Vor 5 Jahren und in 5 Jahren

Mr-Market gibt es seit nun 12 Jahren und im freien Bereich und selbst in der Grundlagensektion haben sich Massen an Content angesammelt, der teilweise hochaktuell, weil universell gültig ist.

Schauen sie doch einfach nur mal in -> diese Liste <- der Grundlagenartikel des freien Bereiches.

Gerade jetzt, kurz vor den Osterferien, sind wir wieder in einer typischen Situation, über die ich vor 5 Jahren in folgendem Artikel geschrieben habe:

-> Vom Dabeibleiben und der Angst in uns <-

Denn der Markt hat alle Einschläge der letzten Wochen ganz wunderbar abgeschüttelt und scheint hoch zu wollen, gleichzeitig ergiesst sich aber (mal wieder) ein mediales Crescendo an "Warnungen" und bärischen Weissagungen über uns und verunsichert die armen Anlegerseelen.

Als arme Anlegerseele kann man da schon Sorgen bekommen, wenn Aktienstrategen wie Marko Kolanovic von JP Morgan oder Mike Wilson von Morgan Stanley vor einer schweren Rezession warnen und behaupten, dass das erste Quartal den Hochpunkt des Marktes in 2023 markiert oder die Gewinnerwartungen der Unternehmen viel zu hoch seien.

Da kann man sich als arme Anlegerseele vor unglaublich viel sorgen, bärische Weissagungen hören sich auch immer besonders "intelligent" an, der Verweis darauf, dass die Märke im Mittel steigen, hat dagegen eher einen naiven Klang.

Sorgen machen, kann man sich aktuell zum Beispiel wie folgt:

  • Was wenn jetzt doch eine scharfe Rezesson kommt und die Gewinnerwartungen viel zu hoch sind?
  • Was wenn die Inflation wieder steigt und das Narrative der fallenden Inflation sich als falsch herausstellt?
  • Was wenn die Bankenkrise weiter eskaliert und in ein paar Wochen eine weitere US-Bank aus den Top-20 kippt?
  • Was wenn sich der Krieg in der Ukraine doch ausweitet und die NATO direkt involviert wird?
  • Was wenn die FED doch überzieht und hilflos einer Stagflation gegenüber steht?

Und jetzt komme ich daher, wische das alles weg und sage: Schmarrn! Damit meine ich nicht, dass der bärische Pfad unmöglich ist, sondern nur, dass es nichts bringt, sich von einzelnen Risiken verrückt machen zu lassen, der Markt ist immer die Synthese unterschiedlichster Strömungen und nie das Ergebnis nur eines Faktors!

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2023: Don´t fight the Fed !?

Natürlich wollen nun alle wissen, wie das Anlagejahr 2023 werden wird und sobald man eine mediale Überschrift einer markanten Prognose sieht, sind wir als Anlager mit "Affenhirn" schon fast dazu gezwungen, darauf zu klicken.

Abgesehen davon macht es auch selber Spaß Prognosen abzugeben, weil da ist dann sogleich unser Ego im Sinne "Recht haben" beteiligt und wenn dann noch ein Forum existiert, kann man sich mit anderen Foristen darüber streiten, wer nun mehr Weisheit als die anderen mit Löffeln gefressen hat. 😛

Wenn man dann aber gierig auf den "Prognose-Artikel" klickt, steht das meistens ein sowohl-als-auch, ein viele-Worte-um-zu-sagen-dass-alles-offen-ist. Enttäuschend, trotzdem will unser "Affenhirn" immer wieder klicken, lustig nicht?

Ich denke Sie kennen das alle, so war es immer und so wird es auch in 2023 sein. Weswegen ich gleich am Anfang mal eine klare Linie ziehe und betone, dass ich auch keine Glaskugel habe und mich nicht mit "Prognosiritis" beschäftigt, die eher eine ansteckende Krankheit darstellt, die gerne naive Gehirne befällt. 😉

Der Fehler der dann gerne von den "Prognose-Süchtigen" gemacht wird, ist in der Enttäuschung gleich ins Gegenteil zu kippen und dann im gleichen Brustton des Egos aggressiv zu verlautbaren, dass das ja alles Unsinn sei und man am besten sowieso nur blindes Buy&Hold machen würde. Wie war das mit dem Fuchs und den Trauben? 😉

Denn man kann schon sinnvolle Überlegungen für 2023 anstellen, man kann Szenarien kreieren, die dabei helfen unsere Gedanken und Handlungen zu leiten und man kann die Menge der Möglichkeiten deutlich auf eine Handvoll reduzieren. Und das macht nicht nur jede Menge Sinn, es ist die *Grundlage* erfolgreichen Handelns in Unsicherheit!

Betrachten sie das neue Jahr daher gedanklich zunächst einmal als eine "Black Box" an unendlichen Möglichkeiten. Dabei muss es aber nicht bleiben, denn durch sinnvolle Überlegungen, die sich am "Spiel auf dem Platz" und nicht an Phantastereien orientieren, kann man diese Möglichkeiten so reduzieren, das man vor einer begrenzten Menge an Szenarien steht. Und damit kann man dann auch intelligent umgehen, das ist die Kunst.

Ich will heute daher mal einen einzelnen, aber wichtigen Aspekt herausgreifen, an dem ich ihnen das oben abstrakt Gesagte aufzeigen will. Nachdem sie meine folgenden Darstellungen gelesen haben, wissen sie immer noch nicht, was die Kurse konkret in einer Woche oder einem Monat machen, es fällt ihnen aber vielleicht leichter, bestimmte Entwicklungen einzuorden und darum geht es im Kern bei der Geldanlage, um das *intelligente Navigieren in Unsicherheit*.

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Von Resilienz, Flexibilität und dem Fechten

Der folgende Artikel erschien im Juli 2020 im Premium-Bereich und wurde für den freien Bereich etwas gekürzt.

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Resilienz, ein schönes Wort.

Nach gängiger Definition ist es die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche Ressourcen zu überwinden und sogar für eigene Weiterentwicklung zu nutzen

Für uns Marktteilnehmer, uns Nußschalen auf dem Ozean des Weltgeschehens, ist Resilienz besonders wichtig. Denn nur resiliente Charaktere haben die Chance einerseits dauerhaft im Markt zu sein und nicht aufzugeben und andererseits dabei auch noch erfolgreich zu sein.

Jetzt frage ich sie aber: Ist ein "Prepper", der sich in seinen Bunker zurückzieht und mit Waffen und Nahrung umgibt deswegen resilient?

Die Frage impliziert schon die Antwort: Nein! Er hat sich auf ein genau definiertes Krisenszenario vorbereitet und wird dann - so ist halt das Leben - garantiert von etwas ganz anderem niedergestreckt.

Er kann seinen Bunker also gegen anrennende "Zombie-Horden" verteidigen, dummerweise stirbt er an einer blöden Blutvergiftung oder eben einem neuen Virus. Tough Luck. 😉

Es ist sowieso keine gute Idee, uns immer vor dem letzten Desaster schützen zu wollen, weil unser Recency-Bias uns dazu zwingt. Der lesenswerte Artikel -> Stop preparing for the last Desaster! <- bringt das schön auf den Punkt. Und ich garantiere ihnen, die sicherste Phase um in einen Flieger zu steigen ist immer *nach* einem schlimmen Absturz kurz zuvor, weil dann alle übervorsichtig und aufmerksam sind.

Ein Desaster kommt fast immer aus einer Ecke, die man vorher nicht erwartet hat. Oder hatte Ende 2019 jemand auf dem Radar, was wir nun in der Pandemie erleben - never ever!

Jetzt wird es aber noch schlimmer, ein Markt *muss* sogar wegen Ereignissen und Entwicklungen fallen, die niemand auf dem Radar hatte. Denn wäre es anders, wären alle vorbereitet, würde der reflexive Markt gar nicht mehr fallen können!

Dumme Sache, oder? 😀

Womit wir bei der für uns so wichtigen Resilienz sind. Denn wir müssen uns am Markt - und letztlich auch im Leben, auch wenn wir das gerne mit einer Kontrollillusion überlagern - der Endlichkeit und der Unsicherheit stellen.

Ich habe dazu vor Jahren den Artikel -> Warum wir die Unsicherheit lieben lernen müssen <- geschrieben, denn das was wir nicht bekämpfen und besiegen können, sollten wir im Sinne Sun Tzu umarmen und uns damit arrangieren.

Darin heisst es:

Die Grundvoraussetzung für Erfolg an den Märkten ist aber, dass wir die Unsicherheit nicht bekämpfen und aufhören, ein reiner "Sicherheitssucher" zu sein, denn da gibt es keine. Sicherheit verschaffen uns nur die eingeübten Fähigkeiten, mit denen wir uns aus jeder Situation wieder heraus retten können. Das nennt man als Überbegriff "Risikomanagement" und dahinter verbergen sich verschiedenste Techniken, deren Einsatz sehr individuell ist.

Aber wenn wir es nicht schaffen, die Unsicherheit zu lieben und als Chance zu sehen, müssen wir zumindest lernen sie zu akzeptieren, ohne uns daran aufzureiben. Andernfalls haben wir keine Chance gegen Mr. Market.

Der Bunker ist also eine Illusion, er verschafft keine Sicherheit, er täuscht diese nur vor. Der Bunker macht uns vielmehr zu einer "sitting Duck", einem leichten Ziel für die Unsicherheit, denn wir sind unbeweglich geworden, wir können nicht ausweichen, wir krallen uns sozusagen im Erdreich fest und das Schicksal kann ganz genüsslich Ziel nehmen.

Was können wir denn dann tun um am Markt resilienter und damit gelassener zu werden?

Ich sage es ihnen gleich, das Zauberwort heisst Flexibilität, gewürzt mit einem Bewusstsein für die aktuelle Situation (Situation Awareness). Nur das schafft Resilienz im prinzipiell ungewissen und unberechenbaren Markt.

Flexibilität schafft Sicherheit, Flexibilität schafft Resilienz!

Einerseits bedeutet das eine geistige Flexibilität, wir haben gelernt die Unsicherheit zu akzeptieren. Alleine diese Tatsache, dass wir uns dieser Unsicherheit bewusst sind und uns keinen Illusionen hingeben, dass morgen schon alles ganz anders sein kann, macht uns im Kopf freier und flexibler. Denn das womit man rechnet, kann einen nur begrenzt überraschen. Wer sich dagegen eine nicht vorhandene Sicherheit eingeredet hat, wird am Ende ganz böse und schutzlos auf dem falschen Fuß erwischt.

Andererseits bedeutet es das Training von Abläufen und Strategien, mit denen wir mit den gängigen Situationen elegant umgehen. Wir legen uns also nicht auf einen Bunker fest, sondern wir haben verschiedene, durchdachte Strategien, die wir je nach den Umständen einsetzen.

Beim Fechten sind das Aktionen wie Battutta, Coupé, Flêche, Rimesse oder Riposte. Das sind feste Techniken bzw Angriffe oder Verteidigungen, mit denen man dem Gegner begegnet.

Auch beim Fechten weiss man vorher nicht, was der Gegner (hier der Markt) für Angriffe starten wird, man hat aber ein eingeübtes Repertoire, wie man damit umgeht! Und wer das nicht hat, wer nicht instinktiv einem Angriff des Gegners begegnen kann, hat schnell verloren.

Genau das schafft Gelassenheit, genau das schafft Resilienz, das Selbstvertrauen und die Übung mit einer Situation umgehen zu können! Beim Klettern ist das übrigens nicht anders.

Resilienz stellt sich also der Unsicherheit, sie umarmt sie sogar und trainiert damit umzugehen.

Am Markt müssen wir also wie ein Fechter sein, immer bereit für eine Überraschung des Gegners, aber voller Techniken, damit elegant umzugehen.

Diese geistige und taktische Flexibilität ist auch die Grundvoraussetzung entspannt das Spiel auf dem Platz zu beobachten und erst zu *reagieren* - Riposte! - wenn die Situation eintritt und eine Reaktion gefordert wird!

Und diese Sicherheit erlangt man durch Training, Training und noch einmal Training! In dem man übt auszuweichen und einen Gegenangriff zu starten, bis man es automatisiert beherrscht. Es gibt keinen anderen Weg, alleine mit dem Lesen von Büchern wird niemand zum guten Fechter!

Bei uns an der Börse ist die Parade der Stop, wir gehen dem Angriff der Kurse aus dem Weg und die Riposte ist der "Gummibandtrade" danach, wenn der Markt seinen Angriff erschöpft hat.

Flexibilität und Training machen uns resilient - wenn wir in Bewegung sind und Ausweichen können, kann uns der Markt nie vernichten.

Und von diesem "Fecht-Training" kommt im Laufe der Zeit Gelassenheit, wir wissen was wir können und wissen, dass wir uns auf unsere Abwehrtechniken verlassen können.

Und das nennt man dann Risikomanagement und erlangt man nicht im Bunker des Rechthabens und auch nicht mit Glaskugeln von Wahrsagern.

In diesem Sinne: En Garde!

Ihr Michael Schulte (Hari)

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