In aller gebotenen Deutlichkeit

Die Rally läuft mit Macht und wieder stehen Anleger an der Seite, sind im falschen Moment ausgestiegen und schauen nun dem fahrenden Zug hinterher. Es ist immer das Gleiche, weil sich die menschliche Natur nicht ändert.

Ich stelle daher heute ausnahmsweise mal die erste, allgemeine Hälfte des aktuellen Wochenausblicks KW48 für die Mitglieder auch in den freien Bereich ein. Denn das Geschehen an den Märkten ist wieder perfekt, um die zentralen Fehler vieler Anleger herauszuarbeiten.

Ich bin dabei stellenweise recht deutlich, weil wenn man Menschen etwas beibringen will, muss man auch mal die Tonlage erhöhen und die Dinge nicht schönreden.

Einigen wird es nicht gefallen, schon alleine weil das Ego nicht zulassen kann, das man völlig falsch an die Sache herangeht. Das ist dann halt so, dazu kann ich nur die Schultern zucken, ich habe es zumindest versucht.

Aber Anderen kann man dann doch etwas mitgeben und diese gedanklich in Bewegung setzen, die eigenen Denkstrukturen zu verändern und sich bessere Quellen zu suchen. Und dann war es den Aufwand wert, dafür mache ich es!

Während ich für die Mitglieder täglich und detailliert den Markt und konkrete Chancen und Risiken kommentiere, kommentiere ich die Marktlage im freien Bereich nur sehr selten und wenn dann nur sehr oberflächlich, weil es aufgrund des fehlenden Kontextes und teilweise falscher Denkstrukturen, nicht ohne Weiteres richtig verstanden wird.

Aber selbst im freien Bereich habe ich mich dieses Jahr im Mai zum NASDAQ100 geäussert und eine Projektion zum Jahresende erstellt und im August den typischen, weiteren Verlauf des S&P500 gezeigt.

-> Der neue Tech-Bullenmarkt und was wir von den 90er Jahren lernen können <-

-> Volatiler Börsenherbst <-

Lesen sie also nun die erste Hälfte dessen, was ich gestern den Mitgliedern geschrieben habe. Bedenken sie bitte auch, dass das ein *Wochenausblick* ist und kein Jahresausblick und auch keine fundamentale Erörterung von Geschäftsmodellen. Es geht hier ausschließlich um unser taktisches Verhalten in den kommenden Wochen bis zum Jahresende, nicht mehr aber auch nicht weniger. Know your timeframe!

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Dieser Wochenausblick - es folgen danach nur noch drei zum Jahresende - könnte so kurz werden, wie noch kein Wochenausblick dieses Jahr. Warum soll ich auch viel Text produzieren, wenn alles klar zu sein scheint und x-fach besprochen wurde? Und der Wochenausblick kann auch schon am Samstag Abend erscheinen.

Kurz wird er trotzdem nicht. Denn ich dehne die ersten vier Punkte etwas aus, weil ich diesen allgemeinen Teil morgen leicht verändert auch in den freien Bereich stellen werde. Und da fehlt ja oft der Kontext und es geistern allerlei Fehlkonzeptionen herum. Wundern sie sich also nicht, wenn ich thematisiere, was ihnen nun schon lange sonnenklar ist!

Es gilt zur aktuellen Lage einfach vier klare Aussagen zu machen, die sie nun wahrlich nicht überraschen dürften, weil wir das täglich und x-fach besprochen haben:

Erstens, die Jahresendrally läuft natürlich, mittlerweile dürften es auch die Ängstlichen und Permabären gemerkt haben, die jetzt mal wieder nur den Rücklichtern nachschauen können. Bei uns wurde dagegen ja am 02.11. zum Einstieg geklingelt - -> Klingeling! <-

Wobei der Begriff "Jahresendrally" in der originalen, engen Form sich nur auf die Tage nach Weihnachten bis in den Jahresanfang hinein bezieht. Es hat sich aber mehr und mehr eingebürgert, auch die generelle Stärke - die typischerweise im Oktober bzw Anfang November einsetzt und dann auch bis ins neue Jahr anhält - so zu nennen.

-> Hier <- die beiden abgelaufenen Wochen, klarer geht es nicht und nichts daran war überraschend für uns:

So sieht ein Bulle aus, bei dem niemand mehr verkaufen will. Und dass es bullisches Marktverhalten ist, zeigen auch die neuen Jahreshochs im NASDAQ100. Ich habe die Projektion von letzter Woche unverändert im Chart gelassen, dazu dann bei "Drittens":

Das ganz Relativieren im Sinne "nur wenige Bluechips" nützt den Anlegern herzlich wenig, es ist eher mediale Selbstdarstellung, um den Schmerz zu dämpfen, zu bärisch gewesen zu sein. Denn welchen Wert hat es denn zu wissen, dass hunderte und tausende Aktien nicht vom Fleck kommen?

Keinen. Erstens ist das schon immer so gewesen, es ist seit Generationen immer nur eine Minderheit der Aktien, in der die Gewinne auflaufen. Zweitens, welcher "Idiot" kauft denn solche Aktien auch, die nicht vom Fleck kommen? Das ist das klassische, naive Verhalten des "Affen in uns", der sich für klüger als der Markt hält und ernsthaft glaubt, dass das was "billig" aussieht, dann ein "Schnäppchen" sei. Im Laden um die Ecke funktioniert das durchaus, am Markt ist es genau anders herum, was keine Käufer findet und daher "billig" ist, hat dafür einen verdammt guten Grund!

Wenn man aber konsequent *Stärke* kauft, was ich ja immer predige, ist man so oder so zuverlässig in den Werten, die die Indizes treiben, was immer das dann konkret ist. Und der Rest muss einen nicht interessieren. So geht das, nicht mit "Klugschnacken" darüber, dass das ja "in Wirklichkeit" noch ein Bärenmarkt sei - denn in die Aktien im "Bärenmarkt" investiert der kluge Anleger einfach nicht, sondern er folgt der Stärke.

Abgesehen davon, ist die Marktbreite in der Rally durchaus in Ordnung, -> hier <- die Market Map des letzten Monats, grob also seit die Rally nach der FED am 01.11.23 startete. Manche scheinen in einem Paralleluniversum zu leben:

Und wenn Anleger dann trotzdem zuverlässig immer die "Gurken" im Depot haben, schaut einen das Problem im Spiegel an, es hat mit dem Markt nichts zu tun. Es ist die Folge der Hybris sich für klüger zu halten und "billig" kaufen zu wollen, die in so einem Markt für eine zuverlässige Selektion der falschen Aktien sorgt.

Dieses Problem hat auch mit einem naiven und unsinnigen Verständnis von "Value" zu tun, der Technik mit der Buffett und Munger erfolgreich waren, als es vor Jahrzehnten noch einen Informations-Edge im Sinne Graham zu erarbeiten gab. Mittlerweile sagt ja der kluge Munger selbst, dass das heute nicht mehr so funktionieren kann wie zu Grahams Zeiten. Was aber Abertausende nicht davon abhält, sich weiter auf der unsinnigen Suche nach "unterbewerteten Schnäppchen" selbst zu schaden. Apple ist jetzt die größte Position bei Berkshire und nun frage ich: Wann und was haben Buffett und Munger da gekauft? Stärke, keine Gurke! Stärke zu einem 2016 schon weit fortgeschrittenen Zeitpunkt, auf schon hohen Kursen, 8 Jahre *nach* Einführung des iPhones!

Passend zum Thema hier die Anzahl der S&P500-Aktien über der 50-Tage-Linie. Noch nicht perfekt, aber die Rally ist ja auch noch nicht vorbei und mit 76% ist der Wert auch nicht schlecht:

Das mediale Gerede von den "nur 7 Aktien", das dann mit Tricks über die Marktkapitalisierung besonders dramatisch dargestellt wird, kann man dabei getrost auf die Liste der schlimmsten Anleger-Täuschungen des Jahres 2023 setzen. Es hat vielen Anlegern sehr geschadet, genau in dem Moment, wo sie offensiv hätten werden müssen - entsprechend deutlich war ich in dieser Phase ja in meinen Kommentaren.

Auch der S&P500 hat nun klar bullische Price-Action. Hier haben wir noch kein Jahreshoch, aber das kann noch kommen. Auch hier habe ich die Projektion von letzter Woche im Chart gelassen, die versucht einen möglichen Verlauf zum Jahresende zu visualisieren.

So "einfach" ist das derzeit, das ist bullische Price-Action mit Ansage. Schwierig ist für viele, es in den Momenten auch zu tun, wenn der Markt faktisch zum Einstieg klingelt. Und ob man das nun nach irgendwelchen willkürlichen, statischen Definitionen einen "Bullen-" oder "Bärenmarkt" nennt - who cares? Für das worauf es ankommt, ist diese Diskussion nur Zeitvergeudung und Selbstbeschäftigung.

Zweitens, gibt es Stand heute *keinen* belastbaren Faktor der nahelegt, dass diese Rally vor dem Jahreswechsel enden muss. Keinen! Natürlich, kann jederzeit ein neuer Faktor kommen, den wir jetzt noch nicht kennen. Das ist das generelle Restrisiko eines Marktes , in dem es nie absolute Sicherheit gibt. Wir haben nun vielleicht eine 80-20 Chance, dass sich die Stärke zum Jahresende fortsetzt, mehr bekommt man am Markt an "Sicherheit" nicht. Aber 20% sind immer noch jedes fünfte Mal und können fraglos eintreffen, wie 2018.

Auch das ist so eine wichtige Grundregel, die viele erst mühsam lernen müssen: Wir handeln nicht aufgrund dessen, was wir vermuten, "meinen" oder befürchten, wir handeln aufgrund dessen, was vor unserer Nase *ist*!

Vom immer vorhandenen Restrisiko überraschender Nachrichten abgesehen, spricht viel dafür, dass das was nun stark ist, auch bis zum Jahresende weiter stark sein wird. So einfach. Und Nein, es gibt weiter keinen Grund nun eine zurückgebliebene Gurke zu kaufen, im Irrglauben dass die zum Jahresende besser läuft, weil sie mehr aufzuholen hat. So funktioniert das nicht, kaufen sie Stärke und gut ist es!

Erst mit dem Jahreswechsel werden diese Karten dann typischerweise wieder neu gemischt und es kann stellenweise eine Art "Reset" bei den Favoriten geben. Aber über diese Brücke gehen wir dann, wenn sie vor uns liegt.

Drittens, treten wir bei allem Optimismus zum Jahresende in den beiden kommenden Wochen KW48 und KW49 in eine Phase ein, in der diese Rally durchaus auch mal Schwäche zeigen könnte und auch so ein einzelner "Shake-Out-Tag" mit 2% Minus im Index möglich ist, der dann die unsicheren Kantonisten abwirft, bevor auch dieser Dip gekauft wird und der Markt zum Jahresende wieder Stärke findet. Ich habe diesen "Shake-Out-Tag" ja schon letzte Woche erklärt.

Das ist keine Prognose, das ist einfach Erfahrung, so kommt es eben Anfang Dezember oft. Und dazu passt ja auch die Tatsache, dass der Markt nun kurzfristig überhitzt und überkauft ist, leicht an dem pausenlosen Anstieg oben zu sehen.

Also, rechnen wir mit ein wenig "Gerumpel" in den beiden kommenden Wochen und auch mal einem richten Minustag, lassen uns davon aber nicht vorschnell ins Bockshorn jagen. Die Projektionen oben versuchen zu visualisieren, wie das vielleicht aussehen könnte.

Viertens, ist es auch jetzt noch unsinnig, über 2024 Prognosen abzugeben. Ich habe persönlich da noch kein wirklich belastbares Modell.

In mir ist zwar eine leichte Skepsis, ob dieser Bulle den wir gerade erleben, sehr lange andauern wird und wirklich durch 2024 trägt. Diese Skepsis ist aber so oberflächlich und sie dürfte aktuell von so vielen geteilt werden, dass sie *keine* Relevanz für aktuelle Timing-Entscheidungen hat!

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den ich ihnen ja auch immer wieder einzuhämmern versuche. Konzentrieren sie sich auf das Geschehen auf dem Platz! Und da wird gerade das Spiel "Jahresendrally" gespielt! Die Zukunft kommt noch früh genug!

Und so wie das 2023 und in allen Jahren davor geklappt hat, werden wir auch für 2024 rechtzeitig ein sinnvolles Modell entwickeln, das dann nicht auf Herumraten beruht, sondern echtem Marktverhalten!

Ich erinnere an meinen "Base Case", den ich ihnen seit dem Frühjahr immer wieder gezeigt habe und dessen prinzipieller Verlauf - Rally bis zum Sommer, Schwäche im Q3, Jahresendrally im Q4 - auch genau so eingetreten ist.

Auch 2024 wird uns der Markt selbst den Weg weisen, wir werden ein paar Überraschungen haben und unsere Erwartungen schnell anpassen müssen, ansonsten aber den Jahresverlauf ganz gut treffen.

Und das gelingt uns eben, weil wir dem Markt "folgen" und nicht versuchen uns mit Prognosen zu spreizen und unser Ego zu pflegen. *Et kütt wie et kütt* und solange man die Augen auf hat und das Spiel auf dem Platz ohne Bias betrachtet und schnell darauf reagiert, sind die Phasen in denen der Markt einen ärgert, auch nur kurz.

Schwierig wird es nur dann, wenn man den Markt bekämpft, weil man sich für klüger hält. So wie es leider eine große Zahl der Anleger macht, angetrieben und getriggert von allerlei inkompetenter Wichtigtuerei in den Medien und auch bei "Fintwit" und Co.

Auch jetzt passiert das ja wieder viel zu oft. Viele die bei der Rally zu lange gezögert haben auf die Schalmeienklänge der medialen Fundamentalbären gehört haben, werden sich das jetzt schönreden im Sinne "ist ja nicht schlimm" oder "kommt wieder runter". Wenn die Kurse dann weiter steigen, werden diese Leute irgendwann weich, natürlich genau dann, wenn die Kurse wirklich nahe des Tops sind. 😛 Dieser reflexive Mechanismus ist einerseits lustig und andererseits traurig zu beobachten, weil er immer wie ein Uhrwerk abläuft und es tatsächlich Anleger gibt, die diesen Fehler ohne Pause jedes Jahr wieder machen. Schuld ist der "Affe in uns", den wir unbedingt in den Griff bekommen müssen! Denn erneut, unser Umgang mit Risiken ist für das Überleben in der Savanne und nicht für einen reflexiven Markt gemacht!

Und besonders schwierig ist es für Menschen, die ein Problem mit der Impulskontrolle haben. Die wissen dann rein rational zwar schon, was theoretisch zu tun wäre, sie können es aber nicht konsequent und diszipliniert umsetzen! Sobald ein Trigger von irgendwo kommt, typischerweise mit Angst korrelierend, müssen sie dem Impuls folgen. Und dummerweise zielen die Medien ja gerade auf den Trigger, weil sie so Klicks bekommen. Ich weiß, das ist hart sich selbst da zu erkennen, aber solange diese Menschen das nicht in den Griff bekommen, sind sie dazu verdammt, immer wieder am Markt zu scheitern. Und ob sie es dann mit Aktien, ETFs oder was auch immer versuchen, macht keinen Unterschied, weil das Problem in ihnen selbst liegt.

Das sind so typische "Anlegerkarrieren", die alles mal ausprobiert haben, nichts je konsequent gemacht haben, aber trotzdem vom Thema nicht lassen können. Ich würde denen ja wirklich gerne helfen, dafür bräuchte man aber manchmal im übertragenen Sinne einen "Holzhammer" und das ganze mediale System - Fintwit mit seinen Halbwahrheiten inklusive - arbeitet permanent dagegen. Es besteht nämlich keine Korrelation zwischen Kompetenz und Anzahl der Posts. Diese Anleger bräuchten viel eher eine komplette Abstinenz von diesem Gerede und die Konzentration auf wenige, wirklich gute Quellen als Orientierung. Nur können sie typischerweise nicht davon lassen, weil es so schön "unterhält". 😛

Auch wenn es hart ist, muss man es wiederholen. Nicht jeder ist für Erfolg am Markt geschaffen und wer nicht bereit ist, sich den eigenen Geistern zu stellen und die eigenen Fehler anzugehen, wird keine Chance haben.

Also, ich wiederhole wie ein Gebetsmühle, wie wir uns taktisch mit Blick auf die kommenden Wochen zu verhalten haben::

  • Wir folgen dem Markt!
  • Wir sind nicht klüger als der Markt!
  • Wir kaufen was funktioniert (Stärke)!
  • Wir begrenzen die Verluste bei dem, was nicht funktioniert!

So war das Börsenjahr 2023 recht leicht und profitabel zu bewältigen, ein Jahr das sich weitgehend an die typischen Abläufe und Saisonalitäten gehalten hat. Und auch 2024 wird für uns bei Mr. Market wieder gut zu bewältigen sein.

Damit endet der erste Teil des Wochenausblicks, den ich am Sonntag leicht angepasst in den freien Bereich stelle. Den Lesern im freien Bereich sage ich mit voller Überzeugung aus 35 Jahren Markterfahrung:

Die wirkliche Herausforderung am Markt sind nicht irgendwelche Techniken und schon gar nicht der Versuch, die Zukunft weissagen zu wollen! Die wirkliche Herausforderung ist unsere eigene Psychologie, die für einen reflexiven Markt nicht geschaffen wurde und uns instinktiv immer wieder das Falsche nahelegt. Dafür sorgt schon das instinktive Nullsummendenken und viele andere kognitive Muster, die am Markt hinderlich sind.

Wenn ihnen ihr Depot lieb ist, beschäftigen sie sich kritischer mit ihrer Psychologie und entscheiden sich unbedingt, ob sie am Markt Unterhaltung oder Erfolg wollen.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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