Hari´s Märkte am Abend – 21.02.12 – Veolia, Corning, Hecla Mining

22 Uhr Handelsschluss.

Nach der "Rettung" ist vor der "Rettung".

Der Markt verhält sich heute nahezu so, wie gestern antizipiert. Bis 6970 hatte der DAX heute vormittag noch Kraft - zur 7000er Marke reichte es nicht mehr ganz - dann setzten Gewinnmitnahmen in einer typischen "Sell the News" Reaktion ein. Und die Presse konnte die schon vorher geschriebenen Artikel raus holen, die mit einem dicken Fragezeichen die ungeheuer "kreative" Frage stellen, ob Griechenland denn jetzt wirklich "gerettet" ist oder vielleicht doch nicht.

Wir kennen die Antwort schon lange und sie lautet natürlich NEIN - das Thema wird uns definitiv weiter verfolgen und in ein paar Monaten wird man - Überraschung 😉 - feststellen, dass kaum eines der Versprechen eingehalten wurde. Wie denn auch, mit einer Bevölkerung die das nicht mitträgt und einer korrupten "Verwaltung" die sich quer legt, damit sie auch in Zukunft fröhlich ihre "Fakelaki" in die Tasche stecken kann. Jeder vernünftige Mensch weiss, dass wir in wenigen Monaten wieder an der gleichen Stelle stehen wie heute.

Ich denke lieber nicht darüber nach, was wir alles an Steuern zahlen und vor allem zahlen werden, damit dieses Geld dort sinnlos in den endlosen Ritzen eines kaputten Systems versickern kann. Nur um dann letztlich von der Nomenklatura des Systems auf Auslandskonten in Singapur transferiert zu werden. Aber immerhin sind wir ja mal wieder "ganz solidarisch", weil wir ja gerade als Deutsche immer so gute Menschen sein wollen - der Dank der "Beschenkten" ist uns ja schon heute sicher, wie sich das gehört. Wer hier bitteren Sarkasmus findet, kann ihn behalten. 😉

Mr. Market ist jetzt aber in der ganz typischen gedanklichen Leere, die immer nach solchen Momenten einsetzt, an denen ein Thema temporär abgeräumt wurde das einen lange beschäftigt hat. Und Mr. Market fragt sich nun etwas desorientiert, worin er sich als nächstes nun so richtig verbeissen soll. Bis Mr. Market da eine Idee entwickelt hat, sollten die Kurse eine Zeit lang richtungslos hin- und her schwingen, ein Zustand den wir schon heute beobachten konnten. Im DAX kann ich mir gut vorstellen, dass diese Seitwärtsbewegung im wesentlichen unterhalb der 7000er Marke statt findet. Auch ein Absacken bis 6800 oder sogar noch etwas darunter, wäre alles andere als unerwartet.

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir nach dieser Konsolidierung dann aber wieder nach oben durchstarten, ist nach wie vor wesentlich höher als ein grundlegender Absturz - solange die Notenbanken die Welt mit Liquidität fluten. Warten wir also nun ab und wenden uns den einzelnen Aktien zu:

Schaut man sich die Schwäche bei den einzelnen Titeln in Deutschland heute an, korrelierte diese bis auf wenige Ausnahmen mit dem entgegen gesetzten Anstieg in den Tagen zuvor. Was also vorher gut gelaufen war, wurde heute auch besonders abverkauft. Insofern gibt es heute aus Deutschland keine Aktie, bei der sich mir ein Kommentar aufdrängt.

Bei Veolia (WKN 501451) ist nun Vorsicht angebracht. Gerade in dem Moment, in dem der Restrukturierungskurs des CEOs Antoine Frerot erste Effekte zu haben scheint, könnte es zu einem Machtkampf mit seinem Vorgänger Henri Proglio kommen, der als Chef des Staatskonzerns EDF nicht nur mit dem französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy gut bekannt sein soll, sondern dem man in der Presse auch Gelüste nachsagt, eine Ehe aus EDF und Veolia herbei führen zu wollen. Zumindest laufen heute entsprechende Gerüchte durch die Presse, die sich auf den ersten Blick als durchaus vorstellbar anhören.

Ich persönlich halte von diesen politisch induzierten und riesigen Staatskonzernen gar nichts und ich denke der Kapitalmarkt sieht das ähnlich. Nach längerem Überlegen bin ich heute Abend zum Ergebnis gekommen, dass ich den Gerüchten eine hohe Wahrscheinlichkeit zubillige und habe am Abend Veolia zu ca. 9,2€ verkauft und einen kleinen Gewinn mitgenommen, da ich deutlich unter 9€ eingestiegen war. Derartig politisch begleitete Machtkämpfe sind mir einfach zu unberechenbar, als das ich mein Kapital an dieser Stelle binden möchte.

Mir ist die Entscheidung heute aber schwer gefallen, denn die Restrukturierungsgeschichte und der Turnaround von Veolia sind für mich weiterhin attraktiv, man muss das Management daran aber auch arbeiten lassen und das ist mit dem heutigen Tag fraglich geworden. Sollte sich der Nebel verziehen und der Machtkampf ausfallen, schliesse ich daher auch einen kurzfristigen Wiedereinstieg nicht aus. Ein entscheidendes Datum, an dem wir vielleicht Klarheit bekommen, sollte nun das Boardmeeting am 29.02.12 sein.

Eine Wende nach oben halte ich nun auch bei Corning (WKN 850808) für möglich. Corning ist für mich ein "Trüffel" und sehr unterschätzter Technologiekonzern und litt zuletzt unter geringen Abnahmemengen im TV Geschäft, dass Corning mit seinem bekannten und hoch robusten "Gorilla-Glas" beliefert. Corning kontrolliert zusammen mit seiner 50% Tochter "Samsung Corning Precision" mehr als die Hälfte des weltweiten Glass-Panel Marktes. Aber nicht nur mit Glas-Panels ist Corning an der technologischen Front vertreten, sondern auch im Bereich OLED, optische Kabel oder Life Science hat Corning aussichtsreiche Produkte und Technologien, auch wenn diese vom Umsatz her noch deutlich abfallen.

Falls Sie sich unter Glas so richtig nichts Innovatives vorstellen können, dann sollten Sie sich mal -> hier <- diese Videos anschauen. Sicher sind das Werbe/Marketing-Videos und insofern inhaltlich mit Vorsicht zu geniessen und diese Produkte gibt es noch nicht, es sind einfach Visionen der Zukunft. Aber es vermittelt Ihnen vielleicht eine Vorstellung davon, was Innovation im Bereich Glas bedeutet. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass "intelligentem" Glas die Zukunft gehört, so wie wir es in Filmen wie "Minority Report" schon vor 10 Jahren eindrucksvoll vorgeführt bekommen haben. Und Corning hat für mich alle Chancen, in diesen Zukunftsmärkten Marktführer zu sein.

Wenn Sie dann noch sehen, dass Corning derzeit zum Buchwert und mit einem KGV von 8-9 zu haben ist und im Chart sich nun die Chance auf eine Wende abzeichnet, dann verstehen Sie sicher, warum ich bei Corning schon seit Herbst letzten Jahres investiert bin und das für mich einer meiner "Buy and Hold" Werte ist, bei denen ich auf langfristig erhebliche Wertsteigerungen setze. Schauen Sie sich Corning einfach mal selber ganz unbefangen an.

Übrigens, da Corning nicht nur (über das Joint Venture) in Samsung Geräten steckt, sondern auch Apple beliefert, haben Sie mit ziemlicher Sicherheit schon einmal ein Glas von Corning in der Hand gehabt oder vor einem als TV gesessen. Sie haben es bisher nur nicht gewusst. Corning ist für mich das, was man einen "hidden Champion" nennt.


Source: Finviz.com

Auffällig war heute die Stärke in Gold und Silber in einem ansonsten wenig berauschenden Markt. Ich gewinne nun zunehmend den Eindruck, dass hier etwas im Gange ist und uns höhere Kurse bevorstehen, ohne dass ich das nun ursächlich argumentativ festnageln könnte. Der Anstieg über das Hoch von Anfang Februar bei ca. 1750 USD, ist für Gold und Silber auf jeden Fall ein Zeichen von Stärke. Denn schon letzten Donnerstag hatte ich ja -> hier <- an dieser Stelle auf die auffällige Wende nach oben bei den Minenaktien hingewiesen und dazu geraten, das nun genau zu beobachten. Ich habe es getan und seitdem verdichten sich die Signale. Heute, ein paar Tage später scheint die Wende vom 16.02. auch beim Preis der Edelmetalle selber eine markante Untergrenze definiert zu haben.

Insofern, mit dem 16.02. als Untergrenze im Rücken, habe ich hier mal einen Bündel an Trades gewagt, bei denen ich nur meiner "Nase" folge, denn die nimmt nun Witterung auf. Deshalb bin ich in Antizipation einer positiven Bewegung in den letzten Tagen einige Long-Positionen eingegangen. Mit den 1705 USD vom letzten Donnerstag, habe ich ja nun eine exzellente Stopmarke, mit der ich das Risiko dieses Trades "auf Verdacht" in ganz engem Rahmen halten kann. Und im Falle eines Krieges um Irans Atomprogramm, wäre Gold sicher auch nicht die schlechteste aller Anlagen.

Was die Gold- und Silber-Minen angeht, bin ich nun also Long bei Barrick Gold (WKN 870450), Iamgold (WKN 899657), Freeport McMoran (auch Kupfer) (WKN 896476), Hecla Mining (WKN 854693) und Coeur dAlene (WKN A0RNL2).

Hecla Mining hatte ich ja vor kurzem -> hier <- ausführlich vorgestellt und die Aktie zauberte mir heute aufgrund "überraschend" guter Quartalszahlen mit zeitweise 12% Plus ein breites Lächeln ins Gesicht 😉

Und auch die schon mehrfach besprochene Cameco (WKN 882017) hat mich heute erneut erfreut und legte noch einmal über 4% auf die aufgelaufenen Gewinne oben drauf. Der Preis von Uran hat aber in Anbetracht der Renaissance der Kernenergie in den USA noch jede Menge Luft nach oben, weswegen die Bewegung bei Cameco noch lange nicht beendet sein muss.

Ich wünsche einen schönen Abend !

9 Gedanken zu „Hari´s Märkte am Abend – 21.02.12 – Veolia, Corning, Hecla Mining“

  1. Guten Tag, was ich überhaupt nicht verstehe wieso arch coal oder allgemein der Kohlesektor von dem Aufschwung nicht profitiert?! Vielleicht Hari findest du eine Minute um mir etwas Licht ins Dunkle zu bringen… Gruss

  2. Tom, ich bilde mir ein, ich hatte das hier schon in einem Kommentar geschrieben: weil die Kohlepreise so weit unten sind. Und die sind es wiederum (unter anderem) weil die Gaspreise so weit unten sind. Denn Kohle und Gas streiten um die selben Abnehmer in Kraftwerken, Industrie etc. Und Gas ist so weit unten, weil es durch das „Shale Gas“ mit der Abbaumethode des „Fracking“ in den USA ein massives Überangebot gibt. Deshalb ist der Kurs des Shale-Gas Pioniers Chesapeake Energy so aussagekräftig und die sind heute wieder sehr schwach. Dann spielen noch Wetter rein, die Konjunktur und die Produktionsmengen billiger chinesischer Kohle. Das ist die Gemengelage. Ich kann absolut NICHT sagen, wann sich das auflöst. Das kann noch Monate dauern, ich weiss es nicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Mechanismen von Angebot und Nachfrage (der Schweinezyklus) auch hier wieder wirken werden. Denn zuletzt gab es jede Menge Meldungen über Kohleminen die ihre Produktion einschränken. Das ist wie mit den Jahreszeiten, auf Winter folgt immer Sommer, auch wenn der Winter manchmal bis in den April reicht.

    Nur aus Sicht des Tradings, macht es für mich persönlich keinen Sinn in solchen Positionen zu verharren, während wo anders die Musik abgeht. Ich habe schon oft geschrieben, es ist für mich wenig zielführend, auf eine Bewegung BEVOR sie überhaupt begonnen hat mit Kapital zu setzen, denn selbst wenn man richtig liegt, kann es noch Monate dauern. Besser ist es, auf eine Bewegung NACHDEM sie einsetzt ganz schnell aufzuspringen. Damit verpasst man zwar ein paar Prozent, hat aber nicht das Problem das Du nun scheinbar mit Arch Coal hast. Ich habe Arch Coal im Herbst letzten Jahres auf dem Radar gehabt und war investiert, als sie ungefähr 40% in kurzer Zeit gestiegen sind. Nun ist dieses Bewegung aber ausgelaufen und wir sind wieder unten am Boden. Ich beobachte solche Werte zwar immer mit einem Auge damit ich merke wenn sie zu zucken beginnen, aber ich bin da nicht aktiv. Aktiv werde ich, wenn eine Bewegung in Gang kommt. Und Bewegung nach oben gibt es in anderen Bereichen im Moment doch genug.

    Insofern hast Du die Wahl: entweder Geduld haben oder raus und das Augenmerk woanders hin richten.

  3. Super danke für den ausführlichen Kommentar! Ja du hast Recht, ich hab dir die Frage vor Monaten auch schon gestellt! Dachte aber Gas wir teuerer usw usw…. naja dachte mir es wird jetzt langsam eine Ruck geben, nachdem Stahl, Auto usw gut läuft ;))) werde umschichten ! Gruss u Danke für Deine Antwort!

  4. Hari, vielleicht kannst du heute Abend noch ein paar Tips geben zu aussichtsreichen Aktien die du sonst noch auf dem Bildschirm hast… wie immer also ;))).. gruss

  5. Salut Hari,

    danke fürs Teilen dieser Gedanken. Als Du unlängst Deine Ansichten zu einer bevorstehenden Eskalation um den Iran beschrieben hast, dachte ich schon, wann auch die Edelmetalle wieder im Gespräch sein werden und siehe da hier sind sie. Auch wenn ich Deine Einschätzung dazu prinzipiell teile (Habe mein Augenmerk aber auf andere Titel gelegt), mache ich mir seitdem Gedanken, wie die ethisch moralische Komponente dabei zu sehen ist. Überspitzt formuliert, könnte man ja durchaus von Kriegsgewinnlern sprechen, wenn jemand sich nun mit z.B. Öl- und Rüstungspapieren eindeckt, um von einer möglichen Zuspitzung im Iran zu profitieren. Da ich aus deinen sonstigen Gedanken schließe, dass Du Dir durchaus auch Gedanken zur moralischen Bedeutung Deines Tuns machst, wollte ich also anregen, ob Du evtl. nicht auch dazu einmal ein paar Zeilen verlieren möchtest, sofern es Deine Zeit erlaubt.

    In freudiger Erwartung auf Deinen nächsten ‚Haris Märkte am Abend‘, grüßend,
    Frank

  6. Oh ja Frank, ein Thema zu dem ich stundenlang reden kann. Darüber aber ein Essay zu verfassen, war mir bisher zu weit ab vom Kern dieses Blogs. Und ich denke auch, dass ist etwas was man eher im Dialog besprechen muss. Insofern – falls sich der „harte Kern“ dieses Blogs dann irgendwann mal ganz real und von Angesicht zu Angesicht mitten in Deutschland zu „Hari´s Bar am Abend“ trifft 😉 – dann ist das ein hoch spannendes Thema für eine Runde mit einem Rotwein in der Hand.

    Trotzdem muss ich nach Deinem Kommentar hier ein paar Gedanken zur „Ethik“ bei Geldanlagen loswerden, das Thema ist mir zu wichtig. Vielleicht ergibt sich ja daraus hier ja eine produktive Diskussion.

    Um es kurz zu machen: Ich bin ein Feind und Verächter der diversen „Ethik-Fonds“, weil ich das (harte Worte) für eine ziemlich verlogene Veranstaltung halte, deren einziger Sinn ist, den Leuten mit dem „Gutfühl-Faktor“ Geld aus der Tasche zu ziehen. Und statt über die Ethik des eigenen Handelns wirklich nachzudenken, kann man sich zurücklehnen und ganz „toll“ finden.

    Nähern wir uns dem Thema doch mal an Beispielen:

    Ist das „tolle“ Solarmodul auf dem Dach nun wirklich „ethisch“, weil es vielleicht das Klima „rettet“ oder doch unethisch, weil dafür in China Kinder an von Schwermetall verseuchten Flüssen sterben ?

    Ist der „böse“ Schützenpanzer von Rheinmetall unethisch weil er eine Waffe ist, oder doch ethisch, weil er UNO Soldaten vor einem Lynchmob beschützt ?

    Ist das Gen-Getreide unethisch, weil es die Gefahr gefährlicher Mutationen beinhaltet oder doch ethisch, weil es hungernden Menschen auf kargen Böden den Anbau erlaubt ?

    Ich könnte endlos so weiter machen, das sind nur Beispiele. Beispiele, die zeigen, dass es mit der Ethik lange nicht so einfach ist, wie uns bestimmte Gruppen und die grossen Vereinfacher immer glauben lassen wollen.
    Denn Ethik liegt sehr im Auge des Betrachters und was für mich ein paar herrlich trockene Blatt Papier sind um meinen Kamin zu befeuern, sind für jemand anderen vielleicht heilige Worte Gottes.

    Und deshalb kann man nach meiner persönlichen Überzeugung Firmen und Produkte nicht einfach ins linke und rechte Töpfchen einteilen nach dem Motto „aha Solar ethisch“, „aha Kernkraft unethisch“. Deshalb halte ich diese Fonds für verlogen und lehne es ab einen „Ethik-Stempel“ auf Sachen oder Geldanlagen zu kleben.

    Mein Credo ist: Die Ethik liegt in unserem Handeln ! – leblose Dinge kennen keine Ethik.

    Die rote Linie liegt für mich persönlich da, wo ich keinerlei Nutzen für die Menschheit oder den Einzelnen mehr sehen kann, sondern Produkte die ausschliesslich Leid verursachen. Ein Unternehmen, dass Landminen herstellt oder Streubomben, würde ich nicht als Aktionär finanzieren. Es gibt absolut Null Notwendigkeit für Streubomben oder Landminen. Forschung an Biowaffen würde ich auch nicht finanzieren. Niemand braucht Biowaffen zur Verteidigung. Aber mit dem Gewehr oder dem Schützenpanzer habe ich kein Problem, Verteidigung ist in der Welt nötig. Im Wilden Westen lief auch jeder mit einer Waffe rum und das aus gutem Grund. Der Unterschied zwischen dem guten Sherriff und dem bösen Banditen lag nicht in der Waffe, sondern im Einsatz derselben – in der Ethik des Handelns.

    Es ist in unserer Gesellschaft aber leider Mode geworden, wirtschaftliche oder machtpolitische Interessen hinter „ethischen“ Argumentationen zu verstecken und so Denkverbote auszusprechen oder bestimmte wirtschaftliche Interessen zu forcieren.
    Und es hat sich in meinen Augen eine Form der Selbstgerechtigkeit und des Pharisäertums eingebürgert, die Ethik laut im Mund führt um von sich selber abzulenken. Ich habe gerade zum Thema Wulff/Gauck ein in meinen Augen ausgezeichnetes Essay gefunden, lies das mal, dann weisst Du wie ich darüber denke, ohne dass ich hier lange schreiben muss.
    -> Politik im Fadenkreuz moralinsauerer Oberlehrer <-

    Und damit das klar ist, ich verabscheue diese Art der „Vetternwirtschaft“, die Wulff scheinbar gelebt hat, wenn die Berichte stimmen sollten. Ich weiss aber auch, dass dergleichen in den meisten Gemeinderäten, Vereinsvorständen, usw usw Gang und Gäbe ist, einfach weil das Prinzip „eine Hand wäscht die andere“ zutiefst menschlich und in unserem Sozialverhalten begründet ist. Und wie viele der moralischen Scharfrichter pflegen Schwarzarbeit, mit der die Sozialgemeinschaft höchst unethisch geschädigt wird ? Deswegen muss Wulff immer noch zurück treten, denn für den ersten Mann des Staates gelten zurecht schärfere Massstäbe, aber der moralische Furor mit dem sich viele nun austoben ist nur noch peinlich, dass mit dem ersten Stein den der ohne Sünde werfen soll, haben wohl die meisten vergessen.

    Zurück zum Konflikt um den Iran. Den Gedanken man sei ein ethisch verwerflicher „Kriegsgewinnler“, weil man sich vorher Ölaktien ins Depot holt um das abzusichern, halte ich persönlich für völlig verfehlt.

    Meine Mutter hat Kriegsgewinnler noch kennen gelernt, als Sie 1945 mit ihrer Mutter und ihren Geschwister als abgerissenene Schlesien-Flüchtlinge in den Westen kam. Da haben Bauern den Flüchtingen den Familienschmuck und alles was irgendwie Wert hatte für ein paar Kartoffeln abgeknöpft. Aber was macht man als Mutter nicht alles, wenn die Kinder vor Hunger schreien. Das war unethisch und höchst verwerflich, nicht weil die Bauern für die Kartoffeln Geld genommen haben, sondern weil sie das Leid der Flüchtlinge mit Wucher ausgenutzt haben.

    Ein Kriegsgewinnler ist also jemand, der andere in ihrer Verzweiflung schädigt und das Leid so noch erhöht. Der Ölpreis steigt aber in jedem Fall, wenn ein Krieg um den Iran ausbricht. Und wenn ich nun zB Statoil kaufe, hat das auch keinerlei Einfluss auf den Ölpreis, ich finanziere ein Unternehmen, sonst nichts und schädige damit niemanden im Nahen Osten. Mir ist rätselhaft, was an dem Wunsch sein Vermögen in einem Krieg zu schützen ethisch fragwürdig sein sollte. Das ist eher so, wie im Bombenkrieg in den Bunker zu gehen.

    Soweit erst einmal um Dir einen Eindruck von meiner Gedankenwelt zum Thema zu verschaffen. Natürlich sind das nur einzelne Aspekte und das Thema ist viel umfassender und komplexer. Wie schon gesagt, ich kann darüber stundenlang reden, gib mir ein Podium und einen Saal voller Zuhörer und es geht los 😉

    Und auch wenn ich dazu eine dedizierte Überzeugung habe, betone ich ausdrücklich, dass meine Meinung keine Allgemeingültigkeit hat. Ich verachte ja gerade den Anspruch absoluter Wahrheit, bei dem ethische Argumente zu oft der „Totschläger“ sind um abweichende Gedanken gar nicht erst hochkommen zu lassen. Insofern respektiere ich andere Meinungen total, aber ich persönlich habe definitiv keinerlei moralisches Problem, mein Vermögen durch geschickte Titelauswahl im Depot gegen einen eventuellen Krieg im Iran abzusichern.

    So jetzt ist es doch wieder einiges an Text geworden. So ist es bei mir immer, es sprudelt halt 😉 Vielleicht können wir uns ja dem Thema im Rahmen einer Diskussion der Leser weiter nähern. Ich fände das sehr spannend.

    Gruss, Hari

  7. Salut Hari,

    danke für die prompte Reaktion. Dass ich Dich zu einer längeren Reaktion gerade zu herausfordere, hatte ich dabei ja fast schon erhofft 😉
    Im Prinzip kann ich Deine Auffassung auch hier wieder sehr gut teilen, dass es hier nicht rein schwarz/weiß gibt, und man oft etwas genauer hinschauen muss, als einem einige „Gutmenschen“ (was für ein doofes Wort) vormachen wollen.
    Bemerkenswert finde ich insbesondere die von Dir aufgeführte Geschichte unserer Eltern- und Großelterngeneration, die selbst noch Kriegszeiten aktiv erlebt hat und daher einen ganz anderen Blickwinkel auf derartige Dinge hat.
    Aber irgendwie ist es natürlich auch gut und beruhigend, wenn heute viele Mitmenschen vom warmen Sessel vor ihren Rechnern aus sich ganz andere Gedanken zu diesem Thema machen können. Da wird dann leider oft vergessen, worauf unser Wohlstand fußt und welche Errungenschaften wir heute genießen können.
    Trotzdem unterstütze ich auch ausdrücklich die Meinung, dass sich jeder überlegen sollte, was er mit seinem Geld als Investor mittragen möchte, oder ob es vielleicht auch Unternehmen gibt, mit denen man vielleicht lieber nichts zu tun haben möchte.
    Auch wenn hier evtl. eine Gefühlsebene in die Anlage kommt, ist für mich immer auch wichtig, dass ich mich in irgendeiner Form mit dem Unternehmen und dessen Zielen anfreunden kann. Nicht zuletzt bin ich auch der Überzeugung, dass Firmen, welche eine verantwortungsvolle Führung an den Tag legen, am Ende die bessere Anlage im Sinne der Langzeitperformance darstellen.

    Weil Du es in Deinen letzten Kommentaren oft angesprochen hast, noch eine Frage zur Interaktion in Deinem Blog: Hast Du Pläne evtl. einen Forumsbereich zu eröffnen? Ansich finde ich die Kommentare noch relativ übersichtlich, aber bei manchen Themen (dieses eingeschlossen) entwickeln sich die Kommentare doch oft sehr weit vom eigentlichen Blogeintrag weg. Bin gespannt wie es weiter geht…

    Grüße, Frank

  8. Frank, ja – mittelfristig muss hier ein Forum her 😉 Ich habe das schon im Hinterkopf. Aber im Moment will ich meine Zeit da noch nicht investieren, weil es noch an aktivem Dialog zwischen den Lesern mangelt.

    Es ist im Moment noch primär ein PingPong zwischen einem einzelnen Kommentator und mir. Das ist auch in Ordnung und ganz normal, anders kann man so etwas nicht anschieben. Aber ich würde mich natürlich freuen, wenn das hier interaktiver wird.

    Insofern spiele ich Euch mal den Ball zurück. Überzeugt mich durch einen regen Austausch, dass ein Forum unbedingt her muss, dann werde ich es auch einbauen. Versprochen !

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