DAX, S&P500 und der Carry Trade – Was ist da an den Märkten los ?

08:45 Uhr. Heute früh möchte ich Ihnen - vor Eröffnung des Xetra-Handels in Frankfurt - in wenigen klaren Sätzen einen Eindruck davon vermitteln, was da an den Märkten wirklich los ist und warum wir heute die 8000er Marke im DAX wieder testen.

Man liest dazu allerlei zweidimensionale Ursache->Wirkung Vermutungen, die aber eher am Thema vorbei sind. Nein, es ist auch nicht das BVG mit seiner Verhandlung, das hat Mr. Market eher unter der Rubrik "traut sich sowieso nicht" abgehakt.

Was hier passiert hat die Ursache in grossen Geldströmen an den Weltfinanzmärkten und ich habe Ihnen nicht ohne Grund gestern die 4 Charts gezeigt, in denen man erkennen kann, dass das, was nun auch im DAX ankommt, schon einige Tage im Gange ist.

Es gibt aus meiner Sicht zwei Kernursachen:

Erstens die Unsicherheit über die weitere Politik der Notenbanken, insbesondere der FED. Nach der gewaltigen Aufwärtsbewegung seit November, gehört wirklich nicht viel Intelligenz dazu, im Lichte dieser Unsicherheit mal ein paar Einsätze vom Tisch zu nehmen. Genau das macht "Big Money" und war schon seit Wochen als "Distribution" zu beobachten. Einer der vielen Gründe, warum ich schon letzte Woche deutlich gemacht habe, dass ich über den Sommer auf die Seitenlinie trete.

Dieses Verhalten von "Big Money" hat einen netten Nebeneffekt. Es erhöht massiv den Druck auf die FED, die nächste Woche wieder tagt. Es legt der FED die Pistole an die Schläfe und sagt: "Hör auf über eine Reduktion des Stimulus zu diskutieren oder trage die Konsequenzen".

Dieses taktische Verhalten der Wallstreet ist aber nicht der Wichtigste der beiden Gründe. Wirklich entscheidend sind die weltweiten Geldströme aus dem Yen Carry-Trade. Es geht also um Japan, Japan ist der Kern dieser Bewegung.

Ich kann den Carry-Trade hier nicht in wenigen Worten erklären, aber im Kern geht es darum sich mit Micro-Zinsen nahe Null im Yen zu verschulden, um dann das Geld in höher rentierliche Anlagen umzuschichten. Anlagen wie High-Yield Bonds der Emerging Markets eben. Oder eben Anlagen im Aktienmarkt mit hoher Dividende.

Deswegen wurden die Dividenden-Bluechips zuletzt so stark verprügelt. Deswegen fallen die EMA Anleihen so massiv. Es ist die Auflösung des Yen-Carry-Trades. Es sind die weltweiten Geldströme des grossen Geldes, die diese Bewegung indizieren.

Das der Yen Carry-Trade überhaupt in sich zusammen fällt, hat mit der Rasierklinge zu tun, auf der die neue "Abenomics"-Politik der japanischen Regierung balanciert. Wenn Sie meinen Lunchtalk gestern mit der Wiwo anschauen, bekommen Sie einen oberflächlichen Eindruck davon, worum es da geht.

So weit die kurzen Hinweise wo man hinschauen muss. Simple Ursache->Wirkung Vermutungen aufgrund einzelner Nachrichten zeugen aktuell nur von Unkenntnis, wie die Geldströme der Welt wirklich funktionieren. Und nein, man kann nicht alles mit Charttechnik erklären, Chartbilder sind ein Abbild der realen Handlungen der Marktteilnehmer, erzählen aber nicht immer die Geschichte warum es diese Bewegungen gab. Manchmal sind Bewegungen rein technischer Natur, dann erzählt das Chart die ganze Geschichte. Manchmal aber - und derzeit ist so ein Fall, wie Ihnen die 4 Charts gestern deutlich zeigen sollten - stehen weit grundsätzlichere, fundamentale Themen dahinter.

Was heisst das für DAX und S&P500 ?

Mittelfristig bleibe ich bei meiner Erwartung einer volatilen Seitwärtsbewegung über den Sommer. In diesem Markt muss man im Moment nicht zwingend sein.

Kurzfristig denke ich, dass die Auflösung des Carry-Trades nun so weit fortgeschritten ist, das es Zeit für eine Gegenbewegung ist. Das Minus heute im Nikkei hat den Charakter einer kleinen Kapitulation. Gleichzeitig sitzen wir nun mit DAX 8000 und S&P500 Future 1600 auf den entscheidenden Unterstützungen, sind technisch kurzfristig überverkauft und habe heute eine grosse FED Buy-Operation im Markt.

Seien Sie also nicht überrascht, wenn es heute mal wieder nach oben geht, sobald ab Mittag die Wallstreet ins Spiel kommt.

Das wir diese wichtigen Unterstützungen nun sofort nachhaltig brechen, ist kurzfristig also das weniger wahrscheinliche Szenario. Wenn das aber doch passieren sollte - auch kleinere Wahrscheinlichkeiten können eintreten - muss man extrem vorsichtig sein. Denn unter diesen Unterstützungen dürften jede Menge Stops lauern, die eine Bewegung dann beschleunigen.

In diesem Sinne entstehen heute Chancen für aggressive "Mean Reversion" Trader. Für Anleger mit mittelfristigem Horizont, sehe ich aber über die kommenden Wochen eher wenig Grund, sich diesem Markt zu exponieren, der nach der zukünftigen Richtung sucht. Im Spätsommer werden wir klarer sehen.

Viel Erfolg heute wünscht Ihr Hari !

PS: Übrigens, diese Art der Begleitung durch den Tag bekommen die Premium-Mitglieder auf Mr-Market rund um die Uhr. Am Tag stelle ich ca. 5 - 15 derartiger, aktueller Informationsschnipsel ein, manchmal nur ein wichtiger Link, manchmal ein Chart mit Kommentierung, manchmal eine ausführliche Stellungnahme wie oben.

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7 Gedanken zu „DAX, S&P500 und der Carry Trade – Was ist da an den Märkten los ?“

  1. Pingback: kaufkraftschutz.de
  2. Guter Artikel. Danke.
    Wieder mal ins Schwarze getroffen. Die Stops hatte ich heute eng angezogen und mit deutlich mehr geschlossenen Positionen zum US Handelsstart gerechnet. Da das nicht passierte, habe ich wieder die Long Positionen ausgebaut.
    Ein ausgesprochen grüner Tag an der Börse. Muss ja auch mal wieder sein. Es gab keinen Dip nach unten. Irgendwie merkwürdig. Morgen früh wird es sicher im Dax die ersten paar Stunden massiv aufwärts gehen. Was könnte man am besten kaufen?

  3. Wiedermal sehr aufschlußreich! Vielen Dank. Jedoch habe ich noch eine Frage.

    Du schreibst:
    „Deswegen wurden die Dividenden-Bluechips zuletzt so stark verprügelt. Deswegen fallen die EMA Anleihen so massiv. Es ist die Auflösung des Yen-Carry-Trades. Es sind die weltweiten Geldströme des grossen Geldes, die diese Bewegung indizieren.“

    Wäre es dann nicht sinnvoll , sofern langsam der Carry-Trade beendet ist, sich long in den Dividendenaktien über ETF zu positionieren ?

  4. @Jawwa,

    Nicht notwendigerweise, aber vielleicht ja 😉

    Erstens einmal sind die defensiven Dividenden-Papiere auch deshalb so extrem stark gewesen, weil dieser Carry-Trade Effekt da ist/war. Dividenden-Papiere wurden als Zinsersatz benutzt. Wenn der Carry-Trade wegfallen würde, normalisieren sich die Bewertungen auch wieder. Sprich eine Nestle war kurzfristig zu luftig bewertet. Ob die Bewegung nach oben nun weitergeht ist offen.

    Zweitens, woher weisst Du, dass der Carry-Trade beendet ist ? Ich weiss es nicht. Wir hatten gestern eine zu erwartende Gegenbewegung. Was daraus wird werden wir sehen. Im Gegenteil, für die Dividendenpapiere wäre es doch positiv, wenn wieder Milliarden in Yen aufgnommen würden, um diese dann in Dividenden ETFs zu kippen.

    Fazit: Ja, es kann vielleicht Sinn machen diesen „Dip“ bei weltweiten Dividenden-Papieren zu kaufen. Aber nicht weil der Carry-Trade am Ende ist. Sondern weil man darauf setzt, dass er wieder aufgenommen wird und gleichzeitig die Gelder die aus den Bondmärkten abgezogen werden, in diesen Typus Aktie fliessen.

  5. Schon Wahnsinn irgendwo: künstlich gedrückte Zinsen, nie dagewesenes Gelddrucken, nie dagewesene Schulden, und konsequenterweise nie dagewesene Geldströme!

    Mit einem freien Markt und real existierenden Dingen hat das natürlich zusehends weniger zu tun! Doug Casey hat dazu vor etwa zwei Jahren das folgende gesagt: „There really aren’t investments anymore. With trillions of newly created currency units floating around the world, things will become very chaotic and unpredictable shortly. It’s very hard to invest using any kind of Graham-and-Dodd methodology when things are that chaotic. Whether you like it or not, you’re going to be forced to be a speculator in the years to come. A speculator is somebody who tries to capitalize on politically caused distortions in the marketplace. There wouldn’t be many speculators, or many of those distortions in the marketplace, if we lived in a free-market society. But we don’t.“

    Ich habe natürlich jede Menge Respekt vor denjenigen, die sich in diesem Dschungel zurecht finden! Ich tue mich sehr schwer damit.

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