Hari´s Märkte am Abend – 22.02.12 – Frankreich und die Glaskugel

22 Uhr - Handelsschluss.

Die Orientierungsphase und Konsolidierung des Marktes dauert wie erwartet an.

Ich habe schon oft erwähnt, dass man in Korrekturen oder Konsolidierungen mehr über den Markt lernt, als bei ein paar Prozent Anstieg mehr oder weniger. Und dieser Markt ist ganz ruhig, geradezu gelassen und korrigiert auf breiter Front ohne jede Hektik oder Angst.

Dieses Verhalten sollte man als positives Zeichen werten. Denn es gibt zwei Gründe warum ein Markt unerwartet crashartig abstürzen kann:

(1) Durch ein überraschendes, exogenes Ereignis ala Fukujima. Dergleichen kann immer und jederzeit passieren, auch in den nächsten 5 Minuten nachdem ich den Artikel hier Online gestellt habe. Das ist einfach das normale Risiko des Lebens und wer sein Geld diesem Risiko nicht aussetzen will, sollte gar nicht an der Börse sein.

(2) Aus innerer Nervosität heraus, die dann einen kleinen Schmetterlingsschlag des Schicksals zu einem wasserfall-artigen Absturz werden lässt, weil dann alle gleichzeitig zum Ausgang rennen. Derartige Nervosität und die damit einhergehende Volatilität haben wir ja letzten Herbst eindrücklich erlebt. Aber derartige Nervosität entsteht nicht aus dem Nichts innerhalb einer Stunde. Und sie vergeht auch nicht in einer Stunde. Die muss wachsen, weil bestimmte Risiken sich langsam in die Wahrnehmung des Marktes hinein fressen.

Und deshalb muss man das derzeitge Marktverhalten positiv werten. Sicher ist (1) jederzeit möglich, aber (2) ist im Moment definitiv nicht vorhanden und wenn doch wieder solche Nervosität entsteht, wird man die vorher bemerken und sich entsprechend darauf einstellen können. Hohe Volatilität ist ein Prozess und kein singuläres Ereignis, das einen "mal eben" überraschen kann.

Ich weiss, dass fast alle technischen Indikatoren derzeit mehr oder weniger laut "Korrektur" schreien. Das zu erkennen erfordert aktuell nun wirklich keinen Doktor in Raketentechnik, sondern nur eine halbwegs scharfe Brille um RSI, MACD, Stochastik etc ablesen zu können. Und vielleicht kommt eine grössere Korrektur auch jetzt, obwohl mir mein Instinkt sagt: "jetzt noch nicht, aber später". Aber wenn sie kommt, dann bin ich überzeugt, dass derzeit noch so viel Geld an der Seitenlinie genau auf diese Korrektur hofft und wartet, dass sie schnell wieder vorbei sein wird.

Umgekehrt wirkt der Markt aber auch nach oben ziemlich müde. Ich glaube also nicht, dass 2 Tage als Konsolidierung ausreichen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir nun ein oder zwei Wochen in einer Seitwärtsbewegung mit leicht fallender Tendenz verharren, weil Mr. Market diese Zeit einfach braucht, um wieder Kraft für den nächsten Schub nach oben zu sammeln.

Wenn wir übrigens beim Instinkt sind, kann ich mir vorstellen, dass der nächste wirklich Angst machende Aufreger für den europäsichen Markt die Präsidentschaftswahl in Frankreich sein wird, die den ersten Wahlgang am 22. April hat. Denn was man vom Kandidaten der Sozialisten Francois Hollande hört - Absichten wie die Rentenreform zurück zu drehen und das Einstiegsalter wieder auf 60 zu setzen oder den Fiskalpakt in Europa neu zu verhandeln - wird Mr. Market massiv Angst machen.

Nicht wegen den Auswirkungen solcher Politik in Frankreich - sollen die das doch innenpolitisch machen, was sie davon haben werden sie schon merken. Sondern wegen der Sprengkraft auf die gerade gewonnene Einigkeit innerhalb der Euro-Zone. Denn ein Frankreich, dass von Deutschlands Seite weicht und fröhlich die Politik des Geldausgebens auf Pump in den EU Gremien forciert, lässt Deutschland nur die Wahl zwischen Syphilis und Tripper. Syphilis wenn Deutschland im Euro bleibt und damit endgültig zum Zahlmeister Europas wird. Wir gehen dann also mit 67 oder 69 in Rente, damit Hollande seine Wahlversprechen finanzieren kann. Letztlich würde es ein paar Jahre dauern, aber eine deutsche Regierung die da mitmacht, würde auch bei uns dann weggefegt. Und Tripper, wenn Deutschland das nicht akzeptiert und dann aber den Euro zwingend verlassen muss, was wiederum den Euro sprengen und Deutschland als "bösen, unsolidarischen Verräter" stigmatisieren würde.

Und um den naheliegenden Einwurf gleich zu beantworten: natürlich bin auch ich der Überzeugung, dass alles was Hollande jetzt im Wahlkampf sagt, hinterher nicht so heiss gegessen wird. Auch ein Hollande wird sich letztlich den fiskalischen Realitäten beugen müssen. Aber das ist hier nicht der Punkt, denn Mr. Market wird eben vor der Wahl schon in massive Unruhe geraten, wenn der Vorsprung von Hollande vor Sarkozy deutlich und seine Rhetorik zum Europa und dem Euro unverändert bleibt. Dann wird der Markt schon Anfang April das mögliche Szenario eines Zerfalls der Euro-Zone einpreisen. Denn Mr. Market handelt die Zukunft und wartet keine Wahlen ab !

Um mal meine beschlagene Glaskugel für das mittelfristige Bild zu bemühen, kann ich mir also gut vorstellen, dass der Markt nach der derzeitigen Konsolidierung noch einen kräftigen Schluck nimmt und deutlich über die 7000 im DAX schiesst. Auch 7500 sind bis Anfang April sicher machbar. Dann aber, ab ca. Mitte März, mit dem Näherrücken der französischen Wahl, immer nervöser wird und letztlich im April in einen grösseren Korrekturmodus wechselt. Denn die Wahl in Frankreich und damit erneut die Existenzfrage der Eurozone hat allemal das Potential, der nächste schwere Aufreger für Mr. Market zu werden.

Ich verfolge ja den amerikanischen Markt und die Kommentare in Presse und Blogs sehr aufmerksam. Das in der französischen Wahl steckende Risiko für die Eurozone ist derzeit noch kein Thema an der Wallstreet, ich bin aber sicher: das kommt noch !

Das nur als Gedankenanstoss, Sie wissen ja: auch meine Glaskugel funktioniert nicht wirklich. Aber es schadet nicht, sich gedanklich auf solche möglichen Szenarien einzustellen. Handeln sollte man aber bitte nicht auf Verdacht, sondern erst, wenn der Markt mit seinem Verhalten ein solches Szenario ganz real bestätigt. Und die Signale die uns Mr. Market in dieser Konsolidierung bisher sendet lauten nach wie vor: Vorteil für die Bullen ! Es wäre in meinen Augen nicht klug, sich auf Verdacht gegen diese Signale zu stellen.

Was die Einzelaktien angeht, gehen Sie einfach mal durch die heutigen Kurslisten und schauen Sie, welche deutschen Aktien heute im Plus oder nur minimal im Minus waren. Da werden Sie auch einige Titel (Stichwort: Rheinmetall, Continental, Daimler etc) finden, die wir hier schon explizit besprochen haben. Relative Stärke in einer Konsolidierung ist ein sehr wichtiges Zeichen, das eine Menge über zukünftige Chancen aussagt. Insofern ist diese Übung heute sehr sinnvoll.

Auch bei einem meiner langfristigen Favoriten, der in Deutschland erstaunlicherweise trotz 120.000 Mitarbeitern und 20 Milliarden € Jahresumsatz kaum bekannten Schneider Electric (WKN 860180), geht es nun richtig nach oben. Das Unternehmen bewegt sich primär im Bereich der Energieverteilung und der Automation, wobei Schneider Electric zunehmend einen Schwerpunkt im intelligenten Gebäudemanagement ausbildet. Energiesparende Gebäude und automatisierte Gebäudetechnik sind dank steigender Energiepreise einfach ein wachstumsstarker Zukunftsmarkt und Schneider Electric dort der Marktführer in Europa. Erst heute hat das Management sich vorsichtig und zurückhaltend zum Geschäftsverlauf in 2012 geäussert und was macht der Kurs statt dessen ? Er steigt um rund 5% 😉 Das ist das typische Zeichen, das bei einem substanzstarken Unternehmen scheinbar alle schlechten Nachrichten schon eingepreist sind. Auch der Chart sieht ausgezeichnet aus, auch wenn man nach oben nun keine Wunderdinge erwarten darf. Schauen Sie einfach mal selber drauf.

Und Gold hat die gestern erwähnte positive Tendenz heute eindrucksvoll bestätigt. Wir haben mit ca. 1778 USD geschlossen und da ist definitiv was im Gange ! Meine Nase hatte scheinbar den richtigen Riecher und manchmal lohnt es sich halt auch, einfach derselben zu folgen.

Zu Einzelaktien aus Deutschland gibt es ansonsten bedingt durch die gleichmässigen und geordneten Abgaben im Markt heute auch herzlich wenig, was ich nun unbedingt erwähnen müsste. Also lasse ich es heute mal dabei, hole mir einen Rotwein und geniesse einen Abend, an dem mir auch die Börse Raum zur Entspannung gewährt.

Bis Morgen !
Ihr Hari

3 Gedanken zu „Hari´s Märkte am Abend – 22.02.12 – Frankreich und die Glaskugel“

  1. Hallo Hari, zu Frankreich: Man sollte der Rhetorik von Hollande nicht zuviel Bedeutung beimessen. Sie ist den Gesetzmäßigkeiten des französischen Wahlsystems geschuldet. Ziel Nr. 1 für Hollande ist es, in die Stichwahl(ballotage) zu kommen. Also müssen möglichst v iele Linkswähler abgefischt werden. Schlußfolgerung: Die Rhetorik fällt ziemlich linkslastig aus. Insbesondere die Gewerkschaftsmitglieder sollen so angesprochen werden, dass sie im 1. Wahlgang ihre Stimme für Hollande abgeben. Genau so verfährt Sarkozy auf der politischen Rechten, daher auch seine rechten Parolen. Das ändert sich mit der Stichwahl: Nun sind die Wechselwähler sprich die politische Mitte umkämpft(Ich nenne das gerne das Eisverkäufer-Prinzip, der Eisverkäufer am Strand versucht sich möglichst, in der Mitte des Strandabschnitts zu platzieren). Entsprechend fällt die Rhetorik jetzt gemäßigter aus. Es sind also nicht nur die Realitäten, sondern auch die Art und Weise, wie der französische Mitte-Wähler über die politischen Probleme denkt, die dazu führen werden, daß Hollande in die Mitte zurückschwenkt.Sein Wirtschaftsberater ist ohnehin sehr gemäßigt, so dass die Wirtschaftspolitik von Hollande allenfalls in Nuancen von der deutschen Wirtschaftspolitik zu unterscheiden sein dürfte, vielleicht eine Prise mehr Wachstumspolitik. Daß die Schuldenprobleme in Frankreich gravierender sind als bei uns, weiß man dort nur zu gut.

    Bei uns und in anderen Ländern ist es mit dem Eisverkäufer-Prinzip nicht sehr viel anders: Darum hat die SPD so große Probleme mit Frau Merkel, darum werden die Republikaner in den USA es schwer haben, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.

    Zu den Märkten: Irgendwie fällt mir dazu momentan auch nicht so viel besonderes dazu ein, der Modus ist im Wesentlichen noch immer der gleiche. Dass es einen größeren Rückfall geben wird, halte ich für ein eher unwahrscheinliches Szenario, auch wenn ich für den Fall noch ein paar Euro übrig hätte… Erst mal wird die Sache so weiter laufen wie bisher, denke ich. Vielleicht nicht mehr ganz so schwungvoll. Aber ok, wann hat der DAX zu Jahresanfang jemals so deutlich zugelegt. Überaschenderweise ist ja auch die Panikstimmung nicht mehr so groß, obgleich – oh Wunder – unter den Privatanlegern noch immer recht großer Pessimismus zu herrschen scheint. Was aber nicht schlecht sein muß, denn daß hieße ja auch, daß noch nicht jeder „dick drin“ ist.

    Übrigens habe ich mir mal die Webseite mit dem Kirk-Report mal angeschaut: Donnerwetter, der Junge hat mal mit 2.000 Dollar angefangen, jetzt sind es ein bisschen mehr….Aber noch mehr beeindruckt mich die Klarheit seines Stils. Auf der Webseite von Lars waren gestern, glaube ich, die zehn Trading-Regeln von Kirk aufgeführt. Als ich sie mir genauer anschauen wollte, waren sie auf einmal wieder weg….Ist aber nicht so schlimm, auf der genannten Webseite kann man sich auch so ein ganz gutes Bild machen.

    Hab jetzt ein bisschen durcheinander geschrieben, aber das war es, was mir im Moment grade so eingefallen ist zum Weltengang.

    Gute Nacht

    Tokay

    Abendliche Grüße

    Tokay

  2. Tokay, zu Frankreich stimmt. Sehe ich auch so. Ich habe aber meine Zweifel ob Mr. Market das dann im Vorfeld so rational sieht. Denn so tief steckt die Wallstreet nicht in europäischer Politik drin. Mr. Market reagiert halt schon lange bevor der erste Wahlgang abgeschlossen ist.

    Zu Charles Kirk, ich folge dem schon seit Jahren und bin Mitglied seiner Site. Ich halte grosse Stücke auf ihn und habe auch selber bei ihm ein paar Dinge gelernt. Ich habe ihn daher auch drüben bei Investors Inside letzten Herbst eingeführt, weil in Deutschland kannte den noch niemand. Bei mir ist er deshalb auch ganz bewusst der oberste meiner „Hilfreichen Links“. Es ist sehr gut möglich, dass ich der erste deutsche Kirk-Report Leser überhaupt bin, denn vor mir habe ich in D noch nie etwas von Charles gelesen.

    Was den Artikel mit den 10 Trading-Regeln drüben bei Investors-Inside angeht, da gab es ein Missverständnis – deshalb sind die erst einmal wieder weg. Denn das waren nicht Kirks 10 Regeln, sondern Regeln von einer dritten Seite, die er auf Wunsch seiner Leser kommentiert hatte und einigen dabei auch ausdrücklich widersprochen hatte. Was Lars jetzt damit macht, weiss ich noch nicht, er hat im Moment wenig Zeit – etwas Geduld also noch.

  3. Guten Abend allerseits,

    aus Frankreich gab es ja heute erst wieder neue Meldungen zu den Wirrungen des Wahlkampfes. Vgl. z.B. hier: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/frankreich-hollande-fuer-75-prozent-spitzensteuersatz-11665356.html
    Dennoch kann ich nicht so recht glauben, dass dies einen so großen Einfluss auf die Börsen bezüglich einer möglichen Auflösung der Eurokrise nehmen wird, so sind nun halt mal die Spielregeln im Französischen Wahlkampf, das gehört einfach dazu und liefert erst die nötige Portion Salz in der Wählersuppe. Interessant wird es dann aber höchstens nach den Vorwahlen, wenn wir wissen, wer nun wirklich zur eigentlichen Wahl steht.
    Viel spannender – aber für die Wirtschaft ebenfalls nur teilweise relevant – ist wohl die bevorstehende russische Präsidentenwahl. Auch wenn der Sieger schon feststeht, ist hier eher eine gesellschaftliche Spannung zu erwarten, deren Tragweite heute vielleicht noch nicht richtig überblickbar ist. Und je nachdem wie tief die Gräben in Russland aufgerissen werden, könnte das dann durchaus auch in den Rohstoffen seinen Niederschlag finden.
    Es bleibt also spannend, warten wir’s ab.

    Viele Grüße,
    Frank

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