Warum der Markt immer Recht hat und Nvidia das belegt

Oh Gott ein "Marktradikaler". 😉

Ich sehe mit einem Schmunzeln schon die Reaktionen so mancher Leser im freien Bereich, denn es ist doch offensichtlich, dass der Markt *nicht* immer Recht hat, oder?

Sie werden erstaunt sein: das stimmt, der Markt hat *nicht* immer Recht. Wie kann dieser manisch-depressive Charakter denn auch "immer Recht haben"?

Und trotzdem oder gerade deswegen hat diese provokante Formulierung Bedeutung, weil sie zum Nachdenken anregt, was "Recht haben" am Markt wirklich bedeutet.

Und wenn man das wirklich verstanden hat, dann macht der Satz plötzlich Sinn und man hat Spaß daran, ihn zu wiederholen, um andere zu provozieren und zum Nachdenken anzuregen. Denn in dem Satz steckt immens viel Wahrheit und wer die noch nicht sehen kann zeigt damit, dass sie/er noch viel zu lernen hat. 😉

Das will ich ihnen nun erklären und auch gleich an zwei aktuellen Beispielen erlebbar machen, an Nvidia (NVDA) und SuperMicro (SMCI).

Denn das Problem liegt im Begriff "Recht haben" und genau dann, wenn man ihn zu oberflächlich betrachtet und noch dazu noch mit eigenen Erwartungen vermischt.

Was ist denn der "richtige" Kurs für ein Asset? Sie werden (hoffentlich) schnell bemerken, dass es doch gar keinen objektiven Maßstab für den Wert eines Assets gibt. Wer soll diesen Wert denn auch definieren? Sie mit ihren Erwartungen? "Gurus" mit ihren Meinungen? Ich?

Was wir instinktiv und unbewusst mit dem Wort "richtig" meinen, sind unsere Erwartungen und dass diese in Zukunft eintreffen. Nur welche Zukunft sagen wir nicht, weil in einem Tag und einem Jahr ist ein großer Unterschied! Unpräziser und schwammiger, als wir uns instinktiv "richtig" vorstellen, geht es kaum.

Wir halten also den Wert/Kurs für "richtig", den wir uns einbilden, dass das Asset ihn haben sollte. Und sagen dabei nicht einmal, *wann* das sein soll. Nur ist das objektiv? Wohl kaum!

Es gibt nur *einen* objektiven Maßstab für den Wert eines Assets und das ist der Preis, den man dafür real bezahlt oder bekommen hat! Nur dieser Preis ist objektiv und daher in dem Moment auch "richtig".

Wobei das Wort "richtig" halt bewusst missverständlich ist und eine kognitive Dissonanz erzeugt, weil das Wort impliziert, dass es einen objektiven Maßstab für den Wert geben würde, an dem man "richtig" oder "falsch" festmachen könnte wie 2+2=4.

Das Lustige (oder Perfide) an der Formulierung ist ja gerade, dass sie klarmachen soll, dass es keinen anderen Maßstab als den real gezahlten Preis gibt und insofern ist dieser relativ noch "das Objektivste" oder "das Richtigste", was wir haben.

In Zukunft kann sich der Preis verändern, weil zum Beispiel neue Nachrichten für eine andere Bewertung des Assets sorgen, oder neue Käufer in den Markt kommen, aber zu einem Zeitpunkt X, gibt es keinen anderen Maßstab für „richtig“, als den Kurs!

Es ist dabei auch wichtig zu erkennen, dass ein Preis (und damit Wert) eines Assets immer nur eine Momentaufnahme ist, schon einen Tag später kann sich der Wert wesentlich verändert haben. Ein "objektiver Wert" ohne einen Zeitstempel, ist daher schon in sich grober Unfug!

Das gilt für alle Assets, auch beispielsweise für ihre Immobilie. Wenn morgen erst die Nachricht von einer neuen Umgehungsstraße bekannt würde, würde ihre Immobilie morgen einen anderen Wert als heute haben. Je nachdem wie die Umgehungsstraße zu werten ist einen Höheren - wenn Verkehr bei ihnen verschwindet - oder einen Niedrigeren - wenn sie eine hässliche Lärmschutzwand an den Rand des Gartens bekommen.

Wie viel genau ihre Immobilie dann aber wert ist, kann ihnen niemand objektiv sagen. Gutachter können eine Annäherung versuchen, das ist aber auch nur eine Meinung oder Erwartung, *real* wird der Wert erst, wenn sie einen Käufer dafür finden und der Kaufpreis überwiesen wird. Das ist dann der Marktpreis und der hat "immer Recht", weil es nichts und niemanden gibt, das objektiver wäre.

An der Stelle hakt es dann immer, weil gleichzeitig wissen sie doch auch, wie oft ich mich schon über die -> Effizienzmarkthypothese <- lustig gemacht habe und wie falsch sie in Realität ist. Nein, der Markt ist *nicht* immer effizient, er kennt Stimmungen, Moden, er übertreibt, er übersieht und ähnelt eher einem manisch-depressiven Charakter mit starken Stimmungsschwankungen, "Mr. Market" eben.

Der Satz dass der Markt "immer Recht" hat, stellt diese Schwankungen und Unsicherheiten auch nicht in Abrede, er versucht nur klarzumachen, dass es keinen anderen, objektiveren Maßstab für den Wert eines Assets gibt, als den Preis der real gezahlt wird. Und dieser Preis ist in dem Moment immer "richtig", weil er real gezahlt wurde.

Man könnte auch anders sagen und der Satz ist eigentlich präziser: Der Preis ist der ultimative Richter.

Das ist keine Kleinigkeit das zu akzeptieren, das ist ein erheblicher Schritt der Erkenntnis, denn auf dieser Erkenntnis fussen dann auch zum Beispiel die Regeln der Trendfolge, man akzeptiert die Kurse, statt sie zu bekämpfen, weil man sich für vermeintlich klüger hält.

Die Demut nicht automatisch klüger als der Markt zu sein, ist der Default, die Grundannahme, von der alles ausgeht. Und das zu akzeptieren, ist ein immens wichtiger Schritt! Denn unser Ego flüstert uns permanent ein, wie klug wir seien und dass der Markt dieses oder jenes "müsste".

Der Markt muss aber gar nichts und denkt auch nicht so monokausal wie wir!

Wenn, wir das akzeptiert haben, können wir uns darauf aufbauend in das Spiel des Markttimings begeben, denn wir kaufen dann ja Assets in der *Erwartung*, dass sie in Zukunft höhere Kurse haben und benützen dafür alle möglichen Techniken, die hier im Blog auch immer wieder Thema sind.

Und ja, in Ausnahmefällen kann man auch mal "klüger" als der Markt sein im Sinne, dass man sieht, dass der Markt einen Faktor nicht ausreichend würdigt, zu pessimistisch/optimistisch ist oder was auch immer.

Das ist durchaus möglich, das ist der sogenannte "Edge", aber der kommt nicht leicht, weil der Markt die Summe der Intelligenz aller Marktteilnehmer ist und immer viel mehr sehen kann, als wir Individuen.

Trotzdem kann man so einen Edge erlangen und etwas "besser wissen" und erfolgreich sein Geld darauf setzen. Aber es ist nicht leicht und das systematisch zu schaffen, sogar sehr schwer.

Der Satz, dass der Markt immer Recht hat und der Preis der ultimative Richter ist, erinnert uns also an die *Demut*, die wir unbedingt dem Markt gegenüber an den Tag legen müssen.

Und diese Demut will ich ihnen nun am Fall Nvidia (NVDA) und SuperMicro (SMCI) zeigen.

Denn schauen sie mal, wie sensationell NVDA seit Oktober 2022 gelaufen ist, ich habe bewusst eine lineare Skalierung im Chart gewählt um erlebbar zu machen, was das im Depot bedeutet hat:

Und wenn sie ehrlich sind und sich erinnern, dann wurde da letztes Frühjahr von den üblichen "Besserwissern" endlos darüber gebrabbelt, wie "überbewertet" NVDA denn wäre. Weil das war ja auch so "logisch" und "naheliegend".

Was aber jeder sehen kann, hat am Markt keine Relevanz mehr, weil dieser ein selbstreferentielles, soziales System ist. Ich dagegen habe ihnen im freien Bereich im Mai 2023 den folgenden Artikel geschrieben, den ernst zu nehmen, ihnen weit mehr geholfen hätte, als die fundamentale Kontrollillusion:

-> Der neue Tech-Bullenmarkt und was wir von den 90er Jahren lernen können <-

Schauen sie da mal herein, was ich da im Mai 2023 konkret zu NVDA gesagt habe!

Es ist kein Wunder, dass fundamentale Logiken zur Bewertung bei so einem Thema nicht nur völlig wertlos, sondern sogar schädlich sind. Das liegt daran, dass fundamentale Kennziffern immer die Vergangenheit betrachten, der Markt aber in die Zukunft zu schauen versucht. Dabei irrt er sich auch manchmal und muss Annahmen revidieren, liegt aber überwiegend eben richtig!

Denn heute lesen wir plötzlich Artikel wie diesen hier:

-> Wettrüsten mit OpenAI: Zuckerberg will 350.000 Nvidia H100-GPUs für die AGI-Entwicklung <-

350.000 Grafikkarten von Nvidia, von denen jede einzelne rund 30.000 USD kosten soll. Und das nur als Auftrag von einem Unternehmen. Wahnsinn!

Das muss man erst einmal sacken lassen. Na, hätten sie das im Frühjahr 2023 gewusst, wäre ihnen die hohe Bewertung von NVDA plötzlich viel realistischer vorgekommen, oder? Eben!

Genau das ist der Punkt, mit an der Vergangenheit orientierten Kennziffern kann man so etwas *nie* erkennen, völlig chancenlos! Der Markt hat es aber letztes Frühjahr schon gespielt, weil in den Kurs einer Nvidia ganz viel Intelligenz vieler Marktteilnehmer einfliesst und der Markt in der Regel mehr weiss als wir!

Wenn also der Markt nicht macht was wir erwarten, erklären Anfänger oder Hoffnungslose den Markt für "dumm" und glauben es besser zu wissen. Ein Pro und Erfolgreicher aber, geht erst einmal davon aus, dass er selber etwas übersieht und nimmt die Diskrepanz zum Anlaß danach zu suchen, was ihm an Wissen fehlt.

Dieser Unterschied ist fundamental, dieser Unterschied trennt Verlierer von Gewinnern und dieses Prinzip will der Satz vermitteln, dass der Markt immer Recht hat, auch wenn das im engen Sinne falsch ist.

Am Beispiel Super Micro Computer (SMCI) kann ich ihnen das auch aufzeigen. Denn da habe ich selbst ein paar Monate gebraucht, bis ich verstanden habe, was ich übersehen habe.

SMCI war mir lange als "Kistenschieber" bekannt, die hatten halt Gehäuse für Server - ganz nett, aber auch nicht spannend.

Dann begann die Aktie mit NVDA im Mai letzten Jahres zu laufen und wenn man nicht verstanden hat, worum es hier geht und auf Bewertungen geschaut hätte, hätte man die Bewegung lange unterschätzt.

Nun sieht das so aus, bewusst auch in linearer Darstellung:

Auch hier wäre es im Mai und Juni letzten Jahres richtig gewesen, von der eigenen Unwissenheit auszugehen und sich zu fragen, was der Markt hier zu sehen glaubt. Und der Zusammenhang zu der Infrastruktur für die oben genannten Massen an Grafikkarten und AI-Server, wäre aufgefallen.

Der Markt hatte also auch bei NVDA und SMCI "recht" im Sinne, dass er die Lage *besser* eingeschätzt hat als Individuen, die die Aktien mit Vergangenheitsdaten bewerten wollten. Denn es gibt keine objektivere Bewertung als den Preis, der real gezahlt wird!

Der Markt ist also nicht effizient, er ist aber effizienter gegenüber früher geworden. Und der Markt hat im engen Sinne von Perfektion nicht immer Recht, er übertreibt und unterschätzt und doch haben wir keinen besseren, objektiveren Maßstab, als den Preis!

Wir tun also gut daran den *Default* zu akzeptieren, dass wir nicht klüger als der Markt sind. Abweichungen davon bedürfen einer substantiellen Begründung und nicht nur des allgemeinen "Meinens".

Und den Beweis oder Gegenbeweis ob man wirklich "klüger" war, wird auch wieder nur eine einzige Instanz führen: Der Markt mit seinen Preisen.

Amen. 😀

Ihr Michael Schulte (Hari)

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