Hari´s Märkte am Abend – 18.05.12 – Von den Schwierigkeiten den Markt zu schlagen

22 Uhr Handelsschluss

Heute möchte ich einen etwas grösseren Bogen schlagen um die aktuelle Lage zu würdigen. Aber keine Sorge, zu den Schlussfolgerungen für das aktuelle Geschehen komme ich noch.

Drehen wir die Uhr ein gutes Jahr zurück. In den letzten 12 Monaten gab es genau drei wesentliche Trends, die man hätte gut treffen müssen um theoretisch schnell "reich" werden zu können.

Trend 1 - Der Absturz der Anfang letzten August begann und den DAX von Niveaus um 7500 bis knapp unter 5000 brachte.

Trend 2 - Die massive Aufwärtsbewegung des ersten Quartals, die schon im alten Jahr begann und den DAX von 5000 bis 7200 brachte.

Trend 3 - Der aktuelle, erneute Absturz durch die erneute Verschärfung der Euro-Krise, die sich in bestimmten Segmenten seit Ende Februar ankündigte, aber erst seit April Fahrt aufnahm.

Hätte man diese drei Trends erwischt, würde sich Reichtum wohl nicht vermeiden lassen - oder ?

Sie sehen schon an der Art der Frage, dass es offensichtlich nicht so einfach ist. Schauen wir uns doch mal die wesentlichen "Macro-Calls" an, die ein gewisser "Hari" in dieser Zeit gemacht hat.

Trend 1 habe ich den Lesern von Investors Inside im August letzten Jahres mehrfach unter die Nägel gerieben, eine Botschaft die lange nicht von allen gerne gehört wurde, wer mag schon schlechte Nachrichten ?

Das kulminierte dann in einem Grundsatzartikel am 27.08.11 -> To Sell or not to Sell <- der das grössere Bild beleuchtete und mit dem Satz "to Sell !" endete. Der Artikel ist übrigens auch heute noch erschreckend aktuell.

Trend 2, die Möglichkeit eines überraschenden Anstiegs in 2012, hatte ich in den letzten Wochen des Jahres 2011 mehrfach thematisiert. Und Anfang 2012 bin ich hier auf Mr-Market.de dann mehrfach sehr deutlich geworden, inklusive sehr kritischer Worte über "Chartisten" die Anfang Februar vom Einbruch faselten.

Trend 3 habe ich am 27.03.12 mit den im Nachhinein prophetischen Worten -> Vom Aufhören wenn es am Schönsten ist <- eingeläutet, wobei wir nun deutlich tiefer und negativer sind, als ich damals dachte - was aber an dem Wahldesaster in Griechenland liegt, das niemand so vorhersehen konnte.

In Summe habe ich also alle drei Trends früher als viele erkannt und auch wenn sich Details dann anders entwickelten, hat die Richtung in allen drei Fällen gestimmt. Und jedes mal, wenn ich diese Sichten artikuliert habe, bin ich bei Teilen der Leser auf Skepsis gestossen, die noch unter dem psychologischen Eindruck der jeweils aktuellen Bewegung standen.

Jetzt werden Sie sich fragen, warum ich Ihnen das erkläre und ob ich mich selbst beweihräuchern will und Ihnen nur erzählen möchte, was ich doch vermeintlich für ein "toller Hecht" sei ? Weit gefehlt, lesen Sie einfach weiter ;-). Denn eigentlich müsste ich bei dieser Trefferliste zur Makro-Sicht nun ja in Gewinnen schwimmen. Tue ich aber nicht ! Wie das ?

Ganz einfach: Eine Situation zu erkennen, heisst noch lange nicht sie ausreichend ausnutzen zu können. In allen drei Trends war ich in Richtung des Trends positioniert und insofern habe ich keinen Grund zu klagen. Nur hätte es viel, viel besser laufen können, wenn ich konsequenter gewesen wäre. Und wenn es schon bei mir hätte besser sein können, wie ist es dann den zahllosen Anlegern gegangen, die viel zu spät bereit waren zu akzeptieren, dass sich der Wurm gedreht hatte ? Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken,

Denn in allen drei Trends habe ich erlebt, was nun auch aktuell wieder viele von uns erleben werden. Ich war nicht konsequent genug, weil ich zu früh Sorge bekam, dass der Trend doch drehen könnte. Deswegen war ich im 1. Quartal zu vorsichtig und hätte aggressiver Long wetten können. Und im 2. Quartal habe ich nicht aggressiv genug abgebaut. Ich sitze nun zwar seit Wochen auf jeder Menge Cash, aktuell 60% und bin darüber hinaus teilweise Short, so dass ich aktuell defacto nur zu 20% sehr selektiv Long im Markt bin. Warum aber habe ich nicht 80% oder 100% Cash und bin ich nicht Net-Short ?

Was mir passiert ist, passiert vielen von Ihnen bestimmt gerade auch. Man denkt halt, nach dem 10. oder 11. Abwärtstag "muss" es doch mal drehen und so versucht der eigene Kopf jeden positiven Tag im Sinne eines -> "Confirmation Bias" <- als Wendepunkt zu interpretieren und tendiert dazu schon wieder aufzuspringen. In 9 von 10 Fällen aber zu früh. Denn nur weil es 10 Tage Abwärts ging, ist keine Wende garantiert und kann es immer noch 10 Tage so weitergehen ! Und obwohl ich zu der Minderheit gehöre, die diese psychologischen Mechanismen versteht und sich ihrer bewusst ist, ist es trotzdem sehr schwierig sich dagegen zu wehren. Wie soll man sich denn auch gegen den Gegner im eigenen Kopf sinnvoll wehren ?

Das sind die Fallen, die uns unser Gehirn beim Trading permanent stellt, wenn wir jeden Tag auf die Kurse schauen. Gerade wenn man wie vielleicht ein paar von Ihnen jetzt noch zu stark investiert ist, artet so jeder Tag zu einem Hoffen auf die Wende aus, bei dem der "Confirmation Bias" grossen Schaden im Depot anrichtet.

Deshalb, genau deshalb, ist es so schwierig den Markt zu schlagen ! Und wer diese Wahrheit nicht erkennt oder für sich nicht akzeptieren will, der ist nach meiner Erfahrung defacto chancenlos dauerhaft den Markt zu schlagen ! Glückstreffer gibt es immer und ein einzelnes gutes Jahr kann auch mal ein Schimpanse mit Dartpfeil haben, dauerhaft ist das aber eine ganz andere Herausforderung.

Dabei gibt es ja ein paar ganz klare, unbestechliche Signale, an die man sich in jedem Trend halten könnte. Genau wie man im ersten Quartal eine Trendlinie unter den Anstieg hätte legen können und besser zu 100% investiert gewesen wäre, solange die Trendlinie nicht gebrochen war - genau so kann man nun eine absteigende Trendlinie zeichen und wäre wohl besser ganz aus dem Markt oder Net-Short solange der Trend besteht. Schauen Sie auf den DAX Chart aus Stunden-Sicht :

Seit letzten Montag haben wie eine ganz eindeutige Trendlinie, an der wir die ganze Woche zuverlässig gedreht sind. Erst wenn diese Trendlinie nachhaltig gebrochen ist und der Bruch am Folgetag bestätigt wurde, erst dann wird sich mein Blick wieder nach oben richten !

Aber auch im DAX Chart aus Tages-Sicht, sieht es nicht wirklich besser aus. Hier kann man obige Trendlinie noch deutlicher zeichnen und man sieht auch die ausgebildete Topformation, die je nachdem wie man die Nackenlinie zeichnet rechnerische Ziele der Abwärtsbewegung von 5800-6000 im DAX ergibt. Und schauen Sie bitte mal auf die Dauer des Aufwärtstrendes im 1. Quartal. Dann wissen Sie, das nirgendwo geschrieben steht, dass es nun morgen schon wieder aufwärts gehen muss !

Es gibt also eine Lösung, um den "Confirmation Bias" unter Kontrolle zu behalten, man muss sich stur an die bewährten Indikatoren und die eigene Strategie halten ! Und die Indikatoren sagen aktuell: Der Trend ist abwärts ! Und zwar solange bis er dreht, was schon kommenden Montag aber eben auch erst in einem Monat der Fall sein kann. Den Zeitpunkt kennen wir alle nicht und lange darüber nachzugrübeln kostet nur Zeit und schafft keine besseren Ergebnisse beim "Raten".

Sinn macht dagegen, sein Kapital und Risiko zu managen und darauf zu achten, dass aus kleinen Verlusten keine grossen werden. Sinn macht, nur solche Trades einzugehen, die mit dem Trend laufen. Und Sinn macht auch, sein emotionales Kapital dadurch zu schützen, dass man keine übergrossen Risiken eingeht. Denn nur wenn man am Tiefpunkt, an diesem besonderen einen Tag aus zehn, noch psychisch gelassen und voller Zuversicht ist - nur dann wird man mutig zugreifen können, wenn der Trend dreht ! Und er wird drehen, fragt sich nur wann ! 😉

Am Wochenende kann nun jede Menge passieren und vom G8 Gipfel in Camp David dürften sicher warme Worte kommen, mit dem Ziel den Markt zu stabilisieren. Insofern, vielleicht wird nächste Woche ja theoretisch ganz toll und wir rennen in einem Lauf zurück bis 6600 im DAX. Aber lassen wir uns doch die Antwort von Mr. Market selber geben statt zu raten. Ein Trend ist dann gebrochen, wenn er gebrochen ist. Punkt. So einfach ist das und so schwierig für uns Menschen zu akzeptieren, der wir alles immer im Vorfeld antizipieren wollen.

Ich hoffe ich war ein wenig hilfreich und konnte Ihnen einen - vielleicht schmerzhaften, dafür aber lehrreichen - Blick in den eigenen Spiegel ermöglichen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende !

Ihr Hari

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10 Gedanken zu „Hari´s Märkte am Abend – 18.05.12 – Von den Schwierigkeiten den Markt zu schlagen“

  1. Bin selber jetzt ungefähr bei knapp 50 % Cash, hauptsächlich wegen der „Trailing Stopps“. Ich selber hätte wahrscheinlich nicht so schnell verkauft, sondern das System hat mich quasi „überstimmt“, in einem Fall habe ich sogar noch einen Trailing Stopp rausgenommen, das hätte ich wohl besser gelassen, denn jetzt bin ich dort unter Einstandskurs. Es ist bei mir persönlich eine echte Hemmschwelle, zu akzeptieren, dass man den Einstandskurs so schnell nicht mehr wieder sieht. Ich tröste mich dann, wie jetzt bei Rheinmetall, mit der fundamental günstigen Bewertung. Aber das dann alles auszusitzen, hat man irgendwie auch nicht so die große Lust.

    Im Moment ist das Börsengesetz „Greife nicht ins fallende Messer“ das Gebot der Stunde. Ach so, ich wollte ja dazu was schreiben. War auch schon ein großes Stück vorangekommen, aber dann ist mir die Kiste abgeschmiert, ohne Witz… :-(. Gehe zurück auf Los… :-(. Was den Euro angeht, vielleicht überlegen es sich die Griechen und stimmen doch für die Memorandumsparteien, aber vielleicht bekommt der Bank Run eine Eigendynamik und ganz Südeuropa plündert die Bankkonten. Und dann? Je ne sais pas…

    Eine Frage hätte ich auch noch: Wo bekommt man denn diese tollen Stundencharts? Mein Online Broker hat so etwas nicht…

    Gute Nacht und schöne Börsenträume

    Tokay

  2. @ Tokay,

    die Charts stammen aus meinem Handelssystem bei der Saxo-Bank. Da kann ich die Dimension der Kerzen von 1 Minute bis 1 Monat beliebig skalieren.

    Das ist aber nichts Besonderes und sollte jedes halbwegs professionelle Charttool können.

  3. Ich habe mir jetzt mal ein Herz gefasst und eine Menge Papiere verkauft. Gleichzeitig habe ich Buy-Orders weiter unten platziert. Wenn wir jetzt drehen, wäre das einfach nur zu typisch. Heute und morgen scheint nicht wirklich was auf dem Terminkalender zu stehen, oder habe ich etwas übersehen?

  4. @Ramsi, der Markt bounced gerade etwas in Hoffnung auf den Sondergipfel. Es ist unvorhersehbar, was da passiert. In Summe ist das für mich (Stand 16 Uhr) aber immer noch nicht überzeugend, was wir da heute im Markt sehen.

  5. Ramsi, da muss man durch….Die Sache mit dem „Grexit“, die ist noch keineswegs gegessen. Der Markt schwankt zwischen Hoffnung und Befürchtungen…heute war es die Hoffnung. Kann aber nach dem Sondergipfel wieder anders aussehen. Dass es nun den Rest der Woche „straight“ hochgeht, das glaube ich eher nicht.

  6. Damit hast du wohl recht gehabt. Haltet ihr einen Abgreifkurs von 31,80 € bei Rheinmetall für Utopie weil krass zu niedrig oder für realistisch? Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage nicht etwas dumm ist aber Hari hatte ja bereits geschrieben, dass es den Automotive-Bereich bereits kostenlos dazu gibt. Krasser kann es ja bald nicht werden. Nur hoffe ich, dass ein „Grexit“ (schönes Wort :D) den Markt in einem Schock nochmal nach unten prügelt und Rheinmetall ein letztes Mal an die 30 € heranführt. Plausibler Gedanke oder Müll?

  7. @ Ramsi,

    warum nicht ? In meinen Augen durchaus plausibler Gedanke, ob es noch einmal zu so einem Kurs kommt, weiss aber nur der Wind.

    Allerdings warne ich davor, in einem Katastrophenszenario wie einem potentiellen Zerfall der Eurozone zu viel auf Bewertungsfragen zu geben. Um dir den maximalen Schmerz vorzustellen, solltest Du schauen was 2008 am Tiefpunkt möglich war. Und da notierte die gleiche Rheinmetall bei 16€ – also 50% unter Deinem vermeintlichen Schnäppchenkurs.

    Jetzt will ich Dir keine Angst machen und ich habe aktuell keinen Anlass an so ein 16€ Szenario zu glauben, sonst müsste ich nun auch meine Positionen verkaufen. Du solltest Dir aber darüber im klaren sein, dass das im Bereich des Möglichen ist und die Frage beantworten, ob Du das dann auch durchstehst. Wenn nicht, solllte ein enger Stop bei ca. 29€ rein, denn nirgendwo steht geschrieben, dass ein potentieller Absturz zwingend bei den 2011er Tiefs halt macht.

    Die Warnung oben gilt auch ausdrücklich für jede Aktie im derzeitigen Umfeld und hat nichts mit Rheinmetall zu tun. Für mich ist Rheinmetall nach wie vor ein attraktiv bewertetes, spannendes Unternehmen, auch wenn es wie alle Aktien unter dem massiven Vorbehalt des Geschehens in der Eurozone steht.

  8. Natürlich stehe ich das nicht durch und ich kann auch nur für mein Depot und mich hoffen, dass ich beim nächsten Mal die Stopps wieder respektiere, die ich mir setze.

    Danke dir

  9. Ich will auch keine Angst machen, aber wie die Verläufe gestern und heute zeigen, ist die Verunsicherung sehr groß. Man kann also auch nicht gut sagen, welche Kurse „zu hoch“ oder „zu tief“ sind.

    Zum einen kann der „Grexit“ durchaus zu so etwas wie einem „Lehman Moment“ führen. Nicht daß ich das für das wahrscheinlichste Szenario hielte, aber völlig auszuschließen ist es auch nicht. Diese Volatilität spiegelt letztlich die Unsicherheit des Marktes über den Ausgang. Das ist eine sehr politische Geschichte. Und auch sehr viel „weißes Rauschen“.

    Geht es wirklich nach oben, dann werden wir auch technische Kaufsignale sehen. Momentan sehe ich die noch nicht. Geht es aber nach unten, dann geht es darum, das Kapital zu erhalten und zu warten, bis der negative Trend sich gelegt hat.

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