Der Zypern-Schock und seine mittelfristigen Kollateralschäden – 18.03.13

Völlig überraschend gehen am Wochenende die Nachrichten über den Ticker, dass Zypern von der Eurozone sehr wohl gerettet werden soll, dafür aber alle Sparer auf zypriotischen Konten einen Anteil in Form einer Zwangsabgabe zu leisten haben.

Dieser Vorgang ist bemerkenswert und ein Rechts- und Tabubruch, der langfristig das Potential erheblicher Konsequenzen für das Vertrauen in die Institutionen und Banken in der Eurozone haben dürfte.

Zunächst einmal sei gesagt, dass ich die Logik dahinter sehr gut nachvollziehen kann. Zypern ist ebenso wie Griechenland ein "Failed State" ohne funktionierendes Steuer- und Rechtssystem. Diese Parallelität ist auch nicht verwunderlich, denn das kulturell mit Griechenland eng verbundene Zypern ist letztlich auch nur wegen Griechenland in der Eurozone, wo es eigentlich nie hätte aufgenommen werden dürfen. Wir haben es hier in Form von Zypern in meiner Wahrnehmung also erneut mit einem "Danaergeschenk" des verrotteten griechischen Gesellschaftssystems zu tun. Vielen Dank sage ich da schon einmal !

Erschwerend kommt hinzu, dass offensichtlich auch fragwürdiges Geld in erheblichem Umfang auf zypriotischen Banken gebunkert wurde, von russischen Oligarchen wird gemunkelt. Und völlig richtig, es ist inakzeptabel, dass dieses korrupte System von europäischen Steuerzahlern "gerettet" wird. Hätte Zypern ein funktionierendes Staatswesen, wäre das auch gar nicht nötig, man hätte durch Abgaben und Steuern das Problem selber lösen können. Aber in einem "Failed State" funktioniert das halt nicht.

Die richtige Entscheidung wäre daher in meinen Augen gewesen, Zypern einfach Pleite gehen zu lassen. Es wäre das ideale Exempel gewesen um klar zu machen, dass sich rechtstreue und hart arbeitende europäische Steuerzahler nicht alles bieten lassen. Das Signal wäre deutlich gewesen und die Folgen begrenzt. Ein Rechtsbruch wäre eine Pleite Zyperns auch nicht gewesen, es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf Rettung aus Töpfen der Eurozone.

Leider werden solche Entscheidungen aber nicht durch eine klare, rational denkende Führung getroffen, sondern sie sind das Ergebnis Brüsseler Formelkompromisse. Und in Brüssel standen halt die Gegner einer Rettung denen gegenüber, die die Rettung unbedingt wollten. Es war letztlich wahrscheinlich wieder die Scheidelinie des Nordens gegen den Club Med, wobei man Frankreich Dank Hollandes "glorreicher und mutiger" Politik wohl dem Club Med zuordnen muss.

Und so ist nach meiner Vermutung heraus gekommen, was nun heraus gekommen ist. Ein typischer politischer Kompromiss. Zypern wird gerettet, aber es gibt dafür eine "Strafe" um die Wähler in den Zahlmeister-Ländern gnädig zu stimmen.

Leider befürchte ich, dass dieser Kompromiss auf einer anderen Ebene sehr viel wichtiges Porzellan zerdeppert. Porzellan in Form von Vertrauen - das schwer aufzubauen, aber schnell zu zerstören ist. Denn die Heranziehung privater Kontoguthaben ist ein Rechtsbruch und steht im krassen Widerspruch zur 100.000€ Garantie der EU für alle Bankkonten. Und das wird alle Menschen in Europa aufhorchen lassen.

Und das hat das Potential das Vertrauen in die Bankeinlagen in der Eurozone massiv zu beschädigen. Kapital ist ein scheues Reh und wäre ich nun ein internationaler Investor, der grössere Geldmengen auf Banken der Eurozone, gleich welchen Landes, liegen hat, würde ich meine Gelder heute sofort und dauerhaft abziehen und in den Dollar oder Yen- Währungsraum transferieren. Eine Pleite Zyperns hätte mich dagegen weit weniger verunsichert, das wäre ja mit Ansage und nachvollziehbar gewesen.

Genau das ist auch heute sofort an den Divisenmärkten zu beobachten, Dollar und Yen rauf, Euro massiv runter.

Aber auch dem normalen Bürger, auch hier in Deutschland, dürfte das Vorgehen die Nackenhaare aufstellen. Es wird deutlich, wie dünn die vermeintliche Schicht der Rechtssicherheit ist und wie schnell über das Wochenende die Staatsmacht bereit ist, mit einem Handstreich in private Besitzstände einzugreifen. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass gerade ein Salon-Linker mit klassenkämpferischer Rhetorik sich anschickt bald Finanzminister des Landes zu werden, wird vieles plötzlich vorstellbar, was in den Jahrzehnten der stabilen Republik unvorstellbar gewesen wäre. Die Vermögens-Zwangsabgabe steht bei dieser Partei ja auch schon im Programm.

Diese Erkenntnis wirkt aber langsam und wird nur langsam bei den Bürgern diffundieren. Es ist eine Art Gift, das Vertrauen zerstört und damit einen Kollateralschaden in einem Umfang hervor rufen kann, der weit über die Effekte einer Pleite Zyperns hinaus geht.

Und die Wirkung dieses Gifts nicht zu erkennen, ist in meinen Augen der riesige Fehler, den die Politik gerade macht. Wenn man das korrupte zypriotische System nicht retten will, sollte man es auch nicht tun. Ein halbgarer Kompromiss ist aber mit dem Preis eines derartigen Vertrauensverlustes in die Verlässlichkeit staatlicher Institutionen bei weitem zu teuer erkauft.

Die Folgen an den Märkten sind klar und heute sichtbar: Dollar, Yen rauf. Euro runter. Gold hoch. Aktien der Eurozone runter.

Kurzfristig rechne ich damit, dass sich der Schreck schnell verzieht und die Märkte zur Tagesordnung übergehen. Schon im Laufe des Tages könnte also ein guter Teil der Verluste wieder ausgeglichen sein. Mittelfristig ist das Gift der willkürlichen Konfiszierung privater Vermögen nun aber in der Welt. Und es wird sich durch die Wahrnehmung der Menschen langsam und stetig durchfressen.

Für physisches Gold dürfte das ein Konjunkturprogramm sein. Wer Vermögen vor derartigen Anwandlungen schützen will, muss es halt sozusagen im eigenen Garten vergraben. Und das dafür beste Vehikel ist physisches Gold. Die einzige Währung die nie ihre Zahlkraft verloren hat und einen eingebauten Schutz gegen inflationären Wertverlust besitzt.

Schöne neue Welt - kann ich da nur sagen. Die Krise Europas ist mit dem Wochenende in eine neue Phase getreten. Die Konten sind sicher ? Nein, nichts ist 100% sicher - ausser der Wandel.

Ihr Hari

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29 Gedanken zu „Der Zypern-Schock und seine mittelfristigen Kollateralschäden – 18.03.13“

  1. So verschiebt man auch dauerhaft den moralischen Kompass: moralisch minderwertig sind nicht die, die über Verschwendung und zu viele Schulden ein System an den Rand des Kollapses führen, sondern moralisch unterlegen sind die, die zuviel Geld auf dem Konto haben!

    Eine sehr bedenkliche Entwicklung!!

  2. dem kann ich so zustimmen. Bei einer Insolvenz hätte es vorallem die wohlhabenden ausländischen „Investoren“ (bewusst in Anführungszeichen) erwischt, die Kleinanleger bis 100K Euro aber geschützt.
    Naja, wie auch immer, die Entscheidung wurde so getroffen und der Schaden ist jetzt wohl nicht mehr rückgängig zu machen.

    Ich bin sehr gespannt auf den kommenden Dienstag. Ich wette darauf, dass nicht nur die Menschen in Zypern, sondern vor allem die Griechen ihre Banken stürmen werden und wir erschreckende Bilder zu sehen bekommen. Nicht auszudenken, wenn sich das zu einem Flächenbrand ausweiten sollte; Italien, Spanien etc…

    Für eine deutliche und lang erwartete Korrektur an den Börsen/DAX wird es jetzt wohl endlich kommen.
    Gold dreht damit lehrbuchmäßig im Bereich 1550USD 🙂

  3. Auch wenn Zypern jetzt beschliesst, die kleinen Sparer zu entlasten oder gar Guthaben bis 100.000EUR zu garantieren, wie EU-weit (noch) üblich, die EU hat damit gezeigt, dass sie ohne mit der Wimper zu zucken jeden enteignet, wenn dies gerade ins Konzept passt oder sich als Kompromiss halt so ergibt. Weiss nicht, ob das je wieder gut zu machen ist, aber jetzt weiss man wenigstens woran man ist.

    Hätten sie nichts gesagt und Zypern das allein regeln lassen, wären die Guthaben in den Pleitebanken auch (zumindest teilweise) verloren, wie bei Bankpleiten halt üblich. Bei ähnlichem Resultat für die zypriotischen Bankkunden gäbe es für den Rest Europas aber wahrscheinlich keinen nennenswerten Schaden.
    Tja, wieder mal die teuerste Lösung gewählt:(

  4. In meinen Augen ist das gegen das Gesetz – aber es gibt ja kein „alle Macht dem Volke“ mehr, sondern nur noch
    „alle Macht der Politik“ – und da jeder Richter sich hüten wird, dagegen ein Urteil zu fällen kommt mir der Verdacht,
    dass wir in Deutschland bald „Ex DDR“ Verhältnisse haben werden …
    Ich kann nur jedem raten, sich in Staaten wie Singapur oder Australien eine Bank zu suchen und dort „langsam“ sein
    Vermögen auszulagern – gerne auch in Gold und Silber – aber man muss sich darüber bewusst sein, dass keine der hochverschuldeten
    es wünschenwert findet, wenn die Bürger das Ersparte ins Ausland bringen
    …dann hätte der Staat ja keinen Zugriff mehr – und Moral hat keiner dieser hochverschuldeten Staaten

  5. Der kleine Hüpfer bei Gold nach dieser Nachricht ist für meine Begriffe nicht gerade ein Zeichen potentiell zu erwartender Stärke in der nächsten Zeit. Immerhin kann man diese beabsichtigte Sparerrasur als völlig neue Qualität in der Eurokriese betrachten.
    Für mich könnte dies bedeuten, daß der Goldpreis nicht mehr nennenswert durch Nachrichten aus Europa beeinflußt wird, weil entweder ein möglicher Zerfall der Eurozone weitgehend eingepreist ist, oder der Goldpreis schlicht und einfach in anderen Teilen der Welt gemacht wird, die sich für Europa nicht besonders interessieren, was mich bei der Qualität unseres politischen Personals und dessen Weitsicht auch nicht wundert.

  6. Hari, Du solltest die Uhrzeit zu deinen Beiträgen dazuschreiben, denn heute morgen hast Du die Erholung des DAX am nachmittag mal wieder vorrausgeahnt! :-).

  7. @Wastl: wir werden sehen. Vielleicht ist es ja der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der anderswo einen Orkan auslöst 😉

  8. Alles hat zwei Seiten, gut dass ich Barrick Gold noch nicht verkauft habe! Wenn dann auch noch impact Silber steigt, …. Hurra!

  9. So lustig unsere Witzchen hier auch sind, die tiefsitzende Wahrheit ist doch: so unvorstellbar es auch sein mag im Moment, es besteht leider durchaus eine Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Enteignung auch hier passieren kann! Sollte es dazu kommen, wird es schnell gehen, und es wird keine ausgedehnten Vorlaufperioden geben, um sein Geld abzuheben bzw. sonstwohin zu transferieren. Solche Vorgänge wie in Zypern sind Warnungen, nicht was passieren MUSS, aber was passieren KANN! Seid vorbereitet!

  10. Als Besitzer einer Aktie und damit Miteigentümer einer Firma besteht doch aus meiner Sicht keine Gefahr; oder sehe ich das Falsch. Meine Eigentumsrechte an der Firma sind doch lediglich bei der Bank hinterlegt und selbst wenn diese „Pleite“ geht, bleiben doch meine Eigentumsverhältnisse an der Firma davon unberührt?

    Wenn ich richtig liege und diese Erkenntnis sich auch mal beim Sparer durchsetzt, der ja ohnehin schon aufgrund des Zinssatzes und der Inflationsrate teilenteingnet wird – ohne dass er es merkt – dann müsste doch eigentlich ein regelrechter Run auf Aktien – und nicht auf Banken – einsetzen. Und der „deutsche Normalsparer“ würde vielleicht sogar Aktien dem Gold vorziehen, weil „ja gute Firmen auch Divende zahlen und Gold nichts abwirft“, so vielleicht die Empfehlung „des Bankberaters seines Vertrauens“. 😉

  11. @Johann, ich halte diese Spekulationen zum jetzigen Zeitpunkt für unsinnig. Zypern hat nur gezeigt, wie schnell die Politik sich in Nacht und Nebel Aktionen über gegebene Zusagen hinweg setzt. WIE sie das tut, ist völlig offen.

    Nimm die Zwangs-Vermögensabgabe der Grünen, von 10 Jahre lang je 1,5% = 15%! des Vermögens oberhalb einer 1 Million. -> Grüne Vermögensabgabe <-. Jetzt werden die meisten hier nach dem St. Florians Prinzip die Schultern zucken, weil betrifft sie ja (vermeintlich) nicht. Ärgerlich wird man ja nur, wenn es an die eigene Brieftasche geht. Und „reich“ oder „böse“ sind ja immer die anderen. 😉

    Nur, diese Abgabe geht auf alles, also auch auf Aktien, Firmenanteile, Immobilien etc. Ist letztlich also auch nichts anderes, als die Zwangsabgabe der Zyprioten. Und auch die Grenze wird schnell mal nach unten geschoben, in der Logik mancher Umverteiler ist jeder schon „reich“, der 100.000€ besitzt. Und noch in einem bin ich mir sicher, für die Pensionsansprüche des Herrn Trittin und anderer, die einen Kapitalwert von mehreren Millionen haben, werden dann bei der Vermögensabgabe bestimmt Ausnahmen gefunden. Geht ja auch um (gute) Alterssicherung und nicht um (böse) Kapitalmarktanlagen. Das ein normaler Mensch, der keine Pension vom Steuerzahler bezahlt bekommt, das eine MIT dem anderen machen muss, unterschlagen wir mal……

    Was ich damit sagen will ist, dass wenn das Thema in Deutschland virulent wird, NICHTS sicher ist. Nur das, wovon niemand weiss. Und das ist strafbar und Steuerbetrug.

  12. OH ich sehe grade, dass hier schon ein weit umfangreicher „Zypern-Thread“ existiert. Ich poste also hier nochmal…

    Ich lese nunmehr (nicht nur hier im Forum, sondern vor allem in den Nachrichten) einen Artikel nach dem anderen, der eine „Gefahr für das Vertrauen der Finanzmärkte“ in die Abgabe der zypriotischen Bankkunden sieht. Nun stellt sich mir die Frage, wo denn hier der große Unterschied zum griechischen „Haircut“ vom letzten Jahr besteht. Nun gut, hier sind es halt Bankeinlagen, dort waren es Verbindlichkeiten des Staates die nunmehr nicht mehr (vollständig) bedient werden. Beides läuft aber auf das selbe hinaus, Gläubiger erleiden aufgrund der schlechten Bonität ihrer Schuldner einen Forderungsausfall. Ich persönlich finde es aber für das „Vertrauen der Märkte“ schlimmer, wenn ein doch etwas größerer Staat der EU pleite ist, als wenn ein paar Provinzbanken im Zwergstaat Zypern zahlungsunfähig sind. Und das ist nunmal der Fall! Würde die Zwangsabgabe (neben 10 Mrd. Hilfskrediten der Big Spender) nicht eingehoben, wäre Zypern (dessen Wirtschaft vorwiegend aus Banken und Briefkästen besteht) pleite.

    Nun ja, nun könnte man damit argumentieren, dass es ja für Guthaben bis 100.o00,- € eine Einlagensicherung gibt…. Da stellt sich die Frage, wer eigentlich auf so eine blöde Idee gekommen ist? Wieso eine Einlagensicherung? Ist das nicht wettbewerbsverzerrend und eigentlich eine Aufforderung an die Banken zu spekulieren? Würden Sparer ohne Einlagensicherung nicht vielleicht auch mal überlegen, was die Banken eigentlich mit Ihrem Geld tun und nicht immer nur auf den Zinssatz schauen? Würden es sich die britischen (und sicher auch deutschen und österreichischen) Steuerflüchtlinge die nunmehr Ihr Geld in Zypern haben nicht vielleicht anders überlegen und Ihr Geld lieber sicher im Heimatland belassen?

    Die Einlagensicherung verzerrt den Wettbewerb im Bankengeschäft. Sie führt dazu dass Banken mit grundsolidem Geschäftsmodell ebenso hohe Zinsen für die Einlagen zahlen müssen, wie Zwergbanken. Alleine in Österreich gibt es 896 (Stand 2003 habe auf die schnelle keine aktuelleren Daten gefunden) verschiedene Banken, von denen man aber vielleicht 10 wirklich kennt. Viele der Zwergbanken werben mit sehr hohen Zinsen und da der Staat ja im Falle des Ausfalls haftet braucht der Anleger ja wirklich nur die Zinsen und nicht das Risiko zu vergleichen. Also WEG mit der Einlagensicherung!

    Und nochmal zum „Vertrauen der Finanzmärkte“. Das ist doch längst erschüttert! Was Anleger dazu bewegt ihr Geld in italienischen Anleihen anzulegen ist doch nicht ihr Vertrauen in die Stabilität Italiens, sondern die Gier nach hohen Zinsen.

    Hari hat letzte Woche einen Artikel gepostet wo die Commerzbank genau so eine Einmalsteuer auf Bankguthaben der Italiener vorschlägt. Gibt es dazu eigentlich eine Alternative? Bei allem Vertrauen in die Deutsche, Österreichische, Niederländische, Skandinavische etc. Wirtschaft. Die Rettung Italiens (und Frankreichs) wird mehrere Nummer zu groß für uns…. Das Modell Zypern muss Schule machen… Selbsthilfe statt Milliarden von uns (Anm. mein nicht allzu hohes Gehalt unterliegt in Österreich einem Steuer- und Sozialversicherungsabzug von satten 59% – Ich fühle mich jeden Monat beraubt!)

  13. Kann die EU so dumm sein oder ist hier Dummheit Mittel zum Zweck? Desto mehr ich über diese Zypern-Aktion nachdenke, desto unverständlicher und mysteriöser erscheint mir diese. Werden hier Kollateralschäden möglicherweise bewusst in Kauf genommen?
    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die ganze Sache langsam aber sicher außer Kontrolle gerät und wir auf eine definitive Entscheidung zusteuern.

  14. Das wirklich Schlimme an der Aktion ist, man hatte den Kleinsparern ausdrücklich Einlagenschutz zugesagt. Mit einem Schlag war diese Zusage hinfällig. Einen größeren Schaden hätte man kaum anrichten können. Der Angst vor zwangsweiser Enteignung wurde Tür und Tor geöffnet. Aber nun ist es in der Welt.

  15. Unlängst habe ich gestern Abend von meiner Frau aus ihrer Arbeit anhören müssen, wie ihre Kollegin, die bald im Pension ist, wegen Zyperkrise am Montag ihr Erspartes sofort in vielen Golddukkaten eingetauscht hat. Habe ich ihr geantwortet, ja das ist der typischer Herdentrieb in Panik 😉

  16. Heute morgen versüßte Cem Özdemir mein frugales Frühstück durch ein amüsantes Interview im Deutschlandfunk.
    Kleiner Auszug:
    Özdemir: „(…) Ich meine, wer 80.000 Euro auf der hohen Kante hat, ist jetzt nicht der Ärmste der Armen, und wenn der einen Beitrag leistet, der vermutlich unterhalb dessen ist, was er an Zinserlösen hat, dann wird er nicht verarmen“
    Müller (vom DLF): „Herr Özdemir, das ist nett, dass Sie noch mal auf die Frage zurückgekommen sind, die ich gestellt habe. Jetzt fällt mir noch eine Frage ein, die können Sie vielleicht dann direkt beantworten. Die 100.000, das stand noch mal zur Diskussion. Klare Signale dafür auch von der Kanzlerin: Dieses Vermögen oder diese Spareinlage ist sicher. Sie haben dann von 80.000 gesprochen. Das heißt, für Sie heißt sicher aber nicht unantastbar?“
    Özdemir: Nein, nein. Ich habe die 80.000 als ein Beispiel dafür gegeben, dass wir jetzt hier nicht über die Ärmsten der Armen reden würden. Unter 100.000 heißt jetzt nicht, dass Leute auf Sozialhilfe-Niveau leben, die das Geld auf die Seite gelegt haben.
    Müller: Also kann man da schon ran bei Vermögen von 80.000?
    Özdemir: Na ja, es gibt ja bereits eine Staffelung der Einlagenbeteiligung, und jetzt hat das zyprische Parlament in einer Vorlage eine Grenze von 20.000 gehabt, hat das allerdings abgelehnt. Da kann man ja noch mal ran, und am Ende muss man eine Lösung finden.
    Müller: Ist das Enteignung?
    Özdemir: Wie bitte?
    usw….
    Ich weiß zwar nicht, ob sich ausgerechnet der zypriotische (politisch korrekt heißt es jetzt wohl zyprisch) Kleinsparer an den von Özdemir genannten üppigen Zinserlösen erfreuen durfte, wir wissen aber sicher, dass Herr Özdemir dies mit viel Freude tat.

  17. @Deathproof, schöne Geschichte, danke. Das erinnert mich zurück an die Zeit damals, als die normalen Sparer ihre Sparbücher plünderten, um Anteile der Volksaktie Telekom zu zeichnen. Das wäre damals der richtige Zeitpunkt gewesen, um „die Party zu verlassen“.

    Vielleicht ist auch die „Goldparty“ schon seit Anfang Oktober letzten Jahres vorbei? Nicht mal für Zypern interessiert sich der fiese Mr. Goldmarket!

  18. Das Unglaubliche an der Geschichte mit Özdemir ist doch, dass 80.000 Euro für Herrn Özdemir gar nichts sind. Der tut so, als ob das viel Geld wäre. Vorsicht Irreführung! Das ist vielleicht für einen durchschnittlichen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer so. Aber ganz bestimmt nicht für Herrn Özdemir! Man denke nur an seine Abgeordnetendiäten, angesammelten Pensionsanssprüche, aller Voraussicht nach private Krankenversicherung und, und, und. Um seine Aussagen ins rechte Licht zu rücken, ist es unbedingt notwendig, sich die Privielgien „dieser Kaste“ vor Augen zu führen. Interessant ist nicht das, was gesagt wird, sondern das, was nicht gesagt wird. Man sollte sich von einem Herrn Özdemir auf gar keinen Fall einreden lassen, dass 80.000 Euro viel Geld wäre. Außerdem ist es so, dass privilegierte Bevölkerungsgruppen nicht das geringste Interesse daran haben, dass die Mehrheit der Bevökerung diese Privilegien kennt.

  19. Stimmt Anna. Die Pensionansprüche von Özdemir, haben heute schon einen abgezinsten Kapitalwert oberhalb einer Million €. Auch das ist Vermögen, denn andere ausserhalb öffentlicher Ämter, müssen diese Summe auf dem Konto haben, um daraus später ihre Rente zu bezahlen.

    Ich bin also gespannt bei der 15%igen ! Vermögensabgabe/Vermögenssteuer der Grünen, die ja nur die „bösen Reichen“ treffen soll, ob da auch wirklich der Kapitalwert von Versorgungsansprüchen eingerechnet wird. Dann müssten nämlich alle Bundestagsabgeordneten diese Vermögensabgabe auf ihre zukünftigen Pensionen heute leisten und wären auch „reich“ – nicht unähnlich dem Bürger, der auf sein für den Ruhestand angespartes und schon dreimal versteuertes Kapital dann eine Vermögensabgabe zu zahlen hat.

    Ebenso sicher wie diese Vermögensabgabe kommt, werden diese Pensionsansprüche aber bestimmt ausgenommen. Pensionsansprüche sind ja „gut“. Alterskapital in Form von Aktien ist aber „böse“ und wird bestimmt heran gezogen.

    Und eine Million hört sich viel an, ist es aber nicht für alle freien Bürger wie Selbstständige, die keine Renten und Pension beziehen.

    Ich habe mal spasseshalber bei Cosmosdirect eine Einmalzahlung für eine Rente eingegeben. Alter des Tests 60 Jahre, 2 Jahre bis zur Rente, Kapital 100.000 sofort eingezahlt. Ergibt eine garantierte Rente von 341€ bis zum Lebensende. Kann jeder selbst nachrechnen.

    Eine Million angespart mit 60 entspricht also einer garantierten Rente von nur 3400€ pro Monat ! Und diese 3400 sind ja nicht netto, die sind auch zu versteuern, wenn auch nur mit dem Ertragsteil. Die nach Steuern übrig bleibenden 2xxx€ sind in Ordnung um als Ehepaar einigermassen zu leben, aber auch schnell weg und Reichtum sieht definitiv anders aus.

    Das ist also eine Million wert, macht Euch das alle klar ! Wir bekommen in Deutschland so oder so ein massives Altersarmutsproblem. Die Einzigen die davon ausgenommen sind, sind die Pensionäre der öffentlichen Hand wie Herr Özdemir. Die nehmen nämlich das Geld via Steuern von den Bürgern und finanzieren damit ihre Bezüge.

    Ich könnte vor Wut einen Koller bekommen, wenn ich diese verlogene Logik solcher Leute erlebe. Aber die einzige Chance die wir haben ist, frischen Parteien ins Parlament zu verhelfen. Das ist noch die Beste aller schlechten Möglichkeiten.

  20. Hari, ich stimme Dir in jedem Punkt uneingeschränkt zu. Das ist ein Skandal und mich regt das auch unglaublich auf. Das Problem an der Sach ist, dass das die „Normalbevölkerung“ nicht weiß oder nicht wissen will. Der doofe Michel zahlt halt … . Aber eines ist auch sicher: Das Problem mit der Alterssicherung kommt mit Macht auf uns zu. Wenn die dann Jungen ihre Ausbildung bezahlen sollen, Kinder bekommen sollen und für die dann Alten arbeiten sollen und der Renten finanzieren sollen, kommt es vielleicht zum Protest. Besser wäre es, das System schon heute umzubauen. Aber warum? Der dumme Bürger blickt ja nichts. Ergo: kein Handlungsbedarf, sondern Volksverdummung. Vielleicht hilft unsere kleine Diskussion dem einen oder anderen ja auf die Sprünge. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  21. Vielleicht sollte man noch deutlicher werden: Alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bekommen automatisch einen bestimmten Prozentsatz von ihrem Bruttoeinkommen abgezogen. Sie zahlen in die Rentenversicherung ein. Im nächsten Monat werden die eingezahlten Beiträge an die aktuellen Rentenempfänger ausbezahlt. Selbständige und Freiberuflicher sorgen für ihr Alter ebenfalls vor, indem sie Vermögen aufbauen, Immobilien, Aktien, Sparguthaben etc. besitzen. Ausnahme: Beamte sorgen für ihr Alter nicht selbständig vor. Deren Pensionen (man beachte den feinen Unterschied: in diesem Fall heißt es nicht Rente, sondern Pension) zahlt der Steuerzahler. Und das ist ein Vorrecht, ein Privileg, das andere so nicht haben! Der sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer zahlt also nicht nur seine eigene Rente, sondern auch die Pension des Beamten gleich mit. Und natürlich ist es so, dass bei der von den Grünen vorgeschlagenen Vermögensabgabe die Pensionsansprüche ausgenommen sind. Die kommen in der Diskussion erst gar nicht vor. Aber warum sollte darüber auch geredet werden? Das ist ja auch gar kein Geld – natürlich nicht … .

  22. Diesen schönen Leserkommentar zu Oligarchen, Zypern und Özdemirschen Enteignungträumen las ich gerade in der SZ:
    „Was ist eigentlich ein „Oligarch“? Das Oxford Dictionary definiert den Begriff folgendermaßen: Ein sehr reicher Geschäftsmann mit großem politischen Einfluss. Nun, nach dieser Definition wären auch die Damen Springer, Mohn (Bertelsmann) und Klatten (BMW) Oligarchinnen. Macht nun etwa auch die Deutsche Bank AG, bei der die Axel Springer AG ihre Konten führt, Geschäfte mit Oligarchen? Wäre es legitim, der Deutschen Bank AG vorzuschreiben, von heute auf morgen – ohne Gesetz, ohne Prozess und ohne Verhandlung – zehn Prozent der Einlagen von Frau Springer zu konfiszieren? Schließlich handelt es sich doch um „Oligarchengelder“.
    Was wäre die Reaktion der deutschen Regierung, wenn ein Staat, nennen wir ihn Liechtenstein, mit dieser Begründung deutsche Staatsgehörige teilenteignen würde? Steinbrücks „Kavallerie“ könnte dann wohl Realität werden. Nun ist Liechtenstein aber kein Staat, der etwas gegen Oligarchengelder, egal aus welchem Land, hätte. So was machen ja bekanntlich nur linke Populisten wie Hugo Chavez oder Evo Molarez … und europäische Finanzminister, jedoch nur dann, wenn die „Opfer“ nicht aus ihren eigenen Ländern, sondern aus Russland kommen.
    25 Mrd. Euro – so hört man – sollen russische Oligarchen auf der Mittelmeerinsel Zypern „bunkern“. Ja, Russen „bunkern“, wenn Deutsche, Briten oder Amerikaner Gelder verschieben, dann „investieren“ sie – ein kleiner, aber feiner Unterschied. Es ist richtig, zahlreiche russische Geschäftsmänner, die man als Oligarchen bezeichnen könnte, kontrollieren über zypriotische Holdinggesellschaften ihre russischen Konzerne. Dazu gehören mit Novolipetsk Steel und Severstal zwei der weltgrößten Stahlkonzerne, mit Norilsk Nickel eines der weltgrößten Bergbauunternehmen und mit Gazprom und Lukoil zwei der weltgrößten Energieunternehmen. Alles nur Geldwäsche? Im Vergleich zur Deutschen Bank wirken diese Unternehmen geradezu wie ein Musterbeispiel für Unternehmen, die mit realer Wertschöpfung reale Einnahmen erzielen. Aber egal, russische Unternehmen sind ja per se verdächtig, krumme Geschäfte zu machen.
    Warum haben diese Unternehmen eine Dachgesellschaft auf Zypern? Sind es die niedrigen Körperschaftssteuersätze? Zum Teil, durch diese Praxis entgeht jedoch dem russischen Fiskus Geld und es ist nicht aktenkundig, dass sich deutsche Politiker bislang je Sorgen über die russischen Steuereinnahmen gemacht hätten“

  23. @Toni: sehr interessant, das so zu lesen!

    Ein Teil des Konzerns, für den ich arbeite, wurde neulich an eine russische Firma verkauft. Der Verkauf wird über Zypern abgewickelt. Aus Gründen, die ich nicht ganz verstehe, scheint Zypern das einzige Land innerhalb der EU zu sein, über den russische Konzerne solche Geschäfte abwickeln können.

  24. Die Sonderbeziehung Russland – Zypern beruht auf zwei Faktoren.

    Erstens ist Zypern christlich-orthodox und damit kulturell näher an Russland als Westeuropa. Zweitens haben Russen in Zypern keine Visapflicht. Das erleichtert Geschäfte natürlich ungemein. So ist Zypern defacto zum Vorposten – man könnte auch sagen Flugzeugträger – Russlands in der EU geworden.

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