Erfolgsfaktor Positionsgröße

Wenn sie sich am Aktienmarkt engagieren, sollten sie dringend die Bedeutung der Positionsgröße kennen. Punkt, kein aber!

Warum ich das so betone?

Weil an der Börse - egal ob als Trader oder Investor - die Psychologie mindestens 50% des Erfolges ausmacht, ich sage aus mehr als 30 Jahren Erfahrung sogar: zwei Drittel!

All das worüber sich gerne der Kopf zerbrochen wird - diverse Techniken, Taktiken, Meinungen, Makrolage, Marktmechanik etc - sind zwar nicht unwichtig und man sollte schon sein Handwerkszeug beherrschen, sind aber *nicht* der Kern der Herausforderung, die so viele am Markt scheitern lässt.

Denn es gibt viele Wege nach Rom im Sinne des Börsenerfolges, keiner funktioniert aber ohne Auseinandersetzung mit der eigenen Psychologie!

Dieser beständige Herausforderung wird von uns bei Mr. Market auch spöttisch-liebevoll unser "Affenhirn" genannt. Eine Ansammlung von Verhaltensweisen, die in zehntausenden Jahren Menschheitsgeschichte für das Überleben in einer feindlichen Natur optimiert wurden, aber nicht für das Agieren in selbstreferentiellen Systemen wie dem Aktienmarkt geeignet sind. Die Sorgen von "Affen" in der Savanne endeten auch beim Überleben, den Raubtieren, den Bananen und dem Rang in der sozialen Hackordnung des Stammes. Die Wallstreet war von ihnen so weit weg, wie eine Kuh von der Mondfahrt.

Was das mit der Positionsgröße zu tun hat, kann ich ihnen an einem einfachen Beispiel zeigen.

Viele träumen doch davon, so eine Superaktie wie beispielsweise Apple frühzeitig zu finden und damit reich zu werden. Manchmal ist das ja theoretisch auch gar nicht so schwer, am 09. Januar 2007 hat Steve Jobs zum Beispiel das iPhone auf der Macworld San Francisco vorgestellt. Und es waren gar nicht wenige, die das revolutionäre Potential damals sofort erkannt haben und die Aktie sofort hätten kaufen und einfach halten können.

Ich habe damals übrigens als Nokia Nutzer nicht sofort dazu gehört und habe etwas gebraucht, dafür habe ich bei Tesla das Potential vor dem großen ersten Schub sofort erkannt und auch investiert. Das ist kein Spruch, sondern hier im Blog vor nun fast 12 Jahren dokumentiert und nachzulesen. Seitdem hat sich Tesla um ca. 20.000% verteuert, theoretisch Faktor 200 auf das Einstiegskapital. Sehr nett:
-> Tesla Motors – die Zukunft des Automobils in einer der spannendsten Aktien der Welt <-

Aber zurück zu Apple, nehmen wir an, sie haben da im Januar 2007 gekauft und gehalten, dann sind sie rückgerechnet mit ca. 3 USD eingestiegen und haben heute einen Kurs von 170 USD oder 5.700% Gewinn, Faktor 57 auf das Einstiegskapital. Nehmen wir weiter an, sie waren klug und haben damals 10.000$ auf Steve Jobs gesetzt, dann sind das heute 570.000$ - sehr nett. 😛

Hier das Chart in linearer Skalierung, um den Effekt im Depot deutlich zu machen:

Jetzt kommt aber das Problem der Positionsgröße. Das ist ja eine schöne Rechnung die runtergeht wie Öl, sie können das aber in Realität gar nicht so einfach mitgehen, weil die Position bei ihnen im Depot viel zu groß geworden ist, um noch ruhig schlafen zu können!

Nehmen wir mal Covid, da ist der Kurs von AAPL von 81.96$ innerhalb von wenigen Wochen auf 53.15$ heruntergekommen. Klar, das gehört dazu, damit muss man umgehen können, auch *Risikomanagement* genannt.

Real wären aber in ihrem Depot aus 273.000$ mal eben 177.000$ geworden, ein "Verlust" von fast 100.000$ alleine in dieser Aktie in wenigen Wochen!

Hätten sie das ertragen? Wären sie sich so sicher in ihrem Vertrauen in AAPL gewesen? Wirklich? Ich behaupte mal bei privaten Anlegern zu 98% nein, das ist die schlichte Realität.

Hätten sie aber 2007 nur 1.000$ in Steve Jobs investiert, wäre das im März 2020 ein Verlust von 27.300$ auf 17.700$ gewesen. Unschön ja, auszuhalten schon viel eher!

Und hätte sie nur 100$ in Steve Jobs investiert, wären sie ziemlich sicher die ganze Zeit drin geblieben - warum auch nicht, was gibt es da schon zu verlieren. 😛

Sie sehen meinen Punkt?

Es ist die gleiche Aktie, sie sind der gleiche Mensch, alles ist gleich und trotzdem schaffen sie es nur in einem, bestenfalls zwei der obigen Fälle die ganze Bewegung mitzugehen!

Und was ist der *einzige* Unterschied? Die Positionsgröße! Denn unsere Psychologie ist zu mehr als 50% der Erfolgsfaktor am Aktienmarkt, unser "geliebtes" Affenhirn!

Jetzt will ich damit nicht sagen, dass man nicht lernen kann, auch mit großen Positionen umzugehen, die durchaus Schweißausbrüche verursachen können. Im Gegenteil, sie müssen das sogar lernen, wenn sie wirklich große Erfolge haben wollen und das geht eben nur mit einem *exzellenten Risikomanagement*, das dann wie Korsettstangen ihre wackelige Seele zusammenhält.

Und ich will das Thema Positionsgröße auch nicht auf die reine Frage der ertragbaren Größe reduzieren, ich will aber hier vermitteln, wie *zentral* das Konzept der Positionsgröße für unseren Anlageerfolg ist!

Denn wir sind Menschen. Die Zahl im Depot bedeutet uns etwas und mit ihr sind auch Risiken verbunden, deren wir uns voll bewusst sind. Und weil sie uns etwas bedeutet, wird die Bedeutung irgendwann zur Last und man kann *nicht* mehr so locker und flockig eine Position halten. Und genau dann, wenn man emotional angefasst ist, macht man (teure) Fehler.

Deshalb ist auch klar, warum "Paper-Trading" oder "Börsen-Spiele" kompletter Humbug sind, denn wenn es dann wirklich um etwas geht, treiben uns unsere Reflexe in ganz andere Verhaltensweisen, als beim Börsenspiel. Theorie und Praxis eben, ein himmelweiter Unterschied, wenn unsere Reflexe und Emotionen ins Spiel kommen.

Die Positionsgrößen haben dabei auch noch ganz andere Aspekte als die reine Frage der Höhe. Anfänger im Aktienmarkt gehen an Einzelaktien auch immer in einem Schwarz/Weiß Sinne heran, also entweder sind sie drin oder draußen.

Das führt dann zu diesen unguten Rein-Raus Grüblereien, wenn man eine Aktie im Depot hat, die eigentlich aussichtreich ist, sich aber mal in einer längeren Schwächephase befindet. Man sieht die Schwächephase, will aber auch nicht raus, weil eigentlich ist die Aktie ja "gut". Dann schwankt der Anfänger emotional hin und her, bevor er dann garantiert im falschen Moment der höchsten Anspannung das Falsche macht.

Wie geht es viel besser? Na ganz einfach, wer hat denn gesagt, dass man immer ganz rein oder raus muss? Fangen wir doch mal mit zwei Stufen an und warum halbieren sie die Position einer Aktie in so einem Moment nicht einfach? Man nennt das auch *Teilgewinnmitnahme*, faktisch ist es eine Halbierung der Positionsgröße, die oft eine segensreiche Wirkung auf unsere Seelenruhe hat.

Denn damit machen sie ihren ängstlichen Affen glücklich, der Sorge hat alle Gewinne wieder zu verlieren. Und sie machen den ängstlichen Affen ebenso glücklich, der aber weiter investiert sein will und die Aktie nicht ganz aufgeben will. Versuchen sie es mal, wenn sie es nicht schon getan haben!

Und wenn sie sich weiterentwickeln und professioneller werden, können sie die Positionsgrößen auch auf 3 oder sogar 5 ausdehnen, ich agiere bei meinen großen Investmentaktien tatsächlich mit 5 Stufen (Positionsgrößen), zwischen denen eine Position fluktuiert. Und wenn man - um im obigen Beispiel zu bleiben - eine Apple im März 2020 schnell in der Positionsgröße reduziert und später wieder aufbaut, lässt sich auch viel einfacher "dabeibleiben", das hält "der Affe" dann aus.

Aber auch für Trader ist das wichtig, Stichworte wie pyramidisieren oder in eine Position hinein zu schleichen, erlangen dann Bedeutung. Man testet dann einen Trade mit einem Zeh im Wasser an und erhöht erst, wenn er zu laufen beginnt - auch das ist ein aktives Management der Positionsgröße!

So weit für den Anfang, es ist nur ein *Teaser* zu einem umfangreichen und wichtigen Thema.

Ich hoffe aber ich konnte klarmachen, dass die Positionsgröße ein absolut zentrales Element jeglichen Börsenhandels ist und wenn sie da bisher nicht darüber nachgedacht haben, stehen sie eher noch am Anfang ihres Börsenwissens. Damit will ich sie nicht ärgern, nur bei einer realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten helfen.

Die theoretisch ideale Positionsgröße ist *so groß*, dass ein erfolgreiches Engagement einen signifikanten Impakt im Depot hinterlässt - ohne ein wenig Schwitzen geht das einfach nicht. Sie ist aber auch *so klein*, dass man seine Ängste noch im Griff behalten und einen normalen Drawdown durchstehen kann, ohne gleich einem Herzkasper zu erliegen oder in einen Ehestreit zu geraten. 😛

Für uns bedeutet das, dass eine unserer zentralen Aufgaben ist und bleibt, für uns selber eine Strategie zu entwickeln, mit der wir uns wohl fühlen und in der diese Ängste im Griff bleiben. Sobald wir uns über den Punkt hinaus exponieren, den unsere ängstliche Affenseele noch ertragen kann, werden wir uns mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Knie schiessen!

Und da jeder eine andere Psychologie hat und die Art der Ängste auch immer individuell ist, kann auch Ihre ideale Strategie immer nur individuell sein. Die "universelle Strategie" die man einfach nachhandelt, gibt es eben nicht!

Unser Ziel muss es aber auch sein, diese Bandbreite die wir gelassen und rational ertragen können immer weiter auszudehnen. Und das geht nur mit Erfahrung und Übung, also den ins Blut übergehenden Techniken, mit denen anderen Menschen auch Leistungen erbringen können, die Anfängern verwehrt sind.

Denn wie glauben sie wohl, schaffen es Kletterer in der Wand ruhig zu bleiben und Bombenspezialisten bei der Entschärfung einer Bombe? Nur mit Übung, Routine, Disziplin und eingefahrenen Techniken, mit denen der "Affe" in uns beruhigt werden kann. Das kann man lernen, man muss aber erst einmal begreifen, dass man da überhaupt etwas zu lernen hat!

An dieser Stelle möchte ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, diesen psychologischen Faktor auch zu berücksichtigen, wenn Sie sich "da draussen" andere mediale Trading-Dienste oder Börsenkommentare anschauen, insbesondere solche für die Sie Geld zahlen sollen. Denn wer alleine auf technischen Methoden herum reitet und die psychologischen Aspekte dabei völlig ausblendet und dazu kein Wort findet, unterschlägt einen alles entscheidenden Faktor und zeigt damit Inkompetenz, nicht Kompetenz.

Jeder - wirklich jeder, der tradet oder investiert - muss sich diesen eigenen Geistern stellen. Jeder! Und wer wirklich lange mit relevantem Geld im Markt unterwegs war, weiss das auch. Lassen Sie sich nichts anderes einreden. Sie sind also nicht allein mit ihren Schwierigkeiten!

Amen!

Wenn sie dazu Hilfe suchen und Kontakt zu anderen Anlegerseelen, die sich auch dieser schwierigen, aber auch spannenden und lohnenden Reise stellen, dann wissen sie wo sie uns finden. Jeden lieben Tag mit Kommentaren, Erfahrungen und Diskussionen.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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