Charts des Sommers – S&P500 – Würden Sie diesen Chart shorten ?

Heute möchte ich Ihnen in einem Beitrag zum S&P500 typische psychologische Fallen vermitteln, in die wir menschliche Anleger und Trader typischerweise tapsen, wenn wir einen Top im Markt treffen wollen.

Schauen wir dazu auf das Chart des Leitindex S&P500 (hier der Future), auf dem wir das Hoch vom 22.05.13 sehen, das Tief vom 24.06.13 und den erneuten Anstieg auf Hochs bis zum heutigen Zeitpunkt.

Trendfortsetzung oder Doppeltop, werden sich viele jetzt wieder fragen und es wird einigen in den Fingern jucken, diese Markt nun zu shorten.

S&P500 18.07.13

Da sitzt er nun also, "Hans Anleger". Privatmann, gebildet, börseninteressiert ... aber immer noch von Emotionen zu stark beeinflusst, die ihm permanent einflüstern, was der Markt nun wegen diesem und jenem machen müsste. Und sein Ego füttern, wenn es denn mal zufällig klappt. Und wegschauen und verdrängen und so sein Ego schützen, wenn es - wie so oft - nicht klappt.

Und diesen "Hans Anleger" gibt es nicht nur bei charttechnisch orientierten Anlegern. Nein, bei denen die sich naiv für etwas "besseres" halten, weil sie ja nur auf "fundamentale" Daten gehen und diesen "Hokuspokus" mit Charts nicht mitmachen, ist dieser Effekt sogar noch schlimmer. Dort entblöden sich viele noch nicht einmal der Einbildung, den zukünftigen Effekt einer aktuellen ökonomischen Entwicklung besser als alle anderen (die den Markt bilden) einschätzen zu können. Es fühlt sich halt so toll für das Ego an, klüger als die "dumme Masse" zu sein - nur macht es die Taschen später nicht voll, aber das ist eine andere Geschichte. Und dann hat man auch schon wieder ein anderes Thema gefunden um sich gut zu fühlen und daran zu wärmen. 😉

Zurück zu Hans Anleger, der diesen Runaway-Move im S&P500 seit November 2012 sieht und sich immer und immer wieder denkt: "Das kann so nicht ewig weiter gehen". Recht hat Hans Anleger, das Dumme ist nur, der Zeitpunkt wann es endet ist unbestimmt. 😉

Da Hans Anleger durchaus erste Erfahrungen hat, mit Oszillatoren wie dem RSI umgehen kann und auch ansonsten aus den Charts einiges heraus lesen kann, startet er also an Punkt (1) den ersten Short-Versuch. Durchaus nicht ohne Logik und das konnte man machen.

Leider beliebt Mr. Market aber nicht, sich entsprechend der Annahmen von Hans Anleger zu verhalten. Und da Hans Anleger auch weiss, wie wichtig Verlustbegrenzung ist - er ist also wirklich schon ein fortgeschrittener Anleger mit gutem Grundwissen - steigt er mit einstelligem Verlust aus dem Trade wieder aus. So weit so gut und völlig in Ordnung. Bisher kein grober Fehler.

Da Hans Anleger ja aber seine Überzeugung nicht ablegt, wird mit den weiter steigenden Kursen die Überzeugung nur stärker. Das "kann" nicht mehr so weiter gehen. Also versucht er es bei (2) und (3) erneut mit entsprechend negativem Ergebnis.

Und nun beginnt der eigentliche psychologische Fehler. Nun ist Hans Anleger gefrustet und um sich und sein Selbstbewusstsein zu schützen, schaut er nun ganz bewusst woanders hin und würdigt den S&P500 erst einmal keines Blickes mehr. Das ist ein unbewusster psychologischer Schutz-Reflex, den man überhaupt erst einmal in die Bewusstseinsebene hoch heben muss.

So passiert es, dass Hans Anleger den grossen ersten Einschlag gar nicht mitbekommt und erst bei (4) zur Kenntnis nimmt. Nun greift der zweite psychologische Fehler, sofort kommt der Gedanke: "Mist, Absturz verpasst. Das lohnt sich jetzt nicht mehr." Unbewusst bestätigt sich Hans Anleger also die Entscheidung, auf den S&P500 nicht mehr zu schauen.

Und so hat Hans Anleger keinerlei Chance, den ersten wirklich guten Punkt zu bemerken, an dem das CRV - ohne raten zu müssen - für einen Short spricht. Es ist der Punkt (5) nach dem auslaufenden Rebound. Auch so ein Rebound ist keine Garantie für einen Short, nichts ist eine Garantie im Markt, aber in so einer Struktur sind die Chancen sehr hoch, dass es zumindest eine zweite deutliche Abwärtsphase gibt.

Was also ist der psychologische Fehler ?

Erstens der Versuch die Zukunft zu erraten ! Das funktioniert einfach nicht ! Die Shorts (1) - (3) waren zwar nicht völlig unlogisch, aber sie waren trotzdem raten. Denn noch hatte der Markt nicht die Richtung gewechselt und ein Oszillator wie der RSI ist keine Garantie.

Zweitens ist der Fehler, nach mehreren Fehlversuchen in die Verdrängung zu wechseln um das eigene Ego zu schützen und damit die Augen vor dem zu verschliessen was weiterhin passiert. Denn genau dann ist oft genug das beste Chance-Risiko-Verhältnis im Markt ! Oft hatte man eigentlich recht, nur nicht genügend Geduld.

Drittens ist der Fehler, nach der ersten verpassten Bewegung sofort zu denken das wäre es schon gewesen. Wenn sich ein Trend dreht, dann gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mindestens einen Versuch zu den alten Hochs zurück zu kommen. Erst wenn auch dieser Versuch scheitert, entsteht wirklich eine Gelegenheit für einen Short.

Versuchen Sie sich statt dessen andere Denkstrukturen anzugewöhnen. Beim Betrachten einer bestimmten Chartstruktur muss Ihr Augenmerk darauf liegen, was die Wahrscheinlichkeiten sind, die in einer gegenwärtigen Struktur begründet sind. Erfolg am Markt beruht nicht auf wilden Prognosen für eine unbestimmte Zukunft. Er beruht auf einem intelligenten Spiel mit Wahrscheinlichkeiten und Risikomanagement ! All das Grübeln wann der Top kommt, hätte man sich in dem Beispiel sparen können, wenn man einfach auf den ersten Einschlag gewartet hätte. Der Markt sagt einem schon was er will, man muss nur hören.

Wenn Sie also irgendwo wieder so ein Banner anblinkt, wo Ihnen der "Crash 2013" oder "200% Gewinn" von einem selbst ernannten Guru geweissagt wird, machen Sie einen grossen Bogen darum. Ausser Sie sind gerne ein Schaf, das von anderen geschoren wird. Dann wünsche ich einfach viel Vergnügen bei der Rasur. Ihr Geld ist am Ende ja auch nicht weg, es hat halt nur ein anderer - das ist bestimmt tröstlich. 😉

Wenn aber nach einem heftigen, ersten Einschlag der teilweise Rebound kommt, der dann ausläuft, dann sollten Sie ganz wach und aufmerksam sein, denn das sind die Momente, in denen gute Chancen auf der Short-Seite liegen könnten.

Also noch einmal meine Frage, würden Sie diesen Chart des S&P500 heute nun shorten ?

Ihr Hari

PS: Und damit das ganz klar ist. Ich kann über diese psychologischen Mechanismen deshalb so gut schreiben, weil ich sie alle am eigenen Leib kenne und erlebt habe. Und so auch Chancen verpasst und Verluste produziert habe. Die Leistung die Sie bringen müssen, ist sich Ihre eigenen psychologischen Prozesse in die Bewusstseinsebene zu heben und dann Mechanismen, Systeme und Tricks zu entwickeln, mit diesen umzugehen.

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14 Gedanken zu „Charts des Sommers – S&P500 – Würden Sie diesen Chart shorten ?“

  1. Ob ich jetzt bei Punkt 6 short gehe oder nicht, ist mir nicht klar geworden. Es ist mir einfach an einigen Stellen deines Beitrags zu zweideutig formuliert. Aber da die Aufwärtsbewegung nach oben gerade auszulaufen scheint und vorweg der Aufwärtstrend gebrochen wurde, würde ich sagen ja.

    Zu Punkt 5:
    eigentlich muss ich doch 1-3 Balken weiter rechts den Punkt 5 markieren. Genau bei Punkt 5 weiß ich doch noch gar nicht genau in welche Richtung es weitergeht.

  2. @Jonkers, dann hast Du genau den entscheidenden Punkt des Artikels noch nicht erfasst. Du weisst nie, an keinem Punkt der Gegenwart, wie es weiter geht. NIE ! Und Deine Schlussfolgerung zu Punkt 6: was unterscheidet Punkt 6 bitte von Punkt 1-3 ?

    Bitte lies noch einmal, es geht gerade um eine andere Gedankenstruktur, die zu erkennen Du Dich schwer tust. Der Gedanke „wie es weiter geht“ ist der Fehler. Dieser Gedanke ist Unsinn, weil es darauf sowieso keine Antwort gibt, niemand kennt die Zukunft, auch nicht 3 Balken rechts von Punkt 5.

    Zu jedem Zeitpunkt (so auch heute) gibt es aber die Daten der Gegenwart und der Vergangenheit, aus denen man Wahrscheinlichkeiten herleiten kann.

    Also nochmal: Vergleiche mal Punkt 6 und Punkt 1 oder noch besser Punkt 2. Ist da ein Unterschied ? Wenn nein, was folgt daraus ?

    Um es anders zu formulieren, vielleicht wird es dann deutlicher:

    1. Solange ein Trend andauert und nicht gebrochen ist, ist die Wahrscheinlichkeit dass er morgen weiter geht immer grösser, als das er genau morgen wendet. Ergo: Es ist Unsinn einen aktiven Trend zu shorten. Das ist das „in ein fallendes Messer greifen“ nur auf den Kopf gestellt.

    2. Sobald ein Trend deutlich gebrochen ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es einen erneuten Versuch gibt den Trend wieder aufzunehmen. Erst wenn dieser erneute Versuche scheitert, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch dass es weiter abwärts geht. Genau das ist dann ein guter Punkt für einen Short.

  3. Da könnte noch was gehen im S&P! Oder auch nicht 🙂 Hari, du beschreibst hier in einer erschreckenden Genauigkeit mein Verhalten in 2012 – die Reflektion tut weh, ist aber nötig. Das ist mal wieder eine Top Artikel, den man sich wirklich einrahmen und an die Wand hängen sollte. Bitte mehr davon! 🙂

  4. Danke derBaum, aber auch ich kann nicht jeden Tag etwas Besonderes produzieren, schon jeden Tag überhaupt etwas zu schreiben, kostet Anstrengung, denn manchmal liegt einem einfach nichts auf der Zunge. Alle Schriftsteller kennen das als Schreibblockade.

    Und ich denke dieser Punkt den ich hier mache ist so zentral, dass es lohnt dabei zu verweilen. Für viele ist diese Umstellung in der Betrachtung des Marktes eine riesige Hürde und manche schaffen es nie.

    Weg von der Frage: „Was passiert morgen“.
    Hin zu der Frage: „Wie sind die aktuellen Strukturen von den Wahrscheinlichkeiten her zu werten“.

    Das Letztere ist weit schwieriger und intellektuell anspruchsvoller. Das Erstere ist das, was wir instinktiv machen ohne nachzudenken. Dummerweise ist der zweite, schwierigere Weg der des Erfolges.

  5. Richtig Hari. Das ist genau der Gedankengang, den die meisten eben keine Glaskugel vor Augen hat, der jeder gerne hätte ohne selber die konditionierten Gedankenstruktur aufzulösen. Ich tue mir selber auch schwer beim 6. Punkt, aber in meinen Augen könnte wieder die Shortfalle sein, wie anhand Punkt 1, 2 und 3.
    Danke für den sehr psychologischen Sichtweise 😉

  6. Hari, vielen Dank für diesen wieder einmal ganz entscheidenden Beitrag. Den einzigen kleinen Unterschied zu Punkt 2 ist der, dass bei Punkt 6 ein mögliches (!!) Doppeltop entstehen hätte können. Aber das kein so gutes CRV, um hier short zu gehen.
    Wenn du auch nicht jeden Tag die ganz spitze Feder finden kannst, so sind Beiträge wie diese, auch wenn sie nur einmal im Monat kommen, enorm wichtig und richtungsweisend.
    Gruß
    Donn
    P.S. mein Urlaub neigt sich dem Ende zu und das Premium-Abo ist in Sichtweite… 🙂

  7. habe ich es verstanden:
    Ein guter Zeitpunkt long zu gehen, wäre wenn der Abwärtstrend wieder von oben getestet wird (mit neuem Verlaufshoch bei 6)?

  8. Wenn ich nicht schon Long wäre, würde ich bei 1680 einen Stop Buy legen, bei 1650 den Stop und das Target auf 1800.

    Auf die dumme Idee ein Top oder einen Botton zu erraten, würde ich nicht mehr kommen- Sinnlos. Kostet nur unnötig Lehrgeld.

    Ohne Setups geht es nicht, es sei denn man ist Warren Buffet.

  9. @Jonkers, ich verstehe Deinen Satz trotz mehrfachem lesen nicht. Welcher Abwärtstrend ? Von oben ? Was hat das mit (6) zu tun ?

    Aber wie auch immer, ich versuche es so zu formulieren.

    Zum Zeitpunkt (6) ist der Aufwärtstrend der Ende Juni begann noch voll intakt. Es macht keinen Sinn, rein auf Verdacht, einen existierenden Aufwärtstrend zu shorten.
    Ein gutes CRV für einen Short entsteht erst nachdem einem der Markt gezeigt hat, dass der nun runter will und der Trend gebrochen wurde. Wenn dann der Rebound mit niedrigerem Hoch ausläuft, dann hat man dort ein gutes CRV. Das genau war bei (5) der Fall.

    Entscheidend ist also nicht den Top oder Bottom zu erraten. Entscheidend ist nachdem der Markt die Trendwende vollzogen hat, schnell die richtigen Schlüsse zu ziehen.

  10. … vielleicht sollte man noch ergänzen, dass die Schwankungsbreite über die wir hier sprechen mit ca. 120 Pkt. vom Bottom zum Top nicht gerade groß ist. Wer hier Geld verdienen will kommt um CFD’s nicht herum (WKN-Scheine sehe ich nicht als investierbar an). In der hier abgebildeten Skalierung ist also viel passiert, aber im großen Bild eigentlich gar nichts – vor allem nichts, was auf eine Trendwende hindeutet.

    Das einzugehende Risiko im kurz- bis mittelfristigen Zeitrahmen sollte man deshalb von seiner Erfahrung abhängig machen – aber das wurde im Blog ja schon mehrfach diskutiert.

  11. Korrekt.
    Oder kurz: Eine Trendumkehr zu erkennen ist schwerer (wenn gar unmöglich), als einen Trend zu erkennen.

    Allein die Psychologie lockt den Anleger dazu, immer wieder auf eine Umkehr zu spekulieren, weil man hier (theoretisch) von vornherein im Gewinn ist und damit auch den Trend auch leichter mitgehen kann.

    Der Einstieg in einen etablierten Trend birgt immer die Angst, dass man das Wichtigste verpaßt hat und nun schon die Ausgangstür suchen muss (was gleich wieder Stress verursacht und wer will mit Stress in ein Investment starten?).

    Und da der Mensch eben das Einfache liebt, versucht er lieber 100 mal eine Spekulation auf eine Trendumkehr, anstatt sich selbstbewusst einen Trend zu suchen, wo er was mitnehmen kann.

    Lösung:
    Lieber aus dem Trend etwas „herausschneiden“ und psychologisch so rein gehen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn hier deutlich höher ist und wie Hari schon sagt:
    Jeden Tag ist eigentlich ein neuer Tag mit einer neuen Bewertung der Situation und wenn auch die Menschen sich an der Vergangenheit orientieren und Probleme mit einem bereits laufenden Trend haben, die zunehmend handelnden Computer prüfen emotionslos die vorgegebenen Muster und analysieren die aktuelle Situation.

  12. Hari, hättest Du Lust, mal wieder eine aktuelle Chartbeschau zu machen? Wie schätzt Du die derzeit einsetzende Konsolidierung ein?

    Eine Anmerkung zum Artikel: Ich denke, dass die „Lust“ mit der sich viele liebend gerne in etablierten Aufwärtstrends auf der Short Seite positionieren daher rührt, dass Abwärtsbewegungen meist sehr dynamisch erfolgen und schnell mehrere Prozent ausmachen können. Es sind eben die feuchten Träume viele Bären, so eine Bewegung mal von „ganz oben“ mitzumachen, insbesondere dann, wenn die Indizes schon sehr weit gelaufen sind und das CRV für einen Einstieg nach oben nicht mehr optimal aussieht.

  13. Das kann gut sein Tomte, nur weiss Du sicher auch, wie oft unsere „feuchten Träume“ in der Realität wahr werden. 😉

    Charts wieder nächste Woche, wobei ich jetzt aber ein paar (Urlaubs-)Wochen etwas kürzer treten werde. Dazu nachher mehr im Premium-Bereich.

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