Über Investoren und Trader

In Deutschland wird der Begriff "Trader" gerne mit einem leichten Anflug von Abscheu benutzt, es scheint nicht politisch korrekt zu sein, sich als solcher zu erkennen zu geben, obwohl es ja nur die englische Form von Händler ist. Und obwohl es für einen Händler - oder Kaufmann - ja durchaus so etwas wie eine Kaufmanns-Ehre gibt.

Auffällig ist auch, wie nahezu jeder Normalanleger der sich für Aktien interessiert, sich in der Öffentlichkeit nach dem Motto: “Ich bin Investor, aber kein Trader” positioniert.

Viele unterliegen dabei in meinen Augen einem Missverständnis. Das kommt daher, dass sie durch Medien und Politik immer mit dem polemischen Gedanken bombardiert werden: Trader sind schlecht, Investoren sind gut. Jeder will ein Investor und wie Warren Buffet sein, Trader dagegen sind böse "Zocker".

Klären wir doch also mal was ein Investor wie Warren Buffet so wirklich macht:

1. Er analysiert die Bücher des Ziel-Unternehmens bis ins allerletzte Detail
2. Er redet selber mit dem Management und verschafft sich einen persönlichen Eindruck
3. Er analysiert detailliert den Wettbewerb und den Markt und redet mit Mitbewerbern oder Branchenspezialisten
4. Er berechnet den inneren Wert des Unternehmens nach einer der diversen Methoden wie zb DCF

Jeden dieser Schritte macht ein Investor und mehr. Jeden dieser Schritte beherrscht ein Warren Buffet zur Perfektion. Und zum Schluss:

5. Ihm ist es völlig egal ob der Kurs kurzfristig etwas hoch oder runter geht. Er kennt den inneren Wert und verkauft erst dann, wenn er diesen Wert gemehrt hat und dafür den Preis bekommt, den er erwartet. Und wenn das Jahre dauert.

Das ist ein Investor.

Und jetzt frage ich alle, die aufgrund von Berichten in Magazinen und nach maximal einer Stunde Überlegung Aktien kaufen weil sie sie für "billig" halten - und sich dabei als "Value-Investoren" fühlen: Sind Sie wirklich Investoren? Wenn ja, warum sorgen Sie sich über eine momentane Börsenpanik? Sie kennen doch den wahren Wert Ihres gekauften Unternehmens. Oder? 😛

Nachdem ich uns so ironisch den Spiegel vorgehalten habe, sage ich Ihnen was die meisten von uns sind: Anleger, die sich wie Trader verhalten. Denn Trader bedeutet keineswegs nur Day-Trader. Es gibt unzählige Methoden und viele Stile, bei denen Aktien auch über Monate gehalten werden.

Der Trader unterscheidet sich aber vom Investor dadurch, dass er die Schritte oben nicht oder nur oberflächlich macht. Und er unterscheidet sich dadurch, dass ihn sehr interessiert wie sich der Kurs entwickelt, weil er in einem überschaubaren Rahmen von Tagen, Wochen, Monaten mit Gewinn verkaufen will. Und um das zu erreichen setzt er Techniken (Charts, Sentimentanalysen etc) ein, mit denen er sich einen Vorsprung vor den anderen Marktteilnehmern holen will.

Aber jemand der eine Aktie nach ein oder zwei Empfehlungen in Medien einfach an der Börse kauft und sich dann schon am nächsten Tag um den Kurs sorgt und von “Verlusten” redet, ist definitiv kein Investor, sondern eher ein Trader. Und dieser jemand tut gut daran sich nichts vorzumachen, sondern sich schnellstens die Tools und Techniken anzueignen, die es braucht um an den Märkten zu überleben. Warren Buffet weiss das natürlich, er kann aber jahrelang warten bis sich seine Investition auszahlt. Können Sie das auch?

In den hektischen und volatilen Märkten dieser Zeit ist es sowieso erste Bürgerpflicht flexibel zu sein. Was ist also schlimm daran sich wie ein Trader zu verhalten? Ich sage nur: Willkommen im Team!

Der Erfolg kommt nicht durch das richtige Etikett das man darauf klebt, sondern nur dadurch, dass man seine Sache gut macht. Und dazu ist es sehr wichtig zu verstehen, was die eigene Sache überhaupt ist. Denn nur dann kann man die richtigen Techniken einsetzen.

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