Finanztransaktionssteuer nur auf Aktien ist grober Unfug !

Es gibt Dinge, die kann man gar nicht oft genug in einem persönlichen Kommentar aussprechen.

Vor fast exakt einem Jahr, habe ich im Artikel -> Finanztransaktionssteuer - Von Ahnungslosigkeit und Lobbyismus <- eine Wutrede auf den damaligen Vorschlag der EU zur Finanztransaktionssteuer losgelassen, in dem Geschäfte auf den volkswirtschaftlich sinnvollen Aktienhandel 10x so stark besteuert werden sollten, wie Geschäfte auf Derivate. Es macht Sinn diesen Artikel noch einmal zu lesen, denn die Argumentation ist unverändert gültig und ich werde heute diese Argumentation nicht wiederholen.

Wer jetzt aber glaubte, es würde sich etwas zum Besseren ändern, wurde getäuscht. Vielleicht kennen Sie ja den Aphorismus:

Und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen!"
Und ich lächelte und war froh, und es kam schlimmer!

Genau das passiert gerade, denn nun scheinen sich Frankreich und Deutschland in einem typischen, politischen Formelkompromiss darauf verständigen zu wollen, einen -> schrittweisen Start <- der Finanztransaktionssteuer vorzunehmen, bei dem zunächst nur Aktiengeschäfte besteuert werden sollen. Und das was wirklich entschleunigt werden müsste - der Wildwuchs der Derivate - kommt dann irgendwann .... uhmmm ..... ja vielleicht ...... ein bisschen ...... später ...... wenn überhaupt.

Das ist so klar und eindeutig grober Unfug, dass selbst die Mainstream-Presse bei dem Thema sofort richtig reagiert, die Welt hatte gestern den Artikel -> Transaktionssteuer nur auf Aktien ist eine Farce <- online und das Handelsblatt schreibt zu Recht vom -> Ungeheuer von Loch Ness <-.

Statt meine Position also erneut zu begründen und herzuleiten - das habe ich ausführlich vor einem Jahr getan - will ich hier nur in Stichpunkten mal ein paar Fakten zusammen fassen und Konsequenzen aufzeigen.

1. Ich bin persönlich für eine sinnvolle Finanztransaktionssteuer, deren Sinn die Entschleunigung der Finanzmärkte ist und die derivativen Wildwuchs zurück zu schneiden hilft. Bei dieser Steuer darf aber nicht die Einnahmenseite im Vordergrund stehen, sondern es geht darum, die volkswirtschaftlich schädlichen oder unsinnigen - weil Risiken produzierenden - Marktbereiche unwirtschaftlicher und damit unattraktiver zu machen. Nebenbei würde eine richtig gesetzte Finanztransaktionssteuer auch das HFT Unwesen eindämmen und uns allerlei regulatorische und tatsächliche Probleme und Risiken abnehmen.

2. Der Aktienhandel ist volkswirtschaftlich sinnvoll, er dient der Finanzierung der Unternehmen. Ohne Wagniskapital über die Börse, würde es eine Tesla Motors so nicht geben und viele andere erfolgreiche Unternehmen auch nicht. Der klassische Aktienhandel hat Null und Nichts mit den Ursachen der Finanzkrise zu tun. Im Gegenteil, der volkswirtschaftlich sinnvolle Aktienhandel steht unter Attacke. Unter Attacke durch Fehlentwicklungen wie das HFT. Unter Attacke durch die Zerfaserung des Handels auf diverse unregulierte Handelsplätze (Dark Pools). Unter Attacke durch diverse derivate Produkte, mit denen der echte Aktienhandel an echten Börsen umgangen werden kann.

3. Eine Börsenumsatzsteuer nur auf den Aktienhandel, ist ein Boom-Programm für Derivate und fördert die eigenen Transaktionen noch mehr in privaten Handelsplattformen (Dark Pools) zu verstecken. Dieser Formelkompromiss schädigt damit das volkswirtschaftlich Sinnvolle und fördert den Wildwuchs weiter. Das ist für mich grober Unfug ! Ein andere Formulierung fällt mir persönlich dazu einfach nicht ein.

4. Bezahlt wird diese Form von Finanztransaktionssteuer nicht von der Grossfinanz, die ausweichen kann und wird. Bezahlt wird sie vom normalen Bürger, dessen in Zeiten der finanziellen Repression sowieso schon schwieriger Versuch der Geldanlage, weiter verteuert wird. Aber selbst Verträge, bei denen man auf den ersten Blick gar nicht daran denken würde, wie Fondsparpläne bei Lebensversicherungen, werden negativ belastet werden.

5. Wer dagegen mobil ist oder der Grossfinanz angehört, wird je nach Ausgestaltung der Regeln einfach nicht mehr Aktien handeln und dafür Derivate nutzen. Oder auf Handelsplätze ausserhalb der EU ausweichen. Oder deutsche und französische Firmen am Aktienmarkt ganz meiden, die muss man auch nicht zwingend haben, es reicht sich in den USA und Asien zu tummeln. Geschädigt wird dadurch die Fähigkeit von deutschen oder französischen Unternehmen, an der Börse Kapital aufzunehmen.

Dieser aktuelle Vorschlag, mit einer reinen Finanztransaktionssteuer auf Aktien zu beginnen, ist auf jeden Fall ein Musterbeispiel, wie aus der prinzipiell guten Idee der "Tobin-Tax", durch politische Formelkompromisse ein Monster gemacht wird. Ein Monster, das vorhandene Fehlentwicklungen fördert und die verbleibenden Inseln der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit an den Finanzmärkten mutwillig schädigt.

Ist es wirklich möglich, dass so ein offensichtlicher Blödsinn Gesetz werden wird ? Noch hoffe ich auf die Intelligenz bei den Beteiligten. Hoffentlich nicht zu Unrecht.

Ihr Hari

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2 Gedanken zu „Finanztransaktionssteuer nur auf Aktien ist grober Unfug !“

  1. Hallo Hari,

    wir alle können nur hoffen, dass die FTS eine Totgeburt wird, oder aber dass die nachteiligen Folgen dieser Steuer baldmöglichst diesen populistischen Dummpfuschern in Brüssel/Berlin/Paris so schwer auf die Füße fallen, dass sie – wie die Schweden zuvor – merken, dass gut gemeint selten gut gemacht bedeutet.

    Die volkswirtlichen Dilettanten sind sich ja seit Beginn dieses moralisierenden „Projekts“ immer noch nicht einig geworden, was wie und in welcher Höhe besteuert werden soll. Somit ist das Spekulieren unsererseits über die konkrete Ausgestaltung und die Kritik daran ungefähr so zielführend wie die Spekulation darüber, wie das Wetter am Tegernsee in genau einem Jahr sein wird.

    Aber einiges scheint dennoch schon in Stein gemeißelt zu sein, wie zB der Steuersatz von 0,1 % auf Aktiengeschäfte und 0,01 % auf Derivate. Möglicherweise ist diese Regelung nicht ganz so widersinnig und absurd, wie sie in Börsenforen und anderswo kritisiert wird. Offenbar ist dem Schäuble schon gesteckt worden, dass der Derivatehandel weitaus risikoreicher ist als der Aktienhandel, s. Zitat aus der Welt hier
    http://www.welt.de/finanzen/geldanlage/article124978739/Die-Finanzsteuer-kommt-aber-was-wird-besteuert.html

    „Anfangen will Schäuble bei Aktien. „Es zeichnet sich ab, dass wir mit einer Besteuerung des Aktienhandels beginnen“, sagte er in Brüssel. Derivate müssten so weit einbezogen werden, dass diese Finanzinstrumente nicht dazu genutzt werden könnten, die Besteuerung von Aktiengeschäften zu umgehen. „Ich halte nichts von Gesetzen, von denen wir wissen, dass sie in der Praxis nicht eingehalten werden“, sagte Schäuble.“

    Ein Kommentar zu dem HB-Artikel stützt diese Vermutung, siehe hier:
    http://www.handelsblatt.com/politik/international/finanztransaktionssteuer-nessie-taucht-auf/9500968.html

    Kommentator „Dummschwaetzerentlarver“
    18.02.2014, 16:19 Uhr

    „Dirk Müller beweist wieder einmal, wie dumm er ist.

    Die 0,01% beziehen sich auf den Preis des zugrunde liegenden Basiswertes, nicht auf den Preis des Derivates.“

    Wenn dem so sein wird, wäre es für den Trader/Investor hinsichtlich der zu zahlenden FTS egal, ob er 100 XY-Aktien kauft oder mit demselben Kapital ein 10fach gehebeltes Derivat kauft, das 1000 XY-Aktien repräsentiert.

    Ein weiterer Kritikpunkt an dem Versuchsballon „Gut-gemeint-aber-schlecht-gemacht“ ist folgender Umstand:
    Bereits vor einigen Monaten war in einem Anleger-Info (ich glaube von der comdirect war’s) ein Hinweis zu lesen, dass die FTS auf Anleihen dazu führen wird, dass die Spreads u.a. auch von Staatsanleihen vergrößert werden, was es für Versicherer und andere Institutionelle unattraktiver macht, Anleihen aus dem Euroraum zu erwerben, es sei denn, die Rendite würde entsprechend angehoben, was wiederum auf die Refinanzierung der EU-Pleitestaaten rückwirken wird.
    Aber auch in diesem Punkt haben die EU-Dilettaten schon vorgesorgt: Wie zu lesen war (Quelle habe ich derzeit leider nicht parat), soll auf die Ausgabe von Staatsanleihen seitens der Notenbanken bzw. EZB KEINE(!) FTS fällig werden – bei dem fortschreitenden „Gelddrucken“ wäre sonst eine erkleckliche Summe an Steuern fällig! („Honi soit …“) Wenn aber danach ein Kleinanleger ein solches, vermeintlich risikoloses „Wert“-Papier im freien Börsenhandel erwirbt, wäre die FTS selbstverständlich fällig.

    Wie dem auch sei – in irgendeiner Form wird uns dieser Stuss in einigen Monaten oder Jahren vorgesetzt werden, das halte ich für so sicher, wie das Amen in der Kirche.

    Dabei wäre es so simpel, ganz ohne FTS die schlimmsten Auswüchse des weltweiten elektronischen Handels einzudämmen, um zB Flash-Crashes zu verhindern: Man müsste nur durch effiziente Börsenregulierung und -Überwachung das HFT unterbinden und das Frontrunning bestimmter Großinstitutioneller unterbinden, die durch Aufstellen eigener Server an den Börsenplätzen Zeitvorteile gegenüber den „Normal-Sterblichen“ gewinnen.

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