Marktanalyse – 14.11.12 – Die Pros und Contras einer Jahresendrally in DAX und S&P500

Sah es gestern noch lange nach einem Turnaround-Tuesday aus, haben die Bären in der zweiten Handelshälfte der Wallstreet doch wieder die Oberhand gewonnen. So vergeht ein weiterer Tag, an dem die Märkte langsam nach unten bröseln.

Grund genug, sich zum Handelsstart in Deutschland mal ganz in Ruhe - und ohne Bias in eine Richtung - die ganzen Argumente Pro und Contra einer Jahresendrally vor Augen zu führen. Jeder möge dann selber entscheiden, auf welche Seite der Medaille er lieber setzen möchte.

PRO Jahresendrally

  • Historisch hat es fast jedes Jahr Stärke zum Jahresende gegeben, die sich typischerweise bis in den Jahresanfang fortsetzte. Die Frage war immer nur: wann geht es los und wie hoch geht es.
  • Die Liquidität der FED aus dem QE3 Programm wird ab 14.11.12 (heute) den Markt erreichen und damit die Kurse stützen.
  • Die Märkte sind technisch überverkauft und reif für eine Gegenbewegung.
  • Je länger so eine nervige Bröselbewegung wie aktuell dauert, desto dynamischer ist dann der Anstieg wenn es dreht. Sollte die Wende nach oben kommen, können wir uns wohl auf ein Feuerwerk freuen.
  • Sie werden erstaunt sein, das "Fiscal Cliff" auf der PRO Seite zu finden. Aber das Thema ist in meinen Augen overhyped und komplett in den Kursen verarbeitet. Das Bild der "Klippe" impliziert im übrigen einen Weltuntergang, der bei aller Schärfe der Kürzungen völlig übertrieben ist. Jedes kleine Gerücht oder Indiz für einen politischen Kompromiss sollte zu einer gewaltigen Rally an der Wallstreet führen. Und diese Gerüchte werden kommen.

CONTRA Jahresendrally

  • Die Unternehmenszahlen und Wirtschaftsdaten sind nicht berauschend. Das alleine für sich ist irrelevant, weil rückwärtsgewandt und schon lange in den Kursen verarbeitet. Aber auch die Ausblicke des Managements für 2013 machen wenig Hoffnung auf eine nachhaltige Trendwende. Das belastet die Kurse schon.
  • Die Märkte sind klar in der Hand der Bären und haben seit Mitte September einen Abwärtstrend eingeschlagen. Starke, panikartige Kursrutsche entstehen fast nie am Ende von grosser Stärke während einer Topbildung. Sie entstehen nach längerer, nervenaufreibender Schwäche - genau nach einer Phase wie aktuell. Das Risiko eines überraschenden Abwärtsschwalls ist aktuell deutlich erhöht.
  • Die Jahresendrally ist Common Sense und jeder rechnet damit. Das spricht dafür, dass dieser Optimismus erst schwinden muss, bevor sie wirklich kommen kann. Passend dazu, hat sich die Volatilität in den letzten Wochen kaum nach oben bewegt und das trotz des Kursrückgangs. Auch das spricht dafür, dass der panikartige Ausverkauf noch fehlt.
  • Auch wenn das "Fiscal Cliff" overhyped ist, führt es doch zu Anpassungsverhalten der Anleger, solange das Thema ungeklärt ist. So werden in den US gut gelaufene Aktien verkauft, um Gewinne noch zu vermeintlich geringeren Steuersätzen als 2013 zu vereinnahmen.
  • In Anbetracht von Konjunktur-Schwäche in den USA, Europa, Japan und China sind die Märkte nicht günstig - wie man den Anlegern anhand KGV und KBV einreden will - sondern viel zu teuer. Den Unterschied machen offensichtlich die Notenbank-Interventionen, ohne die wir im DAX aktuell wohl eher bei 4000 wären, weil dann auch die Unternehmensergebnisse im Angesicht einer weltweiten Rezession und Deflation mehr einbrechen würden. Diese weltweite Rezession wird von den Notenbanken verhindert, nur das hält die Weltkonjunktur und damit auch die Indizes zusammen. Gleichzeitig verhindert es aber auch die kreative Zerstörung und Bereinigung, die zwingende Voraussetzung für einen neuen Aufschwung ist. Ein selbsttragender Aufschwung sieht auf jeden Fall anders aus und eigentlich wäre nur der ein Grund, von dem heutigen Niveau aus von weiteren Kurssteigerungen an Börsen auszugehen.

Summa Summarum wäre für mich in einem freien Markt die Analyse technisch wie fundamental ganz klar: es geht weiter nach unten - Vorsicht Absturzgefahr ! Wir sind aber nicht mehr in einem freien Markt, sondern in einem massiv durch Politik und Notenbanken beeinflussten und auch manipulierten. Und die Regeln "Liquidity Rules" oder "Dont fight the FED" sind tausendfach bewährt und sehr ernst zu nehmen. Weswegen es in diesen Tagen riskant ist dem zu folgen, was rational in einer freien Wirtschaft nur logisch wäre.

Es nützt auch nichts, sich darüber zu ärgern. Das Wohl der Märkte liegt in der Hand einer kleinen Zahl von Strippenziehern, die die grossen Hebel in der Hand halten. Wir müssen einfach lernen, damit zu leben. Und uns für eine Seite entscheiden.

Fallen Ihnen weitere Argumente Pro und Contra einer Jahresendrally 2012 ein ? Wenn ja, dann heraus damit ! 🙂

Ihr Hari

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17 Gedanken zu „Marktanalyse – 14.11.12 – Die Pros und Contras einer Jahresendrally in DAX und S&P500“

  1. Nette Gegenüberstellung, wobei ich alles in allem denke, dass es nun in erster Linie noch zu einem starken Ausverkauf kommen müsste, worauf dann eine mögliche Jahresendrally folgen kann. Denn momentan gab es meiner Auffassung nach einfach noch nicht genug „Schmerzen“.. das muss noch kommen.. dann kann es wieder raufgehen. Gut möglich, dass ein Worst-Case-Szenario eintritt und wir noch weit unter die 7000 fallen, so dass unsere Jahresendrally vielleicht auch einfach nur darin besteht, die 7000 zurück zu erobern.

  2. @hari,
    ohne mich der lobhudelei anheim zu geben, muss ich doch feststellen, dass ich deinen artikel mit verzückung gelesen habe, denn bisher habe ich eine so differenzierte, sachliche und gut nachvollziehbare argumentations-liste noch nirgendwo lesen können. vielen dank dafür. gleichzeitig muss ich mich als befürworter einer rally outen. vielleicht aber auch eher als herbeisehner…

  3. Mr. Market ist ja bekanntlich ein ziemlich fieser Typ, der ständig versucht, möglichst viele Trader und Anleger zu foppen, sie hereinzulegen und finanziell zu schröpfen. Man muss sich also nur überlegen, wie ihm dies diesmal gelingen kann. Zum Beispiel wie folgt: abbröckeln bis etwa 21. November in den Dax-Bereich 7020 – 7050 bzw. den Spx-Bereich 1340 – 1360; somit würde nicht in den von vielen Technikern erwarteten oder erhofften Zielbereich hinein korrigiert (6850 – 7000 bzw. 1310 – 1330). Und dann eine recht frühe und letztlich mickrige Pseudo-Jahresendrallye bei dem viele aufspringen bzw. wieder Hoffnung schöpfen. Da aber weder EU- noch US-Politiker irgend etwas angemessen Konstruktives zustande bringen werden (einige der wenigen Dinge, auf die man sich verlassen kann) und dies als sicheres Ergebnis auch korrekt antizipiert werden kann, bleiben dann die Jahresendrallies im morastigen Terrain auf ca. 7300 – 7400 bzw. 1400 – 1430 Höhe stecken. Kaum jemand wird damit happy sein, ausser er bzw. sie ist schlau genug, rechtzeitig in die Weihnachtsferien abzuschleichen. Diese Vorschau kann man als PRO-Jahresendrallye-Prognose ansehen (natürlich muss es irgendwann in den nächsten sechs Wochen mal eine Aufwärtsbewegung geben: Mr. Market never sleeps). Aber genauso gut auch als CONTRA-Jahresendrally-Szenario, weil es nur eine unzeitige und unergiebige Fake-Rallye ist.

  4. Schönes Szenario Todo, gefällt mir der Gedankengang. Würde auf jeden Fall gut zu Mr. Market, dem alten Bastard, passen. 😉

  5. Ich habe keinen Schimmer, wohin es geht. Ich kann mich fuer keines der beiden Szenarien erwaermen. Daher gefaellt mir ebenfalls das Gedankenspiel von todo, dafuer – nichts halbes und nichts ganzes – waere ich zu haben!

    Wo wir gestern von Broeseln sprachen. Ich sitze weiterhin geduldig auf meiner GDX Position und bin schon ganz gut angefressen wegen seiner Underperformance gegenueber Gold. Noch halte ich meine Haende unterm Hintern, aber ich hoffe (ganz doof wenn man schon hoffen muss), dass GDX:GLD seine Broeselei bald endlich mal abgeschlossen hat.

  6. @ Hans, das Bröseln kannst Du ganz einfach beenden. Du hast wie ein Gott dafür die Macht. Du musst nur verkaufen ! Danach hört das Bröseln auf und die Kurse steigen. Garantiert. ;-p

  7. @Hari, ich weiss auch nicht, was ich Deiner Aufstellung noch hinzufügen könnte. Die wesentlichen Aspekte sind alle genannt. Der Artikel ist wie stets von hoher Qualität.

  8. Hallo zusammen,

    das Szenario von todo gefällt mir in dem Sinne auch gut, als dass mit so etwas weniger zu rechnen ist und das der, hier oft angesprochene, Weg des Schmerzes wäre. Vor allem die kurze und kleine Rally halte ich für wahrscheinlich.
    Hari, auch wenn du es schon in deinem Artikel angesprochen hast messe ich dem „Fiscal Cliff“ doch noch eine größere Bedeutung zu, in welche Richtung es dann geht ist erstmal egal.
    Man hat einfach noch viel zu wenig über Lösungsansätze und durch Gerüchte über den Stand der Beratungen gehört, oder hab ich da was verpasst!? 🙂

    Gruß Skismo

  9. Hatten wir dieses bröseln nicht auch letztes Jahr vor dem Crash im August?
    Ich kann mich erinnern dass da auch wochenlang nichts nach oben ging und alles irgendwie genau wie jetzt leicht vor sich hingebröselt hat. Und danach dann dieser brutale Absturz.Das war damals richtig übel.
    Die Charts vieler Aktien sehen im Moment nicht gut aus. Viele Aktien wollen nicht wirklich nach oben,nehmen aber downmoves nach unten sofort an.
    Irgendwie hab Ich im Moment kein gutes Gefühl.
    An einen Jahresendcrash kann Ich aber genauso wenig glauben.
    Ja ganz recht …. Mr. Market der alte Bastard 🙂 . Macht es einem mal wieder alles andere als leicht.

  10. @ Skismo, in den US sind die Medien voll mit Spekulation zum Fiscal Cliff. Ich rechne nicht mit einer schnellen Lösung, das ist aber eingepreist. Dann aber zumindest mit einem „verschieben“. In dem Zustand in dem wir uns befinden, dürfte schon das vom Markt positiv angenommen werden.

  11. Hallo Hari,

    Freue mich nachdem ich bisher nur „lesend“ an Mr.-Market teilgenommen habe, auch dabei zu sein. Ich lese diesen Blog wirklich gerne, weil ich die Ausgewogenheit der Beiträge sehr schätze!

    Sag mal-
    Du hast sicherlich die Jahresprognose für den S&P 500 von Goldman Sachs mitbekommen. Die sehen vom Jahreshoch eine ca. 20% Korrektur bis Jahresende. Quelle:
    -> GS Prognose <-

    Würdest du das als „Kontrajahresendrally“ werten oder nicht beachten?

    Grüße! rldb

  12. @ Rauldiblasio, willkommen im Blog !

    Was Goldman Sachs angeht ignoriere ich das. Also weder noch. Das hätte nur einen Wert, wenn ich wüsste mit welcher Absicht und Agenda diese Prognose gemacht wird. Will man wirklich gut treffen oder will man die Anleger dazu bringen, dem GS Desk die Aktien über den Tresen zu schieben ?

    Da ich die Absichten nicht kenne, ignoriere ich das besser, jeder Gedanke daran lenkt einen nur vom Wesentlichen ab. Und das der Markt aktuell schwach ist, das sehe ich auch ohne GS. 😉

    Und ja ich weiss, Chinese Walls und so. Bla blubb. Wer es glaubt wird selig. Diese Prognosen fallen für mich also eher unter psychologische Kriegsführung und je weniger ich mich damit befasse, desto besser für meine eigenen Entscheidungen.

  13. @Hari, ich habe im Moment nicht so viel Zeit auch noch ausländische Nachrichten zu verfolgen, deswegen war ich mir da nicht so sicher. Denn über den Teich in unsere (Online-)Gazetten schwappt ja im Moment nicht so viel rüber. Aber wenn es so ist wie du sagst, dann wird da wirklich schon mehr eingepreist sein als ich dachte. 🙂
    Schönen Abend noch!

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