Das trojanische Pferd und das Ende von Nokia

09:00 Uhr. Heute ist ein trauriger Tag für Finnland. Das Ende von Nokia ist nach meiner Einschätzung da. Lesen Sie zunächst -> hier <- erst einmal die offiziellen Nachrichten.

Warum das Ende von Nokia werden Sie fragen ? Das will ich Ihnen im Folgenden erklären, denn ich persönlich habe den Eindruck des Vollzugs einer intelligent eingefädelten Zerschlagung zum primären Wohle Microsofts, die mit dem Wechsel von Stephen Elop auf den Chefwechsel am 21.09.2010 vor fast 3 Jahren begann.

Es ist sicher nicht so, dass es schon vor drei Jahren einen festen Plan gab, der einfach nur abgearbeitet wurde und das Stephen Elop insofern nur ein Trojanisches Pferd zum Wohle Microsofts war. Zu unberechenbar sind die Entwicklungen in der Branche, als das man 3 Jahre im voraus planen könnte. Und Stephen Elop hat vielleicht vor drei Jahren einfach nur eine grosse persönliche Chance ergriffen, ohne weitere Gedanken im Hinterkopf. Aber trotzdem haben viele der Schritte Nokias in den letzten Jahren in meinen Augen primär Microsoft gedient, was ich Ihnen im Folgenden darstellen will.

Dass das Ende nun gekommen ist, war für mich absehbar. Vielleicht erinnern Sie sich ja an meinen Artikel von vor ca. 9 Monaten, in dem ich Nokia wie Blackberry als -> Tote Katzen <- bezeichnet habe und nur Facebook von den Dreien Zukunftspotential zusprach ? Bei Nokia wie Blackberry hat sich das nun bewahrheitet und die Liebe der Privatanleger zu diesen Aktien war mal wieder die typische, fehlgeleitete Liebe zu "Fallen Angels" - die klassische Honigfalle, die wir auch bei Commerzbank, Praktiker und Co. immer wieder beobachten können und die viele Privatanleger zum Schaden Ihrer Depots wohl nie ablegen werden. Auch K+S hat aktuell das Potential in die gleiche Kategorie zu fallen.

Zu verlockend sehen Aktien ja auch aus, wenn man sie von früher gut kennt und diese früher viel teurer waren. Das fühlt sich dann emotional wie ein "Rabatt" an und man meint zuschlagen zu müssen. Dass der Markt aber gute Gründe hat eine Aktie nun anders zu bewerten, wird dabei übersehen. Und der Markt ist definitiv viel klüger, als all die Laien, die sich da etwas zusammen reimen.

Klar, wer nun in den letzten Wochen mit Nokia gezockt hat, wird nun durch den Verkauf an Microsoft nette Gewinne mitnehmen können. Diese Chance einer Übernahme war immer da und habe ich auch in meinem Artikel von vor 9 Monaten als einzige realistische Chance auf Gewinne bezeichnet. Aber wie viele Privatanleger sind immer noch seit Jahren bei Nokia drin und warten auf bessere Zeiten, so wie sie bei Commerzbank gewartet haben ? Diese Aktionäre wissen nun mit Gewissheit, dass sie Ihre Verluste nicht mehr wettmachen können.

Aber zurück zum Geschehen um Nokia. Schauen wir doch mal, wie sehr die Aktivitäten der letzten drei Jahre Microsoft gedient haben:

(1)

Vielleicht erinnen Sie sich ja daran, wie ich hier in den Anfängen von Mr-Market den von Elop betriebenen Wechsel Nokias weg von den eigenen Betriebssystemen Symbian und MeeGo hin zu Windows Mobile spöttisch gegeisselt habe ? 2 Jahre später fühle ich mich mehr als bestätigt. Den aktuellen, ärmlichen Zustand der Smartphone Umsätze hätte man locker auch mit Symbian und erst Recht mit MeeGo haben können. Genügend Zeit diese Systeme weiter zu entwickeln war auch - durch die Entscheidung zu Windows Mobile zu wechseln, hat sich Nokia ja auch für mehr als ein Jahr völlig aus dem Wettbewerb verabschiedet. Genau dieses Jahr war das entscheidende, in dem die Marke endgültig ihre Strahlkraft verloren hat.

Nein, der Wechsel war für mich völlig unnötig und hat primär Microsoft gedient, weil sich Nokia so selber kastriert und abhängig gemacht hat. Das Problem das Nokia hatte, war ja auch gar kein technologisches, MeeGo war gut genug. Es war primär ein Management-Problem - die Entwicklungsabteilungen waren zu behäbig und dem Wettbewerb von Apple und Google nicht mehr gewachsen. Dieses Problem hat man aber sowieso lösen müssen, der Wechsel zu Windows Mobile hat nur neue Probleme geschaffen und war aus Sicht von Nokia unnötig wie ein Kropf.

(2)

Was das "Ende von Nokia" angeht, könnten einige jetzt denken wieso, es gibt doch Nokia weiter ? Es wird doch "nur" das Smartphone Geschäft samt Patenten verkauft ?

Stimmt theoretisch, aber das verbleibende Netzwerkgeschäft hat in meinen Augen nicht das Potential dauerhaft selbstständig zu bleiben. Am Ende vermute ich, dass das Geschäft von Mitbewerbern wie Ericsson einverleibt wird und Nokia ganz vom Kurzszettel verschwindet. Man schaue auch mal am Kurs von Ericsson, wie schwierig dieses Infrastrukturgeschäft im Telekombereich ist, wo aggressive Mitbewerber aus China und Taiwan ala Huawei in den Markt drängen. Finnland ist damit sein bekanntestes Unternehmen los geworden. Eine Zeitlang wird es dort sicher noch ein Entwicklungszentrum von Microsoft geben, aber wie lange steht in den Sternen.

Vor dem Hintergrund dieser Aktion wird mir nun aber auch deutlicher, warum Nokias Managements so aggressiv Siemens aus dem NSN Joint Venture gedrängt hat. Das war nach meiner Vermutung eine nötige Voraussetzung um diesen Deal so machen zu können und hilft wiederum massiv Microsoft. Denn für den Übernehmer ist es viel einfacher, einen Teil eines börsennotierten Konzerns heraus zu kaufen, als ein komplettes Übernahmeangebot vorlegen zu müssen. Die Herauslösung von Nokia Networks aus dem Joint Venture war also vielleicht eher notwendige Voraussetzung, damit Microsoft nun diesen Schritt tun kann.

Und damit kommen wir zum dritten Punkt meiner Argumentation:

(3)

Stephen Elop - der Gedanke an ein trojanisches Pferd kann mir da schon kommen - auch wenn ich wie oben gesagt nicht an den grossen drei Jahre andauernden "Masterplan" glaube. Elop ist jetzt ein ganz heisser Kandidat auf die Nachfolge von Ballmer, der - Überraschung - vor kurzem zurück getreten ist. Damit hat Elop defacto - nicht aktienrechtlich und insofern legal - aber doch defacto mit sich selber verhandelt. Auf der einen Seite als Nokia Chef, der nun das Smartphonegeschäft an Microsoft schiebt und auf der anderen Seite als "mitgehender" neuer/alter Microsoft Mitarbeiter, der potentiell neuer CEO werden kann, aber zumindest eine sehr herausgehobene Funktion bei Microsoft haben wird.

Ich denke das "Geschmäckle" ist offensichtlich, auch wenn der Vorgang aktienrechtlich wohl legal ist. Und erneut hilft das am Ende Microsoft. Bei einer Komplett-Übernahme durch Microsoft wäre Elop aber nicht Verhandlungspartner gewesen, wie im Szenario der Herauslösung des Smartphone-Geschäftes. Bei einem Übernahmeangebot hätte sich Microsoft direkt mit den Nokia Aktionären auseinander setzen müssen. Und das wird typischerweise teuer. Sicher, auch jetzt wird Elop die Aktionäre fragen müssen, aber das ist ein weit einfacheres Szenario, als sich bei einem kompletten Übernahmeangebot mit aggressiven Mitspielern ala Icahn und Co. auseinander setzen zu müssen.

Summa Summarum, perfekt getimter Deal aus Sicht von Microsoft. Die Aussagen der Deal sei Ballmer bisher "zu teuer" gewesen, halte ich für ein Ablenkungsmanöver und für bewusst erzeugten Rauch, um den Blick der Gegner zu vernebeln. Dieser Deal - inklusive Patente - ist nicht teuer für Microsoft, der ist ungemein billig. Ich bin sicher, gäbe es Nokia nicht und jemand würde Microsoft heute das gleiche Portfolio an Patenten, Mitarbeitern und Produkten andienen - genau das was Microsoft nun dringend für seine neue Strategie braucht - dann würde Microsoft auch 10 Milliarden USD zahlen. Denken Sie daran, dass Microsoft für Skype locker 8,5 Milliarden USD gezahlt hat und das ganze Smartphone Geschäft von Nokia ist für Microsoft um Faktoren bedeutender, als ein einzelner Dienst für Video-Telephonie.

Nein, das ist nach meiner festen Überzeugung ein toller Deal für Microsoft und ich vermute, die Börse wird das heute auch Microsoft mit einem Premium danken und nicht wie üblich einen Übernahmeabschlag erzwingen. Ein Mitbewerber wird erst umarmt, dann kastriert und dann der schmackhafte Teil einverleibt. Und man bekommt auch gleich einen potentiellen CEO aus dem eigenen Stall geliefert, der nun Branchen-Knowhow aufsaugen konnte, das Microsoft bisher fehlte. Und nun hat Microsoft alle Inkredenzien beisammen, um ernsthaft gegen Apple und Co. antreten zu können.

Einfach perfekt und man könnte meinen, da hätte ein genialer Mastermind im Hintergrund einen perfekten Plan durchgezogen. Wie gesagt, so einfach wird es wohl nicht sein, zu wenig planbar ist die Zukunft und in dem Geschäft sowieso, aber zumindest zeigt Bill Gates nach meiner Meinung die Züge eines genialen Autisten und hat ohne jeden Zweifel einen extrem hohen IQ. Wer weiss ? 😉

Für die Aktionäre von Nokia heisst das in meinen Augen:

Nehmen Sie die schönen kurzfristigen Gewinne (oder verringerten Verluste) mit, die Ihnen Microsoft nun gewährt und schliessen Sie mit dem Kapitel Nokia ab. Ich werde das tun.

Es war eine schöne Zeit mit Dir liebe Nokia und ich war damals einer der ersten Kunden des ersten Communicators - des ersten "Smartphones" der Welt.

Rest in Peace Nokia ! Ich werde Dich vermissen.

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