Börsenregeln reloaded V : The trend is your friend

Börsenregeln reloaded V : The trend is your friend

Ein Gastkommentar von Tokay

Von den zahlreichen Weisheiten, die unter Börsianern in Umlauf sind, ist die Regel „The trend is your friend“ zweifellos eine derjenigen, die besonders hoch im Kurs stehen. Schon Charles Dow, der Begründer der nach ihm benannten Dow-Theorie und zugleich einer der beiden Väter des Dow-Jones-Index, war auf der Suche nach Regeln, anhand derer man einen Wirtschaftsaufschwung erkennen könne. Mit der „Dow-Theory“, die besagt,, in den Aktienmarkt einzusteigen, wenn der Kursdurchschnitt nach oben tendiert, und auzusteigen, wenn die Kurse nach unten tendieren, ist Dow in die Börsengeschichte eingegangen.

Skeptiker halten dem entgegen, daß häufige Ein-und Ausstiege nur Kommissionen für den Finanzsektor generierten. Die vom Kursdurchschnitt gegebenen Signale seien außerdem vielfach unzuverlässig und deshalb eine Buy-and-Hold Strategie der Market Timing Strategie überlegen.

Wenn wir uns die vergangenen Jahre anschauen, dann sehen wir, dass der DAX war in diesem Zeitraum von höchst unterschiedlichen Trends geprägt war. Ein frühzeitiges Erkennen eines Trendwechsels wäre daher sehr lohnend gewesen:

DAX 02.01.2008 bis 30.04.2013

Machen wir einmal die Probe aufs Exempel und probieren eine trendbasierte Strategie und vergleichen sie mit „Buy and Hold“. Nehmen wir an, ein Investor verfügte am Jahresanfang 2008 über 100.000 Euro. Nehmen wir weiter an, es gäbe den DAX als Aktie, so daß ein DAX-Punkt einem Euro entspräche und daß die Bank pro Transaktion 0,5 Prozent des Transaktionswertes in Rechnung stellen würde.

Nun konstruieren wir zwei Fälle:

Der Investor wäre am Jahresanfang 2008 in den DAX eingestiegen. Nun hätte er gemäß der Dow-Theorie aufmerksam den 200-Tage-Durchschnitt beobachtet. Er hätte „den DAX“ verkauft, wenn der Index unter den 200-Tage-Durchschnitt gefallen wäre. Er hätte zu 100 Prozent Liquidität gehalten, solange „der DAX“ unter dem 200-Tage-Durchschnitt gelegen hätte und er wäre wieder eingestiegen, wenn er wieder über den 200-Tage-Durchschnitt gestiegen wäre. Er hätte außerdem darauf geachtet, nur dann aktiv zu werden, wenn der Index sich mindestens drei Tage hintereinander über oder unter der 200-Tage-Linie gehalten hätte. Darüber hinaus hätte er bei dem 200-Tage-Durchschnitt ein Prozent nach oben bzw. unten zugegeben, um die Anzahl der zufälligen Abweichungen zu verringern. Immerhin werden bei jeder Transaktion Gebühren fällig, die den Ertrag schmälern, was zu ordentlichen Summen führen kann. Auf diese Art und Weise hätte der Investor bis zum 30. April 2013 operiert.

Und im anderen Fall hätte der Investor Anfang 2008 „den DAX“ gekauft und ihn bis Ende April 2013 einfach behalten.

In der nachfolgenden Grafik erkennen wir,was aus den 100.000 Euro geworden wäre. Das Ergebnis ist äußerst beachtlich. Der Buy-and-Hold(BuH)-Investor hätte sein Kapital nicht mehren können, er hätte sogar einen kleinen Teil eingebüsst. Der Market Timer(MT) dagegen hätte bei Befolgung seiner relativ einfachen Kauf- und Verkaufsregeln in den betrachteten Fünf Jahren und drei Monaten über 44 Prozent hinzugewinnen können.

Kapitalkurve

Es lohnt sich, zu analysieren, wie dieser Gewinn zustande gekommen ist. Man erkennt, daß der Abstand vor allem dann gewachsen ist wenn die Kurse stark gesunken sind. In diesem Fall war der BuH-Investor im Markt, während der MT-Investor durch relativ frühzeitiges Erkennen des Abwärtstrends diesen vermeiden konnte. Darüber hinaus konnte der Market Timer mit seinem Kapital zu deutlich tieferen Kursen einsteigen und somit auch grössere Stückzahlen realisieren. Ihm kam außerdem zugute, daß die vorherrschenden Trends so eindeutig waren, daß nur wenige Fehlsignale entstanden. Dies war einmal wegen der insgesamt nicht sehr hohen Volatilität. Und zum anderen war das deswegen möglich, weil der 200-Tage-Durchschnitt statistisch wesentlich stabiler ist als kurzfristige gleitende Durchschnitte. Wenn der Markt effizient ist und die am Markt bekannten Informationen eingepreist sind, dann gilt dies erst recht, wenn man die Preisbewegungen von zweihundert Börsentagen betrachtet. Dies bringt es andererseits aber mit sich, daß Signale häufig erst verspätet erzeugt werden.

Zurück zu unserem Experiment, es wurden folgende Transaktionen getätigt:

Transaktionen

Dabei waren keineswegs alle Trades Gewinntrades; dreimal hat der MT mit Gewinn-, zweimal mit Verlust verkauft. Doch die Verluste hielten sich , wenn sie anfielen, sehr in Grenzen, wohingegen deutliche Zugewinne bei den Gewinntrades realisiert wurden. Diese Zugewinne resultierten außer durch Kurszuwächse pro Aktie auch durch Mengenzuwächse; denn das frühzeitig gesicherte Kapital konnte in diesem Fall aufgrund der stark gesunkenen Kurse für eine höhere Stückzahl eingesetzt werden. Man kann daraus generell ableiten, daß das Halten von Liquidität im Prinzip gleichbedeutend ist mit einer Spekulation auf fallende Kurse. Ein Gewinn entstand 2008-2013 vor allem daraus, wenn diese Spekulation sich bewahrheitete. Volkswirtschaftlich gesehen ist so etwas sehr problematisch; denn wenn die Investoren mehrheitlich weiter fallende Kurse bzw. Gewinne erwarten, dann werden sie auch dann nicht einsteigen, wenn sie ihre Investition günstig finanzieren könnten. Die keynesianische Wirtschaftstheorie bezeichnet dies als „Liquiditätsfalle“,die dann entsteht, wenn eine monetär expansive Entwicklung nicht auf die Realwirtschaft übergreift.

Kann man daraus ableiten, dass Market Timing grundsätzlich erfolgreicher ist als Buy and Hold? Nicht unbedingt. Denn in einer Seitwärtsphase würde das Überschreiten der 200-Tage-Linie zu einem Einstieg führen, aus dem dann leicht ein Verlust wird, wenn die Kurse die Gegenrichtung einschlagen. In sehr volatilen Märkten kommt es außerdem leicht zu Fehlsignalen. Zu Fehlsignalen kommt es auch eher, wenn man kürzerlaufende Trendlinien verwendet, die Verzögerung gegenüber der Marktentwicklung ist bei Kurzfristtrendlinien aber nicht so groß. Es mag banal klingen, aber in Marktphasen, die durch starke Trends gekennzeichnet sind, ist der Trend tatsächlich unser Freund – wenn wir ihn erkennen und befolgen, was er uns sagt.

Tokay

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