Der Knoten im Kopf


Den folgenden Artikel, der sich um unsere psychologischen Probleme bei der Geldanlage dreht, habe ich für die Mitglieder am 28. Januar diesen Jahres geschrieben.

Sie wissen, wie es danach an den Märkten weiter gegangen ist, eine gewaltige Rally geriet in Bewegung, die in den US Indizes bis zu Allzeithochs geführt hat. Als ich das damals geschrieben habe, war das aber noch eine unbekannte Zukunft.

Insofern ist es nun aber ein halbes Jahr später besonders spannend und lehrreich, sich diesen Artikel und die Prinzipien darin vor Augen zu führen. Und sich klar zu machen, was passiert wäre, wenn man so agiert hätte.

Ich wünsche viel Spaß und gute Erkenntnisse!

Ihr Michael Schulte (Hari)

------------------

Wir erleben gerade wieder ein fieses "V" des Marktes und mir ist völlig klar, dass auch einige zu spät ausgestiegen sein dürften und nun im Anstieg wieder zu lange gezögert haben.

Das ist bei Menschen fast garantiert, weil unsere Gehirne eben sind wie sie sind. Und trotzdem oder gerade deswegen, rede ich so oft darüber, weil ich Sie darüber hinweg bringen will. Die Lösung hat aber nur sekundär mit Techniken zu tun, sondern vor allem mit Selbsterkenntnis.

Und weil wir Menschen uns ungern der Wahrheit stellen, dass unser wahres Problem uns im Spiegel anstarrt, kommen dann gerne Sätze wie dass "Timing ja nicht funktioniert" oder "Hin und Her macht Taschen leer". Sorry - Bullshit!

Das was nun kommt, habe ich schon x-fach geschrieben, es ist aber immer wieder nötig. Ich bin sicher, auch jetzt wieder nach diesem Artikel, wird es bei der nächsten Korrektur wieder bei einigen schiefgehen - hoffentlich aber bei weniger Lesern. 🙂

Der Klassiker, den einige von Ihnen sicher in den letzten Monaten erlebt haben, ist doch, dass man seit Anfang Oktober trotz meiner klaren Aussagen lange gezögert hat, ob man nun verkaufen soll. Irgendwann - potentiell zu spät - hat man es dann getan.

Dann hat man seit dem bullischen Aufschlag des 26.12.18 aber wieder lange gezögert, ob man nun wieder einsteigen soll. Irgendwann - potentiell zu spät - hat man es dann getan.

Und der Saldo beider Aktionen ist negativ. Uff! Timing ist Scheiße. 😉

Nein, ist es nicht. Wer diesen Ablauf hatte, hat sich ganz klassisch selber auf dem Fuß gestanden. Überlegen Sie doch bitte mal, *was genau* Sie in beide Richtungen hat zu lange zögern lassen! Was war es?

Hmm? Kommen Sie darauf? Das ist nun ganz, ganz wichtig!

Die Antwort ist glasklar: Es war der Gedanke was morgen passiert. Es war die Angst, jetzt etwas zu machen, was sich morgen schon wieder umdreht. Es war die Unsicherheit, ob die Bewegung (erst Absturz, dann Rally) noch lange weiter geht. Es war die Angst, etwas Falsches zu machen.

Unser Kopf war also schon wieder als Glaskugel unterwegs und hat sich um ungelegte Eier gesorgt!

Reflexartig und instinktiv, haben wir unser Handeln von dem abhängig gemacht, was vielleicht in der Zukunft passiert! Nicht vom "Hier und Jetzt", von der Angst um die Zukunft! Und genau das ist unser Affenhirn, so ist es gepolt, es erfordert immense Energie das zu erkennen und noch mehr um es abzustellen.

Was aber passiert, wenn man es abstellt, kann man leicht sehen, wenn man einer klaren Strategie mit definierten Triggern folgt. Eine sehr einfache Strategie, habe ich heute schon mit der 50-Tage-Linie als Trigger gezeigt:

Ausstieg und Einstieg sind markiert, in der Mitte war einmal ein "Fakeout", bei dem man ein- und gleich wieder ausgestiegen ist.

In Summe hat diese sehr simple Strategie aber einen Vorteil generiert, ein Alpha zum Markt also!

Wenn wir uns diese Strategie nun mal als realen Mensch vorstellen, frage ich Sie:

Hat dieser "Strategie-Mensch" im Oktober lange gezögert zu verkaufen, weil es ja vielleicht bald wieder drehen könnte? Nein!

Hat dieser "Strategie-Mensch" im November lange gezögert zu kaufen, weil es ja vielleicht wieder runter gehen könnte? Nein! Als es sofort wieder runterging, wurde halt wieder verkauft. So what?

Hat dieser "Strategie-Mensch" nun im Januar lange gezögert zu kaufen, weil es ja vielleicht wieder drehen könnte? Nein! Warum auch, man kann doch wieder verkaufen?

Sehen Sie den Unterschied? Der Unterschied ist, dass hier nur im "Hier und Jetzt" agiert wurde und die Angst was morgen passiert, kein Kriterium bei der Entscheidung ist.

Und da liegt unser Problem als Menschen, da liegt potentiell *ihr* Problem, zumindest bei einem Teil von Ihnen wird das zutreffen.

Dieses Problem müssen wir akzeptieren, bevor wir es einer Lösung zuführen können. Wenn wir es nicht akzeptieren, sind wir dazu verdammt, das immer wieder so zu machen und immer wieder zu spät dran zu sein, weil wir immer zu lange zögern.

Das ist der Knoten im Kopf, den ich so gut kenne. Und ich weiss, dass trotz meiner vielen Worte, auch trotz dieses Artikels, es doch in der nächsten Korrektur wieder passieren wird. Nicht bei allen die das nun lesen - wir sind lernfähig - aber leider immer noch bei zu vielen.

Es ist letztlich der instinktive Versuch unseres Affenhirns die Zukunft zu erraten, der uns hier im Weg steht und uns am Markt Knüppel zwischen die Beine wirft.

Böse Zungen könnten sagen, wir begehen am Markt Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Wir haben so Angst davor Verlust zu generieren, dass unser ängstliches Zögern erst Verluste erzeugt!

Auch deshalb ist das Prinip des Setups so wichtig, weil man beim Einstieg damit bewusst den potentiellen Verlust akzeptiert und sich im Kopf damit frei macht, die Chancen überhaupt zu suchen.

Wie können wir das Problem lösen?

Eigenständig, frei und diskretionär zu agieren, können wir uns nur erlauben, wenn wir psychologisch in der Lage sind, in so Situationen diesen angstvollen Reflex "die Zukunft zu erraten" abzustellen. Nur dann können wir weiter diskretionär agieren, also aus freier Entscheidung, ohne uns einer festen Regel zu unterwerfen. Ich denke es ist realistisch zu sagen, dass das nur eine Minderheit schaffen wird, das ist wirklich nicht leicht.

Wenn wir wirklich psychologisch so weit sein sollten, sollten wir uns an die Regel "if panic, panic first" gewöhnen. Oder auch das Prinzip "Strong Opinions, weakly held".

Heisst wir zögern nie lange und wenn bestimmte Trigger kommen agieren wir, sind aber auch bereit, unser Agieren sofort wieder zu beenden, wenn es sich als falsch herausstellt. Wir ergreifen also Chancen und sichern diese ab, das Denken eines Traders. Das funktioniert, allerdings nur mit geringen Handelskosten - ein anderes, aktuelles Thema.

Wenn wir uns dazu aber psychologisch noch nicht in der Lage sehen, wenn wir doch immer von der Angst im Griff behalten werden und deswegen zu zögerlich sind, im Abstieg wie im Aufstieg, müssen wir uns zwingend einem Regelwerk unterwerfen, dass die Entscheidungen für uns trifft. Mit der simplen 50-Tage-Linie habe ich Ihnen oben gezeigt, dass es kein Hexenwerk braucht, um aus einer Korrektur einen Vorteil zu ziehen. Man muss es nur konsequent so tun!

Was aber garantiert zu Verlusten führt, so oder so, ist die eigene Handlung davon abhängig zu machen, was man für die Zukunft befürchtet! Leider sind wir evolutionär genau so "verdrahtet", weswegen es Energie kostet, sich darüber zu erheben.

Ich kann nur eindringlich sagen: Tun Sie es und lösen Sie den Knoten im Kopf! Oder unterwerfen Sie sich klaren, vordefinierten Regeln. Beide Wege funktionieren, sich von Zukunftsängsten treiben lassen, funktioniert dagegen am Markt definitiv *nicht*!

So .... und nun habe ich einen Test für Sie.

Sie haben diesen Mindset erreicht .....

...... wenn Sie *jetzt* - genau jetzt, Ende Januar 2019, an einem Punkt an dem der Markt schon überkauft ist - schulterzuckend und gelassen einsteigen und Chancen ergreifen können, weil Sie wissen, dass Sie ja einfach wieder aussteigen können, wenn es doch nach unten rollt. Weil Sie wissen, wie viel Sie für die Chancen zu riskieren bereit sind und wenn das Verhältnis gut aussieht, Sie es einfach ohne zu Zögern machen.

Ich sage nicht, dass Sie das jetzt *sollten*, es ist nur ein Gedankenexperiment, die Frage nämlich: Könnten Sie das jetzt, ohne sich Sorgen zu machen? Es gibt doch keinen Grund für Sorgen, weil der theoretische Verlust ist doch faktisch definiert, wenn man nun ein Setup hat. Man weiss also, worauf man sich einlässt.

Ich frage erneut: Könnten Sie das?

Wenn ja, können Sie diskretionär (frei) handeln. Wenn nein, müssen Sie an sich arbeiten, oder sich einer vordefinierten Strategie unterwerfen, die ihnen Aus- und Einstieg vorgibt.

Auf dass Sie nie wieder (richtig) Aussteigen, nur um dann das Einsteigen doch zu vergessen.

Denn am Ende sind wir hier, weil wir *im* Markt sein wollen und nicht draussen. Ein Ausstieg ist also immer ein Timingversuch, um tiefer wieder reinzukommen. Man sollte also nie herausgehen, ohne ein Bild davon zu haben, wann man wieder dabei sein will.

Amen. 😉

Ihr Hari

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

Schreibe einen Kommentar