Sinn und Unsinn von Stops

Das Verständnis der Grundlagen gehört zu jeder erfolgreichen Handelsstrategie und jeder wird für sich natürlich in Anspruch nehmen, dass er die Grundlagen verstanden hat.

Aber ist das wirklich immer so? Im Premium-Bereich versuchen wir auch immer wieder Grundlagen-Themen zu adressieren. So war der folgende Artikel der Beginn einer Reihe zu Sinn und Unsinn von Stops.

Dieser erste Teil adressiert die Grundlagen, der Grundlagen, nämlich die Frage, wofür die "Dinger" überhaupt gut sind und wofür nicht. Danach nähern wir uns in weiteren Artikeln unterschiedlichen Ausprägungen, wie zum Beispiel "Trailing Stops".

Ich wünsche gute Erkenntnisse:

------------------

Im Forum habe ich die Frage gestellt, welche Themen Sie denn von noch erklärt haben wollen und sofort kam auch die Frage nach den Stops.

Das ist nicht überraschend und ich hatte sowieso schon vor, dazu eine längere Reihe zu schreiben - warum also nicht gleich heute damit anfangen?

Nun ist es aber völlig irreal, das Thema in nur einem einzigen Artikel abhandeln zu wollen. Und selbst wenn man nur die absoluten Grundlagen betrachtet, wird es mehrere Artikel dafür benötigen, zu vielschichtig ist die Thematik.

Und noch schlimmer, "Stops" sind ja nur ein! Unterthema, der viel umfangreicheren Thematik, die sich das "Risikomanagement" nennt. Eine Thematik, die noch viele andere Facetten, wie zum Beispiel Positionsgrössen, Konzepte wie "Value at Risk" und ähnliches kennt.

Aber irgendwie muss man halt mal den Anfang machen und einen Einstieg nehmen. Und heute will ich das mit ein paar ganz grundlegenden Feststellungen zu Stops machen. Weitere Artikel der Reihe, werden sich in loser Folge anschliessen.

Was Sie nun heute hören werden ist eigentlich trivial und sollte jeder wissen, der an den Märkten unterwegs ist. Und trotzdem bin ich sicher, dass es in dieser Deutlichkeit doch den einen oder anderen Aha-Effekt auslösen wird.

Da stelle mer uns mal janz dumm: Was sind also Stops?

Schlicht und einfach, ein wie auch immer gearteter Mechanismus, nach dem man eine Position an einer bestimmten Stelle im Kursverlauf "automatisch" verkauft. Punkt.

Solche Stops können im System hinterlegt werden, so dass diese ohne unsere Zutun abgewickelt werden, wir können sie uns aber auch nur "notieren" und dann selber handeln, wenn die Grenze erreicht ist. Im letzteren Fall müssen wir es dann aber auch tun!

Der Sinn von Stops ist schlicht und ergreifend Verluste zu begrenzen, also sozusagen zu wissen, wann man in einem abstürzenden Flugzeug am besten den Fallschirm hervor kramt und sich verabschiedet, so dass sich das Flugzeug ohne einen in den Boden rammt. 😉

Aber hat dieser "Sinn" auch Sinn?

Für sich alleine, sind Stops sinnlos!

Ein harter, aber wahrer Satz, den man sich mal auf der Zunge zergehen lassen muss. Denn wir sind ja im Markt, um Gewinne zu machen und nicht hauptsächlich um Verluste zu vermeiden. Verluste könnten wir ganz einfach vermeiden, in dem wir uns gar nicht im Markt exponieren. Hört sich trivial an, ist es auch irgendwo und ist trotzdem eine Erkenntnis, die man sich immer wieder bewusst machen sollte.

Erschwert wird es ja dadurch, dass der Markt in Wirklichkeit langfristig steigt und so aussieht:

S&P500 1970-2016

Wer also einfach einen Stop durchlaufen lässt und dann gar nichts mehr macht, hat damit nur Eines mit Sicherheit erzeugt: Verluste oder zumindest entgangene Gewinne!

Merken wir uns also:

Ein Stop hat nur dann Sinn, wenn man danach auch wieder rein geht!

Das "wieder rein gehen", muss ja nicht beim identischen Asset sein und muss auch nicht sofort sein. Vielleicht schichtet man sein Kapital ja auch um und/oder wartet ab, wie sich eine Sache weiter entwickelt. Wenn man aber keine Vorstellung davon hat, wann man wieder rein gehen will, sollte man besser gar nicht erst rausgehen, weil Märkte eben langfristig steigen - siehe oben.

Ohne den folgenden Wiedereinstieg - idealerweise tiefer - kann ein Stop also keinen Mehrwert generieren! Das ist eine absolut zentrale Erkenntnis, gegen die permanent verstossen wird.

Der "Klassiker" ist dabei der selbst ernannte "Warren Buffett Jünger", der seine fundamental analysierte Gurkenaktie zum Buchwert (Hurrah!) kauft, dann treu die ganze Reise nach unten mitmacht, weil das ja "Value" sein soll. Irgendwann aber die Nerven verliert, doch den Fallschirm auspackt und aussteigt und dann gar nicht mehr hinschaut, weil er es nicht ertragen kann. Mit solchen "Panik-Stops" mit anschliessender Verleugnung, wurde schon unzählige Anlegerkarrieren beendet.

Stops *irgendwo* haben keinen Mehrwert

Es kommt aber noch schlimmer, Stops *irgendwo* zu setzen - zum Beispiel pauschal in 10% Abstand - erzeugt keinen statistischen Mehrwert.

Nehmen wir uns wieder das obige Chart und ziehen "irgendwo" eine Stoplinie ein:

S&P500 1970-2016 2

Stellen wir uns vor, wir sind da raus gegangen und haben uns keine Gedanken um den Wiedereinstieg gemacht. Ob wir zu einem beliebigen, späteren Zeitpunkt damit besser oder schlechter stehen, ist purer Zufall und vom Zeitpunkt abhängig. Der Ausstieg als solcher, hat erst mal keinen Mehrwert generiert, weil wir ja nicht wissen, ob der Kurs nach dem Stops weiter fällt - dann hatte er Mehrwert - oder direkt wieder steigt - dann war der Stop ein Nachteil.

Merken wir uns also:

Erst durch den definierten, tieferen Wiedereinstieg, bekommt der Stop Mehrwert!

Jetzt kann man zu Recht argumentieren, dass dieser Stop aber doch einen psychologischen Vorteil verschafft, wenn man zuverlässig genau auf der Linie dann wieder einsteigt. Man hat dann aber also in der Performance keinen Vorteil, man erspart sich aber die schlimmen Phasen voller Heulen und Zähneklappern, die so an den Nerven nagen. Mit dem Markt mitgehen, aber den nervenaufreibenden Einbrüchen aus dem Weg gehen, das hört sich doch toll an!

Schauen wir uns das mal etwas genauer an, denn auch das hat seinen Preis. Ich vergrössere das Bild oben mal ein wenig:

S&P500 1996-2016 3

Eigentlich eine geniale Idee. Man steigt in eine Position ein und setzt mit minimalem Abstand darunter direkt einen Stop- und Wiedereinstiegs-Mechanimus, der automatisch ausgelöst wird. Nach oben ist man dann bei den Gewinnen dabei, nach unten kann man aber nie mehr als den minimalen Anfangsabstand verlieren!

Das könnte man bei jedem Trade so machen und hätte in jedem Trade ganz gelassen nur die Wahl zwischen grossen Gewinnen oder mininalen Verlusten. Genial! Das Perpetuum Mobile! ... oder vielleicht doch nicht?

Doch, theoretisch funktioniert das. Aber nur unter zwei zwingenden Bedingungen:

(1) Der Ein- und Ausstieg ist kostenlos
(2) Es gibt immer Kurse und man kommt immer auf den Punkt rein oder raus.

Beide Bedingungen sind aber - leider - nicht zutreffend. Kauf und Verkauf kosten und es gibt Wochenenden und Nächte, in denen keine Kurse existieren, was das Risiko erzeugt, erst viel tiefer raus zu kommen.

Wer obige Strategie nutzt, wird also einige Prozent schlechter als der Markt abschneiden, dafür aber beruhigter schlafen können. Wenn man die Prozent in Grenzen hält, kann das immer noch Sinn machen. Gerade für unseren selber ernannten "Warren Buffett Jünger" mit der "Gurkenaktie" auf Buchwert, wären die paar Prozent "Gebühren" wohl gut investiertes Geld gewesen, statt die ganze Reise nach unten mitzumachen! Aber auch der darf nicht vergessen, wieder einzusteigen, nur dann ist die "Gebühr" sinnvoll investiert!

Aber trotzdem, einen direkten, monetären Vorteil, erzeugt ein "irgendwo" gesetzter Stop schlicht nicht!

Ja Kruzifix, wofür sind diese Mistdinger von Stops denn dann überhaupt da?

Unter anderem dafür:

S&P500 2008 4

Wenn man den Stop also nicht "irgendwo" setzt, sondern an einer Stelle, bei der man in Kenntnis der Marktmechaniken davon ausgehen kann, dass wenn diese unterschritten wird, es zu einer scharfen Abwärtsbewegung kommt, dann ist das ein sinnvoller Stop. Denn das ermöglicht, zusammen mit dem geplanten Wiedereinstieg auf tieferem Niveau, dann durch den Stop einen echten Vorteil zu generieren!

Ein Stop ist also nichts Anderes, als jede andere Timing-Entscheidung auch.

Und der Stop kann nur dann einen Mehrwert erzeugen, wenn dieser Teil einer übergeordneten Logik ist, die erstens weiss, warum man genau *da* raus sollte und zweitens auch ein Bild davon hat, wann man wieder einsteigt! Und wenn nicht bei diesem Asset, dann bei einem Anderen!

Eingebettet in eine sinnvolle Handelsstrategie, macht ein Stop also jede Menge Sinn und generiert Mehrwert!

Man kann also Stops auf zwei Arten betrachten:

(1) Als Mittel, um sich grosse finanzielle und emotionale Schmerzen zu ersparen.

Dieser Schutz gegen Schmerz hat einen Preis, den man einfach als "Gebühr" für den Verzicht auf Schmerz akzeptieren sollte. Aber das kann trotzdem Sinn machen, gerade wenn man damit den ganz grossen Einbrüchen aus dem Weg geht und verhindert, dass man wie ein Idiot die Reise ganz nach unten mitmacht.

(2) Als taktische Timing-Entscheidung, im Rahmen einer übergeordneten Strategie, die dem Ausstieg erst ihren Sinn gibt.

Erst durch den Wiedereinstieg, wird der Stop eben zum Erfolgsmodell. Das dürfen wir nie vergessen.

Und um diese taktischen Timing-Entscheidungen, soll es in weiteren Beiträgen dieser Reihe gehen. Da gibt es unzählige Techniken mit Vor- und Nachteilen, die wiederum nur in bestimmten Situationen besonderen Sinn haben. Aber immer hat der Stop nur im übergeordneten Kontext einen Sinn.

Für sich alleine, ohne Plan einfach irgendwo raus zu gehen und dann weg zu schauen, produziert dagegen nur einen Ausstieg genau hier:

S&P500 1970-2016 5

Und das sollten wir uns wirklich ersparen, sagt Ihr Hari. 😉

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

1 Gedanke zu „Sinn und Unsinn von Stops“

Schreibe einen Kommentar