Marktupdate – 04.07.12 – Die Ruhe vor dem Sturm

15:00 Uhr

Den heutigen ruhigen Handelstag - mit der Wallstreet im "Independence Day" - möchte ich zum Anlass nehmen, den Blick ein bisschen nach vorne zur richten. Denn die heutige Ruhe dürfte eher eine "Ruhe vor dem Sturm" sein, denn mehrere wichtige Termine stehen an. Aber eins nach dem anderen:

Donnerstag 05.07.12 EZB Zinsentscheidung

Morgen um 13.45 Uhr, wird die EZB ihre Zinsentscheidung bekannt geben. Um 14.30 Uhr folgt dann eine Pressekonferenz. Aus Reihen der EZB kamen in den vergangenen Tagen klare Signale, dass eine Zinssenkung bevor steht. Unklar ist nur der Umfang und ob weitere Massnahmen beschlossen werden.

Ich gehe mal davon aus, dass die EZB sich dessen bewusst ist und klug genug, die öffentliche Wahrnehmung im Vorfeld so einer Entscheidung in die richtige Richtung zu lenken. Insofern ist eine Zinssenkung tatsächlich höchst wahrscheinlich. Keine Zinssenkung müsste man nun als Debakel der Kommunikationspolitik der EZB werten.

Eine Senkung um 0,25% auf 0,75% ist aber allgemeiner Konsens und mit der Bewegung der letzten Tage nach oben auch eingepreist. Deutliche Marktreaktionen dürften also nur durch Abweichungen von dieser Erwartung ausgelöst werden.

Freitag 06.07.12 US Arbeitsmarktdaten

Übermorgen um 14.30 Uhr stehen wieder die sehr marktbewegenden US Arbeitsmarktdaten an. Hier ist Mr. Market derzeit wieder in der ebenso perversen wie schizoiden Logik, dass schlechte Daten gute Daten sind, weil das den guten Ben zum eingreifen zwingt.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie verdreht und ermüdend ich diese immer gleiche Logik finde, das ist aber genau das was derzeit wieder an der Wallstreet passiert. Insofern brauchen sich die Bullen vor latent schlechten Zahlen wohl nicht besonders zu fürchten. Nur extreme Überraschungen sollten hier unangenehm werden.

Dienstag 10.07.12 Bundesverfassungsgericht zum ESM

In meinen Augen ist das der kritischste der drei Termine. Ich hatte ja schon mehrfach anklingen lassen, dass ich den "Ruf wie Donnerhall" den das BVG bei der breiten Bevölkerung noch hat, nicht mehr uneingeschränkt teilen kann. Zu stark hat hier auch eine Vermischung mit politischen Interessen und eine Besetzung nach Parteibuch stattgefunden, dass ich der Unabhängigkeit noch uneingeschränkt trauen könnte.

Aber trotzdem ist das Ergebnis vom Dienstag offen, denn zu klar und offensichtlich sind die verfassungsrechtlichen Probleme die vom ESM ausgehen. Sicher teilt die Mehrheit der Richter wohl die Pro-Euro Strategie der Regierung und hat keine Motivation dort hinein zu grätschen, der Vorsitzende Vosskuhle hat in dieser Richtung ja schon in einem -> Zeit Interview <- den Satz geäussert: "Ich persönlich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich den Weg zu einem europäischen Bundesstaat für den richtigen halte" - was ich auch bemerkenswert finde. Aber das BVG weiss auch, dass es nun an der entscheidenden Klippe steht, an der es letztlich über die eigene Relevanz in den kommenden Jahren befindet.

Unsere Verfassungsväter hatten so ein Szenario wie aktuell auf jeden Fall nicht im Blick, der Blick der Verfassungsväter war darauf gerichtet, einen neuen Hitler unmöglich zu machen, weswegen das Grundgesetz von massiven "Checks and Balances" durchsetzt ist. Nach dem reinen Wortlaut der Verfassung kann das BVG also gar kein Urteil fällen, es muss das Grundgesetz auslegen im Sinne, was die Verfassungsväter für eine Situation wie aktuell gewollt hätten. Damit ist man aber eigentlich schon ausserhalb des rein juristischen Rahmens und im Bereich politischer Entscheidungen. Und das macht das Ergebnis des Dienstags so unberechenbar.

Übrigens hat Altkanzler Schmidt in meinen Augen zu diesem Thema ein äusserst fragwürdiges Verständnis der Gewaltenteilung offenbart, als er dem BVG riet "Man muss sein Herz über die Hürde werfen". Lesen Sie -> hier <- im Handelsblatt einen interessanten Artikel, der die Konfliktlinien gut darstellt.

Insofern rechne ich mit Wahrscheinlichkeit nicht damit, dass das BVG am Dienstag die Unterschrift unter den ESM aufhält, bis in der Hauptsache entschieden ist. Es gibt aber eine relevante Wahrscheinlichkeit von geschätzt 20-30%, das es doch passiert. Und das würde nach meiner Erwartung an den Märkten zu deutlichen Verwerfungen führen ! Ich kann jedem nur raten, sich über dieses Szenario Gedanken zu machen !

Schlussfolgerungen zum Marktgeschehen

Schaue ich auf das Momentum und die innere, bullische "Price-Action" im Markt, legt mir das aktuell mit guter Wahrscheinlichkeit nahe, dass wir nach einer Konsolidierung noch einen weiteren Schub nach oben bekommen, Ziel 1400 im S&P500 und 6700 im DAX.

Spätestens dann bin ich aber nicht mehr davon überzeugt, das wir in den breiten Indizes noch ein besonders attraktives Chance-Risiko-Verhältnis haben. Denn wir sind nun zu schnell zu weit gelaufen und haben in Tagen verfrühstückt, was für ein ruhiges Hochschieben den ganzen Juli hätte reichen können. Spätestens bei DAX 6700-6800 kommen dann auch wieder die bekannten Verdächtigen aus den Löchern und werden dem Privatanleger erklären, wie "saubillig" der DAX doch sei.

Ein paar Prozent nach oben in den breiten Indizes sehe ich in diesem Sommer also durchaus noch als realistisch an, die Fallhöhe nach unten (nicht die Wahrscheinlichkeit), ist aber nach meiner Ansicht weit höher.

Diese Skepsis bezieht sich aber nur auf die breiten Indizes, denn die Sektoren sind teilweise extrem auseinander gelaufen. Und in bestimmten Sektoren und Aktien haben wir tatsächlich attraktive Long-Setups, die auch für viel mehr als ein paar Prozent im Sommer gut sind.

Es wird also entscheidend darauf ankommen, diese Sektoren und Aktien zu identifizieren. Ein paar Hinweise habe ich Ihnen schon gegeben. Ansonsten kann in meinen Augen eine gesunde Prise Skepsis nicht schaden. Zu viele in Regierungen und Notenbanken wollen diesen Markt aus eigensüchtigen Motiven hochbeten. Das wird auch eine Zeit lang gelingen, bis es irgendwann auf dann katastrophale Art und Weise nicht mehr gelingt. Und es kann auch nicht schaden Aktien und Sektoren auszuwählen, die möglichst wenig von weiterem Wirrwarr rund um den Euro betroffen sein werden.

Ich wünsche Ihnen gute Entscheidungen !

Ihr Hari

** Bitte beachten Sie bei der Wertung der Inhalte dieses Beitrages den -> Haftungsausschluss <- ! **

23 Gedanken zu „Marktupdate – 04.07.12 – Die Ruhe vor dem Sturm“

  1. in sachen richter und politische entscheidungen fand ich auch das urteil zu „obamacare“ ganz interessant / überraschend (zumindest für mich) …

    ich muss zwar gestehen: ich hab mich da nicht sonderlich interessiert und nur einen kurzen artikel gelesen, aber in dem hieß es, die richter seien in der mehrheit von republikanischen präsidenten besetzt worden und der vorsitzende hat vorher auch in einem interview so einen satz vonwegen „staatliches raubrittertum“ betreffend verpflichtende versicherung losgelassen

    …also „how knows“ … ich würde gern ein paar 100 € in aktien longs verlieren und dafür ein paar 1.000 € zukünftige steuern nicht zahlen müssen 😉

    btw. es darf mir gerne jemand, der sich intensiver mit der entscheidung in den usa auseinandergesetzt hat erklären warum das so ausgegangen ist

    greez

  2. Hallo Leute, leider habe ich wieder eine konkrete Frage zu einer konkreten Aktie. Haltet Ihr die Aktie von Salzgitter für eine interessante Position? Ich meine Hari hat mal geschrieben, dass solche Positionen interessant wären, wenn man von einer Preiswende im Stahlsektor ausgeht, was momentan aber wohl kaum jemand tut. Zudem wäre es wieder ein Unternehmen, dass stark von der Eurokrise abhängig ist, was wiederum negativ ist. Aus meiner Sicht müsste im Kurs davon aber schon viel beinhaltet sein. Bei mir liegt die Kaufentscheidung gerade bei 50 zu 50…
    Ich glaube wir haben morgen im laufe des Vormittags noch Zeit, Käufe zu tätigen, die sich kurzfristig lohnen. Ich persönlich gehe vor dem 10.07. fast komplett aus dem Markt, da der ESM für mich absolut nicht verfassungsgemäß ist. Ich denke es ist der Punkt erreicht, an welchem Karlsruhe den Volksentscheid fordern müsste. Die jetztige Beschlusslage müsste, nach dem letzten EU- Gipfel, ohnehin hinfällig sein. Um die Eurokrise weiterhin „beherrschen“ zu können, müssen schnellere Beschlüsse her und dazu bedarf es jetzt der Grundgesetzänderung. Es kann nicht sein, dass alles über Monate verzögert wird, weil etwas über Karlsruhe gehen muss…

  3. Hari, ich bin nun auch bei der Saxo Bank und arbeite mich gerade ein wenig in die Handelssoftware ein. Ist das auch dein präferiertes Instrument oder arbeitest du lieber mit einer externen Software?

  4. Nur mal so am Rande, sind solche Nachfragen (s.o.) von mir störend bzw. werden solche Fragestellungen nicht gerne kommentiert? Ich bin aber nun zum Schluss gekommen, dass ich eine größere Bewegung der Aktie im momentanen Umfeld nicht sehe und daher auch keinen Kauf tätigen werde. Mich würe nur mal Eure grobe Aufstellung interessieren. Ich bereite mich mit Cash darauf vor, was am 10.07. passiert. Mal sehen wo wir dann im S&P 500 und DAX stehen und sich ein Aufsatteln noch lohnt.

  5. Nein Dan, warum soll das störend sein ? Ich persönlich habe nur im Moment keine konkrete Meinung zu der Aktie, die es Wert wäre hier zu schreiben. Grundsätzlich finde ich Salzgitter einen seriösen Wert, der im Moment sicher eher unter- als überbewertet ist. Aber das ist nur ein langfristige Aussage und keine Indikation, was da in den nächsten Tagen und Wochen passiert.

    Vielleicht hat ja jemand anders eine Meinung zum Titel.

  6. @Dan

    … ich wollte erst mal warten was an Meinungen hier kommt bevor ich vorpresche, um Dir zu antworten 😉 .

    Sicherlich hast Du diesen Artikel von Hari -> Salzgitter <- schon gelesen.

    Für mich steht dieser Wert auch auf der Beobachtungsliste, da ich ihn von der Fundamentalanalyse her gesehen ebenfalls als interessant betrachte; nur im Augenblick finde ich den Wert charttechnisch gesehen noch nicht kaufenswert – es ist schwer zu sagen wohin die Reise geht – sollte Mr. Market „verrückt spielen“ wären auch Kurse bis in den Bereich 20€ denkbar, von wo ich aus sicherlich die ersten Positionen aufbauen werde (selbst dann würde ich mein Pulver nicht auf einmal verschießen).

    Bei Deinem Engagement solltest Du Dir vorab 3 Fragen beantworten: a) wieviel Prozent Deiner Anlagesumme bist Du gewillt in den Wert anzulegen, b) investierst Du auf einmal oder in Tranchen und c) wie lang möchtest Du den Wert behalten.

  7. Vielleicht -> hier <- noch ein Artikel im Kontext Stahl, der das Thema Salzgitter etwas in einen grösseren Rahmen stellt.

    Klar ist, dass sobald dieser Zyklus dreht, mit den Stahlaktien gewaltiges Geld verdient werden kann. Die Frage ist aber „wann“ das passiert und das kann noch länger dauern, als dem Depot lieb ist.

    Im Moment kommt zu allem Überfluss auch noch Angst vor billigem russischem Stahl in den Markt, weil Russland am 10. Juli den WTO Beitritt im Parlament ratifizieren will.

  8. @Dan.

    Kann mich den Worten von Pascal nur anschließen. Fundamental ist ja auch alles gesagt zu der Aktie. Charttechnisch liefert Salzgitter jedoch keinen Grund zu kaufen. Aufgrund der vielen Anregungen hier im Board – und manchmal muss man schon sehr genau hinhören und anschließend viel Arbeit investieren – habe ich mir mal ein „paar Trendanalysatoren zusammengebastelt“, die rückblickend nicht so schlecht gewesen wären (muss ja nicht heißen, dass es so weitergeht). Aber nach meinem Gefühl, kann die Aktie am 5.3. extrem unter Druck und am 19.6.zeigte sich ein kleiner Ansatz einer versuchten Trendumkehr, der sofort wieder abverkauft wurde. Wenn Dich Stahl interessiert – mit dem wichtigen Hinweis von Hari gerade im Hinterkopf – schau Dir doch mal genauer die letzten Tage von Klöckner an.. (und wirf mal einen genaueren Blick auf den heutigen Candle Stick).

    Übrigens, was die Entscheidung am 10.7. in Karlsruhe betrifft. Eine Gefahr ist (wie überall) da (weil es nirgendwo 100% Sicherheit gibt); aber vorstellen kann ich mir nicht, dass auch noch der BGH ein weiteres Mal Deutschland vor der finanztechnischen Weltöffentlichkeit blamiert. Ich denke eher, „der Termin wird gut vorbereitet“. Ansonsten glaube ich auch, dass wir uns nicht wieder dort finden, wo wir letzten Donnerstag gestartet sind.

  9. Bei Salzgitter hat Anfang 2008 der GLD-200 nach unten gedreht und dieser hat sich seither nicht mehr richtig erholt. Auch kurzfristig ist der negative Trend intakt. Aus meiner Sicht derzeit kein Kauf, vielmehr eher bei Erholung ein Verkauf.

    Sicherlich ist die Aktie optisch billig und substanziell ein sehr solider Wert, aber der Kurs spiegelt nun mal die pessimistischen Aussichten für den Stahlsektor insgesamt. Hier muss sich erst noch ein Boden etablieren. Wo der sein könnte…wir wissen es nicht.

  10. Ich habe jetzt doch mal eine allgemeine Frage,
    nachdem ich aus heutiger Sicht anfänglich eher planlos auf Anraten von anderen „Experten“ Aktien gekauft habe, besitze ich mittlerweile ein Regelwerk nachdem ich kaufe und wiederverkaufe, i.e., eine Tabellenkalkulation in der ich ersehe,
    – wieviel Gewinn/Verlust ich mit jeder Aktie inklusive aller Gebühren erziehlt habe
    – wie sich mein Depot prozentual im Vergleich zum Dax entwickelt (um zu sehen ob es ueberhaupt Sinn macht selber Aktien zu kaufen oder sollte ich lieber ein Dax ETF halten).
    – Hat der Verkauf und spätere Wiedereinkauf einer Aktie inklusive aller Gebühren was gebracht oder sollte ich die Aktien lieber halten.
    – Was ist der Haltezeitraum der einzelnen Aktien

    Ich glaube, dass ich mittlerweile besser sehe, wann man (kurzfirstig) auf Aktien aufsteigen kann, d.h. anhand von Unterstützungen wie SMAs, FR und FR Fächer, Trendlinien etc – auf Tageschartbasis). Zudem bin ich vorsichtiger wenn der MACD sehr positiv ist oder der RSI nach unten wandert, … etc.

    Nun zur Frage: wann geht man am besten wieder raus? Der SlStochastik dreht meist nach ein paar Tagen nach unten (mein Hauptindiz, wenn man kurzfristig unterwegs ist), oder ich setzte Verkaufsorder wenn eine Widerstandslinie nahe kommt. Klingt einfach, bringt aber viel Zeitaufwand und Stress.

    Eigentlich wuerde ich einige Aktien von den ich prinzipiell ueberzeugt bin, auch länger halten, nur jeder Ruecksetzter lässt mich zweifeln und ich verkaufe dann doch relativ schnell. Ich mache trotzdem im Durchschnitt kleinere Gewinne, aber meine Frage ist, wie kann man selber eine innere Ruhe finden und will nicht ständig wieder verkaufen und im sicheren Cash sein. Ich springe meist zu früh von den steigenden Trends aus. Noch wichtiger: Wie schafft ihr es ein Investmentdepot aufzubauen, ohne bei jedem Zucken Panik zu bekommen? Ich hatte es im letzten Sommer/Herbst versucht und es ging ziemlich nach hinten los und seit dem fühle ich mich wie ein nervöses Kaninchen, wenn ich long bin (bin fast nur in Deutschen Aktien investiert, keine Kontraken, kein shorten).

  11. Danke für die nun recht zahlreichen Kommentare, scheinbar war meine Einschätzung ganz gut, dass man (noch) nicht kaufen sollte. Vor neuen Investitionen warte ich, wie gesagt, den 10.07 ab.

  12. PS: Ich denke, die erste Antwort wird sein, es ist eine Frage des Zeithorizontes und des Zieles welches man verfolgt – klar, meine Frage ziehlt eher dahin, wie schätzt ihr ab, wieviel Luft nach oben man noch hat und wann nimmt man die Gewinne mit / wann realisiert man die Verluste. Zumindest ich bin relativ angespannt, wenn ich Aktien halte und wie geht ihr damit um?

  13. Ohje Jacky, da stecken so viele Fragen auf einmal drin, unterschiedlichste Techniken um einen Ausstiegspunkt festzulegen, Psychologie die einen „zwingt“ Gewinne zu früh vom Tisch zu nehmen, grundlegende psychologische Probleme bei der Geldanlage usw. usw., das man das unmöglich in einer Antwort und schon gar nicht in einem Kommentar beantworten kann.

    Du hast damit sozusagen in ein Wespennest gestochen, denn über den richtigen Einstieg machen sich alle Gedanken, über den ebenso wichtigen Ausstieg denken aber Anfänger viel zu wenig nach. Insofern könnte man in Antwort Deiner Frage mehrere Bücher schreiben oder auch mehrere lesen. 😉

    Ich will deshalb nur als Einstieg zwei kurze Hinweise geben, in der Hoffnung dass andere ergänzen und das wichtige Thema vielleicht im Zuge einer Diskussion ausführlich beleuchtet wird.

    1.
    Wenn Du kein echter Investor ala Warren bist – und das sind die wenigsten und viele die es glauben auch nicht – ist es absolut existentiell, dass Du auch weisst, zu welchem Kurs Du warum verkaufen wirst. Überhaupt diese Marke zu haben, ist nach meiner Erfahrung fast wichtiger als die Technik, mit der Du die Marke ermittelst.

    2.
    Wie Du selber scheinbar zunehmend erkennst, ist Dein Kernproblem Psychologie, Psychologie, Psychologie ! Technik ist nicht das Problem, sie durchzuhalten aber schon. Darüber musst Du selber noch viel tiefer nachdenken, am Ende kannst auch nur Du selber Dir dafür Lösungen ausdenken, da diese immer mit Deiner persönlichen Risikotoleranz und Deinem Charakter zu tun haben. Niemand hier kennt Deine psychologischen „Macken“ so gut wie Du. Die meisten erfahrenen Trader haben sich aber alle irgendwelche „Tricks“ ausgedacht, mit denen sie ihre eigene Psychologie überlisten können.

    Bei mir hat sich zum Beispiel in Phasen der Unsicherheit das Prinzip des Teilverkaufes bewährt. Ich baue Positionen gerne in Stufen auf und in Stufen wieder ab. Damit kann ich in Phasen der Unsicherheit das Bedürfnis befriedigen etwas vom Tisch zu nehmen, ohne gleich vor der Grundsatzfrage zu stehen ob ich gleich ganz aus der Position will und ohne mir die Chance zu nehmen, an weiteren Gewinnen zu partizipieren. Ich habe zur einer Position die ich halte also immer eine ZIELGRÖSSE und eine BASISGRÖSSE und mehrere Stufen dazwischen. Die Stufe in der sich meine Position befindet, ist also immer Ausdruck der Überzeugung die ich für diesen Trade habe. Auf der Zielgrösse bin ich also sehr überzeugt. Am Ende überliste ich mich damit natürlich nur selber, aber wenn es funktioniert ist es doch gut.

    So viel zum Einstieg ins Thema. Wie gesagt, Deine unscheinbare Frage ist eigentlich ein Bogen über alle typischen psychologischen Probleme der Geldanlage und deshalb nur in Bruchstücken zu beantworten. Zu vielen dieser Themen habe ich im Blog hier auch schon geschrieben, Du musst es nur aufnehmen und verarbeiten. Und auch in Zukunft werden Teilaspekte Deiner Frage immer hier Thema sein.

    So, jetzt sind die anderen dran. 😉

  14. PS: Als Beispiel war ich in Rheinmetall bis vor kurzem „überinvestiert“, das heisst ich habe meine reguläre Zielgrösse sogar überschritten, um das Momentum der Kursentwicklung mitzunehmen. Bei 39,8€ habe ich gestern – wir hier in den „Tips“ kommuniziert – diese Überposition abgebaut und befinde mich nun im normalen Rahmen, etwas unter der Zielgrösse. Das war also eine Reaktion auf gestiegenes Risiko, ohne das ich die Position als solche in Frage gestellt habe.

    PPS: Ein Trailing Stop kann auch eine Ausstiegsmarke sein, in dem Fall eine dynamische.

  15. @Jacky, ich würde an Deiner Stelle nicht zuviel Energie auf diese ganze Geschichte MACD/RSI/Stochastic verwenden. Sie sind zwar nicht schlecht,aber es sind Oszillatoren und vornehmlich für trendlose Märkte gedacht. In Bullen- bzw. Bärenmärkten haben wir fast immer Oszillatoren „am Anschlag“ oder knapp darunter will heißen da kann man die Dinger in die Tonne treten, etwas überspitzt ausgedrückt. D.h. die erste Frage, die man sich stellen sollte, sollte immer sein, was für einen Markt man überhaupt vor sich hat. Dann kann man sich überlegen, welche Indikatoren was aussagen.

    Allgemein ist die Einzelaktie, wenn es ein großer Wert ist, immer sehr stark mit dem Index korreliert. Daher ist die Betrachtung des Gesamtmarktes eine wichtige Sache. Und vor allem, welche News den Markt gerade prägen. Z.B. haben jetzt diese Woche viele auf eine Zinssenkung spekuliert, deswegen der allgemeine Aufwärtstrend. Wichtig ist auch das Volumen, eine Bewegung, die von hohen Handelsvolumina geprägt ist, ist etwas anderes, wie wenn „alle in den Ferien sind“.

    Dann ist es auch wichtig, welchen Horizont Du hast, ob Du day tradest, oder ob Du mittel- oder langfristig orientiert bist. Je nach dem wird das Ergebnis ein anderes sein. Muss es ja auch, denn für die Kaufaufträge braucht man möglichst viele Verkaufsaufträge.

    Und die Sache mit den Stopps ist ebenfalls sehr wichtig, eigentlich sogar mit das wichtigste, vor allem dann, wenn der Trend massiv gegen Dich läuft. Wie lange kannst Du das aushalten? Ist es für Dich schlimm, wenn Du den Einstandskurs so bald nicht wiedersiehst? Das solltest Du Dir vorher gut überlegen.

  16. @ Jacky und alle, ich habe hier einen sehr lesenswerten Grundsatzlink für Anfänger, aber auch mit überwiegend sinnvollem Input zur Erinnerung für weiter fortgeschrittene normale Anleger. -> 20 Investing Rules <-

    Schau mal auf Regel 5. 😉

  17. @ Jacky
    Bei mir hat da beim richtigen Ausstiegspunkt meist der Trailing Stop, wie oben schon angemerkt wurde, geholfen. Da ich sonst davor sitzen würde und mit mir ringe ob ich jetzt raus soll oder nicht. Ich bin in der Beziehung leider noch nicht hart genug zu mir selber.

  18. @ Jacky
    Ich nutze auch den Trailing Stop um die eigenen Emotionen auszutricksen. Dadurch wird man gezwungen, sich am Anfang über die Schwankungsbreite des Kurses, den man der Aktie erlauben will, Gedanken zu machen. Einem Wert, in dem ich ein längerfristiges Potential sehe, gebe ich mehr Raum, auch mal etwas nach unten wegzukippen. Einer kurz- bis mittelfristigen Anlage gebe ich weniger Raum. Davor habe ich auch immer ewig rumüberlegt, ob und zu welchem Kurs ich verkaufen soll und meistens war dann die günstige Gelegenheit schon wieder vorbei.

    Ich hatte mal eine ähnliche Frage gestellt und Hari hatte mir darauf auch die Taktik mit Teilverkäufen genannt. Eigentlich gefällt mir diese Methode konzeptionell noch besser. Allerdings halte ich meine Positionen (im niedrigen vierstelligen Bereich) wegen der Gebühren dafür zu klein. Möglicherweise ist das aber auch nur eine Frage des Gebührenmodells oder der persönlichen Präferenz. Bei steigendem Positions- oder Depotwert werde ich sicher mehr mit Teilkäufen und Teilverkäufen herumprobieren.

  19. @all
    Danke für eure Tipps! Ich werde sie versuchen umzusetzen (Trailing stop loss finde ich auch essentiel). Welches Grossereignis in der nahen Zukunft den Gesamtmarkt beeinflusst, ist natürlich wichtig und vor allem der Vorschlag von Teil(ver)käufen klingt nach einer guten Idee.

  20. @Chris, gerade erst gesehen, genau zum dem Schluss bin ich auch gekommen, die Positionsgrössen muss ich bei Teilverkäufen entsprechend anpassen und werde es dehalb nur bei einigen ausgewählten Aktien in meinen Beta-Test nehmen. Zudem muss ich entsprechend Luft beim Trailingstopp lassen, was eine Wissenenschaft für sich bzw. mich ist 😉

  21. Ich muss zugeben, habe die Frage nicht besonders gut formuliert und dann auch noch hat sich ein Zahlendreher eingeschlichen. Es waren natürlich 5914. Trotzdem vielen Dank für sehr ausführliche Erklärung.

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