22 Uhr Handelsschluss - Ausklang einer sehr bewegten Woche an den Börsen.
Eigentlich ein toller Tag für alle, die wie ich den Markt eher bullish sehen. Aber das war fies von Mr. Market. Richtig fies. Ein bischen Ausbruch bis DAX 6870 - aber nur ein bischen um dann mit DAX 6848 zu schliessen - damit man sich nun bei gar nichts richtig sicher sein kann.
Denn der DAX selber hatte schon volle Fahrt Richtung 7000 aufgenommen. Nur kam von den Amerikaner nichts. Die hingen um die 1360 im S&P500 herum. Und so konnte auch der DAX nicht mehr nachlegen, obwohl er eigentlich wollte. Ich bin bei diesen Ausbrüchen immer etwas zögerlich und warte lange ab, bis ich mir sicher bin, dass es nach oben durchläuft. Denn ich habe schon zu viele Fehlsignale erlebt, die nur dazu dienten, die Marktteilnehmer abzufischen, die dem vermeintlichen Ausbruch hinterher rannten. So hatte ich auch heute um die DAX 6850 herum immer noch die Hände unter dem Hintern.
Aber auch ich war knapp davor nachzulegen. Aber noch habe ich es nicht getan und bin unverändert nur mit halber Kraft Long positioniert. Formal sind wir nun aus der gestern gezeichneten Konsolidierung ausgebrochen und nachbörslich hatten wir erneut leichte Stärke. Von Schwäche keine Spur. Auch im S&P 500 liegen wir nun über der Konsolidierungszone - also eigentlich alles in Butter mit dem Ausbruch, oder ?
Aber ich bin noch nicht endgültig überzeugt, dafür haben wir uns heute nicht dynamisch genug von der Konsolidierungszone weg bewegt. Ob meine Passivität heute nun gut war, oder mich nun kurzfristig für einen Tag additive Gewinne kostet, wird erst der Montag zeigen. Das war heute mal wieder so eine Situation, bei der auch ich mir unsicher bin.
Grund für den mangelnden Enthusiasmus der Wallstreet war wohl der US Feiertag "Presidents Day" am Montag. Vor diesem langen Wochenende wollte sich niemand mehr so richtig positionieren. Und letztlich kein Wunder, denn da ist doch wieder diese vermaledeite Sache mit dem grossen "G" - wie könnte es auch anders sein, es würde uns ansonsten doch auch viel zu gut gehen.
Wohl niemand möchte dieses verfluchte Thema noch hören, aber wir haben keine Wahl. Denn "G" wie "Grausig" oder "Gewürge" oder eben "Griechenland" steht am Montag wieder an. Und zwar genau am Rosenmontag, an einem Tag an dem auch noch die Amerikaner zufällig Feiertag haben und rund um die Frankfurter Börse die Jecken rumhopsen. Na Bravo, das wird was werden - Helau, Alaaf oder was auch immer kann ich da nur sagen 😉 Eine innere Stimme sagt mir, dass wir am Montag von Mr. Market alle eine Narrenkappe aufgesetzt bekommen.....
Denn wenn man den US amerikanischen Medien und Bloggern folgt, dann merkt man schon, dass es da an grundlegendem Verständnis für die konsens-orientierten, komplexen europäischen Abläufe fehlt. Ist ja auch kein Wunder, selbst wir reiben uns ja über Brüssel die Augen und die Amerikaner kennen halt nichts anderes als einen Staat mit einem mächtigen Präsidenten an der Spitze, der einfach das rote Telefon nehmen könnte um die Welt in die Steinzeit zurück schicken. Das Gewürge in Brüssel läuft da halt ganz anders ab.
Und die Meinung auf der anderen Seite des Atlantiks scheint nun zu sein: Griechenland wird sowieso gerettet. Genau diese Sicht wurde gestern bzw. heute bei dem halben Ausbruch in den Markt eingearbeitet. Nur ich erlebe die Signale aus Brüssel leider nicht ganz so eindeutig und ich sehe eine nicht zu kleine Wahrscheinlichkeit, dass man Griechenland schon fallen gelassen hat und nur noch auf Zeit spielt. Sollte das der Fall sein, würde auch der Montag kein Ergebnis bringen, sondern die Entscheidung würde dann auf März verschoben usw. usw. Solange bis die Griechen endlich von alleine den Exit vollziehen, womit niemand sich als "Rauswerfer aus Europa" beschimpfen lassen muss.
Und das ist mein grosses Problem heute bei der Einschätzung, denn für diesen Fall hätten wir möglicherweise nun einiges Überraschungs- bzw Enttäuschungspotential im Markt - nachdem wir heute die Rettung schon etwas verfrüht gefeiert haben. Ich tue mich sehr schwer bei der Frage, ob dieses Downside wirklich noch da ist, oder ob der Markt auch eine richtige Pleite schon verarbeitet hat. Aber ich tendiere zur Sicht, dass die richtige Pleite die Märkte doch noch einmal kurz durchschütteln würde.
Und das, zusammen mit der "Bombe" Iran über unseren Köpfen, ist der einzige Wehrmutstropfen, der mich nun davon abhält voller Überzeugung Kursziele von DAX 7500 oder sogar mehr auszufen. Denn ansonsten könnte es im Markt kaum besser aussehen als derzeit und die Bullen haben eindeutig die volle Kontrolle.
Mich würde interessieren welches "G"-Szenario nach Ihrer Ansicht nun schon im Markt verarbeitet ist und welches eben noch nicht. Denn gerade die Letzteren sind es ja, die die Kurse massiv bewegen.
Was einzelne Aktien angeht, wurden heute wenig überraschend genau die Aktien am stärksten gekauft, die gestern am stärksten verprügelt wurden - so zum Beispiel der Stahlsektor. Interessant ist aber auch zu sehen, wie Salzgitter (WKN 620200) und Klöckner (KC0100) mit dem ganzen Stahl-Sektor mit 3% bzw. 6% nach oben schiessen, während ThyssenKrupp (WKN 750000) sogar im Minus vor sich hin dümpelt. Wer den Grund verstehen will, der sollte meinen Artikel "Vom Donnerhall zum Anlagenbauer" nicht übersehen. Denn ThyssenKrupp=Stahl ist eine Gleichung, die möglicherweise nicht mehr lange Bestand hat.
Im LED Sektor geht es nach den Nachrichten aus China zur LED Förderung nun massiv aufwärts, der Marktführer CREE (WKN 891466) stieg gestern fast 8% und Aixtron (WKN A0WMPJ) schaffte heute mit ebenso 8% Plus den Ausbruch über die Zone um 12,6€. Mein fundamentale Sicht auf das Thema LED hatte ich zuletzt vorgestern hier erläutert und ich rechne mittelfristig eher damit, dass der Preisdruck durch die Förderung sogar steigt, weil das den Wettbewerb weiter anheizt und neue Marktteilnehmer in Spiel holt. Aber rein von der Markttechnik her, ist nun bei Aixtron kurzfristig viel, viel Luft nach oben und wer in der Lage ist schnell am Markt zu agieren, könnte diese Bewegung nun mitgehen. Ein sinnvoller kurzfristiger Stop bei Aixtron läge für mich unter dem Tief vom 14.02. bei ca. 11,4€. Wer ganz eng absichern will - dann natürlich mit dem grösseren Risiko dumm ausgestoppt zu werden - könnte auch das Tief von gestern bei 12,1€ als Stopmarke ins Auge fassen.
Sehr stark ist auch erneut die hier schon erwähnte DIC Asset (WKN 509840) mit heute 6% Plus. Auch dieses Immobilienunternehmen hat in meinen Augen noch einige Luft nach oben, um mit der Marktkapitalisierung überhaupt erst wieder den Nettoinventarwert der Immobilien zu erreichen.
Auffällig ist auch, wie seit Tagen der US Shale-Gas Pionier Chesapeake Energy (WKN 85725) steigt, heute wieder um 4%. Ursache sind wohl die diversen Produktionsreduktionen, mit denen man versucht dem Verfall des Gaspreises aufgrund Überangebot entgegen zu wirken, verbunden mit nun kälterem Winterwetter auch in den US. Und der Markt scheint von höheren Gaspreisen überzeugt zu sein, wie man dem Chart gut entnehmen kann:
Source: Finviz.com
Sollte sich die Tendenz höherer Gaspreise bewahrheiten, dürfte auch bald der Kohlepreis und damit die Kohleförderer wie Arch Coal (WKN 908011) profitieren, die ja im Moment ziemlich ausgebombt am Boden liegen.
So weit zu aktuellen Aktienbewegungen. Nun zum Wochenende noch ein Aktientip für einen längeren Anlagehorizont. Wenn Sie sich für Versorger interessieren, schauen Sie sich doch mal die österreichische Verbund AG (WKN 877738) an. Sie kennen vielleicht schon aus dem Urlaub die riesigen Wasserkraftwerke und Stauseen in den österreichischen Alpen, wenn ja kennen Sie auch ohne es zu wissen die Verbund AG. Denn Verbund produziert Strom fast ausschliesslich aus Wasserkraft. Und wenn in Süddeutschland mal nach der "Energiewende" der Strom knapp wird, dann wird auch auf Kraftwerkskapazität von Verbund zurück gegriffen.
Jetzt ist ein Stromversorger sicher keine Aktie, bei der man eine schnelle Verdoppelung erwarten kann, aber zweistellige Kursgewinne und saubere 3% Dividendenrendite sind bei Verbund auch drin. Und das Schöne ist, dass der Kurs von Verbund durch Abgaben im letzten Jahr noch gedrückt ist. Denn der starke Kursrückgang hatte nach meiner Erkenntnis nichts mit operativen Problemen des Unternehmens zu tun, sondern nur damit, dass der österreichische Staat mit 51% Hautpaktionär ist und dieser steht und stand ja auch im Feuer von Herabstufung etc. Abgesehen davon waren ja die Strompreise generell unter Druck, was sicher auch seinen Einfluss auf die Kursentwicklung hatte.
Die deutsche "Energiewende" führt nun aber zur Knappheit von Strom, weswegen weiter steigende Preise an den Strommärkten wahrscheinlich sind. Und der Chart der Aktie sieht sehr vielversprechend aus. Im Gegensatz zu den deutschen Versorgern ist bei Verbund auch das Geschäftsmodell völlig intakt. Wer also auch mal was nach dem Motto "Buy and Hold" im Depot haben möchte, für den könnte die Verbund AG ja mal einen Blick wert sein. Denn weniger inhärente Risiken als bei einem Stromversorger im Staatsbesitz, der seine Geschäfte fast ausschliesslich mit der vergleichsweise umweltfreundlichen und risikoarmen Wasserkraft macht, wird man bei einer Aktie nach meiner Ansicht wohl schwerlich finden.
Falls Sie sich für Verbund interessieren, sollten Sie den Titel am besten direkt in Wien kaufen - vorausgesetzt Ihre Bank bietet für Wien erträgliche Gebühren. Denn dort ist Verbund mit Abstand am liquidesten.
So weit für heute Abend. Der kommende Montag dürfte auf jeden Fall spannend werden. Hinzu kommt, dass wegen des "Presidents Day" das Handelsvolumen im DAX eher gering sein dürfte. Was die Situation nicht besser macht, sondern das Risiko erheblicher Bewegungen wegen des grossen "G" verschärft.
"Hari´s Märkte am Abend" erscheinen kommenden Montag wesentlich früher, schon nach dem deutschen Handelsschluss. Mal schauen wen Mr. Market am Montag zum Narren macht ...
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende !