Der Ankereffekt und unser „Affenhirn“

Der folgende Artikel erschien im Premium Bereich am 19.02.19. Er wurde nur minimal umgestellt, um Referenzen zu bereinigen, die nur im Premium-Bereich bekannt sind.

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Gerade am Anfang, beim Einstieg in ein Wissensgebiet, haben die einfachsten Erkenntnisse und Regeln den größten Effekt. Auch bei Mr-Market kommen immer wieder neue Mitglieder dazu, die von einer lange Anlagegeschichte erzählen, in der sie auf keinen grünen Zweig gekommen sind.

Auch wenn diese Mitglieder sich vielleicht schon 20 oder 30 Jahre mit der Börse beschäftigen, sind sie dann faktisch Anfänger, wenn sie nie einen erfolgreichen Zugang zum Markt gefunden haben. Und die Bereitschaft sich so zu sehen und sozusagen mal einen gedanklichen Reset zu machen, erleichtert dann, einen eigenen Erfolgspfad zu finden.

Der Klassiker sind dabei Anleger, die sich seit 2009 nicht in den Markt getraut haben und jetzt nach 10 Jahren wieder langsam damit warm werden - wo doch jetzt das Chance/Risiko-Verhältnis definitiv schlechter ist, als noch 2009. Aber auch Anleger sind der Klassiker, deren Depot aus "Dauergurken" besteht, alles "Falling Angels" die in der Vergangenheit mal toll waren, dann vermeintlich mit "Rabatt" gekauft wurden, aber seitdem nie mehr auf die Beine gekommen sind.

Diese Klassiker des Verhaltens haben einen gemeinsamen Nenner und das ist der -> Ankereffekt in der Psychologie <-, eine der fiesesten Ausprägungen dessen, was wir hier etwas provozierend unser evolutionäres Affenhirn nennen.

Ich sage Ihnen klar und deutlich: Wenn Sie das, was ich Ihnen nun sage und zeige, akzeptieren und Ihr Handeln tatsächlich ändern können, wird sich Ihr Anlageerfolg alleine deswegen, ohne großen Aufwand deutlich verbessern!

Erfolg mit einem Fingerschnippen, das wollten Sie doch schon immer, oder? Den gibt es natürlich nie, aber die folgende Erkenntnis kann Ihnen trotzdem sehr helfen.

Sie werden aber sehen, dass das gar nicht so einfach ist, sich im Mindset umzustellen, denn der "Affe" in uns tobt und tobt und da der "Affe" evolutionärer Teil von uns ist, werden Sie ihn auch nie wirklich loswerden. Ihre Aufgabe ist, seine Fehleinschätzungen zu erkennen und in Zukunft zu vermeiden.

Was sagt der Ankereffekt also theoretisch? Ich zitiere leicht umgebaut die Wikipedia:

Menschen werden bei bewusst gewählten Zahlenwerten von momentan vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst wird. Die Umgebungsinformationen haben Einfluss selbst dann, wenn sie für die Entscheidung eigentlich irrelevant sind. Die Folge ist eine systematische Verzerrung in Richtung des Ankers.

Hört sich sehr theoretisch an? Nun dann machen wir es mal konkret. Atmen Sie tief durch und lassen Sie den Affen in sich frei. Schauen Sie auf die Charts und sagen Sie instinktiv, ob Sie da ohne Nachzudenken eher eine Chance oder ein Risiko sehen:

Das sind alles instinktiv Chancen, weil das Aufholpotentiel so hoch ist, oder? Es sind übrigens Nvidia (NVDA), General Electric (GE) und Bausch Health Corp (BHC), ehemals Valeant.

In allen drei Fällen schreit uns das Chart geradezu an, dass das eine Chance sei. Und das liegt *nur* an dem Anker der alten Hochs. Weswegen das Chart von GE hier auch am wenigsten schreit, weil die Vergangenheit nicht ganz so glorios aussieht.

Machen Sie sich auch mal den Spaß und gucken Sie sich die drei Aktien auf kürzeren Zeitebenen an, so dass die "glorreiche Vergangenheit" nicht mehr sichtbar ist. Die Wirkung ist gleich eine ganz andere.

Die Vergangeheit ist aber kein Maßstab, wie vielen Anlegern die Telekom schmerzhaft beigebracht hat, die seit nun bald 20 Jahren im Depot dümpelt, die Hoffnung auf alte Zeiten stirbt zuletzt. 😉

Tja und dann schauen wir auf diese drei Aktien:

Und das sind alles instinktiv Risiken, weil die Fallhöhe so immens ist, oder? Es sind übrigens, Boeing (BA), Abbott Labs (ABT) und Paypal (PYPL).

Spüren Sie, wie der Affe an Ihnen zieht und in welche Richtung? Fällt es Ihnen nicht viel leichter, einer der stark gefallenen Aktien zu kaufen, als eine der stark gestiegenen?

Wenn man viel Übung hat, erfahren ist und sich dessen bewusst ist, hat man das vielleicht im Griff. Einen Anfänger aber, überwältigt zuverlässig die Gier nach der vermeintlichen Chance, die da durch die alten Vergangenheitshochs indiziert wird. Und so eine starke Aktie wie im zweiten Teil, traut man sich nicht mehr zu kaufen.

Genau das ist der Ankereffekt und dem immer reflexartig zu folgen ist *FALSCH*. Eindeutig *FALSCH*, keine Einschränkung, kein Aber!

Denn die Realität ist, dass sich eine bestehende Bewegung am Markt viel öfter fortsetzt, als dass sie dreht. Das nennt man auch "Trend" und das Prinzip Stärke zu kaufen, habe ich vielfach beschrieben, so auch in -> Handelsstrategie Stärke kaufen <-.

Einen genauen Prozentsatz kenne ich natürlich nicht, aber es liegt Wahrheit in der folgenden Daumenregel:

Eine schwache Aktie bleibt mit 2:1 schwach und eine starke Aktie mit 2:1 stark.

Statistisch wird also eine der drei genannten schwachen Aktien positiv nach oben drehen, wenn ich raten müsste würde ich auf NVidia tippen. Die anderen beiden aber eher nicht!

Und statistisch wird eine der drei genannten starken Aktien irgendwann wegkippen, wenn ich raten müsste, dürfte bei Boeing das Risiko am Größten sein. Die anderen beiden aber eher nicht!

Heisst umgedreht, die Entscheidung starke Aktien zu kaufen, wird langfristig (auf der gleichen Zeitebene wie das Chart) mit 2zu1 zu besseren Ergebnissen führen, als schwache Aktien zu kaufen! Punkt, erneut kein Aber!

Der Affe mit dem Ankereffekt, treibt uns aber sofort in die Gegenrichtung und damit in die statistisch falsche Entscheidung. Er verleitet uns dazu Gurken zu kaufen und die starken Gewinner links liegen zu lassen, weil die ja vermeintlich zu weit gelaufen sind.

Jetzt muss man aufpassen und darf sich nicht an Einzelfällen aufhängen. Ein Verhältnis 2zu1 heisst immer noch, dass in einem Drittel der Fälle auch eine schwache Aktie dreht. Natürlich gibt es das und eine starke Aktie kann plötzlich empfindlich einbrechen. Auch NVDA war mal stark und ist dann doch eingebrochen.

Auch muss man beim Zeithorizont aufpassen, Auch schwache Aktien wie GE, können auf niedrigeren Zeitebenen durchaus Stärke haben. Dann gilt auch hier die Stärkeregel, aber eben *nur* für den untergeordneten Zeithorizont. Es ist und bleibt absolut elementar, sich bei allen Aussagen -> den Zeithorizont klar zu machen <-.

Es geht hier also nur um Statistik und unsere gedankliche Grundeinstellung.

Diese Grundeinstellung ist aber fatal, denn sie verleitet uns dazu starke Aktien zu unterschätzen und schwache Aktien zu überschätzen.

Wenn es uns gelingt, das durch Reflektion zu erkennen und abzustellen, werden unsere Anlagerergebnisse mit einem Fingerschnippen besser werden.

Und übrigens, dieser Ankereffekt begegnet uns überall. Gerade bei Rabatten wird diese Schwäche gnadenlos ausgenutzt. In dem man ein Schild mit einem hohen Preis hinstellt, den durchstreicht und einen niedrigeren Preis daneben schreibt, wird im Affen in uns dieser Effekt ausgelöst und wir in objektiv zu teure Käufe getrieben. Das funktioniert perfekt, sonst würde es die Industrie nicht machen.

Aber eben auch an der Börse wirkt dieser Mechanismus, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Wer in seinem alten Depot zu viele "Gurken" mit glorioser Vergangenheit aber trauriger Gegenwart hat bzw hatte, ist eindeutig Opfer dieses Effekts und nicht besser, als der Rabattgetriebene am Grabbeltisch, von dem man sich so gerne abhebt.

Stellen wir uns dieser Wahrheit, dann werden unsere Ergebnisse besser. Verweigern wir diese Erkenntnis und wir bleiben dazu verdammt, nur schwer auf einen grünen Zweig am Markt zu kommen.

Amen 🙂

Ihr Hari

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