Hari´s Wochenausblick – 04.06.12 – Politische Funkstille

13 Uhr

Wie Sie letzte Woche an meinen drei Marktupdates bemerkt haben, war ich doch recht präsent an den Märkten, habe es aber trotzdem etwas langsamer angehen lassen.

Deswegen möchte ich den ersten grösseren Beitrag der Woche heute einmal für das grössere politische Bild nutzen und Ihnen am Schluss drei Marktsegmente nahelegen, in denen ich mich aktuell, trotz aller Sorgen um die Euro-Zone, vergleichsweise wohl fühle. Bemerkenswert ist vielleicht auch, dass ich meine bisher negativen Markterwartungen mit dem heutigen Tag leicht aufhelle. Dieser Beitrag ersetzt heute die Märkte am Abend um 22 Uhr, die nur erscheinen, falls sich am Markt heute noch etwas grundsätzlich neues oder besonders bemerkenswertes ereignet.

Zunächst zur Grosswetterlage.

Der nun über Wochen andauernde Absturz der Märkte ohne echte Gegenwehr liegt nach meiner Ansicht im Wesentlichen an einem Grund: Der Unsicherheit um die Zukunft der Eurozone. Und diese eskaliert nur deshalb so sehr, weil Politik und Notenbanken seit Wochen keine Anstalten machen, durch klare Signale dem Markt "Futter" für Hoffnung zu liefern. Eine Führung der Eurozone ist nicht mehr sichtbar, wie sie noch zu Zeiten "Merkozy" durchaus Eindruck auf die Märkte gemacht hat. Mr. Market kommt mit fast allem gut klar, auch mit schlechten Nachrichten, aber Unsicherheit und Unklarheit hasst Mr. Market wie die Pest !

Der Grund für die "politische Funkstille" dürfte in dem Powerplay liegen, dass derzeit um die Zukunft Europas läuft und auf allen Kanälen ausgetragen wird. Die südlichen Länder haben ein Interesse daran, so schnell wie möglich die nördlichen Länder - vor allem Deutschland - zu einer unbeschränkten, gemeinschaftlichen Haftung zu veranlassen. Denn das erspart den Südländern manche Schmerzen und verschafft schnelle Linderung. Gerne wird dafür auch die mediale Unterstützung aus der Obama Administration angezapft, der es aber auch nicht um die "richtige" Lösung für Europa gehen dürfte, sondern nur darum, kurzfristig brauchbare Wirtschaftsdaten in den US vorzuweisen, deren Fehlen die eigenen Wiederwahl massiv gefährden. Insofern sind Aussagen der Obama Administration zu Europa in meinen Augen höchst eigennützig und ohne Wert für Europas grundlegende Fragen.

Umgedreht ist genau die unbeschränkte Haftung ohne Durchgriffsrechte gegen das Interesse der nördlichen Länder und das gilt nicht nur für Deutschland. Hollande wurde das beim letzten EU Gipfel ja eindrucksvoll vorgeführt, als eine Reihe kleinerer Länder weit aggressiver als Deutschland gegen Euro-Bonds argumentierten.

Die Wahl in Frankreich hat diesen Schwebezustand verschärft, weil die vertraute Eintracht Merkozys nun Geschichte ist und Hollande sich an der Realität erst die Hörner abstossen muss. Bis zur Parlamentswahl am 17.06. ist von der Seite wenig Realitätssinn zu erwarten. Ganz typisch für ihren Stil, hat sich Frau Merkel scheinbar dafür entschieden, Hollande erst einmal gegen die Wand laufen zu lassen und verhält sich bewusst passiv, bis die Märkte Frankreich die Grenzen aufgezeigt haben. Die Schweigsamkeit aus Deutschland in Sachen Europa ist doch aktuell mit den Händen zu greifen und steht im krassen Gegensatz zur Merkozy Ära. Taktisch und machtpolitisch ist das wohl eine gute Strategie Merkels und so hat sie ja schon einige Männer ins Leere laufen lassen, die zunächst mit grossen Ankündigungen starteten.

Für die Märkte ist diese Strategie aber Gift, denn so frisst sich die Unsicherheit durch. Am Ende ist völlig unklar, wie dieses Powerplay ausgeht. Trotz allem bin ich mir einer Sache höchst sicher: Staaten wie Notenbanken werden die Eurozone nicht einfach ins Chaos abgleiten lassen, dafür steckt zuviel politisches Kapital in dem Projekt. Es wird daher nach meiner Ansicht mit grosser Wahrscheinlichkeit einen neuen massiven Rettungsversuch geben. Und der Zeitpunkt dafür dürfte nicht mehr zu weit entfernt sein, ich reche im Juni fest mit massiven Interventionen, vielleicht schon diese Woche.

Schaut man sich die überverkaufte, ja teilweise panische Lage der Märkte an, dürfte eine derartige Aktion - gleich welchen Inhalts - zu einem brutalen Shortsqueeze führen und den DAX um hunderte Punkte nach oben katapultieren.

Glaube ich, dass mit einer erneuten Intervention ala QE3 oder LTRO2 die grundlegenden Probleme gelöst werden können ?

Definitiv nein, die Lebenslügen des Euros bleiben bestehen und die Scheerkräfte die aus den unterschiedlichen Produktivitäten resultieren, werden weiter wachsen und letztlich zum Zerfall des Euro führen, wenn nicht schnell eine weit tiefer integrierte und homogenere Wirtschaftszone entsteht, was wohl nur höchst undemokratisch möglich wäre und deswegen sehr unwahrscheinlich ist. Aber für eine mehrmonatige Beruhigung bis zur US Wahl könnten Massnahmen ala LTRO sehr wohl sorgen. Das sollte man nicht unterschätzen, wenn man nun nur noch schwarz sieht, weil man sich zu sehr von der allgemeinen Stimmung anstecken lässt.

Wichtig ist auch zu sehen, dass aufgrund der grossen Abhängigkeit von Interventionen der Notenbanken und Politik, technische Marken in ihrer Aussagekraft weiter deutlich herab gesetzt. Auch der bedeutende Bruch der 200 Tage Linie, der heute letztlich technisch bestätigt wurde, sollte in meinen Augen zwar ernsthaft zur Kenntnis genommen, aber auch nicht überbewertet werden. Derartige Indikatoren sind dann sehr mächtig und verlässlich, wenn der Markt ruhig "im eigene Saft" schwingt. Das ist aber aktuell definitiv nicht der Fall, wir befinden uns in historisch unerforschten Gewässern.

Stellen Sie sich alleine vor, morgen würde es von Seiten Merkel Signale geben, dass man dem Gedanken einer Bankenunion - also einer Vergemeinschaftung der Banken-Risiken - aufgeschlossen gegenüber sei. Ich gehe fest davon aus, dass der DAX dann innerhalb 48 Stunden wieder bei 6400 stehe würde. 200 Tage Linien interessieren dann niemanden mehr. Bedenken Sie also dieses massive "Headline-Risiko", wenn Sie aktuell rein aufgrund technischer Signale agieren wollen. Das bedeutet nicht, dass die Signale wertlos wären, man sollte nur wissen wo die Grenzen der Methode in einer historisch so einmaligen Lage wie aktuell sind.

Auch statistisch ist das leicht zu verifizieren, betrachtet man die 200-Tage-Linie 10 Jahre im Tageschart zurück bis 2002 und zählt die Fälle, in denen die Linie wie aktuell von oben geschnitten wurde, hatten wir:

  • 3 signifikante Fälle, in denen ein Bruch der 200-Tage-Linie eine neue signifikante Baisse ankündigte. Und zwar 02/02, 01/08 und 08/11.
  • aber auch 5 Fälle, in denen ein Bruch der 200-Tage-Linie um mindestens 100 Punkte trotzdem innerhalb weniger Tage und Wochen zum Fehlsignal wurde. Und zwar 08/04, 06/06, 05/10, 08/10 und 03/11.

Bei aller Bedeutung, die auch ich einem solchen Bruch der 200-Tage-Linie beimesse, sollte man also nicht glauben, hier nun einen Indikator zu haben, dem man blind folgen kann. So einfach macht es einem Mr. Market nie, wäre es anders, könnte jeder an der Börse reich werden.

Insofern wird es in meinen Augen nun zunehmend riskant auf der Short-Seite zu stehen bzw gar nicht im Markt investiert zu sein. Umgedreht sind aggressive Long-Wetten gegen den Trend immer noch Harakiri und Kapitalerhalt die erste Anlegerpflicht, denn das Risiko eines echten Zusammenbruchs der Märkte ist nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem glaube ich, dass man nun auch mal langsam wieder in "Chancen" denken darf, solange man für sachgerechte Absicherung der Position sorgt.

Sie wissen, dass ich seit Ende März hier im Blog immer wieder eine Tendenz zu weiter fallenden Kursen kommuniziert habe, die sich eindrucksvoll bestätigt hat. Falsch lag ich nur beim Ausmass der Bewegung, denn das wir nun sogar unter 6000 schauen, hatte ich Ende März nicht auf dem Radar, 6400 und maximal 6200 waren aber sehr wohl auf meinem Radar, wie Sie als regelmässige Leser wissen.

Es sei hiermit vermerkt, dass sich diese bärische Tendenz bei mir nun langsam wendet ! Ich kann mir noch gut vorstellen, dass der DAX kurzfristig noch die 5800 testet und der S&P500 die 1250, spätestens dann steigt aber die Wahrscheinlichkeit eines massiven Bounce erheblich. Schon aktuell habe ich eine leichte Tendenz zu höheren Kursen im Juni, sozusagen 60:40 für Long-Positionen bis Ende Juni.

In dieser unklaren Lage zwischen Chancen und "Crash-Risiken" muss jeder seinen eigenen Weg finden, der zum eigenen Risikoprofil passt. Für Marktteilnehmer wie mich, die den Markt permanent im Auge haben, sind gut abgesicherte Long-Positionen nun durchaus denkbar und bergen teilweise interessante Chancen. "Otto-Normalanleger" der nicht schnell genug reagieren kann, wenn der Markt dann doch gegen ihn läuft, sollte wohl besser komplett an der Seitenlinie stehen, bis sich wirklich ein neuer Trend etabliert hat. Denn auch 40% sind ziemlich wahrscheinlich. 😉

Fazit:

Ich gehe fest von massiven Interventionen der Politik und Notenbanken im Juni aus. Egal was der Inhalt ist und egal ob diese Interventionen langfristig irgend etwas lösen, haben sie das Potential den Markt in einem gewaltigen Short-Squeeze nach oben zu drücken. Der Zeitpunkt ist aber unklar und bis dahin dürfte der Abwärtstrend erhalten bleiben.

Bedenken Sie auch, dass die Reihenfolge fast immer ist: der Markt dreht massiv und die guten Nachrichten kommen dann hinterher. Die Fähigkeit Mr. Markets Trendwenden in der realen Welt frühzeitig zu erahnen, ist ungebrochen, was schon alleine daran liegt, dass es eben sehr viele smarte "Defacto-Insider" gibt, die so nah an Politik und Institutionen dran sind, dass sie viele Entscheidungen erahnen können.

Insofern kann ich nur raten, die europäischen Banken, zb in Form des ETF iShares Eurostoxx Banks (WKN 628930) genau im Auge zu behalten. So wie der ETF den Absturz der Weltbörsen seit Mitte März vorweg genommen hat, könnte ein deutliche Stabilisierung dort ein Signal sein, dass der breite Aktienmarkt auch nicht mehr weit von einem Boden entfernt ist.

Nach Betrachtung all der Probleme, will ich deshalb heute auch einmal Marktsegmente auflisten, die nach meiner Ansicht im positiven Sinne einen Blick wert sein könnten, gerade auch mitten in der Krise:

(1) Gold und Goldminen habe ich hier ja zu genüge thematisiert. Wenn man sich einen Stop unter die Tiefs von Mitte Mai legt, ist man sauber abgesichert und kann entspannt verfolgen, ob sich die Trendwende weiter materialisiert. Auch Silber sollte profitieren, allerdings ist hier die Lage aufgrund der Funktion von Silber als Industriemetall komplizierter, weswegen ich bei Silber zwar grosse Chancen aber auch grössere Unsicherheit ob der weiteren Entwicklung sehe.

(2) US Industrieaktien profitieren von einer anlaufenden neuen Industrialisierung der USA, die unter anderem von billigem Erdgas befeuert wird. Aber auch der starke Dollar hilft, die Einfuhren in die US zu verbilligen. Die ideale Aktie erzielt also ihre Umsätz primär in Dollar (ist also von der Konjunktur in Europa wenig abhängig) und bezieht gleichzeitig viele Vorprodukte aus Übersee, die nun durch den aufwertenden Dollar billiger werden und/oder profitiert von den niedrigen Energiekosten.

(3) Internationale Bluechips für Grundbedürfnisse , also beispielsweise Titel wie Nestle (WKN A0Q4DC), Unilever (WKN A0JMZB), Johnson&Johnson (WKN 853260) oder Roche (WKN 851311) , profitieren davon, dass bei sich weiter verschärfender Krise, genau diese Titel die idealen "Wertaufbewahrungs-Container" sind, mit denen man Kapital vor Totalverlust und Bankrun schützen kann. Schon jetzt halten sich diese Aktien ausgezeichnet, bei Verschärfung der Krise dürfte der Vorteil dieser Aktien weiter wachsen. Nur wer daran glaubt, dass sich die Krise bald in Luft auflöst, kann in meinen Augen auf derartige Depotpositionen verzichten.

Mit Titeln aus diesen drei Segmenten, fühle ich mich persönlich auch mitten im aktuellen Absturz sehr wohl. Verbunden mit genügend Cash, kann ich die aktuelle Lage so vergleichsweise entspannt betrachten. Sobald Anzeichen für eine Intervention der Politik und Notenbanken auftauchen, wird der freie Cash dann in die "üblichen Verdächtigen" im konjunktursensiblen Bereich der Autos, Rohstoffe etc investiert, die in den vergangenen Wochen ja genügend verprügelt wurden.

So weit mein grobe Strategie zur aktuellen Lage. Ich hoffe, ich war ein wenig hilfreich. Sollte sich heute noch etwas bedeutendes ereignen, kommt noch ein Marktupdate um 22 Uhr. Ansonsten wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Tag !

Ihr Hari

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10 Gedanken zu „Hari´s Wochenausblick – 04.06.12 – Politische Funkstille“

  1. Das deckt sich ja weitestgehend mit meinen Plänen für den Markt. Eine Frage, die mich aber mittlerweile beschäftigt: Wie sehr wäre eine Notenbankintervention überhaupt noch in der Lage, den Markt auf einen höheren Level zu hiefen? Bei der letzten „Don’t fight the FED“-Situation sind wir wie die Begasten nach oben gebullert, um in ähnlichem Tempo kurz darauf in die Realität zurück katapuliert zu werden. Die Illusionen, denen sich die Marktteilnehmer damals hingaben, die Krise würde schon noch irgendwie gelöst werden, sind heute vollständig verflogen. Heute finde ich meiner Meinung nach ein rationaleres Verständnis für die Rolle der Notenbanken als Beatmungsgeräte der Märkte vor. Wenn aber schon jeder weiß, dass eine FED-Rally eine „Drogenrally“ (frei nach Hari :D) ist, wieviel Potential besitzen dann Tender und QE3 über den Tagesverlauf ihrer Verkündung hinaus?

  2. @ Ramsi, zwei Gedanken dazu:

    (1) Eine Massnahme die jeder erwartet, hat natürlich nicht so viel Potential wie eine überraschende. Es dürfte aber aktuell genügen, etwas aus dem Hut zu zaubern, dass die Sorgen um den spanischen Bankensektor lindert. Das alleine dürfte für eine starke Rally reichen.

    (2) Sicher ist das eine „Drogenrally“, aber von einem guten „Schuss“ in die Venen wird man trotzdem „High“, auch wenn man weiss, dass es mit einem schlimmen Kater endet. Der Markt wird doch nicht von langfristig denkenden Investoren bestimmt, sondern von Algos und heissem Geld. Und wenn das Geld riecht, dass es nun ein paar Wochen Rally geben könnte, wird es einsteigen und den Markt treiben. Über die Lage in 6 Monaten macht man sich dann Gedanken, wenn es so weit ist. Das Geld wird aber im Hier und Jetzt mit einer kurz- bis maximal mittel-fristigen Erwartung der Zukunft verdient. So denkt Mr. Market und nicht anders.

  3. Ich denke, dass ich auch über diese Schiene den Kurs der Rheinmetall-Aktie erklären muss, die heute schon wieder an die 4% verdroschen wird und sich einem 2013 KGVe von 4,xx im Schnelltempo annähert. Bis zu einem gewissen Punkt konnte man sich für diese Entwicklung noch Gründe aus den Fingern saugen, aber allmählich muss ich mich fragen, ob der Markt glaubt, deutsche Autos sind bald rollender Schrott und die Welt verfällt im nächsten Jahr dem Pazifismus. Die Anteilseigner von Lockheed Martin sehen das indes noch ganz anders. Verrückte Welt…

  4. @Ramsi: Ich bin aus Überzeugung Rheinmetall- Aktionär, weil auch Bekannte von mir dort arbeiten. Ich sehe bezüglich der Aktie 2 Möglichkeiten:

    1. Die Aktie ist schon aufgrund der Verteilung sehr volatil und überproportional in amerikanischen Händen. Die hören natürlich nur das Wort Eurokrise und verkaufen europäische Aktien. Die Firma interessiert hier nicht. Laut meinen Bezugskreisen steht die Firma (noch) stabil da und auch die Auftragslage ist momentan (noch) i. O.
    2. (Wahrscheinlicher) Die Anleger drücken die Aktie gezielt auf ca. 30 € (auf Niveau des letzten Jahrestiefs). Bei dem Kurs wird Rheinmetall vermutlich dann selbst noch eigene Aktien kaufen. Es gibt genug Aufwärtspotential, wenn sich die europäische Lage im Juni stabilisiert und Rheinmetall dann Kolbenschmidt- Pierburg auf den Markt werfen kann (ich vermute im Spätsommer). Ansonsten ist auch die Amerika- Asien- Orientierung des Unternehmens langfristig interessant und lobenswert.

    Ich kaufe bei ca. 30€ nach (VORSICHT, SEHR RISIKOBEHAFTET!!!).

    MfG (natürlich auch an Hari im Urlaub)

  5. @ Dan und Ramsi,

    meine Sicht auf Rheinmetall ist auch unverändert positiv. Die aktuellen Kurse sind für mich persönlich eher Kaufkurse. Ich bin vom Management wie vom Geschäft weiter überzeugt.

    Ich denke auch, dass das Gefühl das Rheinmetall nun übermässig verloren hat, etwas subjektiv ist. Vergleichen wir doch mal Daimler und Rheinmetall von den Höchstkursen im 1.Quartal bis heute:
    Daimler 49->35 = 28% Verlust und Rheinmetall 47->31 = 34% Verlust. Ins Summe also durchaus ähnlich. Die 6% mehr bei Rheinmetall dürften auf die Erwartung des Marktes gehen, dass das Rüstungsgeschäft unter der Staatsschulden-Krise leidet. Anders herum, ist diese Erwartung nun aber schon im Kurs.

    Um den Worst-Case einer schweren Rezession bei Rheinmetall einzuschätzen, sollte man einen Blick auf 2008 werfen. Da war Rheinmetall im Tief bei 16€, also knapp 50% tiefer als heute. Insofern werde ich bestimmt nicht behaupten, dass die Aktie nicht noch weiter fallen kann. Aber wenn man ein „Lehman-Szenario“ mal aussen vor lässt, halte ich die aktuellen 31€ für einen langfristig attraktiven Kurs eines spannenden und stabilen Unternehmens. Und in einem „Lehman II“ sind dann halt nicht nur Rheinmetall 50% tiefer, sondern eben auch Daimler und Co.

    Was Dan zu den amerikanischen Anlegern sagt, dürfte auch bei Rheinmetall zutreffen. Der derzeitige Absturz hat wohl weniger mit der direkten Lage im Unternehmen zu tun, sondern mehr mit der Repatriierung von Anlegergeldern in den US in Anbetracht der Eurokrise. Das erklärt auch die Differenz der Kursentwicklung von Lockheed Martin, General Dynamics & Co. und Rheinmetall. Derartige Divergenzen sind aber auch immer Chancen.

  6. Hari, was Deinen Kommentar zur 200-Tage-Linie angeht, so glaube auch ich nicht, dass es da einen Automatismus gibt. So habe ich neulich auch unter „Börsenregeln reloaded“ geschrieben. Wohl aber glaube ich, daß dieses Unterschreiten ein Signal für eine größere Abwärtsbewegung sein kann, und es in den Jahren seit 2000 mindestens drei Gelegenheiten gab, , wie Du selber auch geschrieben hast, in denen die Beachtung dieser Linie zur Vermeidung großer Verluste geführt hätte

    Du hast recht, in einem politisch geprägten Umfeld wie dem jetzigen können ständig „Schocks“ aus der einen oder anderen Richtung die Sache drehen. Das macht es aehr schwierig, überhaupt nach irgendwelchen Automatismen zu handeln.

    Die Szenarien, die mittlerweile konstruiert werden, werden immer beunruhigender. Heute Joschka Fischer in der Süddeutschen, „Europa in Flammen“. Her mit Eurobonds, Fiskal- und Transferunion, sonst Katastrophe. Na ja, Rot-Grün hat es damals mit Maastricht nicht sehr genau genommen….Das Dilemma ist, macht man die Schuldenbremse, läuft man Gefahr, die Krise wegen der entstehenden Nachfragelücke zu vergrößern. Macht man sie nicht, werden die Märkte immer mehr in Zweifel ziehen, dass man sie jemals machen wird. Man kann die Transferunion zwar machen, aber nur mit Mitgliedern, die die Disziplin haben, das auch durchzuhalten. Wir kommen allmählich an den Punkt, wo es egal wird, was man macht. Man muss bald etwas machen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es den Europäern zum Verhägnis, daß sie einander bekämpften. Deswegen war Merkozy gar nicht so schlecht, denn es wurde vereint gehandelt. Also mu0 man hoffen, daß aus Merkozy alsbald Merkollande wird. Ich sehe nicht, wie es anders gehn könnte. Den Euro ganz aufzugeben – Nein, da werden die Verwerfungen viel zu groß werden. Grexit ja, das ginge noch, aber Spaxit, Porxit…..au weia.

    Ich muß gestehen, daß es nach dem vergangenen auch in diesem Jahr wieder sehr schwer ist, die Orientierung zu behalten, da einige der alten Gesetze irgendwie nicht mehr zu stimmen scheinen. Vielleicht muß man sich auf die grundlegendsten Muster zurückbesinnen:

    1. Eine starke Ausdehnung der Geldmenge muss irgendwann zu höherer Inflation führen. Es ist kaum denkbar, daß dauerhaft Krisensituation herrscht, in der das vorhandene Giralgeld nicht umgeschlagen wird; wenn aber die Inflation relevant wird, dann steigen die Zinsen, auch die deutschen; es kann aber wegen der Bilanzrezession noch dauern, bis das der Fall sein wird.
    2. Wenn Anleihen teuer sind, dann sind Aktien auf lange Sicht die einzige sinnvolle Alternative. Denn Kassenhaltung vermindert auf Dauer den Realwert und Gold steigt nur bei anziehenden Inflationserwartungen, „heckt aber keine Jungen“;
    3. Dennoch können Aktien auch weiterhin noch fallen, solange der Glaube vorherrscht, daß sie fallen werden. Sie werden irgendwann wieder anfangen zu steigen, aber man kann nicht sagen, wann. Und es gibt auch gute Gründe, daß sie wieder steigen werden, denn gut gemanagte Unternehmen mit einträglichen Ideen gibt es immer;
    4. Aber noch haben die Kanonen nicht „gedonnert“ – früher oder später werden sie es tun;
    5. Die Schwierigkeiten heutzutage liegen aufgrund der modernen Kommunikationstechniken in der schnellen Reaktionszeit der Märkte – das war früher schon ein schwerer Nachteil der Kleinanleger, ist es heute noch mehr. Der Ausweg: Nach Nischen suchen, die mit dem breiten Markt nicht so stark korreliert sind, denn da wird das „Big Money“ dann nicht so schnell herein-/herausströmen.

  7. Tach!

    Hmmmm, Tokay, „eine Ausdehnung der Geldmenge muss irgendwann zu höherer Inflation führen.“

    Ist das wirklich so!? Und müßten Europa und Amerika dann nicht längst in einer solchen stecken!?

    Meine vereinfachte Meinung ist, dass es nur zu einer Inflation kommen würde, wenn dieses Geld in der Realwirtschaft landen würde, dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn es jetzt zu erheblich überzogenen Lohnzuwächsen käme, wie es beispielsweise in den siebziger Jahren der Fall war.

    Dieses Szenario sehe ich aber momentan nicht und mein Wiwi-Studium ist auch schon etwas her und man liest seit Jahren, dass irgendwann ganz bald eine Inflation über uns hereinbricht!? Und selbst die stark gestiegenen Energiekosten sowie Ölpreise die mit der Ausweitung der Geldmenge ja erstmal nix zu tun haben, konnten die Inflationsrate nur leicht negativ beeinflussen.

    Also die einfache Frage: Führt die momentane Ausweitung der Geldmenge zwangsläufig zu einer hohen Inflation?

  8. @ Matthew,

    wenn ich mich da mal einmischen darf. Inflation entsteht dann, wenn das frisch geschöpfte „Giralgeld“ in der Realwirtschaft landet. Das ist aber aktuell nicht der Fall, weil die Banken sich selber nicht trauen und das Geld sofort wieder bei der EZB anlegen, was zu einer völlig absurden Situation führt. Norbert Lohrke hat das in seinem Blog gerade gestern unter dem Titel -> Kunst des Arztes und Steuermanns <- lesenswert beschrieben.

    Und er wirft die berechtigte Frage auf, wozu wir die Banken überhaupt brauchen, um als Unternehmen an EZB Geld in Form von Krediten zu kommen.

    Ich bin im übrigen auch überzeugt, dass diese Liquidität früher oder später doch in die Realwirtschaft fliesst, weil ich es als unmöglich erachte die Liquidität wieder einzusammeln. Im übrigen haben wir die Inflation doch schon längst, man muss nur in seine Brieftasche schauen. Die offiziellen Warenkörbe kannst Du doch vergessen.

  9. Matthew, auch von mir noch eine kurze Anmerkung. Aus dem Wiwi-Studium kennen wir noch die Quantitätsgleichung, und die besagt: Y*P = M*V. Also: Erhöhung der Geldmenge bei gleichem Geldumlauf und gleichem Sozialprodukt bewirkt Erhöhung der Preise, sehr stark vereinfacht. Wenn Krise, dann verminderter Geldumlauf und verringerte Nachfrage, also auch Kreditnachfrage, also kein Preisanstieg in der Realwirtschaft. Aber: QE2+LTRO2 führten bereits zu einem Anstieg der Vermögenspreise, also der Aktienkurse, realwirtschaftlich bewirkten sie (noch) nicht sehr viel. Es wird so sein, daß diese Operationen sich verzögert in der Realwirtschaft auswirken, dann jedoch merklich. Denn wenn jemand seine Papiere verkauft, was macht er damit? Sicher nicht unters Kopfkissen legen…. Es kann nicht sein, daß die Operationen einfach verpuffen, es sei denn, die FED bzw. EZB schaffen es irgendwie, diese Ausleihungen geräuschlos einzusammeln, nur ist etwas derartiges in der Geschichte ohne Beispiel. Es wird wohl auf die schon mal zitierte „Finanzrepression“ hinauslaufen, welche auf die Bilanzrezession folgt. Und damit auch auf einen allgemeinen Preisanstieg.

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