Italienisches Drama oder medialer Erregungszyklus?

Erfahrene Anleger wissen, dass immer wenn die halbe Welt vor etwas warnt, man sich an der Börse darum eher weniger Sorgen machen muss, weil die Warnungen alle schon in den Kursen verarbeitet sind.

So einen Fall, haben wir vielleicht mit dem italienischen Referendum am kommenden Sonntag 04.12. vor uns.

Seit Wochen wird medial davor gewarnt, dass ein Scheitern und ein Rücktritt Renzis, das Ende der Eurozone in Gang setzen könnte. Die Warnungen in diesem Stil, können Sie beispielhaft auch -> hier <- oder -> hier <- nachlesen.

Gleichzeitig ist der Markt vergleichsweise ruhig, er kauft die mediale Geschichte von der unmittelbar einsetzenden Katastrophe wohl nicht. Und das obwohl selbst die EZB -> deutlich vor den von Italien ausgehenden Risiken warnt <-

Sicher lokal und zielgerichtet, sind die Auswirkungen im Markt schon sichtbar. Die Renditen italienischer Anleihen steigen, der italienische MIB40 bröselt und auch die aktuelle, grosse Schwäche des Euros, hat sicher zum Teil mit dem Referendum zu tun.

Aber darüber hinaus, auch wenn man auf die Volatilität schaut, gibt es kaum Signale, die von grosser Sorge des Marktes künden. Vergleichsweise still ruht der europäische See und in den US Märkten wird die "Trump-Party" gefeiert.

Wie passt das alles zusammen? Ich denke das ist recht einfach.

Erstens ist der Markt klug. Er weiss, dass Renzi ohne Not sein politisches Schicksal mit dem Referendum verknüpft hat und die Erfahrungen mit italienischer Politik legen nahe, dass hinterher alles nicht so heiss gegesssen, wie es vorher gekocht wird. Für Politiker gilt doch sowieso zu oft das Motto: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?"

Zweitens ist die institutionelle Bedeutung des Referendums für Italien zwar hoch, dass alleine das Referendum die italienische Sklerose überwinden kann, erscheint aber auch ein wahltaktischer Erregungszyklus zu sein. Wenn dieses Italien die Wende hinbekommen will, ist das Referendum zwar ein wichtiger Baustein, da ist dann aber noch eine Menge mehr nötig und ob das im Euro überhaupt geht, der den Wechselkurs als Anpassungsinstrument bei Produktivitätsunterschieden ausgeschaltet hat, ist mehr als fraglich.

Drittens, dass der Euro früher oder später scheitern wird oder sich massiv strukturell ändern muss, weil die Scherkräfte so immer stärker werden, ist bei den Profis der Finanzmärkte doch ein offenes Geheimnis. Da geht sowieso fast jeder davon aus, der nur ein bischen die bestehenden Konstruktionsmängel versteht. Nur die europäische Politik will das nach dem Motto dass nicht sein kann, was nicht sein darf, nicht wahrhaben.

Auch dass Italien ein gefährlicher Wackelkandidat ist, der das Haus des Euros zum Einsturz bringen kann, ist doch an den Märkten schon immer Konsens. All das sind aber Ereignisse, die irgendwann in der Zukunft mal virulent werden und daher im Moment noch keine Relevanz für die Börsen haben, die typischerweise bis zu ein Jahr konkret nach vorne schauen, darüber hinaus wird das Bild eher diffus.

Was aus Sicht des Marktes wirklich zählt, ist ob nach dem Referendum in Italien eine unmittelbare Euro-Krise ansteht und die Antwort ist wohl eher Nein. Denn in Italien wird dann erst mal weiter gewurschtelt, gewählt und diskutiert. Und die EZB wird alle Probleme weiter mit dem frischen Schnee der Geldschöpfung zudecken und alle strukturellen Probleme der Eurozone vordergründig damit im wahrsten Sinne des Wortes weiter "unterkehren".

Kann das ewig so weiter gehen? Nein. Das Unvermeidliche ist unvermeidlich - Resistance is futil. Der Euro ist auf krasse Art und Weise fehlkonstruiert und wird entweder krachend scheitern oder sein institutioneller Rahmen muss sich grundlegend wandeln.

Ist das aber etwas, das direkt nach dem Referendum virulent werden wird? Auch Nein. Bis das Endspiel um den Euro in Gang kommt, wird wohl noch viel gewurschtelt und fliesst noch viel Wasser den Tiber herunter.

Fazit:

Das Referendum in Italien erscheint aus Sicht des Marktes etwas "overhyped", der Markt kauft diesen medialen Hype offensichtlich nicht.

Wenn das Referendum scheitert und Renzi zurück tritt, wird es ohne Frage ein Erschrecken am Markt geben, das den Euro weiter abstürzen lässt. Dann wird die EZB aber schon wieder mit der Schneekanone das gefrorene Euroland überpudern.

Gelöst ist damit zwar gar nichts, für temporäre Stabilität, wird es aber wohl reichen. Und Merkel kann im kommenden Bundestags-Wahlkampf mal wieder die Behauptung aufstellen, ihre Politik hätte die Eurokrise gelöst - lachhaft.

Wenn das Referendum aber durchgeht, gibt es eine Erleichterungsreaktion mit steigendem Euro und der DAX hat dann die Chance, die 10.800 endlich zu nehmen. Europäische Aktien haben nun erheblichen Nachholbedarf zu US Aktien.

Unabhängig von Italien, ist der Markt diese und kommende Woche aber sowieso korrekturreif, einfach weil die "World of Donald" Rally nach 2,5 Wochen nun etwas überdehnt ist und eine Pause braucht.

Rechnen wir also mit deutlichen Marktbewegungen rund um das Referendum, die aber - obwohl volatil - noch im normalen Rahmen ablaufen werden. Und übersehen wir nicht, dass eine Korrektur nun sowieso fällig ist, Referendum hin oder her.

Das Ende dieses fehlkonstruierten Euros, steht aber dieses Jahr wohl noch nicht an, ganz einfach weil das europäische "Establishment", ihn gegen alle ökonomische Logik mit Klauen und Zähnen verteidigen wird.

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, für Dinge die vielleicht irgendwann in Jahren passieren, interessieren sich die Kurse heute aber noch nicht so sehr. Das sind meine persönlichen Erwartungen zum italienischen Referendum.

Ihr Hari

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

1 Gedanke zu „Italienisches Drama oder medialer Erregungszyklus?“

Schreibe einen Kommentar