Von Jünglingen, Knappen und Rittern – Die drei Phasen des Risikomanagements

Der folgende Grundsatzartikel zur Risikobereitschaft und zum Risikomanagement als Trader und Anleger, erschien Mittwoch 23.09.15 11:10 in Hari Live und wurde zum Zwecke der Verständlichkeit, für den freien Bereich überarbeitet.

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Ich verrate Ihnen heute ein „Geheimnis“.

Ich agiere in meinem Trading-Depot manchmal deutlich aggressiver und mit mehr Risiko, als ich das in meinen abgewogenen Statements hier deutlich machen kann, mit denen ich ja eine in ihrem Erfahrungshorizont völlig heterogene Leserschaft adressiere.

Warum? Wieso? werden Einige von Ihnen nun fragen. Und andere, die die ganze Entwicklung als Trader schon durchlaufen haben, werden wissend grinsen.

Keine Sorge, was ich Ihnen hier schreibe, ist schon genau so, wie ich die Börsenwelt sehe und weicht nicht von meiner eigenen Sicht auf den Markt ab. Nein ich schreibe Ihnen so, wie ich am Ende auch selber handele.

Ich muss aber meine Aussagen an Sie und Ihren Erfahrungshintergrund anpassen, damit ich Nutzen produziere und nicht Schaden. Denn ich habe ja auch eine Verantwortung Ihnen gegenüber, die ich sehr ernst nehme. Und deswegen ist die „Intensität“ (nicht die Richtung) meiner eigenen Handlungen manchmal grösser, als es aus meinen abgewogenen Kommentaren erscheint.

Denn da Sie als Leser extrem heterogen in der Erfahrung und Entwicklung sind, muss ich mich halt an der Mehrheit ausrichten und die befindet sich nach meinem Eindruck hier im Premium-Bereich in Phase 2 der Entwicklung zum erfolgreichen Trader und nicht schon in Phase 3.

Würde ich aber die vielen Anleger betrachten, die sich "da draussen" mühen und noch nicht einmal professionelle Informationsquellen haben, dürfte die Mehrheit eher der Phase 1 zuzuordnen sein: Überschätzung und mangelnde Reflektion der eigenen Psychologie, führen dort zu vermeidbaren Verlusten.

Phase 1, 2 und 3? Was ist das?

Es ist mein ganz persönliches Modell der drei wesentlichen Erkenntnisphasen im Risikomanagement, durch die ein Trader in seiner Entwicklung laufen muss. Lassen Sie mich das erklären, genau deshalb schreibe ich ja diesen Grundsatzartikel. 🙂

Phase 1 Trader - Der Jüngling

In Phase 1 befinden sich die Anfänger, die gerne von den ganzen Forex-Brokern mit der vermeintlichen Aussicht auf schnellen Reichtum motiviert und angezogen werden. Oder denen sofort das Wasser im Mund zusammen läuft, wenn irgendwo eine Kleinunternehmen mit kaum vorhandener Marktkapitalisierung um 60% fällt und eine Anlegerpostille einen Jubelbericht dazu schreibt.

Dieser typischerweise junge und männliche Typus, sieht vor allem die Chancen und neigt zur -> Selbstüberschätzung <-. Und geht deswegen bezogen auf das vergleichsweise kleine Depot, hohe Risiken ein.

Typischerweise Risiken, die dieser Trader/Anleger der Phase 1 gar nicht beherrscht und früher oder später kommt dann der fiese Mr. Market daher, macht etwas Unerwartetes - auch "Tail Risk" genannt - und der junge Trader steht ohne Hosen im Scheinwerferlicht. 😉

Als Investor würde dieser Typus übrigens eine „Gurke“ die fällt und fällt einfach halten und am Ende nur noch wegschauen, weil das eigene Ego „befohlen“ hat, dass das eine Aktie sei, die wieder steigen wird. Widerspruch wird vom Ego nicht geduldet. 😉

In beiden Varianten gehen aber Unerfahrenheit, Selbstüberschätzung und mangelndes Risikobewusstsein eine gefährliche Mischung ein.

Schämen Sie sich aber nicht, wenn Sie ehrlich erkennen, dass Sie noch in dieser Phase sind, die durchläuft jeder mal. Auch ich habe das hinter mir, es ist nur einige Zeit her.

Phase 2 Trader - Der Knappe

Wer die Phase 1 „überlebt“ hat (in der viele schon endgültig scheitern), nicht aufgeben will und wer dann das Glück hat, gute seriöse Quellen wie Mr-Market oder vielleicht sogar einen erfahrenen Mentor zu finden, der wird in die Phase 2 eintreten.

In dieser Phase lernt man die Risiken zu beherrschen und sich ein System aufzubauen, das Sicherheit schafft, weil es zwar keine Verluste verhindern kann, aber einen zuverlässig rechtzeitig aus der Patsche holt, so dass man auch am nächsten Tag noch im Spiel mitspielen kann.

Damit man diese Phase wirklich erfolgreich gestaltet, ist es wichtig, dass man die Laxheiten und die Selbstüberschätzung der Phase 1 hinter sich lässt. Man muss lernen, demütig dem Markt zu folgen und vor allem muss man Eines wie eine Gottheit kompromisslos in den Vordergrund stellen: Kapitalerhalt und Risikomanagement!

Man kann in dieser Phase die Bedeutung der Disziplin gar nicht deutlich genug predigen und es ist sehr wichtig, dass der Reflex erst einmal sein Kapital zu schützen, wirklich in Fleisch und Blut übergeht.

Erwarten wir also das Unerwartete und schützen wir uns dagegen! Das ist das Motto dieser sehr wichtigen Phase.

Wer diese durchlaufen hat und ein funktionierendes Risikomanagement besitzt, auf das er/sie sich verlassen kann, hat die zwingend notwendige Grundlage gelegt, um überhaupt dauerhaft an den Märkten erfolgreich sein zu können!

Nur grosser Erfolg stellt sich damit noch nicht ein. Aber immerhin gibt es auch keine grossen Verluste mehr.

Das ist genau die Phase, in der sich nach meinem Eindruck die Mehrheit von Ihnen befindet. Ganz oft lese ich im Forum oder in direkten Mails oder im Rahmen einer Verlängerung Feedback von Ihnen, das sinngemäß ungefähr so lautet:

„Seit ich bei Dir Hari mitlese, sind meine Handlungen viel ruhiger und überlegter geworden und ich habe gelernt konsequent Verluste zu begrenzen. Der ganz grosse Gewinn hat sich zwar noch nicht eingestellt, aber ich arbeite daran. Aber immerhin habe ich auch keine grossen Verluste mehr!“

Ich denke viele von Ihnen können sich in diesen Sätzen wiederfinden. Seien Sie stolz darauf, denn Sie haben dann einen wichtigen Fortschritt gemacht und die Grundlage für mehr gelegt. Aber Sie müssen nun noch eine schwierige Stufe erklimmen, auf der nach meinem Eindruck nur eine Minderheit ist:

Phase 3 Trader - Der Ritter

Das Dumme am Fokus auf den Kapitalerhalt in Phase 2 ist nämlich, es verhindert den Exitus, begrenzt aber auch die Chance, die grossen Gewinne zu machen.

Denn am Markt gilt nach wie vor: "No Risk, no Fun". Oder auch „Fearfull Money doesnt make Money“ zu Deutsch sinngemäß übersetzt: "Ängstliche Anleger machen keinen Profit".

Wer sich also im richtigen Moment nicht exponieren kann, wer nicht bereit ist, auch mal einen Trade zu gehen, bei dem man sich “die Nase zuhalten muss”, hat am Ende keine Chance auf die grossen Gewinne. Der Erfolg kommt mit Schweiss und Schmerz, im entspannten Gefühl grosser Sicherheit, kann leider kein überdurchschnittlicher Gewinn entstehen.

Andere nennen das, dass man für den Erfolg am Markt aus seiner "Komfortzone" heraus muss. Auch das ist eine zutreffende Beschreibung, des gleichen Sachverhaltes.

In Phase 3 muss man dann nämlich lernen, das Risiko wieder mehr zuzulassen. Und zwar genau dann, wenn man wirklich einen individuellen, belastbaren Edge erspähen kann und nicht nur mit "Hopium" in den Adern herum rät und hofft.

Letztlich können wir nämlich nur dann am Markt erfolgreich sein, wenn wir Risiken gehen. Denn Chance und Risiko haben immer miteinander zu tun.

Der Unterschied zur Phase 1 - in der man früher oder später scheitern wird - ist aber, dass man in Phase 2 intensiv gelernt hat, das Risiko ernst zu nehmen und zu begrenzen! Und dieses Rüstzeug wirkt wie ein Schild, der einen gegen böse Überraschungen schützt.

Und deshalb ist es so eminent wichtig, die Phase 2 vorher zu durchlaufen. Und weil ich denke, dass die Mehrheit von Ihnen sich da bewegt, betone ich diese Botschaften des Risikomanagements auch immer besonders. Würde ich die Chancen aus der Sicht der Phase 3 in den Vordergrund stellen, würde es ganz viele von Ihnen zerlegen, die noch nicht gelernt haben, was der Charakter von Risiko ist und wie man seine Auswirkungen begrenzt.

Lassen Sie mich das, was ich meine, anhand einer Metapher beschreiben.

Stellen wir uns einen verwunschenen Wald in einer Phantasiewelt vor, der voller süsser, verheissungsvoller Früchte ist, die man unbedingt haben möchte. Aber auch voller Raubtiere und Ungeheuer, die das Leben bedrohen könnten – zumindest munkelt man davon, wenn es dunkel wird und die Schatten über das Land ziehen.

Der „Jüngling“ der Phase 1 marschiert „mutig“ (aber eher unbedarft) ohne Hilfsmittel mitten in den Wald hinein. Beseelt von dem Gefühl „mir kann keiner“ und „ich schaff das schon“.

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir ihn nicht wieder sehen werden. Und wenn doch, wird er Abends am Feuer schwadronieren, dass das Gerede von den Ungeheuern ja nur Quatsch sei. Er wird am Folgetag wieder in den Wald marschieren, um noch mehr Früchte zu holen. Und danach sehen wir ihn nicht mehr. 😉

Der „Knappe“ der Phase 2 hat die Ungeheuer gesehen und ist entkommen. Oder hat bemerkt, wie Jünglinge nie mehr wieder kamen und hat daraus seine richtigen Schlüsse gezogen.

Er macht etwas Sinnvolles, er begrenzt sein Risiko und versucht sich die Früchte am Rande des Waldes zu holen, immer mit einem Blick auf die Fluchtmöglichkeit.

Das funktioniert auch, aber so viele Früchte gibt es am sicheren Rand halt nicht und die sind sehr umkämpft, weil jeder diese einfachen Früchte holen will. Wirklich attraktive Früchte sind mitten im Wald, aber da traut sich der Knappe nicht hin. So wird es dem Knappen gut gehen und er wird immer nach Hause wiederkommen. Aber der grosse Erfolg bleibt ihm versagt.

Der „Ritter“ der Phase 3 hat die Zeit als Knappe aber genutzt, um seine Schutz- und Kampftechnik zu formen. Und hat sich eine mächtige Rüstung und einen grossen Schild geschmiedet, der ihn gegen viele Angriffe schützt.

So ausgerüstet und im vollen Wissen um die Gefahren, geht der Ritter mitten in den Wald und sammelt die wertvollsten Früchte, die zu finden sind. Und die Ungeheuer können ihm nur schwer etwas anhaben. Er stellt sich dem Risiko mit offenen Augen, weil er gelernt hat, ihm bewusst zu begegnen und es nicht nur zu vermeiden.

So weit die Metapher. Wie alle Metaphern ist auch diese ein wenig „schief“, aber ich hoffe es hilft den Punkt klar zu machen, den ich hier vermitteln will.

Ich muss als Mentor mit Ihnen unterschiedlich reden, je nachdem an welcher Stelle der Erkenntnis sie sich befinden. Dass das in einem 1 zu N Verfahren wie in einem Blog nur schwerlich möglich ist, dürfte klar sein.

So muss ich das überbetonen, was wahrscheinlich die Situation der Mehrzahl der Mitglieder betrifft und das ist die wichtige Phase 2, in der man lernt Risiken zu erkennen und vor allem zu managen.

Machen Sie sich also für sich selber klar, wo Sie stehen. Das hilft, das von mir Gesagte für Sie selber einzuordnen.

Und merken Sie sich: Fearfull Money doesnt make Money!

Der Sinn eines belastbaren Risikomanagement ist gerade, keine Angst haben zu müssen, wenn man in den dunklen Wald voller Ungeheuer geht!

Aber ohne Schild und Rüstung, hat man im dunklen Wald nichts verloren!

Das ist die Botschaft dieses Artikels.

Ihr Hari

2 Gedanken zu „Von Jünglingen, Knappen und Rittern – Die drei Phasen des Risikomanagements“

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