Marktupdate – 02.08.12 – FED & EZB: ausser Reden nichts gewesen

16:00 Uhr

Wie treffend meine zuletzt mehrfach geäusserte Sicht auf die bullische Struktur des Marktes war, können wir heute wieder beobachten.

Wir standen mit DAX 6800 und S&P 500 1380 eigentlich nicht mehr sehr weit von den Jahreshöchstständen entfernt und hatten eine tagelange Rally hinter uns.

Und dann enttäuschen die Notenbanken auch noch übertriebene Erwartungen. FED mit QE3 - Fehlanzeige. Erneute Zinssenkung EZB - Fehlanzeige. Konkrete Massnahmen der EZB ausser Absichtserklärungen - Fehlanzeige. Immerhin hat Draghi nun konkrete Aktionen in den nächsten Wochen angekündigt und damit bleibt die Hoffnung am Leben. Aber trotzdem, normalerweise hätte diese Summe an Enttäuschungen reichen müssen, um den Markt massiv nach unten zu schicken.

Und was macht Mr. Market ? Er gibt bei den Enttäuschungen gestern und heute früh kaum ab. Dann spricht Draghi von konkreten Aktionen in den nächsten Wochen und der DAX Future steigt - Pling - sofort bis 6850 ! Erst als der Markt während der Pressekonferenz realisiert, das Draghi heute mehr als Ankündigungen noch nicht zu bieten hat, lässt das den DAX Future in einer Korrektur temporär bis 6604 abstürzen. Aber jetzt um 16 Uhr kommen die Kaufprogramme wieder und kaufen den Rücksetzer und 6700 sind schon wieder in Schlagweite.

Ich kann es nur deutlich sagen: wenn die Bären auch die heutige Enttäuschung nicht nutzen können um den Markt abzuschiessen, wenn wir uns im weiteren Handelsverlauf wieder über 6700 im DAX hoch robben, dann ist damit der Beweis erbracht, dass von den Bären aktuell keine Gefahr droht.

Aber noch haben die Bären ja ein paar Stunden Zeit das Blatt doch noch zu wenden. Eine bessere Definition für einen starken Markt gibt es auf jeden Fall nicht und ich kann nur dazu raten, das dann zu respektieren und sich dieser Dampfwalze nicht mit einem bärischen Bias entgegen zu stellen.

Insofern werde ich ganz aufmerksam den weiteren Verlauf des heutigen Tages abwarten, denn der sagt uns eine Menge darüber, wie die innere Konstitution des Marktes wirklich ist und wieviel Saft diese Rally noch hat. Damit die Bären meinen Respekt erwerben, müssen sie nun die "Nach-Draghi" Tiefs erneut durchschlagen und den DAX auch nachhaltig unter 6600 tauchen. Dann bin ich bereit die Bären wieder ernst zu nehmen.

Wie lange diese bullische Phase noch andauert kann Ihnen niemand sagen, vielleicht ist sie ja schon heute Abend vorbei. Aber was ich hier sehe, hat für mich eher den Charakter über ein kurzes Sommerwunder hinaus zu gehen und bis in den Herbst Wirkung zu zeigen. Denn wenn man es genau betrachtet, hat Draghi durchaus geliefert. Wer halbwegs kompetent die Mehrheitsmechanismen in der EZB verfolgt, konnte doch nicht ernsthaft erwarten, dass heute schon ein konkreter Beschluss erfolgt. Im Kern hat Draghi aber massive Staatsanleihenkäufe - also die europäische Version des Quantitative Easing - in den Raum gestellt. Ein Staat der also unter den ESM schlüpft, wird durch die Geschütze der EZB damit defacto vom Markt abgeschirmt.

Das ist schon eine sehr wesentlich und starke Aussage, die über das eigentliche Mandat der EZB hinaus geht. Insofern hat Draghi geliefert und ich vermute, der Markt wird das im Laufe des heutigen Handels auch so sehen. Um so wichtiger wird damit das Bundesverfassungsgericht am 12.09.12 werden, den Termin können Sie sich schon heute markieren, denn er wird für grosse Nervosität an den Märkten sorgen.

Und was den sich abzeichnenden Grexit angeht, wird der den Markt gar nicht interessieren, wenn die EZB mit klarer und aggressiver Sprache "alle notwendigen Massnahmen" garantiert und der ESM aktiv ist. Der Markt interessiert sich doch gar nicht für Griechenland und sorgt sich auch nicht darum. Was ist schon Griechenland für die Welt - eigentlich völlig irrelevant.

Der Markt sorgt sich um die Folgeeffekte eines Grexit in den grossen Volkswirtschaften der Eurozone wie Italien und Spanien. Wenn die EZB den Markt aber durch aggressive Sprache überzeugt, dass es sich nicht lohnt gegen die schweren Waffen der EZB auf eine Eskalation der Krise zu setzen, dann wird es schlicht keine Eskalation geben. Vertrauen ist halt das entscheidende Gut an den Finanzmärkten. Dann wird die Finanzwelt den sowieso unvermeidlichen Grexit nur noch mit einem desinteressierten Schulterzucken zur Kenntnis nehmen und letztlich wird es den Euro stärken.

Auffällig ist auch erneut die immense Stärke der grossen, defensiven Bluechips, hier fliesst eindeutig institutionelles Geld zu und diese Titel geben einfach kein bischen ihrer bisherigen Gewinne ab. Bei den kleinen und mittelgrossen Aktien ist das Bild lange nicht so positiv, was man auch leicht an der deutlichen Divergenz zwischen S&P500 und Russell2000 Index (RUT) erkennen kann.

Fazit: Wenn der heutige Tag bis Handelsschluss stark bleiben sollte und wir uns von den Tiefstständen nach Draghis Pressekonferenz weiter entfernen, sind ein DAX über 7000 und ein S&P500 über 1400 für mich durchaus wahrscheinlich geworden. Erst wenn wir unter DAX 6600 schliessen, wird sich mein Blick auch wieder nach unten richten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an meine im 2. Quartal mehrfach getätigte "Weissagung" einer Sommerrally, die sich vor einem Monat auch viele hier nicht so richtig vorstellen konnten. Es ist und bleibt halt einfach so, dass der Weg den sich die wenigsten vorstellen können, an der Börse mit der höchsten Wahrscheinlichkeit eintritt. Für Laien mag sich das komisch anhören, denkt man darüber nach wird es aber ganz logisch. Denn auf dem Weg den alle schon erwarten, sind alle auch positioniert und dieses Geld ist damit schon ausgegeben und in den Kursen verarbeitet.

Was ist heute sonst noch auffällig ?

Veolia (WKN 501451) wird heute mit zeitweise Minus 10% geschlachtet. Meine Warnung vom 05.07.12 war also offensichtlich gerechtfertigt. Auslöser waren die Zahlen, die ich aber gar nicht als so schlecht empfand, immerhin war Veolia wieder zu einem Quartalsgewinn in der Lage. Insofern bin ich mir nicht völlig darüber im Klaren, was zu diesem massiven Absturz heute geführt hat. Mit Sicherheit hatte der Markt bessere Zahlen erwartet. Ich habe aber schon seit dem 05.07.12 den Eindruck, dass es hier von Seiten der Politik Probleme gibt, die zu einer Verschlechterung der Stimmung im Sektor führen. Denn die Märkte in denen sich Veolia bewegt sind in hohem Masse politisch beeinflusst, bei einem sozialistischen Präsidenten erst recht. Wer aufgrund französischer Sprachkenntnisse mehr zum Geschehen bei Veolia beitragen kann, ist mit einem Kommentar herzlich willkommen.

Itron (WKN 888379) schiesst nach ausgezeichneten Zahlen um 10% nach oben.

Die Goldminen (ETF GDX) zeigen in Anbetracht des Goldpreise mit über 1% Plus um 16 Uhr Stärke und Überperformance. Wie übrigens Gold und Silber diese Enttäuschungen bisher auch ausgezeichnet verarbeitet haben. Sollte Gold heute trotz der Enttäuschung über 1600 USD schliessen, wäre das ein starkes Signal.

US National Gas (ETF UNG) setzt zu einer scharfen technischen Korrektur nach Test der 200-Tage-Linie an, weil die Lagerbestände überraschend hoch sind. Wenn der Aufwärtstrend dabei nicht gebrochen wird, könnte das eine Kaufgelegenheit sein. Dabei muss man auch ein wenig aufs Klima schauen, die Hitzewelle hat in den US diesen Sommer den Gasverbrauch in die Höhe getrieben und zur Wende bei US National Gas beigetragen. Sollte diese Hitzewelle nun auslaufen, dürfte der Kurs weiter korrigieren.

Ich wünsche viel Erfolg !

Ihr Hari

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4 Gedanken zu „Marktupdate – 02.08.12 – FED & EZB: ausser Reden nichts gewesen“

  1. Hi Hari,

    der Markt scheint Draghi aber nun doch verspätet abzustrafen, allerdings war ohnehin mal eine deutlichere Korrektur fällig, oder? Vielleicht stocke ich meine Bluechips bei der Korrektur mal auf (long).

  2. Ich oute mich. Ich bin einer von denen mit baerischen Bias. Nach oben hin gut abgesichert. Auch beim GDX bin ich baerisch. Allerdings ist hier wirklich bemerkenswert, wie gut der sich haelt. Und der DAX will auch immer noch nicht nach unten durchfallen. 15min hat er noch 🙂

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