinne bei Aktien ermöglicht haben, von deren Existenz wir ohne ihre Hilfe noch nicht einmal gewusst hätten. 😉

Und dann ist da auch noch das Community-Forum, in dem wir uns aktiv austauschen und gegenseitig helfen - auch das eine Quelle der Information und Inspiration.

Heute will ich Ihnen aber einen aktuellen Blick durch das "Guckloch" in Hari Live ermöglichen und habe daher vier kurze aber aktuelle Hinweise/Artikel selektiert, die Ihnen im folgenden einen Eindruck vom Charakter der täglichen, aktuellen Informationen in Hari Live verschaffen sollen.

Bitte bedenken Sie, dass diese Beiträge oft in einer thematischen Reihe stehen und sich darauf verlassen, dass die Leser auch die vorhergehenden Beiträge schon gesehen haben. Insofern erscheinen die Beiträge für Aussenstehende vielleicht "kurz angebunden", im Kontext des täglichen Mitlesens über das ganze Jahr, sieht das dann aber ganz anders aus.

Donnerstag 04.09.14 08:50 – EZB Tag

Heute hat das Warten endlich ein Ende und der "grosse" EZB Tag steht bevor. Mario Draghi hat mit seiner geänderten Rede in Jackson Hole die Erwartungen des Marktes massiv befeuert. Und da er im Nachhinein keinen relativierenden Hinweis gegeben hat um den Markt richtig vorzubereiten, kann man davon ausgehen, dass heute "etwas" kommt, was immer das ist.

Denn bei einem Kommunikationsprofi wie Draghi kann man davon ausgehen, dass er sich der Wirkung seiner Worte bewusst ist und die Erwartung des Marktes bewusst steuert. Alles andere käme einer Sensation gleich.

Nun kann man zurecht argumentieren, dass der Markt die möglichen Massnahmen schon eingepreist hat und deshalb eine "Sell the News" Reaktion droht. Das ist auch eine ganz reale Möglichkeit und um den Markt nun positiv zu überraschen, müsste die EZB wahrscheinlich zaubern.

Trotzdem ist auch die Überzeugung, die sich in dem gestern verlinkten FuW Artikel ausdrückt, dass Draghi den Markt enttäuschen muss/wird wahrscheinlich verfehlt. Der Grund ist wieder die Reflexivität. Denn der FuW Artikel in aller Öffentlichkeit beweist, dass der Gedankengang nun von einer "Sell the News" Reaktion auszugehen, auch schon im Mainstream angekommen ist. Und jeder, der sich seiner Erwartungen nicht ganz sicher ist, hat sich dafür nun also wahrscheinlich abgesichert. So wie ich.

Am Ende bleibt uns daher nur festzustellen, dass es in die EZB Sitzung hinein für uns keinen Edge geben kann und jegliche Vermutungen über die Marktreaktion ziemlich sinnlos sind. Wir müssen das einfach abwarten und dann aus der Marktreaktion auf die dann real bekannten Massnahmen unseren Honig für die kommenden Tage und Wochen ziehen.

Festhalten kann man aber, dass man nun auch in Europa und im DAX von einem eher "starken" Markt reden kann. Schauen Sie auf die Reaktion auf die Friedensgerüchte rund um die Ukraine. Als sich dann aber zeigte, dass wir hier über einen "profanen" temporären Waffenstillstand reden und keine der strukturellen Fragen einer Einigung näher gekommen ist, hat der Markt die Gewinne eben nicht abgegeben, sondern einfach behalten. Ein ängstlicher Markt sieht anders aus!

Im übrigen bin ich mir sowieso sicher, dass nur eine Aktion hier eine schnelle Lösung herbei führen könnte: wenn sich die "Nicht-Konfliktpartei" Obama - wegen mir mit Merkel als "Dolmetscherin" - in einen Flieger setzt und im Kreml solange mit der "Nicht-Konfliktpartei" Putin unter 6 Augen zusammen rauft, bis man ein Kompromisspaket geschnürt hat, dass den Interessen aller Seiten halbwegs gerecht wird.

So eine Aktion kann aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn beide Seiten wirklich diesen kompromisslosen Willen zur Einigung haben. Schaue ich auf die psychologischen Strukturen der Handelnden, habe ich da erhebliche Zweifel. Und da ja alle gar keine Konfliktpartei sind 😉 und Putin sich selber als Lügner überführen würde, wenn er es plötzlich doch ist, hat dieser Weg wenig Chancen. Die Karre ist sozusagen im Dreck festgefahren. Und so wird die Krise wahrscheinlich weiter schwären und die Ukraine und die Krim ein Zankapfel bleiben. Und trotzdem scheint den Markt das nicht mehr so sehr zu tangieren - das ist das Zeichen eines starken Marktes

Warten wir also einfach ab. Bezogen auf den DAX kennen wir unser Stopniveau und mehr müssen wir eigentlich für alle unsere Positionen nicht wissen, als den Punkt, an dem wir den Fallschirm auslösen.

Hier sind die -> Themen <- auf die wir achten müssen. Vor allem die Pressekonferenz ab 14:30 Uhr dürfte für Volatilität sorgen.

Ihr Hari

Mittwoch 03.09.14 16:20 – First Solar (A0LEKM, FSLR)

Achtung, unser Dauerbrenner und "Lieblingsaktie" First Solar setzt gerade zum grossen Ausbruch an!

Wenn der sich bestätigt, besteht aufgrund der Grösse der Konsolidierung und der Struktur des bisherigen Trends, ein unmittelbares Potential bis ca. 90 USD für diesen Schub:

FSLR 03.09.14

Gerade die Tatsache, dass der absehbare Rückgang Ende August nur so flach und gering ausfiel, ist dabei als sehr bullisch zu werten und erhöht die Chancen, dass der Ausbruch nun gelingt.

Mittwoch 03.09.14 15:40 – Facebook & die Shorts

Bitte lesen Sie den folgenden Artikel -> die Facebook Aktie fliegt zu hoch <-.

Jetzt wissen Sie ja auch, dass ich im realen Leben ein "Facebook-Hasser" bin, sprich ich kann mit dem Angebot nichts anfangen und habe als Einzelperson auch kein Interesse daran, mich in Belanglosigkeit tausendfach zu "liken". Als Unternehmer verstehe ich, dass es Sinn machen kann und mir auch neue Kunden bringen könnte, ich schliesse daher auch nicht aus, dass Mr-Market auch mal ganz opportunistisch einen Facebook Account bekommt. Aber ich als Individuum, zucke nur desinteressiert die Schultern.

Nun sollte man ja meinen, dass ich mit meinem Bias und im Lichte des obigen Artikels, der perfekte Kandidat wäre, um nun einen Short auf FB einzugehen.

Ganz viele normale Anleger, die klüger als der Markt sein wollen, denken nach so Artikeln auch bestimmt darüber nach. Und mal ganz ehrlich, bevor Sie hier Mitglied wurden, hätte so ein Artikel bei Ihnen nicht auch den Gedanken ausgelöst, FB mal zu shorten? Hmmm? 😉

Glücklicherweise verstehe ich wie der Markt funktioniert und bilde mir bei FB nicht ein, klüger als derselbe zu sein. Ich schaue darauf, was mir das Chart sagt und das sieht so aus:

FB 03.09.14

Sieht so eine bärische Aktie aus? Wohl kaum! So ein Chart shortet man schlicht nicht! Wer es trotzdem macht, kann auch gleich Lotto spielen. Sicher, da könnten nun mal wieder ein paar schwächere Tage kommen, das impliziert das Chart durchaus. Aber im grossen Bild ist das ein bullisches Chart und Unternehmen mit Umsatzwachstum und positiven Trends shortet man nicht. Punkt!

Vielleicht hat der Artikel übrigens recht und FB wird irgendwann eine Topbildung vollziehen. Dann werden wir das sehen und uns dann an den Artikel erinnern. Dann könnte FB vielleicht ein Short werden, wie es Twitter ja auch eine Zeit lang ziemlich eindeutig war.

Aber erst dann. Schlucken wir unsere Selbstüberschätzung also herunter und erkennen wir an, dass alles was in diesem Artikel steht, der Markt schon weiss. Und der Markt trotzdem dieses Chart produziert. Das ist die für uns entscheidende Information!

Mittwoch 03.09.14 11:20 – Deutsche Bank

Das unter anderem -> hier <- skizzierte Swing-Szenario bei der Deutschen Bank läuft bisher wie ein Uhrwerk ab. Man könnte wirklich meinen, da steht eine Glaskugel neben meinem Bildschirm. 😉

Es ist aber einfach nur das Standard-Muster, wie so Wendeformationen gerne ablaufen, nicht mehr und nicht weniger.

DB 03.09.14

Wer der Logik des Artikels gefolgt ist, ist nun bei der Deutschen Bank drin und hat unter dem Tief vom 01.09. abgesichert. Wenn die iSKS nun getriggert wird, sind erhebliche Gewinne drin. Wenn es doch nicht dazu kommt und die Aktie wieder wegkippt, ist der Verlust durch den Stop sehr eng begrenzt.

Übrigens, perfekt ausgeformt ist die rechte Schulter noch nicht. Lieber wäre mir eine Bewegung etwas tiefer und länger gewesen. Insofern ist das Risiko noch leicht erhöht, dass es hier doch noch einmal zu einem marginal tieferen Tief als am 01.09. kommt, das dann erst endgültig die rechte Schulter formt. Trotzdem ist das Setup schon heute so sauber, dass schon heute der Trade zu rechtfertigen ist.

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Unsere Verlustangst oder wie man dem Affen Zucker gibt

Der folgende Beitrag erschien am Donnerstag 16.01.14 11:00 in Hari Live und wurde für die heutige Veröffentlichung im freien Bereich leicht angepasst

Ein Mitglied der Community hat im Forum den folgenden Satz geschrieben:

“Ich habe zum Anfang des Jahres eine kleine Position Barrick bei 12 knapp irgendwas gekauft und sie kürzlich zu 13,11 aufgestockt. Wenn ich schon länger hier dabei wäre, hätte ich das – mit den vernünftigsten Begründungen – vermutlich nicht getan. Trotzdem schlafe ich jetzt besser, weil ich das Gefühl habe, einen Fuß in der Tür zu haben. Psychologischer Hintergrund: ich glaube, ich leide mehr, irgendwo nicht mit dabei zu sein, wo eine Chance lauert, als dabei zu sein, wenn’s bergab geht. Ist das normal? ”

Diese kleine Frage hat wichtigen, grundsätzlichen Charakter und ist unbedingt einen Artikel wert.

Zunächst: ja das ist normal ! Allerdings leiden Anleger nicht bei jeder theoretisch verpassten Chance an Verlust- bzw Verpassens-Angst, sondern nur bei einer, die vorher emotional aufgeladen wurde.

Denn es ist eine in der „Behavioral Finance“ bekannte Tatsache, dass wir Menschen im Durchschnitt Verluste intensiver empfinden als Gewinne. Was wir aber in unserem verfehlten Glauben an unsere „Ratio“ dabei gerne übersehen ist, dass der Massstab von „Verlust“ und „Gewinn“ nicht der objektive Verlust/Gewinn ist, der in Zahlen auf dem Depotauszug zu sehen ist.

Es ist vielmehr die subjektive Wahrnehmung von Bedeutung. Und die ist extrem selektiv und irrational und von massivem Bias geprägt. Wir sehen die Welt mehr durch den Filter der Augen, die etwas sehen wollen, als mit einem objektiven Blick. Sind aber immer zutiefst überzeugt, genau “die Wahrheit” gesehen zu haben. Ich verstehe bis heute nicht, warum in Strafprozessen Menschen mit ihren kognitiven Defiziten als “Zeugen” zugelassen sind und damit das Schicksal anderer bestimmen, aber das ist eine andere Geschichte.

Übrigens, falls Sie das Thema interessiert, empfehle ich den Klassiker von Watzlawick -> Wie wirklich ist die Wirklichkeit <-. Darin geht es vor allem um den kommunikativen Aspekt dieser Wahrnehmung von “Wirklichkeit”, das Problem dehnt sich in Realität sogar auf alle unsere Sinne aus. Denn wir sehen nicht die Wirklichkeit der Welt, sondern lauschen den Mustern unseres Gehirns, die dieses aufgrund des Inputs generiert – ein erheblicher Unterschied, da die Muster durch Kultur und Sozialisierung geprägt werden und nicht objektiv sind! Das Buch ist sehr lesenswert.

Warum also haben viele die an Gold interessiert sind, derzeit grosse Angst, den vermeintlich "sicher" kommenden Anstieg zu verpassen und steigen deswegen immer wieder ein ? Die Antwort ist, weil Sie Angst vor dem grossen Verlustgefühl haben, das eintritt, wenn die Kurse dann doch anziehen und man nicht dabei ist.

Warum haben aber die gleichen Anleger kein intensives Verlustgefühl dabei empfunden, wenn Sie in 2013 vielleicht Tesla und Solar und Biotech verpasst haben, all die Sektoren, an denen wir hier gut verdient haben ? Da wird dann aber die Schulter darüber gezuckt, obwohl die “Verluste” an Gelegenheit vielleicht massiv waren. Aber wie sagt das Sprichwort so schön: “Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss.”

Und warum kann der gleiche Anleger, problemlos eine Anlage massiv ins Minus laufen lassen und seine Augen darüber verschliessen ohne schlecht zu schlafen, wenn er nur das Wort „Value“ auf den Titel darauf geklebt hat ? Warum ist die Sehnsucht nach „Value“ deshalb bei vielen Anlegern so unermesslich gross ?

Alle diese „Warums“ haben eine ähnliche Ursache, die mit unserem eigenen Bias, mit unseren Erwartungen und unserer Verlustangst zu tun haben.

Wir haben Angst den Anstieg bei Gold zu verpassen, weil wir einen massiven Bias haben, der uns fälschlicherweise einflüstert, Gold „muss“ ja wieder steigen. Und solange diese Bias da ist, haben wir inneren emotionalen Druck. Nur hat der Bias leider nicht recht, der Markt „muss“ gar nichts.

Wir haben keine schlechten Nächte bei Tesla etwas verpasst zu haben, wenn und weil wir den Titel nicht mit Erwartungen aufgeladen hatten. Schulterzucken.

Wir können eine Aktie ins Minus laufen lassen, wenn wir uns vorgaukeln das sei ja „Value“ und müsste deswegen sowieso wieder steigen. Erneut ein massiver Bias.

Und unsere Sehnsucht nach „Value“ ist so gross, weil uns das eine Sicherheit vorgaukelt, die unsere armen gebeutelten Seelen so dringend ersehnen, die uns aber der fiese Mr. Market sowieso nie geben wird !

Sie sehen schon, worauf ich hinaus will. „Verlust“ und „Gewinn“ empfinden wir nicht anhand objektivem Plus/Minus im Depot, sondern aufgrund höchst irrationaler Emotionen und Erwartungen. Und deshalb ist das alles kein guter Ratgeber.

Nun sind wir aber alle Menschen und haben das Problem alle, dass unsere Ratio dünner ist als wir glauben und wir weit stärker von Reflexen gesteuert werden, die sich der unmittelbaren Gehirnkontrolle entziehen - unser "geliebtes Affenhirn". 😉

Selbsterkenntnis ist zwar der erste Weg zur Besserung und zeitweise können wir diese Reflexe und Emotionen mit unserem Intellekt auch analysieren und so in die richtigen Bahnen lenken. Aber niemand kann das immer, auch ich nicht. Wir sind Menschen und das hat ja auch seine Vorteile. 😉

Es gibt zwei prinzipielle Arten, die Problematik in den Griff zu bekommen. Beide Arten bespreche ich hier immer wieder;

(1)

Wir können uns selber einer Routine bei den Abläufen unterziehen, die unserem „Affengehirn“ Disziplin aufzwingt. Wenn Sie so wollen, bauen wir uns so selber ein Korsett der Handlungen, das uns helfen soll, der Ratio einen Vorteil zu verschaffen und emotionale Adhoc-Aktionen zu erschweren. Das sind alle meine Ratschläge zum Thema Strategie/Disziplin/Methodik und Checkliste, die ich in Hari Live mit Ihnen teile.

(2)

Wir können unser Affengehirn überlisten, in dem wir dem Affen kontrolliert „Zucker geben“. Das sind Techniken, wie ich sie hier auch immer wieder propagiere, dass man zum Beispiel Positionen in Teilen auf- und abbaut, statt immer schwarz/weiss die digitale rein/raus Frage stellen zu müssen. Wir überlisten uns so selber. Auch das kann sinnvoll sein, solange wir nie vergessen, warum wir das tun und wen wir hier überlisten.

Summa Summarum kann ich nur wiederholen, dass diese Problematik absolut zentral für uns alle ist. Wir alle haben das Problem - leicht unterschiedlich, weil wir unterschiedliche Menschen sind - aber wir alle haben es ! Und deshalb müssen wir die Problematik in unser Vorderhirn auf die Bewusstseinsebene heben. Denn wenn wir es nicht tun, sind wir weiter Sklaven unseres „Affenhirns“ und der Markt deckt diese Mängel gnadenlos auf und das Ergebnis sind rote Zahlen im Depot.

Man kann also zum konkreten Fall der obigen Frage in meinen Augen die folgenden Aussagen festhalten:

1. Verlustängste beim „zwangsläufigen“ Rebound von Gold nicht dabei zu sein, sind irrational. „Zwangsläufig“ ist da objektiv gar nichts, diese Sicht gaukelt uns der Pro-Gold Bias vor. Unsere Überzeugungen erdrücken sozusagen unser rationales Handeln.

2. Die Edelmetalle sind aber aktuell zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einen Blick wert und könnten tatsächlich vor einer Stärkephase stehen. Zumindest eröffnet das Marktverhalten diese Möglichkeiten. Insofern ist es rational, dem „Affen etwas Zucker“ zu geben und erste Startpositionen zu eröffnen, wenn man sowieso den Pro-Gold Bias hat.

3. Wenn man dem „Affen Zucker“ gibt, muss man sich aber auch zwingen, schon vorher klar zu definieren, unter welchen Umständen man den Zucker wieder entzieht. Denn wenn man das nicht vorher tut, wird einen der Bias dazu treiben, einfach drin zu bleiben und die Verluste aussitzen zu wollen. Genau das, was so vielen Laien bei ihren Anlagen passiert, von denen sie typischerweise immer „überzeugt“ sind.

4. Unser Seelenheil, also unser emotionales Kapital, hat mindestens ebenso grosse Bedeutung für den Börsenerfolg, wie das reale Kapital im Depot. Verschleudern Sie also Ihr emotionales Kapital nicht, in dem Sie endlos mit einer Verlustposition mitleiden. Erleben Sie mal, wie befreiend es sein kann, so einen Verlust zu realisieren und damit wieder den Blick frei zu bekommen. Haben Sie also immer eine Exit-Strategie. Das zumindest sollten Sie von Ihrem Affen fordern, bevor Sie ihm im Gegenzug ein Stück Zucker geben ! 😉

Ihr Hari

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Betrachtungen zu Shiller’s CAPE – Sind US-Aktien heute zu teuer?

Betrachtungen zu Shiller's CAPE – Sind US-Aktien heute zu teuer?

Ein Gastkommentar von Tokay

Kürzlich erschien in der „New York Times“ ein Artikel des Nobelpreisträgers Robert Shiller mit dem Titel „The Mystery of Lofty Stock Market Elevations“. Zu Beginn des Artikels stellt Shiller fest, dass sich die Bewertung des amerikanischen Aktienmarktes auf besorgniserregendem Niveau befände und argumentiert dabei mit dem von ihm entwickelten „Cycle-Adjusted Price-Earnings-Ratio“(CAPE). Zuletzt seien die Aktienbewertungen 1929, 1999 und 2007 so hoch gewesen. Ich will diesen Artikel zum Anlass nehmen, und den Erklärungsgehalt des CAPE etwas näher untersuchen. Denn träfe Shillers Schlussfolgerung zu, dann wären die Konsequenzen in der Tat alarmierend.

Zunächst, das CAPE ist eine über zehn Jahre geglättete und zugleich inflationsbereinigte Variante des KGV. Es zielt damit ausdrücklich auf die langfristige Betrachtungsweise, und damit im Prinzip auf Buy-and-Hold-Anleger. Welche Aussage ergibt sich hieraus konkret? Nun, derzeit liegt das Shiller-CAPE für den Standard&Poors 500-Index bei 26. Somit muss man das 26-fache des geglätteten Jahresgewinns für den S&P 500 bezahlen. Dies ist im langfristigen Vergleich ein sehr hoher Wert. Das führt zu der Frage, ob es eine Beziehung zwischen dem Shiller-CAPE und dem langfristigen Ertrag des S&P 500 gibt.

Dazu habe ich den annualisierten Jahresertrag des S&P 500 für die jeweils kommenden zwanzig Jahre, später für fünf Jahre sowie für die Einzeljahre berechnet, und zwar immer ab dem Monat, für den der Kurs des S&P 500 ermittelt wurde. Für jeden Monat habe ich diesen Ertrag in Beziehung zu dem Shiller-CAPE gesetzt. Die entsprechenden Daten hierzu sind auf der Website www.irrationalexuberance.com von Professor Shiller verfügbar. Die folgende Betrachtung bezieht sich auf die Jahre ab 1942. Und zwar 1942 deswegen, weil die Große Depression ab diesem Jahr als überwunden gelten konnte. Das Ergebnis sieht so aus:

20-Jahres-Renditen

Der von Shiller postulierte Zusammenhang zeigt sich hier sehr deutlich. Der Jahresertrag des S&P 500 ist durch das Shiller-CAPE überwiegend erklärbar. Das Ergebnis ist für den heutigen, langfristig orientierten Buy-and-Hold-Investor sehr ernüchternd: Für das heutige Shiller-CAPE von 26 ergäbe sich eine annualisierte Jahresrendite von zwei Prozent. Und sollte gar jemand bei einem CAPE von 30 den Einstieg gewagt haben(was allerdings im Zeitraum 1942 bis 1994 nicht beobachtet werden konnte), so wären die Aussichten auf eine Wertsteigerung in den jeweils nächsten zwanzig Jahren gleich Null. Nach Shiller-CAPE müsste also von einer sehr langfristigen Anlage in den S&P 500 also abgeraten werden.

Nun ist die Frage, besteht der Zusammenhang auf kürzere Sicht ebenfalls, und wenn ja, wie stark ist er? Das Bild ändert sich hier schlagartig:

5-Jahres-Renditen

Hier sehen wir nun, dass der Zusammenhang überwiegend nicht besteht. Zwar sieht es immer noch so aus, dass hohe Aktienerträge eher mit einem tiefen CAPE einhergehen, aber der Zusammenhang ist nur noch sehr locker. Für unser heutiges CAPE von 26 bedeutet das einen durchschnittlich zu erwartenden Ertrag von vier Prozent jährlich Wir sehen allerdings , dass in der Mehrzahl der vergleichbaren Fälle in dieser Konstellation kein positiver Ertrag erwirtschaftet wurde. Ebenso, dass die Spannweite der Jahreserträge sehr hoch ausfällt. Von plus achtzehn Prozent bis minus acht ist hier alles möglich.

Noch extremer wird es bei den Ein-Jahres-Erträgen:

1-Jahres-Renditen

Die negative Beziehung zwischen CAPE und Aktienertrag bleibt zwar bestehen, doch liefert das CAPE in diesem Fall keinerlei Erklärungsbeitrag mehr für die Aktienrendite. Konkret ergibt sich für unseren aktuellen Wert von 26 ein rechnerischer Erwartungswert von knapp 5 Prozent jährlich, jedoch haben sich in der Realität Erträge in einer Spannweite von plus vierzig Prozent bis minus vierzig Prozent ergeben. Damit ist das CAPE als Prognosevariable auf kurze Sicht vollständig ungeeignet.

Kann man sich nun also zurücklehnen? Das kommt darauf an. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, und auch Shiller schreibt das in seinem Beitrag, dass Überbewertungen á la CAPE für längere Zeit anhalten können. So setzte die Überbewertung vor dem Jahr 2000 bereits Mitte der Neunziger Jahre ein. Sie blieb praktisch bis zur Finanzkrise 2008 bestehen und sie besteht erneut seit etwa 2013. Es kann also noch einige Zeit dauern, bis die Kurse aufgrund der hohen Bewertungen tatsächlich zurückgehen. Und es werden einige handfeste Gründe ins Feld geführt, um das derzeitige hohe Kursniveau zu rechtfertigen:

  • Die monetäre Expansion, die zu tiefen Zinsen geführt hat. Demzufolge sind nicht nur Aktien teuer, sondern auch Anleihen.
  • Die hohen Ersparnisse der Baby-Boom-Generation, denen eine lange nicht so hohe Investitionsnachfrage gegenübersteht, was zu einem säkularen Rückgang des langfristigen Zinses führt. Bei konventioneller Geldpolitik würde dies zu einer langfristigen wirtschaftlichen Stagnation führen, weil es für den Finanzsektor uninteressant wäre, langfristige Kredite zu vergeben, da höhere kurzfristige Zinsen lukrativer wären.
  • Die hohe Staatsverschuldung, die dazu geführt hat, dass die Notenbanken die Zinsen tief halten müssen, da der Anteil des Schuldendienstes ansonsten nicht mehr tragbar wäre. Dies wird von den Marktteilnehmern antizipiert und diese kaufen daher Aktien, da diese relativ mehr Ertrag bringen.
  • Das hohe Bewertungsniveau , das mit Wachstumserwartungen verbunden ist, und zwar aufgrund höherer Potentiale infolge von Innovationen und Bevölkerungswachstum. Die höheren Bewertungen entstehen überwiegend im Technologiesektor und nicht in traditionellen Wirtschaftssektoren. Sie sind außerdem entstanden aufgrund des Einbruchs infolge der Finanzkrise.
  • Betrachtet man die Gewinne nur der letzten Jahre, dann ist das Bewertungsniveau lange nicht so hoch.

Dagegen wiederum lassen sich Contra-Argumente ins Feld führen:

  • Das Argument der monetären Expansion unterstreicht nur die Risiken, die mit deren Ende verbunden sind. Denn sinkt die Nachfrage nach Staatsanleihen, dann sinken deren Kurse, steigen somit deren Renditen, und werden daher die Staatsanleihen relativ zu Aktien attraktiver, da die Aktiengewinne höher abgezinst werden, was die Aktien unter Druck bringt.
  • Zeigt die monetäre Expansion außerdem anhaltende Wirkung und belebt sich infolgedessen die wirtschaftliche Aktivität, dann steigt auch wieder die Investitionsnachfrage, was längerfristig zu einer Überhitzung führen kann und damit zu stark steigenden Preisen und Zinsen.
  • Steigen aber die Zinsen an, werden die strukturellen Belastungen für den Staat höher. Dies führt zu steigenden Risikoprämien, damit zu weiter steigenden Zinsen und folglich zu sinkenden Aktienkursen.
  • Die Wachstumserwartungen sind zwar durchaus real, aber bereits in die Kurse eingepreist. Ganz im Gegenteil besteht die Gefahr, dass eine Enttäuschung dieser Erwartungen zu Kurseinbrüchen führt.
  • Auch besteht die Gefahr eines zyklischen Einbruchs, zumal der Anstieg des S&P 500 ab 2009 eingesetzt hat.

Fazit: Insgesamt gibt es im Augenblick noch keinen Grund, in Panik zu verfallen. Das Chart des S&P 500 ist eindeutig - der Markt schenkt momentan ganz überwiegend dem positiven Szenario Glauben. Kurz- und überwiegend mittelfristig sind die positiven Erwartungen keineswegs irreal und mit einem hohen Shiller-CAPE durchaus vereinbar. Auf lange Sicht indes besteht Grund zur Skepsis, da positive Erwartungen, wie sie in den Bewertungen nach Shiller zum Ausdruck kommen, nicht unbegrenzt gesteigert werden können. Werden diese Erwartungen enttäuscht, wird dies unweigerlich zu Kursabschlägen führen. Aber vielleicht entsteht ein „neues Normal“, welches zu einer Verschiebung der empirischen Beziehungen führt ?

Tokay

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Reflexivität – die wichtigste, abstrakte Börsenerkenntnis überhaupt!

Dieser Artikel erschien schon am 04.08.14 11:25 in Hari Live und wurde zwecks Verständlichkeit für die Allgemeinheit überarbeitet

Die wichtigste, abstrakte Börsenerkenntnis überhaupt ? Ja, das ist ein hoher Anspruch, den ich da im Titel zur Reflexivität formuliere. Ich bin aber wirklich davon überzeugt, dass das, was ich Ihnen nun zu vermitteln versuche, die wichtigste abstrakte Erkenntnis ist, die Sie über den Markt gewinnen sollten.

Eine abstrakte Erkenntnis ist dabei kein "heisser Tip", der sie sofort "reich" macht, den gibt es sowieso nur in der Phantasie naiver Mitbürger. Eine abstrakte Erkenntnis ist aber etwas, das Ihnen ermöglicht in Zukunft den Markt und seine Bewegungen besser zu verstehen. Und etwas, das Sie immun gegen allerlei Unsinn macht, der permanent über den Markt geschrieben wird, insbesondere im Bereich der ansteckenden Krankheit der "Prognosiritis". 😉

Die Erkenntnis ist deshalb so wichtig, weil unzählige ansonsten intelligente Marktbeobachter, diese Erkenntnis offensichtlich nicht haben. Denn wir Menschen lieben es, uns die Welt in zweidimensionalen Kausalketten zurecht zu legen. Der Markt ist aber genau das nicht. Unsere Gehirne sind evolutionär so gestrickt so zu denken - auf ein komplexes, selbstreferentielles System wie den Markt, hat uns die Evolution schlicht nicht vorbereitet.

Zunächst einmal, sollten Sie daher lesen und verstehen, was unter -> Reflexivität <- zu verstehen ist. Der Begriff geht auf Thomas und Merton zurück und wird in der Soziologie verwendet. Wir haben es hier aber nicht nur mit einem soziologischen Thema zu tun, sondern mit einer viel generelleren, grundlegenden Eigenschaft von Systemen, die auch Ähnlichkeit mit dem "Beobachterproblem" hat.

Der Gedankengang der Reflexivität hat Schnittpunkte mit der Tatsache, dass wenn ein Biologe ein Rudel Erdmännchen in seinem natürlichen Sozialverhalten beobachten will, er zwingend sicher stellen muss, dass diese nicht wissen, dass sie beobachtet werden. Denn wüssten sie es, würde sich das Verhalten ändern. Die Beobachtung hätte also eine Verhaltensänderung zur Folge, was eine Rückkopplung zum Beobachter auslösen würde.

Der Gedankengang der Reflexivität hat Schnittpunkte mit der Heisenbergschen Unschärferelation auf Quantenebene, die man umgangsprachlich auch so beschreiben könnte, dass die Messung eines Teilchens zwangsläufig mit einer Störung seines Ortes verbunden ist. Die Messung beeinflusst also das Ergebnis zu stark, ein Effekt, der aber erst auf atomarer Ebene seine Wirkung entfaltet, der aber bei genauem Nachdenken nur logisch ist, denn auch eine "Messung" bzw. "Beobachtung" besteht ja aus "Strahlen" also Wellen bzw Teilchen.

Der Gedankengang der Reflexivität fusst auf Grundlagen, die durch Gödels extrem bedeutenden und unterschätzten -> Unvollständigkeitssatz <- in der Mathematik gelegt wurden.

Warum spanne ich den Bogen so weit ? Um Ihnen in wenigen Sätzen ein Gefühl für das dahinter stehende gemeinsame Muster zu verschaffen:

Denn in allen genannten Fällen ist der entscheidende Punkt, dass die Beobachtung bzw Beschreibung eines Systems, das Systemverhalten durch Rückkopplung ändert. Und man daher mit zweidimensionalen Kausalbeziehungen systemimmanent nicht weit kommt.

Und der Markt ist genau so ein Biest. Denn wir Menschen, der wir den Markt beobachten und in Artikeln und Analysen beschreiben, sind gleichzeitig auch Marktteilnehmer und eben nicht unabhängige Beobachter. Und wir ändern unser Verhalten, wenn der Markt etwas macht oder wir eine Analyse lesen, die uns überzeugt. Was aber wiederum zwingend bedeutet, dass wenn die Analyse so überzeugend ist, dass grosse Teile des Marktes darauf reagieren, die Analyse - durchaus mit Parallelitäten zu Schrödingers Katze - selber ausser Kraft gesetzt wird. Der Markt hat sozusagen durch die Analyse seinen "Ort" gewechselt bzw der wahre Ort ist "verschmiert" worden und nicht mehr richtig zu beobachten.

Deshalb ist es so, dass wenn alle am Markt in die gleiche Richtung denken, der Markt fast zwangsläufig in die Gegenrichtung laufen muss, der folgende -> Artikel zu Anleiherenditen <- ist dafür ein schönes Beispiel. Denn wenn alle gleich denken, sind eben auch alle gleich positioniert und der Weg des geringsten Widerstandes geht in die Gegenrichtung.

Übersetzen Sie jetzt aber bitte nicht "Reflexivität" einfach trivial mit "Antizyklisch", das ist nicht das Gleiche! Im Gegenteil, es gibt gerade in Deutschland eine ganzes Heer selbst ernannter "Antizykliker", die vom bevor stehenden Zusammenbruch des Finanzsystems überzeugt sind, und die sich zwar emotional wohlig als Teil einer kleinen vermeintlich "wissenden" Gemeinde fühlen, in Wirklichkeit aber der pure Mainstream sind. Und auch solche Thesen unterliegen der Reflexivität, wovor sich der Markt schon fürchtet, kann nur schwer eintreffen. Man könnte auch sagen, ein "Antizykliker" mit viel Gesellschaft und vielen Lesern kann keiner sein. 😉

Deshalb springt die -> Effizienzmarkthypothese <-, auch wenn im Umfeld der Hypothese Nobelpreise verliehen werden, für mich viel zu kurz. Denn darin wird ein Gegensatz von Nachrichten auf der einen Seite und deren Verarbeitung auf der anderen Seite gemacht. Ganz analog zu einem nicht sozialen System, wie einem Automotor, bei dem man auch ganz wissenschaftlich untersuchen kann, wie der auf bestimmte Umweltreize (Nachrichten) reagiert. Und bei nicht reflexiven Systemen wie dem Automotor, kommt man mit solchen zweidimensionalen Kausalbeziehungen auch zu guten Ergebnissen.

Nicht aber am Markt, denn der sind wir. Und so haben wir permanent Rückkopplung. Um es auf das Nachrichtenmodell der Effizienzmarkthypothese zu übertragen, sind die Bewegungen des Marktes also die Nachricht, die wiederum zu Reaktionen und Anpassungsverhalten führt. Der Markt generiert also selber permanent Nachrichten, in dem er sie verarbeitet. Es ist deswegen in einem selbstreferentiellen System systemimmanent unmöglich, Nachrichten völlig effizient zu verarbeiten. Der Grund liegt in der Rückkopplung, der Reflexivität. Es ist ebenso unmöglich, wie festzustellen, ob Schrödingers Katze nun lebt oder tot ist. Und es ist ebenso unmöglich, wie das Leben der Erdmännchen authentisch zu studieren, wenn die wissen, dass sie beobachtet werden. Und ebenso unmöglich, wie ein hinreichend mächtiges, konsistentes formales System, die eigene Konsistenz nicht beweisen kann - genau das ist Gödels Unvollständigkeitssatz.

Ich will damit gar nicht sagen, dass die Effizienzmarkthypothese völlig wertlos ist. Nein, unter den von ihr angenommen Voraussetzungen, ist sie eine sinnvolle Beschreibung der Informationsverarbeitung. Das Problem ist nur, dass die Voraussetzungen nicht mit der Realität im Einklang stehen. Der Markt ist eben nicht nur eine "Nachrichtenverarbeitungsmaschine", sondern in dem er Nachrichten verarbeitet im gleichen Masse auch eine "Nachrichtenerzeugungsmaschine" - Reflexivität eben.

Übrigens gibt es für solche näherungsweise richtigen, im grösseren Masstab aber dann doch unzureichenden Theorien, auch eine Entsprechung in der Physik. Newton war ein grosser Physiker und sein Gravitationsgesetz ist bedeutend. Und trotzdem ist es objektiv gesehen nicht zutreffend, weil es eben nicht im ganzen Universum gültig ist, sondern nur eine zutreffende Annäherung an die von uns auf dem Planeten Erde praktisch erlebte Wirklichkeit darstellt. Aber immerhin kann man aus Newtons Gravitationsgesetz, ganz praktisch und pragmatisch konkrete Berechnungen ableiten, die dann bis auf wenige Kommastellen auch auf unserer Lebensebene zutreffende Annäherungen liefern. Von der Effizienzmarkthypothese und den Märkten kann man das nicht sagen.

Deshalb gibt es übrigens auch keine "Weisheit der Masse" am Markt, wie uns das neue Thema "Social Trading" gerne glauben machen will. Systembedingt gibt es nur eine "Dummheit der Masse". Denn wenn zu viele Menschen die gleiche Überzeugung haben, kann sie am Markt wegen der Rückkopplung nicht mehr funktionieren. Der Erfolg einer Idee ist beim Social Trading also gleichzeitig ihr Untergang. Die Meinung vieler Menschen einzuholen und miteinander zu verknüpfen, hat daher nur dann einen Wert, wenn diese Meinungsbildung unabhängig und unbeobachtet vom Markt stattfindet. Genau das macht Social Trading aber nicht, sondern das Gegenteil, die Rückkopplung ist voll da.

Das Anlageteam, das sich zusammen setzt und die Lage diskutiert, erzeugt also einen Mehrwert bei der Einschätzung, weil viele Augen mehr sehen, als wenige. Was wir hier im abgeschotteten Bereich von Mr-Market.de diskutieren, erzeugt Mehrwert, weil es der Markt nicht weiss und wir zu wenige sind, um den Markt durch unsere Verhalten nachhaltig zu beeinflussen.

Aber wenn sich zum Beispiel im Social Trading jemand lange an der Spitze hält, weil er so toll illiquide Nebenwerte selektiert, dann werden tausende darauf aufmerksam und ihr Verhalten ändern. Und da es illiquide Nebenwerte sind, wird es eine Rückkopplung geben und sich deren Kursentwicklung verändern. Und am Ende hat der Erfolg des Social Trading Konzeptes gleichzeitig seinen Untergang herbei geführt. Das genau ist die Reflexivität.

Ich hoffe, ich habe Sie nicht verloren. Es ist schwierig, den komplexen Gedanken in seiner Gänze zu Papier zu bringe. Betrachten Sie das Thema aber nicht als abstraktes Wissen, sondern versuchen Sie zu erfassen, was das Folgende bedeutet:

Der Markt ist ein selbstreferentielles, reflexives System, in dem die Beobachter des Marktes, gleichzeitig die handelnden Marktteilnehmer sind und permanent durch Rückkopplung in ihren Handlungen beeinflusst werden.

Der Markt ist eben kein statisches, lebloses Objekt wie ein Automotor, den man nur lange genug studieren muss, um seine Geheimnisse zu ergründen. Sie werden aber erstaunt sein, wie unzählig viele Studien und Forschungen - auch und gerade in der Ökonomie - den Markt so untersuchen, als ob er ein "Automotor" ohne Rückkopplung wäre. Diese Studien müssen zwangsläufig zu völlig irrelevanten Ergebnissen kommen, denn wenn die Grundannahmen einer Theorie nicht der Realität entsprechen, wird auch das theoretische Gebäude dann Unsinn produzieren, ganz egal wie durchdacht und mathematisch anspruchsvoll das Gebäude ist.

Der Markt reagiert also nicht nur auf exogene Nachrichten, sondern er schafft durch sein Verhalten wiederum selber Nachrichten, die wiederum die Beobachter zu Handlungen motivieren - ein beständiger Kreisschluss, zwischen Beobachtern und Handelnden, der sich selbst in Bewegung hält. Kein Wunder, wir sind ja beides, Beobachter und Handelnder.

Wer ein bisschen Einblick hat, wie zum Beispiel in der 2008er Krise Vorstände von Unternehmen Investitionen zurück hielten und damit den Abschwung verstärkten, weil der Einbruch des Marktes Gefahr signalisierte, obwohl der Effekt noch gar nicht beim eigenen Auftragseingang angekommen war, der konnte diese sich rückkoppelnden und wellenartig aufschwingenden Effekte hautnah beobachten. Das Wissen um die kommende Krise hat eine neue Wirklichkeit des Handelns geschaffen und dieses Handeln wiederum hat die Krise erst so richtig tief werden lassen.

Wer ist da Henne und wer Ei? Ich weiss es nicht und die Frage ist auch irrelevant. Nur unser auf zweidimensionale Kausalketten gedrilltes Gehirn will dafür unbedingt eine Antwort, wo keine nötig ist. Genau das ist aber Reflexivität. Und genau eine solche systemisch, dynamische Wirklichkeit wollen unsere für das Überleben in der Savanne gebauten Hirne nicht akzeptieren. Wir suchen immer nach klaren Kausalketten, auch wenn keine da sind. So sind wir halt gestrickt.

Deswegen kann der Markt Nachrichten gar nicht "effizient" verarbeiten, weil es zu oft gar keine objektiven Nachrichten gibt, sondern nur der Markt selber die Nachricht ist und im eigenen Saft schwingt. Die klare Trennung zwischen Nachricht auf der einen Seite und verarbeitendem Markt auf der anderen, ist also eine Annahme, die unzutreffend ist - es gibt diese klare Trennung in der Regel nicht. Und Theorien, die auf unzutreffenden Axiomen beruhen, mögen in sich konsistent sein, unzutreffend sind sie aber trotzdem.

Deswegen ist der Markt permanent und systemimmanent "ineffizient" und für intelligente Menschen, die das verstehen, bieten sich erhebliche Potentiale den Markt zu schlagen.

Deswegen ist es aber so schwierig den Markt zu schlagen, denn der Markt sind wir, er weiss sozusagen, was wir denken und wovor wir uns ängstigen. Der Markt ist ein Pokergegner, der einen permanenten Vorteil hat, weil er weiss, wie unser Blatt aussieht. Und diesen Vorteil können wir dem Markt als Individuen nur dann nehmen, wenn wir gut verstehen, was die Mehrheit des Marktes denkt. Denn die Denkweise und damit verbunden die Erwartungen der Mehrheit bestimmen, was der Markt macht.

Das ist das Thema der Reflexivität. Der Markt ist ein Biest, dass sich permanent an unsere Erwartungen anpasst und es uns daher so schwer wie möglich macht. Kein Wunder, denn wir sind dieses Biest selber. Wer solche Systeme mit zweidimensionalen Kausalbeziehungen analysieren will, springt um Dimensionen zu kurz.

Das ist die Erkenntnis, die ich Ihnen mit diesem Artikel vermitteln wollte. Das Thema klingt bei mir immer wieder durch, dieser Text ist der Versuch, mal einen Kontext herzustellen.

Das zu tun ist deshalb so schwierig, weil ich versuche über ein Metathema komplexer Systeme zu sprechen, das in die Wissenschaftstheorie hinein geht und viele Wissensgebiete beeinflusst, nicht nur die Soziologie oder Ökonomie. Und es ist ein Thema, das nicht sehr populär ist, weil es uns Menschen emotional sehr viel lieber ist, die Welt kausal in wenn->dann Beziehungen zu beschreiben, als sie als ein systemisches Wesen mit "Eigenleben" zu begreifen.

Zum Thema übrigens noch eine Buchempfehlung. Das Buch ist älter, aber in seiner Art einmalig, weil es verschiedene Wissenszweige miteinander verknüpft und das Muster der Selbstbezüglichkeit dabei aufzeigt: -> Gödel, Escher, Bach <-

PS:

Ach ja, kluge Köpfe, die es überhaupt bis hier unten zum PS geschafft haben und durchdrungen haben, wovon ich da oben schreibe, werden sich jetzt fragen, warum ich diese Erkenntnis in einem öffentlichen Blogeintrag teile, denn damit unterläge sie ja auch der Reflexivität. 😉 Guter Punkt, kann ich da nur sagen!

Die Antwort ist einfach, es wird sowieso kaum jemand wirklich durchdenken und schon gar keine Schlussfolgerungen für das eigene Handeln am Markt ziehen. Denn diese Erkenntnis läuft unseren menschlichen Gehirnstrukturen zuwider, wir mögen solche Wahrheiten nicht. Und was wir nicht mögen, strafen wir mit Nicht-Beachtung und sonnen unser Ego lieber in unserer kausalen Kontrollillusion, auch Prognose genannt. 😉

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Marktlage Update S&P500 – Die Macht der Muster

Vor genau einer Woche, habe ich hier im freien Bereich zuletzt einen Blick auf die allgemeine Marktlage gerichtet und Ihnen im Artikel -> Die grosse Marktlage am Beispiel des Leitindex S&P500 <- drei Charts des Leitindex S&P500 gezeigt mit dem Hinweis, dass diese Charts Ihnen ein aussagekräftiges und objektives Bild der Lage vermitteln.

Was ist dann in der letzten Woche nicht alles passiert, denken wir nur an die zumindest übertriebene Meldung am Freitag zu direkten Kampfhandlungen zwischen der Ukraine und Russland, die den DAX hat über 200 Punkte abstürzen lassen.

Und trotzdem, alles was Sie wissen mussten, war in diesen drei Charts und heute, eine Woche später, ist es exakt so gekommen, wie die Charts indiziert haben. Mehr musste niemand wissen, um die Marktlage richtig einzuordnen.

Denn um zu rekapitulieren, sahen wir da einen etablierten Aufwärtstrend mit der guten Chance auf der Trendlinie nach oben zu drehen. Wir sahen die entscheidenden Unterstützungs- und Widerstands-Strukturen, die einen Rebound von einer echten Korrektur trennen und wir sahen die im Aufbau befindliche, potentielle inverse Schulter-Kopf-Schulter Formation (iSKS), bei der damals noch nicht einmal die rechte Schulter Realität war.

Eine Woche später ist die iSKS fast vollendet. Und wer die rechte Schulter zum Einstieg nutzte, nach dem klar wurde, dass es eine rechte Schulter und kein Absturz wird, sitzt nun auf schönen Gewinnen:

S&P500 19.08.14 2

Wer dagegen versuchte, rein aus dem Chart des DAX viel Honig zu ziehen, sitzt nun in einem rechten "Chaos" zwischen Bärenflagge mit erneutem Absturz unterhalb 9400 und doch einem vollen Rebound. Der Grund für das Chaos ist zweierlei. Erstens ist der DAX weit stärker durch die geopolitischen Ereignisse in der Ukraine beeinflusst. Zweitens aber, ist und bleibt der DAX ein "Nebenindex" im weltweiten Massstab - sozusagen ein "Hündchen", dass an der langen Leine der Wallstreet liegt und eben von ausländischen Kapitalströmen massgeblich beeinflusst wird.

Wenn man für die Lage der Weltmärkte die besten und verlässlichsten Signale will, ist einfach der S&P500 der Ort der Wahl. Schauen Sie nur, wie die Falschmeldung von Freitag im S&P500 nur der (erfolgreiche) Retest der Nackenlinie der iSKS war. Schon das indizierte die Stärke, die wir nun seit Anfang der Woche wieder sehen.

Jetzt werden mich einige der freien Leser bestimmt wieder fragen wollen, wie es nun weitergeht. Meine Antwort wird Ihnen nicht gefallen, denn die lautet: "Tut mir leid, Sie stellen erneut die falsche Frage!"

Wie es weiter geht, weiss niemand. Die Zukunft ist offen. Und die, die gerne darüber fabulieren, wissen es schon gar nicht. Vielleicht kommt Morgen wieder eine Nachricht aus der Ukraine und alles ist anders. Vielleicht wird der S&P500 - nachdem die iSKS ihr Bewegungsziel oberhalb 1980 erreichte - nun ein niedrigeres Hoch generieren und in ein Top übergehen. Vielleicht werden aber auch die 2000 im S&P500 bald fallen und der Aufwärtstrend weiter gehen. Hören Sie einfach auf, Ihre wertvolle Lebenszeit und Energie mit Spekulationen zu Dingen zu vergeuden, die Sie sowieso nie vorher sehen werden!

Tun Sie besser etwas anderes. Denn obwohl wir die Zukunft nicht kennen, wissen wir aber eine ganze Menge bei den Dingen, die wir wirklich in der Realität des "Hier und Jetzt" beobachten können. Und die sollten wir nicht übersehen:

(1) Wir wissen, dass ein Erreichen des Bewegungsziels im S&P500 eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit hat. Und alle, die die iSKS erkennen konnten, hatten die Chance einen guten Teil dieser Stärke der letzten Tage mitzunehmen. Wir in der Mr-Market Community haben das mit grosser Freude getan.

(2) Wir wissen, dass die US Märkte in einem nicht gebrochenen, sehr starken Aufwärtstrend sind. Und dass es keine weltweite Baisse gibt, ohne dass auch US Indizes Schwäche zeigen.

(3) Wir sehen, dass ein Markt,der im Zuge all der geopolitische Krisen so nahe der historischen Höchststände navigiert, grosse innere Stärke hat. Und dabei verarbeitet der Markt sogar die Annahme, dass die FED die Zinsen irgendwann in 2015 anzieht.

(4) Wir wissen, dass uns der Markt mit neuen Mustern schon bald zeigen wird, ob er zu neuen Hochs aufbricht oder hier nun "stallt" und ein Top ausbildet. Wir müssen nur akzeptieren, dass wir ein Top nie zum exakten Zeitpunkt und nie "vorher" erkennen können, wie sollte das denn auch gehen, das wäre sinnloses Raten? Aber wenn sich die Muster zeigen, ein gutes Stück unter dem Top, werden wir sie erkennen, wie wir auch diese Wendeformation vor einer Woche erkennen konnten. Und so können wir immer noch einem Grossteil der Bewegung aus dem Weg gehen und stehen weit besser da als alle, die nur den Stimmungen hinterher rennen.

In Summe ist es also die völlig falsche Frage zu fragen, wie die Kurse morgen sein werden. Wer sich von diesem Ratespiel nicht lösen kann, wird nie auf einen grünen Zweig kommen, denn die Zukunft ist und bleibt unbestimmt. Dass eine ganze Industrie existiert, die Ihnen etwas anderes vorgaukeln will: geschenkt. 🙂

Richtig und sinnvoll ist es aber, die ganze Energie darauf zu verwenden um zu erkennen, was der Markt gerade jetzt in der Realität tut - und dann seine Aufstellung an dieser Realität zu adjustieren. Wenn Sie das schaffen und das mediale Rauschen ausschalten lernen, dann kennen Sie die Kurse von morgen immer noch nicht. Sie sind dann aber so sinnvoll aufgestellt, dass Sie die unbestimmte Zukunft gelassen kommen lassen können.

Zum klassisch prozyklischen Markt-Geplapper der Massen-Medien, hat übrigens Josh Brown gerade einen kurzen, witzigen Beitrag. Das ist wirklich -> LOL <- und so typisch! 😉 Und übersehen Sie bitte nicht seinen zynisch, sarkastischen Kommentar "Keep playing, let me know how this works out for you." am Ende des Posts. Da kann ich wirklich nur belustigt grinsen. 🙂

Ihr Hari

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Der Junk Indikator und die Korrektur in DAX und S&P500

Treue Leser des freien Teils von Mr-Market erinnern sich sicher, dass ich Ihnen Ende letzten Jahres im Artikel -> Die Märkte und der Junk Indikator <- einen Indikator vorgestellt habe um zu schauen, ob es sich bei einer Korrektur um eine ernst zu nehmende Korrektur handelt, in der es systemische Ängste gibt, oder nur um eine rein technische Verschnaufpause im Aufwärtstrend.

Bitte lesen Sie diesen obigen Artikel noch einmal, denn ich werde hier nicht erneut erklären, worum es bei dem Junk-Indikator geht. Ich werde nun mit Ihnen aber mal im Lichte der laufenden Korrektur schauen, ob sich dieser bewährt hat.

Nun, deutlich vor der Korrektur, am 18.07., konnte ich mit den Premium-Mitgliedern in Hari Live den folgenden Kommentar teilen:

Freitag 18.07.14 11:05 - Junk Indikator sendet erstes Warnsignal

Treue Leser kennen meinen Artikel vom "Junk-Indikator" von Ende letzten Jahres. Und wenn Sie den Artikel nicht kennen, sollten Sie ihn nun unbedingt lesen: -> Die Märkte und der Junk-Indikator <-

Dieser Indikator beruht auf dem US ETF "JNK" (-> SPDR Barcleys High Yield Bond ETF <-), der hochprozentige Hochrisiko-Anleihen in sich vereint. Die Logik dahinter vermittelt der obige Beitrag.

Dieser Indikator hat das ganze erste Halbjahr nie ein Warnsignal gesendet und der ETF JNK befand sich in einer beständigen Aufwärtsbewegung. Das war ja auch die richtige Sicht auf die Märkte, die nun in der Nähe historischer Höchststände stehen.

Leider hat sich das nun seit Anfang Juli geändert:

JNK 18.07.14

Der Einbruch ist deutlich sichtbar. Im grösseren Bild ist da immer noch nichts Weltbewegendes passiert, aber es ist eben ein erstes kleines Warnsignal, dass sich die Grosswetterlage ändern könnte und Risiken wieder mehr in den Fokus des Marktes geraten. Erneut, eine Schneeflocke macht noch keinen Börsenwinter, aber übersehen sollten wir die ersten Schneeflocken auch nicht.

Sie sehen, der Indikator hat rechtzeitig angeschlagen und gezeigt, dass sich hier nun Sorgen im Sinne "Risk Off" im System breit machen. Kein Wunder, denn das wovor sich der Markt letzten Juni/Juli gefürchtet hat, ist nun Realität geworden. Das Tapering läuft und der Stimulus der FED ist bald Geschichte.

Nun richtet sich der Blick des Marktes auf die Zinserwartungen, die gerade im Junk Indikator ihren Niederschlag finden. Und alles schaut ängstlich, ob und wann die FED die Leitzinsen zum ersten Mal seit langer Zeit wieder erhöhen wird.

Nun haben wir also die Korrektur und wir haben eine massive Unterperformance des DAX, die in hohem Masse mit Abflüssen von institutionellem US Kapital aus dem Euro und damit auch dem DAX zu tun haben dürfte. Und das ist doch ein Grund, mal wieder zu schauen, was uns der Junk Indikator sagt. Gestern Abend habe ich das wieder in Hari Live getan und hier ist das Ergebnis:

Montag 04.08.14 19:15 - Junk Indikator

Ich habe ja schon oft über den "Junk Indikator" geschrieben, mit dem man einen Blick auf die hochriskanten High Yield Anlagen nimmt um zu erkennen, ob eine Korrektur des Marktes "systemisch" ist, sprich es grundlegende Ängste und Umschichtungen gibt, oder ob es sich nur um eine unkritische, rein technisch bedingte Konsolidierung im Aufwärtstrend handelt.

Nun, die Aussage des Charts ist eindeutig:

JNK 04.08.14 2

Erstens einmal, ist das der erste ernst zu nehmende Einschlag, seit dem Juni letzten Sommers. Und damals hatte Ben Bernanke die falschen Sachen gesagt und den Markt in Unsicherheit um die zukünftige FED Politik gestürzt. Schnell im Juli hat Big Ben das dann damals wieder eingeholt und danach normalisierte sich alles. Alle kleinen Rücksetzer seit dem Sommer 2013, signalisierten im JNK keine Gefahr und waren am Ende auch keine Gefahr. Nun haben wir eindeutig wieder ein Gefahrensignal.

Zweitens, zeigt der Vergleich mit dem Einbruch letzten Juni, wo wir potentiell in der Entwicklung stehen. Die beiden blauen Rechtecke könnten an der gleichen Stelle der Entwicklung sein.

In Summe sagt der Indikator also ganz klar, dass diese Korrektur sehr ernst zu nehmen ist und das eine zweite Absturzphase nach einer temporären Stabilisierung eine gute Eintrittswahrscheinlichkeit hat.

Bleiben wir also in unserer "Komfortposition" in unseren Depots und strecken nicht zu früh die Köpfe heraus, nicht dass diese dann sofort wie Champignons abgeschnitten werden .... 😉

Dem ist wohl nicht viel hinzu zu führen. Nun ist auch der Junk Indikator kein Allheilmittel, er reagiert halt sehr schnell auf systemischen Stress, der zu einer "Risk Off" Haltung führt. Denn dann werden solche wackeligen Junk-Bonds als erstes abgestossen.

Der Junk Indikator hat aber natürlich ebenso keine Glaskugel, wie alle anderen Indikatoren auch und er kann schon gar keine exogenen Events wie Kriege usw vorher sehen. Und wenn die FED theoretisch morgen ihren Richtung ändern würde, kann auch das der Indikator nicht erahnen, wie denn auch?

Er kann uns aber sagen, wie sehr sich der Markt um diese Themen sorgt und das alleine ist eine wichtige Botschaft, die uns bei der Analyse von Bewegungen sehr helfen kann.

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Der Euro, der Dollar, der DAX und die Wettbewerbsfähigkeit

Ich weiss, ich weiss, Sie wollen heute lieber etwas von mir zum Marktgeschehen lesen. 😉 Diese Aktualität und Guidance ist aber den Mitgliedern vorbehalten. Ich habe für Sie hier aber einen Artikel zum EURUSD Währungspaar, den ich gestern Vormittag um 10:30 in Hari Live Online gestellt habe. Und der ist ja vielleicht auch nicht uninteressant:

Witzig, ich wollte heute etwas Grundsätzliches zu der Frage schreiben, ob bei einem fallenden Eurokurs nun die Abflüsse ausländischen Geldes überwiegen, oder die kurzfristig gewonnene Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie, da hat Jochen Steffens -> hier <- genau das zum Thema gemacht. Ich gebe ihm von der Grundaussage her recht, möchte den Sachverhalt aber trotzdem vielleicht noch etwas prägnanter erklären - wie von mir sowieso geplant.

Zunächst einmal die Grundlagen:

1. Es ist bekannt und Faktum, dass der DAX in Mehrheit von ausländischen Investoren dominiert wird und darunter wiederum in Mehrheit von US Investoren der Wallstreet.

2. Es ist bekannt und Faktum, dass ein fallender Euro zu Währungsverlusten bei diesen Anlegern führt, was ihre Motivation dämpft, ausserhalb des Dollarraumes anzulegen.

3. Es ist bekannt und Faktum, dass eine schwächer werdende Währung, kurzfristig der Exportindustrie des Landes hilft, weil die Industrie bei den Preisen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger wird - auch wenn nach meiner festen Überzeugung langfristig eine schwache Währung genau das Gegenteil bewirkt, weil sie den Druck zur internen Optimierung und Innovation nimmt.

4. Es ist bekannt und Faktum, dass der DAX und die europäischen Märkte seit einiger Zeit eine klare Unterperformance zum S&P500 zeigen.

Dieses alles voraus geschickt, stellt sich nun also die Frage, was bei der Kursentwicklung des DAX dominiert, die Abflüsse der US Gelder wegen der Währungsverluste, oder die höhere preisliche Wettbewerbsfähigkeit.

Meine persönliche Antwort darauf ist ganz klar und ohne Konjunktiv: Beides! Der Zeitfaktor macht den Unterschied. Ich will Ihnen das an einem theoretischen Szenario des EURUSD Währungspaares verdeutlichen.

EURUSD 31.07.14

Sie sehen die Entwicklung von EURUSD bis heute und Sie sehen einen angedachten weiteren Verlauf, den ich hier als Szenario eingezeichnet habe. Damit ist keinerlei Prognose für EURUSD verbunden, dieses theoretische Szenario dient ausnahmslos nur dazu, den Punkt hier an einem fiktiven Beispiel zu verdeutlichen.

Während EURUSD bei 1,40 toppte und die FED begann, über eine Zinserhöhung zu grübeln, stellte die EZB eher erhöhten Stimulus in den Raum. Das hat in weiten Teilen die Erwartung geprägt, dass der Euro aus fundamentalen Gründen bald zu fallen beginnen sollte und so ist es ja dann auch gekommen.

Diese Erwartung aber bewegt die Märkte, wie wir hier ja wissen und deswegen haben institutionelle Investoren schon damals begonnen, aus Sorge vor Währungsverlusten den Euro-Raum unterzugewichten. Unter anderem deshalb, dürften wir diese aktuelle Unterperformance des DAX erleben - es fehlt an ausländischen Zuflüssen.

Anders herum brauchen die realen Vorteile bei der Wettbewerbsfähigkeit aber Zeit, diese müssen sich erst durch das System fressen. Denn Märkte sind nicht so schnell preisreagibel, wie die Erwartungen der Menschen, oft spielen ja auch langlaufende Kontrakte eine Rolle bei den Preisen. Und auch die Quartalszahlen, die dann aufgrund von Währungsgewinnen gut aussehen, werden ja erst in ein paar Monaten veröffentlicht.

Wir haben hier also mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zeitliche Disparität zwischen ganz real anstehenden Währungsverlusten für US Investoren, auf die diese sehr schnell und sogar vorausschauend reagieren. Und vielleicht später eintretenden erhöhten Gewinnen der Unternehmen durch Währungsgewinne.

Wenn dieses Bild zutrifft - und davon bin ich überzeugt - wird sich die Erwartung des Marktes also bei weiter fallendem Euro, der sich einem Boden nähert, umkehren. Dann haben die US Investoren ihre DAX Bestände ausreichend abgebaut und sie werden sich Gedanken darüber machen, ob dieser schwache Euro nicht die Gewinne der DAX Unternehmen treiben wird.

Und so überwiegt am Anfang der Bewegung für den DAX der negative Effekt des fallenden Euros, am Ende dürfte aber der positive Effekt überwiegen. Was in Summe die europäischen Märkte und den DAX durchaus zu Kandidaten für eine relative Überperformance macht, aber eben nicht heute, sondern in den kommenden Monaten.

Jetzt ist EURUSD natürlich nur ein Faktor an den Märkten, der wiederum durch andere Faktoren überlagert wird. Die Märkte sind weit komplexer als eine simple, eindimensionale wenn->dann Beziehung. Insofern muss der DAX nicht steigen, nur weil sich EURUSD irgendwann langsam dem Ende der Abwärtsbewegung nähert. Und eine relative Überperformance kann auch nur bedeuten, dass der DAX dann weniger fällt, als andere Märkte. Aber es ist ein wichtiger Faktor im Spiel, den man einfach kennen sollte.

Dieser Zusammenhang ist übrigens auch ein schönes Beispiel, den man bei einer Sektorenstrategie per ETF, die ich ja in dem letzten Artikel thematisiert habe, zum eigenen Vorteil ausnutzen kann.

Ich hoffe, ich konnte Ihren Blick auf das EURUSD Währungspaar und seine Auswirkungen etwas erhellen.

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