Hari´s Märkte am Abend – 11.05.12 – Wochenabschluss – Marktlage aus Chartsicht

22.00 Uhr - Handelsschluss

Heute habe ich mich zum Wochenabschluss für ein "Chart-Fest" zur Marktlage entschieden, da es bei einzelnen Titeln wenig Aufregendes zu berichten gibt.

Wie so oft war der Handel im DAX am Vormittag zunächst zäh wie Kaugummi und bewegte sich ohne Richtung in einer engen Zone um 6500 herum. Mit der Eröffnung der Wallstreet kam dann "Leben in die Bude" und der DAX wurde noch bis 6580 hoch gekauft, bevor im späten Handel wieder Vorsicht einsetzte und wir erneut in die Zone 6400-6550 zurück kehrten, die im DAX die ganze Woche bestimmt hat.

Diese Aufwärtsbewegung der Wallstreet ging von der 1350er Zone im S&P500 aus, die von den Bullen offensichtlich massiv verteidigt wird. Denn mittlerweile hat sich eine gewaltige Top-Formation gebildet, deren Nackenlinie im Bereich dieser 1340-1350 liegt. Sollte diese Nackenlinie durchbrochen werden, hätten wir ein rechnerisches Ziel im Bereich 1270-1280, ein Bereich der interessanter Weise mit den Hochs des letzten Oktober/November korreliert. Und wir wissen ja nun, wie hart die Algos solche Muster traden, wenn sie einmal nachhaltig etabliert sind.

Viele gute Gründe für die Bullen also, die Zone 1340-1350 mit aller Kraft zu verteidigen. Schauen Sie sich den Tageschart des S&P500 seit letzten Herbst an, der spricht für sich selbst.

Insofern halte ich die heutige temporäre Stärke des Marktes für reine Markttechnik, ich konnte keine fundamentale Ursache erkennen. Die Bewegung heute war aber auch zu schwach um das Risiko des schweren Absturzes vom Tisch zu nehmen. Insofern geht das Spiel nächste Woche weiter und wir können uns auf eine weitere volatile, ängstliche Woche einstellen. Auch das Verhalten des Marktes im späten Handel spricht eine ähnliche Sprache, niemand wollte sich mehr positionieren, weswegen die anfänglichen Gewinne wieder langsam wegbröselten und wir am Ende nur knapp oberhalb der 1350er Zone schlossen.

Abwarten ist nun für alle das Gebot der Stunde, auch für mich.

Und sollten nächste Woche doch mal gute Nachrichten kommen, wird unseren griechischen "Geiselnehmern" schon noch etwas einfallen, um die Märkte wieder in Unsicherheit zu stürzen. 😉 Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, Mr. Market hätte in Anbetracht der Tatsache, dass Griechenland die Märkte und die Eurozone defacto als Geiseln genommen hat, schon ein "Stockholm-Syndrom" entwickelt. Denn diesem zerfallenden Kleinstaat wird weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als ihm zusteht oder seiner Bedeutung entspricht.

Schauen wir uns doch im Vergleich auch einmal das Bild des DAX im Stunden-Chart an:

Sie sehen schnell, dass der DAX gerade dabei ist eine inverse Umkehrformation zu bilden, deren Ziel uns dann in den Bereich von 6800 bringen würde. Wichtig ist aber nicht zu vergessen, dass diese Formation noch nicht bestätigt ist, weil wir die Nackenlinie noch nicht durchschlagen haben und im späten Handel dann sogar wieder bis 6520 gefallen sind. Erst eine Bewegung am Montag Richtung 6600, würde diese Umkehrformation vollenden und das grobe Ziel 6800 in Bewegung setzen. Ob so eine Bewegung am Montag kommt, weiss nur der liebe Gott oder Griechenland.

Wenn Sie jetzt denken, dass diese positive Möglichkeit ja ein Widerspruch zu obigem Chart des S&P500 sei, haben Sie die unterschiedlichen Zeithorizonte übersehen. Der S&P500 Chart war auf Tagesbasis, die mögliche Topformation wird uns also wohl noch auf Wochen begleiten, wenn sie nicht durch eine massive Gegenbewegung zu neuen Höchstständen ausser Kraft gesetzt wird. Der DAX Chart ist aber auf Stundenbasis, die Umkehrformation wird sich also direkt Anfang kommender Woche bestätigen oder negiert werden.

Insofern transportieren diese beiden Charts das Bild, das kurzfristig in den kommenden Tagen Raum für eine technische Erholung besteht, wir mittelfristig in den kommenden Wochen aber wohl weiter nahe am Abgrund balancieren müssen. Ein Bild, das durchaus auch mit anderen Signalen der Markttechnik konform geht und dem ich insofern eine gute Wahrscheinlichkeit zubillige.

Trotzdem müssen wir uns im Klaren sein, dass wir uns wieder in einem politischen Markt befinden und jede überraschende Nachricht diese obigen Muster komplett auf den Kopf stellen kann. Ach war das erste Quartal doch schön, wo der Markt einfach mal in Ruhe machen konnte was er wollte und daher auch die Aussagekraft meiner Tools und Techniken wesentlich höher war. Aber wenn alles davon abhängt, was ein paar Politiker in griechischen Hinterzimmern auskochen, dann sind Prognosen halt schwierig bis unmöglich. Leider können wir uns den Markt nicht aussuchen und insofern müssen wir wohl weiter mit wilden Swings leben.

Bei Einzelaktien gab es heute wenig Erwähnenswertes, wir müssen nun einfach Geduld haben. Denn in Griechenland läuft ja nun alles auf Neuwahlen im Juni zu und das hält den Markt auf Trab und in Unsicherheit. Im optimalen Fall halten DAX 6400 und S&P500 1350 und wir laufen noch bis Juni volatil oberhalb dieser Marken hin und her. Dann wäre der Boden für einen guten Börsensommer bereitet, wenn in Griechenland endlich eine vernünftige Regierung existierten sollte, Ben Bernanke sich zur Nachfolge des "Twist"-Programms geäussert hat und alle schwachen Hände schon im Sinne "Sell in May" verkauft haben. All das sollte sich im Juni klären und insofern hat der Juni das Potential den Höhepunkt der derzeitigen Unsicherheitsphase darzustellen.

Wenn der Rauch dann verzogen ist, dann würde im Sommer aber weder ein Grund zum Verkaufen da sein, noch wären Marktteilnehmer auf der Long-Seite engagiert, die noch Lust zum verkaufen hätten. Das Ergebnis wäre dann ein langsam und genüsslich hochschiebender Markt. Und wenn das "A-Team" der Investmentbanken und Hedgefonds Anfang September an die Schreibtische der Wallstreet zurück käme, würde es erstaunt auf höhere Kurse schauen. Schauen wir mal, ob sich meine Wach-Träume erfüllen. 😉

Was die Goldminen (ETF GDX) angeht, habe ich mich heute zu einem Kompromiss entschlossen. Ich habe bei einigen Positionen die Positionsgrössen verringert und so Risiko heraus genommen, werde aber die Basispositionen nun bis auf weiteres halten. Denn trotz erneuter Schwäche, hat mir nicht missfallen, was ich heute im Sektor gesehen habe. Obwohl Gold mit einem GAP nach unten eröffnete, hielten sich die Verluste im GDX in Grenzen und wandelten sich zweitweise sogar in ein kleines Plus, bevor die Minen im späten Handel wieder mit dem breiten Markt absackten. Dabei waren die Minen über lange Strecken stärker als der Goldpreis selber. Noch in den Wochen vorher, hätte 1% Minus im Goldpreis zu 3% Minus bei den Minen geführt, diese Zeit scheint vorbei zu sein.

Beim Goldpreis (XAUUSD) selber ist es aber gut möglich, dass wir noch einmal bis 1520 USD abtauchen, wo das Tief vom Dezember 2011 liegt. Aber das wären nun nur noch 4% Bewegung nach unten und in Anbetracht der sich für mich nun deutlich aufbauenden relativen Stärke der Minen, verbunden mit deren massiver Unterbewertung, rechtfertigt das für mich keinen Ausstieg mehr. Das Risiko nach oben den Zug zu verpassen ist in diesem Segment nach meiner Erwartung nun höher, als das Risiko eines weiteren grossen Absturzes - wiewohl mir bewusst ist, dass auch letzteres keineswegs ausgeschlossen ist.

Alles in allem ist diese mögliche Bodenbildung im Edelmetallbereich sehr komplex, mit etwas Phantasie könnte man auf dem obigen Tageschart des Goldpreises sogar eine sich entwickelnde, gewaltige inverse Umkehrformation ausmachen. Abgesehen davon haben wir immer noch das deutlich zulaufende Dreieck im Spiel, dass von der Wahrscheinlichkeit eher für eine Fortsetzung des Trends nach oben spricht. Dauer und Komplexität dieser Konsolidierung im Edelmetallbereich sprechen aber für eine dynamische Bewegung, sobald sich ein neuer Trend etabliert. Insofern neige ich dazu, mich von dem derzeitigen Desinteresse am Thema und der Lethargie des Marktes nicht einlullen zu lassen. Wenn ein Asset wie Gold - das sich immer noch in einem langfristigen Aufwärtstrend befindet - von den Märkten nicht mehr beachtet, ja tot gesagt wird, genau dann wird es nach meiner Erfahrung am spannendsten !

Wenn Sie dagegen mal eine spannende Trendwende sehen wollen, an der es wenig herum zu rätseln gibt, dann schauen Sie sich mal den Tages-Chart des US Gas Preises (ETF UNG) an.

Schon -> hier <- am 30.04. hatte ich Ihnen das ja als potentielle Trendwende nahe gebracht und diese Sicht hat sich seitdem eindeutig bestätigt. Spannend ist nun, dass der Kurs gerade auch die zweite Trendlinie knackt, die noch aus dem Mai 2011 stammt. Hier spricht in meinen Augen vieles für eine nachhaltige Wende und das könnte ein höchst spannender Trade sein, wenn man über einen international agierenden Broker Zugang zu diesen US ETFs hat. Ich bin im Handelssystem seit einigen Tagen Long UNG.

Zum Abschluss noch ein Hinweis auf einen interessanten technischen Artikel von Peter L. Brandt zum Thema HFT. Lesen Sie -> hier <-

Und noch ein Hinweis, da doch einige neue Leser hinzu gekommen sind:
Vielleicht schauen Sie mal auf der rechten Seite des Blogs auf meine "Hilfreichen Links".

Diese Liste ist inklusive erklärender Tooltips von mir bewusst handverlesen, um Ihnen im Kampf mit Mr. Market zu helfen. Die Liste wird auch einmal im Monat auf den neuesten Stand gebracht, insofern lohnt es sich immer mal wieder drauf zu schauen. Vielleicht finden auch Sie dort ja die eine oder andere wichtige Information.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende !

Ihr Hari

** Bitte beachten Sie bei der Wertung der Inhalte dieses Beitrages den -> Haftungsausschluss <- ! **

5 Gedanken zu „Hari´s Märkte am Abend – 11.05.12 – Wochenabschluss – Marktlage aus Chartsicht“

  1. Hey Hari,

    da ich gerade die anfängerfragerunde verpasst hab werf ich nochmal kurz eins nach:

    trotzdem, dass jeder sehen muss, dass es in zukunft entweder einen schuldenschnitt (auch für Deutschland) oder einfach hohe inflation gibt, ja geben muss ( ich weiß, der markt macht oft das gegenteil, aber in dieser sache, denke ich, beschreibt das szenario, das ich schildere „das gegenteil“ von dem niemand glaubt, dass es kommt – zimindest nicht die, die gerade bonds für niedrigste zinsen kaufen), schnellen die T-Bills und alle sonstigen „sicheren“ Staatsbonds in die Höhe.

    Wie shorte ich die am billigsten? … gold find ich teilweise schon so gehypt, dass ich mich; denk ich; mit einer shortposition dort wohler fühlen würde, als mit einer long in gold; da denk ich an mögl. viele schwache hände, die gold vlt. noch etwas länger seitwärts laufen lässt während die bonds schon fallen
    ich finde weder optionen, noch sonstige (über einen längeren zeitraum) günstige möglichkeiten

    zur erklärung, ich bin 23 und hab mein studium vor kurzem abgebrochen, also ein nicht allzugroßes konto,

    am liebsten würd ich mir mit anderen ein CDS teilen 😉 , oder mit einer bank eine 10jährige option vereinbaren dürfen …
    aber ohne geld, nimmt einen doch niemand ernst

  2. @CDO, wenn ich das machen wollte – was ich definitiv nicht mache, weil: „dont fight the FED“ – würde ich es über ETFs machen, im amerikanischen Markt gibt es jede Menge sehr liquide Titel. Teilweise gibt es auch direkt Short ETFs, ich würde aber über einen internationalen Broker eher per CFD die regulären, grossen ETFs shorten.

    -> Hier <- ist zum Beispiel eine Liste. Einer der grössten, bekanntesten und liquidesten ist der „TLT“ für die Langläufer +20J bei T-Bonds. Sollten die Renditen irgendwann mal anziehen, dürfte dieser mit am stärksten leiden. Und sollte Dir ein Short auf den Bund-Future genügen, ist die WKN ETF562 der Commerzbank ein in meinen Augen halbwegs sauber konstruierter Short-ETF.

    Aber wirklich „günstig“ ist kein Short über längere Zeit, gleich welcher Art, Zeitverluste von mehreren Prozent pa hast Du in jedem Short-Konstrukt, egal ob Optionsschein, Zertifikat oder Short-ETF. „Short über längere Zeit“ kann nach meiner Erfahrung nicht wirklich funktionieren, die Banken als Gegenpartei können ja auch rechnen und sichern sich in der Konstruktion genügend Spielraum.

    Also nochmal, ich würde es nicht machen, gerade für jemanden mit wenig Geld empfinde ich es nicht als naheliegend, sich gegen die Notenbanken zu stellen, aber das ist Deine Entscheidung.

    Denn sicher, ich denke auch früher oder später kommt höhere Inflation, abseits der offiziellen Statistiken ist sie doch schon längst da. Nur der Glaube, dass deswegen die Staatsanleihen in den Renditen steigen müssen, dürfte verfehlt sein.

    In einem sauberen Markt würde das zwar passieren, der Staatsanleihen-Markt ist aber in meinen Augen durch die Notenbanken massiv verzerrt und manipuliert. Und die Notenbanken wie die Staaten haben ein Interesse daran, dass einerseits eine höhere aber noch kontrollierbare Inflation (3-5%) kommt, andererseits der Nominalzins aber sehr niedrig bleibt. Man nennt das „Finanzielle Repression“ mit der die Vermögenden langsam schleichend um ihr Vermögen gebracht werden und gleichzeitig die Staaten entschuldet werden. Genau das hat man in den US nach dem 2. Weltkrieg auch gemacht.

    Ich werde mich also bestimmt nicht gegen die Interessen der Staaten und Notenbanken stellen. Umgedreht wird in meinen Augen ein Schuh draus, wenn die Staaten verschuldet sind, tue ich eher gut daran mich auch selber zu verschulden. Wer es jetzt schafft auf Kredit mit Minizinsen echte Sachwerte zu erwerben, fährt in meinen Augen eher auf dem richtigen Gleis um eine Zeit der finanziellen Repression zu überdauern. Und mit „Minizinsen“ meine ich natürlich nicht Dispo sondern die aktuell ca. 3% Hypothekenzins.

  3. ah danke fürs aufmerksam machen auf meinen denkfehler

    hab im ersten moment gedacht „wieso gegen die notenbanken, die drucken ja“ … aba klar, die ezb darf natürlich nur auf dem papier keine staatsanleihen kaufen…

    …in dem zusammenhang möchte ich dich noch kurz fragen für wie wahrscheinlich du es hältst, dass gold (sobald es den notenbanken ausgeht) wieder eingezogen werden wird, zu einem spottpreis
    das ist das szenario, was mich von gold als mittelfristiger schutz auch noch zurückschrecken lässt

    greez

  4. @CDO, ich habe auch keine Glaskugel. Möglich ist es – ist ja auch schon in den US nach dem WK2 passiert. Wahrscheinlich ist es eher nicht. Ich denke mehr kann man nicht sagen, alles andere wäre reine, unseriöse Spekulation.

    Nur eines ist in meinen Augen klar, sollte Gold mal eingezogen/zwangsangekauft werden, dürfte es den Immobilienbesitzern/Waldbesitzern etc auch nicht besser gehen – Stichwort Zwangshypothek. Insofern macht es in meinen Augen keinen Sinn darüber zu viel nachzudenken oder sein Handeln nach dieser Möglichkeit zu richten. Sollte das passieren, haben wir alle wohl weit grössere Probleme, als den Verlust von ein paar Goldbarren. Und die Frage lautet doch: wenn nicht Gold, was denn dann ?

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