DAX-Betrachtung: Ist der Aktienmarkt überbewertet ?

Ein Gastkommentar von Tokay

Der DAX hat seit Jahresanfang eine rasante Aufwärtsbewegung vollzogen. Er tat dies für uns nicht überraschend – bereits Ende letzten Jahres hatten wir im Artikel -> Ein schwieriges Jahr ist fast überstanden <- eine markante Aufwärtsentwicklung als reale Möglichkeit in Betracht gezogen. Diese Entwicklung ist eingetreten. So erfreulich sie auch ist, so sehr stellt sich doch die Frage, ob es in 2015 munter so weitergehen wird.

Betrachten wir dazu die erste Grafik:

DAX Entwicklung seit 01.06.2011

Die Aufwärtsentwicklung seit Herbst 2011 wurde bislang stets begrenzt durch die Linie AB. Diese Aufwärtsbewegung wurde an Punkt D nach oben durchbrochen. Sie wollte sich sozusagen nicht mehr an diese Trendlinie halten. Angesichts der enormen positiven makroökonomischen Einflüsse, die seither auf den Aktienmarkt eingewirkt haben, allen voran die beschleunigte monetäre Expansion seitens der EZB, ist dies auch keine Überraschung. Die Untergrenze wird markiert durch die 9000er-Marke, die in 2014 mehrfach getestet wurde. Das Unterschreiten von Punkt C mit dem Fake-Out vom Spätherbst 2014 an stellt aus heutiger Sicht eine eher theoretische Möglichkeit dar.

Wir sehen hier ganz typisch, daß es Momente gibt, an denen dem Markt irgendwelche technischen Konstellationen egal sind. Jeder, der auch nur ein bißchen Ertrag erzielen möchte, muß ins Risiko gehen, egal wie sehr die Kurse auch schon gestiegen sein mögen. Man wird von den Notenbanken regelrecht dazu gezwungen.

Auffällig ist in jedem Fall, dass wir seit dem Fake-Out bei ca. 8.500 Punkten einen Anstieg von bislang über 40 Prozent gesehen haben - und das nur gerechnet auf ein halbes Jahr! Selbstverständlich hat es in der Realwirtschaft keine entsprechenden Anstiege in der Gewinnentwicklung gegeben. Doch die derzeitigen Gewinne werden aufgrund der derzeitigen EZB-Politik praktisch nicht abdiskontiert, also steigt deren Gegenwartswert und steigen damit die Kurse. Zugleich wird die Anlage in deutsche bzw. in europäische Unternehmen als weniger riskant erachtet – somit sinken die entsprechenden Risikoaufschläge und steigen die Bewertungsmultiplikatoren. Geld zum Investieren ist genug da.

Dennoch sind die Kurse schon recht weit voraus gelaufen. Nimmt man die Linie ABD und extrapoliert sie auf das Jahresende, dann landet man ziemlich genau bei 12.000 Punkten. Gegenwärtig sind wir bereits bei fast 12.400 Punkten – Luft nach oben gibt es also eigentlich nicht mehr. Und nimmt man den exponentiellen Trend seit Juni 2011, dargestellt durch die gestrichelte Linie, dann landet man ebenfalls bei etwa 12.000 Punkten zum Jahresende.

Doch Vorsicht – Mr. Market ist ein schwankender Geselle. Es wäre ihm zuzutrauen, dass er sich für geraume Zeit von seinem längerfristigen Wachstumspfad entfernte. Schauen wir dazu auf die nachfolgende Grafik:

DAX lfr Entwicklung seit 1965

Wir sehen hier die Entwicklung der letzten 50 Jahre. Anhand einer exponentiellen Trendfunktion war in dieser Zeit ein langfristiges Wachstum von etwa 7,5 Prozent jährlich zu erwarten, was ökonomisch gesehen ein durchaus plausibler Wert ist. Leitet man aus diesem Wert die Prognosewerte für die Entwicklung des DAX ab, dann erkennt man, wie stark der „theoretische“ DAX vom tatsächlichen DAX abgewichen hat. Diese Abweichung wird sichtbar anhand der gelben Linie. Diese zeigt die prozentuale Abweichung zwischen Wochenschlusskurs (Weekly Close) und Prognosewert.

Dabei sehen wir etwas Interessantes. Nimmt man den exponentiellen Trend zum Maßstab, dann gab es mehrere Phasen der Überbewertung. In den sechziger Jahren war der DAX über längere Zeit deutlich überbewertet – so wäre die Baisse in den Jahren 1973 und 1974 zu erklären. Von 1996 bis 2000 hat es eine lange Überbewertung mit langer nachfolgender Baisse gegeben. Auch damals war die Geldpolitik über längere Zeit expansiv, manche sagen zu expansiv, und auch hier schloss sich eine längere Baisse an. Ähnliches in den Jahren 2006 und 2007 mit einer Baisse bis ins Frühjahr 2009 hinein.

Derzeit sieht es so aus, als könnte eine neue und möglicherweise länger anhaltende Überbewertung starten. Seit Februar sind Kurse zu beobachten, die mehr als zwanzig Prozent über den „Normverlauf“ hinausgehen. Eine Überbewertung ist für sich genommen noch kein Alarmsignal. Sie entwickelt sich und sie kann andauern. Überbewertungen sind nichts anderes, als in Zahlen gegossene Euphorie. Es ist allerdings nicht vorstellbar, dass eine solche Euphorie der EZB entgeht und man darf gespannt sein, wann und in welcher Form sie reagieren wird. Denn eine Euphorie kann und wird früher oder später in der Realwirtschaft ankommen und unerwünschte Entwicklungen in Gang setzen. Wenn wir uns den Immobilienmarkt in den Ballungsräumen in Deutschland anschauen, so haben wir dort eine solche Entwicklung bereits heute. Jedoch die EZB beobachtet den gesamten Euroraum und nicht nur die Entwicklung in Deutschland. Und im Euroraum ist die Entwicklung mittlerweile zwar recht gut, aber noch nicht überschäumend.

Noch haben wir keine allzu starke Überbewertung. Als die 2000er Blase platzte, waren die Kurse den Prognosewerten bereits mehr als das Doppelte vorausgelaufen. Auch Ende 2007 lagen sie fast fünfzig Prozent über dem theoretisch zu erwartenden Wert, wie wir in der Grafik sehen. Im Moment haben wir eine Abweichung von knapp dreißig Prozent und insofern noch ein bißchen Luft nach oben. Aufgrund der derzeitigen Zinspolitik sind die derzeitigen Bewertungen durchaus noch gerechtfertigt.

Aber wir müssen natürlich damit rechnen, nicht für unbegrenzte Zeit in der besten aller Welten leben zu können. Tiefe Ölpreise, tiefe Zinsen, ein schwacher Euro, stabile Gewinne – dieser Zustand wird irgendwann einmal der Vergangenheit angehören. Vorerst ist er noch Gegenwart. Die Tarifabschlüsse beispielsweise ziehen bereits wieder an. Das wird auf die Preisentwicklung und damit auf die Zinsen drücken.

Es würde nicht verwundern, steuerte der DAX noch auf die 13.000er Marke zu. Aber ebenso würde es nicht verwunden, machte er oberhalb dieser Marke halt und konsolidierte oder träte den Rückwärtsgang an.... Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Tokay

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