Will man den ganzen Wald sehen, muss man aus ihm heraus treten und ihn von einem nahe gelegenen Hügel betrachten. Andernfalls würde man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.
Will man den Charakter eines Marktes verstehen, helfen viele bunte Linien und Details eher wenig. Das grosse Bild erschliesst sich eher aus der Ferne und in der Beschränkung auf das Wesentliche.
Schauen wir auf das grosse Bild des DAX im Chart seit 2009 mit Wochenkerzen, sehen wir einige klare Aussagen:
1.
Das Momentum ist gewaltig und hat historische Ausmasse angenommen. Das diese Entwicklung mit den Notenbanken zusammen hängt, ist für Marktbeobachter offensichtlich und kann man auch nachweisen, wenn man die Effekte der Notenbankpolitik im Detail analysiert.
Wir sind Zeitzeugen eines historisch einmaligen Experiments. Und offensichtlich ist, dass in den Asset-Märkten - im Gegensatz zu den Waren-Märkten - die Inflation schon längst angekommen ist.
2.
Der DAX hat sich nun so weit vom 200-Wochen-Durchschnitt entfernt, wie nie in den letzten Jahren. Damit steigen auch die Risiken immer weiter. Aber - ein Markt auf Steroiden kann das Gummiband noch viel weiter dehnen, als wir uns alle vorstellen können und unser Depot aushält, wenn wir auf der falschen Seite des Marktes stehen.
Vielmehr ist es so, dass derartiges Momentum immer wieder neue Käuferscharen anzieht, die wiederum die Kurse treiben. Dieser Feedback-Zyklus geht so lange, bis der letzte potentielle Käufer eingestiegen ist und dann gibt es ein böses Erwachen.
Aber nichts in diesem Chart gibt das zwingende Signal, das dieser Zeitpunkt nun da ist. Nein, der DAX kann durchaus zum Jahresende/Jahresanfang 2014 bis 10.000 steigen. Das ist nicht sicher und ungesichert darauf zu wetten, ist keine gute Idee. Aber es ist auch keineswegs unmöglich.
3.
Da das Risiko immer weiter steigt, gleichzeitig aber die Tendenz des Marktes klar nach oben zeigt, bleibt uns als Anleger keine Wahl. Wir müssen auf dieser Party tanzen, um mit der Performance der Indizes mitzuhalten. Wir müssen aber gleichzeitig den Notausgang jederzeit im Blick haben. Denn wenn die Wende kommt, wird sie schnell und schmerzhaft sein.
Nehmen Sie sich den Verlauf im August 2011 als warnendes Vorbild. Da ist der Markt im wahrsten Sinne des Wortes "über die Klippe" gegangen. Nur weiss niemand, ob dieser Tag schon heute, morgen oder erst in 2014 oder noch später kommt.
4.
Ein Markt auf Steroiden geht und geht und geht und geht ....... bis er plötzlich mit Herzinfarkt umkippt. Normale Mechanismen von Angebot und Nachfrage wirken hier nicht mehr, wie man es gewohnt ist. Weswegen normale Analysemethoden auch falsche Signale generieren. Schauen Sie im Chart alleine mal, wo sich der RSI seit einem Jahr bewegt. Das ist beeindruckende Stärke, während die reale Welt-Wirtschaft bestenfalls so "lala" vor sich hin dümpelt.
So weit zum grossen Bild des Waldes.
Heute Abend um 19 Uhr kommt das FED Statement. Und der Markt geht ganz fest davon aus, dass ein "Tapering" in 2013 nicht mehr stattfinden wird. Davon abweichende Aussagen könnten ein Katalysator für eine Wende sein. Und "FED-Days" haben sowieso einen Trackrecord, für bedeutende Marktwenden gut zu sein.
Darauf wetten würde ich aber nicht. Die FED ist in Ihrer eigenen Politik gefangen und auch ich rechne nicht damit, dass wir so bald eine Reduktion des Stimulus erleben, wenn überhaupt.
Aber - "you never know" - und deshalb kann es sicher nicht schaden, rund um das FED Statement etwas mehr Vorsicht walten zu lassen. Zu enge Stops machen heute auf jeden Fall keinen Sinn, denn die Volatilität dürfte heute Abend wieder hoch sein.
Ansonsten denken Sie bitte daran, dass es keinen Sinn macht, sich mit seinem Depot vor eine Dampfwalze zu stellen. Man wird platt gewalzt. Und ja, ich kenne all die Argumente genau, die dafür sprechen, dass mit einer baldigen Korrektur zu rechnen ist.
Aber diese Argumente sind offensichtlich und das Offensichtliche macht Mr. Market ungern. Und selbst wenn die Korrektur genau heute kommen sollte, ist es früh genug auf die andere Seite des Marktes zu wechseln, wenn die ersten Einschläge sichtbar werden. Jetzt aber blind gegen einen Markt mit so einem Aufwärts-Momentum zu wetten, macht eher keinen Sinn. Geld kann man nur mit dem Markt verdienen und nicht gegen ihn. Und schon gar nicht, in dem man sich einbildet, klüger als all die anderen Marktteilnehmer zu sein.
Ihr Hari
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1 Gedanke zu „Der DAX, sein Momentum und der 200er Durchschnitt“