Wo wir im grossen Bild stehen

Mit der EZB am heutigen Donnerstag und der FED am kommenden Mittwoch, stehen uns zwei für den Markt sehr wichtige Notenbanktermine bevor.

Mit einer etwas längeren Perspektive, verlieren die beiden Termine dann aber ihre Bedeutung, denn grundlegender Wandel ist nicht zu erwarten.

Die FED versucht weiter, die Zinswende doch noch hin zu bekommen, die sie durch zu grosse Vorsicht um mindest ein, wenn nicht zwei Jahre, zu spät begonnen hat.

Die EZB unter Draghi dagegen, verweigert sich weiter der Frage, ob die gewählte Medizin dem Patienten überhaupt hilft und wird auf welche Art auch immer, die Dosis der Medizin noch weiter erhöhen und das historisch einmalige Experiment der Negativzinsen wohl weiter verschärfen.

Beide Notenbanken aber, wie auch die Bank of Japan und die Bank of China, befinden sich nach meinem Eindruck in einem "Race to the Bottom", einem gegenseitigen Prozess der Abwertung der eigenen Währung, aus dem ich nur wenig Entkommen sehe. Und die niedrigen und sogar Negativzinsen haben - wie es sich für eine Droge gehört - auch weitere, ungesunde Abhängigkeiten geschaffen.

Realistisch muss man anerkennen, dass während die meisten Staaten 2009 noch hätten auf einen normalen Zinspfad zurück kehren können, die Schulden heute in 2016 so immens gewachsen sind, dass der geordnete Weg zu normalen Zinsen wohl nun dauerhaft verbaut ist - ohne einen Schuldenschnitt und/oder eine Währungsreform.

Das ist für mich im grossen Bild die traurige Situationsbeschreibung eines geldpolitischen Pfades, den ich für ebenso fatal, wie verfehlt halte.

Für uns als Anleger, beantwortet das aber nicht die Frage, was wir in den kommenden 1-3 Jahren von den Märkten erwarten können.

Wirklich beantworten, kann das natürlich niemand, die Zukunft ist und bleibt unbestimmt. Aber wir können anhand des Leitindex S&P500 ja mal eine Perspektive für das grosse Bild entwickeln und uns fragen, wo wir da eigentlich aktuell stehen und wie es von hier weiter gehen könnte?

Das will ich nun mit ganz grobem Pinselstrich für Sie tun. Und ich tue es im S&P500, weil der in seiner Marktbreite und Liquidität, eben der bedeutendste und aussagekräftigste Index der Welt ist.

Schauen wir zunächst einmal, was ich für ein logisches und auch gesundes Szenario halte. Ein Szenario, das der Markt ohne Notenbank-Intervention nun auch mit hoher Wahrscheinlichkeit einschlagen würde:

S&P500 1 10.03.16

Der S&P500 würde nun in 2016 bis ca. 1.600 korrigieren, was im DAX einen Wert von um die 8.000 bedeuten dürfte. Dort wäre die Marktlage im zyklischen Sinne "bereinigt" und er könnte wieder ruhig in einen neuen Zyklus hinein steigen.

Man sieht schon mit einem Blick, warum das aus zyklischer Sicht nur logisch wäre. Die aktuelle Rally tritt nun ins achte Jahr, zeigt klare Ermüdungserscheinungen und ist für einen nachhaltigen Durchschnaufer mehr als überfällig, dessen erste Phase wir vielleicht im Januar gesehen haben.

Gesund für den Markt wäre es allemal, denn gute Gewinne kann man nur dann machen, wenn man vorher auch mal eine Korrektur zulässt, die Übertreibungen und Verzerrungen beseitigt. Dieses schwingende Auf- und Ab ist integraler Bestandteil aller gesunden Märkte.

Allerdings haben wir diese Rechnung wohl ohne die Notenbanken gemacht. Diese - insbesondere die EZB - entfernen sich nach meinem Eindruck immer weiter von reiner Geldpolitik hin zu einem planwirtschaftlichen Ansatz der Wirtschaftssteuerung, man versucht letztlich um jeden Preis die Konjunktur in Europa in Gang zu bringen. Die Frage, ob das nicht schon lange ausserhalb des eigentlichen Mandates liegt, weil genau das Aufgabe der politischen Rahmenbedingungen und nicht der Geldpolitik wäre, wird nach meinem Eindruck innerhalb der Machtzentralen von EZB und EU weg gewischt und nicht ernsthaft diskutiert.

Damit ist der sogenannte Bernanke/Yellen/Draghi Put weiter massiv im Markt und der verhindert eben durch immer neuen Stimulus, dass der Markt so natürlich und gesund korrigiert, wie er das eigentlich sollte.

Diese Massnahmen stabilisieren den Markt also auf der oberflächlichen Ebene, auf einer tieferen Ebene aber, schaffen sie neue, viel gefährlichere Ungleichgewichte, die sich dann später um so brutaler entladen werden.

Damit ist es ein ziemlich realistisches Bild auf die Zukunft, dass diese so aussehen könnte:

S&P500 2 10.03.16

Darin läuft der S&P500 auf längere Zeit eher seitwärts, wobei er aus einer kürzeren Perspektive problemlos mal 10% gut machen kann und auch 2.400 sicher drin sind. Nur ist das im grossen Bild eben auch nur eine breite Handelsspanne um 2.000 - ein wirklich nachhaltiger, neuer Aufwärtstrend, ist das nicht.

Was aber passiert, wenn der Bernanke/Yellen/Draghi Put in ungewollter Art und Weise zusammen bricht, weil die Notenbanken Glaubwürdigkeit verlieren und der Markt den Eindruck gewinnt, dass diese die Kontrolle über die von ihnen selbst geschaffenen Verzerrungen des Marktes verlieren?

Dann wird es wohl schnell recht übel und das generiert dann so ein Bild, das im ganz grossen Massstab immer noch keineswegs ungewöhnlich oder katastrophal wäre - es wäre im zyklischen Sinne immer noch eher "normal":

S&P500 3 10.03.16

Das sind die drei Alternativen, die wir in meinen Augen nun vor uns haben.

Sie werden schnell bemerken, dass eine Vierte fehlt, ein Szenario, in dem der S&P500 nun schnell und nachhaltig nach oben weg zieht und einen neuen Bullenmarkt begründet.

Das sehe ich realistisch derzeit nicht. Dafür sind mir im S&P500 die Bewertungen zu hoch, die Margen der Unternehmen zu sehr auf das maximal Mögliche gedehnt und das "Financial Engineering" in Form der Rückkaufprogramme schon zu weit abgefackelt.

Auf gut Deutsch, der S&P500 hat sein Pulver erst einmal abgefackelt und eine erneute Bullenphase bräuchte zwingend deutlich steigende Gewinnerwartungen. Nur wo sollen die her kommen, wenn die Margen schon so weit oben sind und der Konjunkturzyklus schon wieder zu kippen scheint?

Trotzdem, irgendwo gibt es immer einen Bullenmarkt und irgendwo im Markt lässt sich immer Geld verdienen, wenn nicht im S&P500, dann eben gegenläufig bei den Goldminen wie zuletzt. Ob die grossen Indizes nun aber sofort noch sehr viel Luft nach oben haben, darf man mal mit Fug und Recht in Frage stellen.

Aber ich denke schon, dass uns als Anleger langfristig um den Markt nicht Bange sein muss. Er wird wieder hoch ziehen, es wird einen neuen Bullenmarkt geben, der S&P500 wird 3.000 erreichen und der DAX 20.000.

Nur eben nach dem der Markt sich vorher erst einmal bereinigt hat und je länger und je mehr der Notenbank-Put diese notwendige und gesunde Bereinigung verhindert, um so zäher wird die Lage und um so weiter in die Zukunft, verschiebt sich der neue Bullenmarkt.

Es ist doch eigentlich ganz einfach:

Keine Flut ohne Ebbe.

Kein Tag ohne Nacht.

Kein Yang ohne Yin.

Kein Boom ohne Bust.

Kein Gewinn ohne Verlust.

Keine Freude ohne Leid.

Keine Konjunktur ohne Rezession.

Vielleicht kann das ja mal jemand der aktuellen Generation der Politiker und Notenbanker erklären, die Ebbe, Nacht, Yin, Bust, Verlust, Leid und Rezession immer technokratisch verhindern wollen und damit viel Wichtigeres verhindern.

Aber klar, ich vergass, ich bin ja nur ein dummer Junge. Das ist ja alles *alternativlos* und man muss nur fest daran glauben. Was rede ich also hier eigentlich? Gebe ich mich doch einfach entspannt dem "unermesslichen Ratschluss" unserer "Anführer" hin. 😉

Ihr Hari

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