Vier kontraintuitive Anlageregeln aus der Praxis

Die Welt ist voll von "Anlageregeln", viele davon sind eher theoretischer Natur.

Denn in der Praxis werden wir weit mehr von unseren Gefühlen, Instinkten und evolutionären Prägungen bewegt, als wir wahrhaben und uns eingestehen wollen. Das ist der Faktor in uns, den wir hier liebevoll-spöttisch unser "Affenhirn" nennen.

Und dann ist die schöne Anlageregel, zu der man vorher noch zustimmend genickt hat, ganz schnell vergessen und wir machen doch etwas anderes und folgen einem emotionalen Impuls.

Gerne liest man dann auch mal von selbsternannten Experten, dass man seine Emotionen beim Börsenhandel "ausschalten" sollte.

Was ein Quatsch! Das können nur Theoretiker schreiben oder Leute, die sich selbst über ihre eigene Entscheidungsfindung etwas vormachen.

Denn wir sind Menschen, wir können unsere Emotionen gar nicht ausschalten, die sind immer da, auch wenn wir denken, wir würden rein rational agieren!

Und wir sollten unsere Emotionen auch gar nicht ausschalten, denn die haben ja einen Sinn, die schützen uns zum Beispiel vor Gefahren. Ganz konkret, wer zum Beispiel keine Angst kennt, wird nicht länger, sondern kürzer leben!

Das Problem mit unseren Emotionen ist, dass die instinktiven Handlungen, zu denen sie uns veranlassen, an der Börse in der Regel kontraproduktiv und falsch sind. Weswegen ja auch so viele Anleger an der Börse scheitern.

Richtig ist also nicht, die Emotionen zu unterdrücken, da machen wir uns nur etwas vor, sie packen uns trotzdem genau im falschen Moment.

Richtig ist, uns unserer eigenen Emotionen *gewahr zu sein*, diese als Signalgeber zu nutzen und daraus dann die *richtigen* Handlungen abzuleiten!

Und diese "richtigen" Handlungen sind halt oft kontraintuitiv, unser "Affenhirn", das für das Überleben in der Savanne "ausgemendelt" wurde, gibt uns bei Gefahr des Kapitalverlustes in der Regel die falschen Signale.

Hinzu kommt, dass wir in diesen Momenten zuverlässig vergessen, dass wir am Markt ja nicht alleine sind, sondern genau die Emotion die wir spüren, wahrscheinlich von Abertausenden auch gefühlt wird und daraus ja gerade die Kurse entstehen! Wenn Kurse also dramatisch fallen, können wir gar nicht die Einzigen sein, die Angst spüren - die Kurse fallen ja gerade, *weil* die Herde Angst hat!

Rein rational ergibt sich daraus logisch, dass einfach den Instinkten zu folgen, die uns unser "Affenhirn" eingibt, fast zwangsläufig zu schlechten Ergebnissen führen muss, weil wir damit immer Teil der "Lemminge" und zu spät dran sind.

Was ist also die Lösung?

Eine Menge Training und eine Menge Bewusstsein, das man für seine eigenen Reflexe entwickeln muss. Wir sollten sehr wohl in uns hören, welche Emotionen gerade eine Anlageentscheidung tragen, aus diesen Emotionen dann aber die *richtigen* Schlüsse ziehen!

Und dabei können natürlich Anlageregeln helfen, wobei auch die sehr individuell sind, weil diese sich ja an den eigenen Schwächen orientieren sollten und die sind eben individuell.

Ich biete ihnen hier als Beispiel mal vier Anlageregeln, die auf unseren Emotionen basieren und die *kontraintuitiv* sein. Sie müssen kontraintuitiv sein, weil wir uns ja vom "Affenhirn" lösen müssen, um am Markt systematisch das Richtige zu tun. Oder in anderen Worten, wenn sie ohne echte Anlage-Erfahrung zu einer Regel einfach wohlgefällig nicken, muss sie falsch sein. 😛

Diese Regeln sind weder die "besten", "schönsten", "wichtigsten" oder was auch immer da gerne an Superlativen benutzt wird. Es sind einfach vier Regeln als Vorschlag, ihre Handlungen zu optimieren. Überlegen sie sich ihre eigenen Regeln, die perfekt zu *ihren* Schwächen passen, denn Menschen sind unterschiedlich.

Ich kann ihnen auf jeden Fall versichern, dass ich mit diesen Regeln über Jahrzehnte großen Erfolg hatte. Horchen sie doch auch mal selber in sich herein, was sie fühlen, wenn sie wieder von so einem Impuls zum Handeln übermannt werden.

(1) Wenn sie Höhenangst bekommen, bleiben sie dabei und ziehen entfernt eine Absicherung mit, die dann auslöst, wenn der Aufwärtstrend bricht.

Das ist so eine kontraintuitive Regel. Wenn sie Höhenangst verspüren, haben nicht nur sie dieses Gefühl, sondern viele andere Marktteilnehmer auch. Und diese Angst ist der Feind jedes echten Gewinners, denn wer zu schnell der Höhenangst nachgibt, wird nie einen Tenbagger im Depot haben.

Dabei ist es völlig unnötig, verfrüht auf Verdacht zu verkaufen, sie können dabeibleiben und trotzdem abgesichert sein, wenn sie einen Stop mitziehen, der sich strikt am Aufwärtstrend orientiert und erst dann auslöst, wenn der bricht. NVDA anyone? 😛

Alternativ können sie auch einen Teilgewinn realisieren und mit dem anderen Teil dabeibleiben - auch das eine Methode, die verfrühte Höhenangst in sinnvolle Bahnen lenken kann.

(2) Wenn sie etwas aussitzen wollen, verkaufen sie. Sie können jederzeit später wieder einsteigen.

Auch das ist eine kontraintuitive Regel, aber wenn sie den Drang spüren etwas auszusitzen und sich im Sinne "das wird schon wieder" schönzureden, ist es Beleg dafür, dass sie dem Schmerz des realisierten Verlustes einfach ausweichen wollen. Das klassische Beispiel sind die "das wird schon wieder" Argumente bei der Telekom im Jahr 2000, aber auch bei Paypal habe ich sie 2021 und 2022 oft gehört.

Aussitzen ist höchst selten eine gute Idee, das ist "der Affe" in uns mit seiner Verlustaversion. Und solche Aktien fallen typischerweise weiter und irgendwann viel tiefer, verkaufen sie dann eben doch.

Dabei ist ein Verkauf gar keine große Sache, schon eine Stunde später könnten sie theoretisch erneut einsteigen. Wenn wir also den Drang haben etwas "auszusitzen" oder "nicht mehr hinzuschauen", hat der "Affe" bei uns übernommen. Richtig ist, das zu erkennen und dann zu handeln.

(3) If panic, panic first.

Auch das ist kontraintuitiv. Aber wenn sie ernsthaft Panik haben, weil es eine echte Krise gibt, ist der Verkauf die Handlung die befreit. Versuchen sie dagegen die Panik zu verdrängen, wird die Angst sie zu einem noch schlimmeren Zeitpunkt doch erwischen. Denken sie daran, sie wissen nicht, ob es hoch oder herunter geht, nachdem sie verkauft haben. Erst einmal muss die Panik weg sein, dann sehen sie weiter. Das hier war Covid:

Netter Nebeneffekt dieser Regel ist, dass wenn ihre Panik einen echten Grund hatte, wenn es also zum Beispiel der Beginn eines Crashes ist, sie dann "vor den anderen" zu noch akzeptablen Kursen verkaufen. In kritischen Situationen bei überraschend üblen Nachrichten, folgen Pro´s der Regel: Erst verkaufen, dann nachdenken. Das macht absolut Sinn, denn wenn nicht nur sie in Panik sind, sondern der ganze Markt abraucht, ist Geschwindigkeit überlebenswichtig.

Also wenn sie schon unbedingt Panik bekommen müssen, dann handeln sie wenigstens als Erster. 😀

Damit es hier keine Missverständnisse gibt. Die Regel empfiehlt *nicht* zu paniken! Besser wäre, sie hätte eine so saubere, vorausschauende Strategie, das auch in Krisen keine Panik nötig ist.

Aber wenn sie schon paniken, wenn sie spüren wie das in ihnen hochkriecht, dann paniken sie bitte als Erster. Als Letzter Panik zu bekommen, ist so ziemlich das Dümmste was man machen kann. 😉

(4) Handeln sie nur mit dem Wind im Rücken

Ich weiss, sie - genau *sie* - sind so unendlich klug, dass sie als Einziger gegen den ganzen Markt erkennen, wann eine fallende Aktie den Tiefpunkt erreicht und zu kaufen ist..... NOT

Natürlich war das Ironie, denn sie sind *nicht* klüger als der Markt und die Versuche sich gegen den Trend zu stellen, bedienen zwar ihr Ego, sind aber statistisch absolut sicher zum Scheitern verurteilt, auch wenn es in Einzelfällen mal gut gehen kann. Hier SolarEdge (SEDG) als übles Beispiel:

Achten sie darauf, dass egal was sie tun, ihnen die Winde des Marktes von hinten in die Segel blasen! Wenn sie eine Richtungsänderung handeln wollen, wie eine Wende, dann bedeutet das, dass die Wende *real* in der Price-Action sichtbar sein muss, nicht vorher! Hier GE Aerospace (vormals General Electric) als Beispiel:

Permanent sorgt unser "Affenhirn" für diese Verlockung in fallende Kurse zu greifen, gerade bei stark gefallenen Aktien und die Verlockung lautet: Das ist doch jetzt billig! Nein, ist es nicht! Tiefer geht immer und erst bei Null ist Schluß - siehe Wirecard. "Billig" sind Aktien, die gerade aus einer Wende heraus zu steigen beginnen.

Wenn sie es schaffen nur dann zu handeln, wenn der Wind des Marktes in ihren Rücken bläst, erhöhen sie ihre Erfolgschancen ganz erheblich!

So ... alleine diese vier Regeln zu beachten, wird ihre Anlageergebnisse deutlich verbessern.

Und das ist ja nur ein kleiner Anfang, ein Eintritt in die Welt, in der sie lernen, ihre Emotionen produktiv zu nutzen, statt ihnen ausgeliefert zu sein.

Wichtig ist dabei noch zu verstehen, dass diese Regeln im Einzelfall keinen Erfolg garantieren, weil es immer anders kommen kann und die Zukunft unbestimmt ist.

Wie bei allen Regeln zum Markt, geht es auch hier um *Wahrscheinlichkeiten*, so zum Beispiel dass ein Trend viel wahrscheinlicher weiterläuft, als dass er gerade heute endet. Sicher endet auch jeder starke Trend irgendwann, es lohnt sich aber in 9 von 10 Fällen, auf seine Fortsetzung zu setzen und genau das ist der Punkt.

Falls ihnen diese Herangehensweise unter Berücksichtigung unserer Psychologie gefallen hat, lade ich sie ein, zur Mr. Market Community hinzuzustossen, in der ich fast jeden Tag auch über solche Themen schreibe und noch viel mehr. Wenn Sie wissen wollen, was sie da erwartet, können sie -> hier <- einen umfassenden Eindruck gewinnen.

Bis Ende August haben sie auch die Gelegenheit, das mit vergleichsweise wenig Geldeinsatz zu tun, weil die Neuanmeldungen bis Ende August nur bis 31.12.2024 laufen, danach springt es auf den 31.12.2025.

Sie können das als "Schnupperphase" betrachten, gerade dieser Herbst wird mit der US-Wahl sicher sehr bewegt und anlagetechnisch bedeutend. Und wenn Sie dann von Mr. Market überzeugt sind, wie so viele vor ihnen, verlängern sie dann für 2025 ... oder eben nicht. Hier ist noch einmal der Link zur Anmeldung:

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Nun wünsche ich ihnen allen einen schönen Sommer, der Blog ist bis Ende Juli voll aktiv, geht dann aber im August in die Sommerferien, wie auch die meisten Händler der Wallstreet.

Neue Artikel im freien Bereich werden weiter die große Ausnahme sein, wie -> hier erklärt <-. Die gierig-dreisten Raubritter der neuen "KI" sorgen dafür, dass sich qualitativer Content aus dem freien Web wegbewegen muss.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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