Der Messerträger, die Glatze und das Gesicht des Chinesen

Der folgende Artikel erschien im September 2018 im Premium-Bereich und thematisiert unsere menschliche Mustererkennung und was das für uns als Anleger bedeutet.

Der Inhalte wurde nur marginal um interne Referenzen und den Einstieg angepasst, der sich nur aus Kenntnis von Foreneinträgen des Premium-Bereiches ergeben würde. Ansonsten steht er Ihnen hier nun unverändert zur Verfügung:

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In diesem Artikel geht es um die Mustererkennung, die in unserer Gesellschaft gerne als "Bauchgefühl" abgewertet wird, dem die "hochwertigere", analytische "Ratio" gegenüber steht. Das sind Denkstrukturen, wie sie in technischen Berufen trainiert werden, die aber an der Börse eher hinderlich sein können und auch nicht der Realität entsprechen.

Um das zu erklären, werde ich hier einen weiten Bogen von der Savanne, über die aktuelle, politische "Rassismus-Diskussion", bis hin zu Setups in Charts schlagen. Denn das Erstaunliche ist, dass die Musterkennung einer der, wenn nicht sogar *DIE* beeindruckendste Geistesleistung von uns Menschen ist und trotzdem wird sie von kaum jemandem verstanden und auch nicht thematisiert. Die Einen pflegen lieber den Glauben an eine objektive Rationalität, die aber kaum jemand von uns je hat und die anderen graben im Esoterischen nach "Bauchgefühlen" und "höheren Eingebungen", die in der Regel auch ganz profane Ursachen haben.

Was da aber wie ein Elefant im Raum in der Mitte steht, ein Elefant den die Gesellschaft praktisch nicht erkennt, ist die Mustererkennung und die daraus resultierende, instinktiv schnelle Einordnung von Situationen, die als zentrale, evolutionär immens wichtige Fähigkeit, unser Verhalten im Leben in hohem Maße beeinflusst.

Machen wir eine Rückblende 100.000 Jahre nach Afrika. Da sind unsere Vorfahren in der Savanne und da sind auch Löwen und alle streiten sich um die selben Wasserlöcher. Und die natürliche, evolutionäre Selektion ist noch massiv am Werk, nur der Mensch kann seine Gene weitergeben, der nicht schon in jungen Jahren stirbt. Denn sterben kann man nicht nur an Krankheiten, sondern auch daran einen Löwen nicht erkannt und ihm nicht weit aus dem Weg gegangen zu sein.

Weil das so ist, sind Menschen besonders wachsam was Löwen angeht und wenn man aus Erfahrung oder von den Eltern gelernt hat, dass an einem Wasserloch sich immer wieder Löwen einfinden, wird man sich diesem nur äusserst vorsichtig nähern.

Aber schon so nahe ans Wasserloch zu gehen, dass man einen Löwen im Gebüsch perfekt sehen kann, ist viel zu gefährlich. Also haben kluge Menschen schon damals sich nach Indikatoren gerichtet, die signalisieren dass da wohl ein Löwe sein könnte. Und wenn die anschlugen, ging man nicht hin, auch wenn der Indikator immer wieder Fehlsignale generierte.

Wenn man so will, haben die Urmenschen auf Tiere bezogen ein "Racial Profiling" betrieben und haben sozusagen die Seite gewechselt, wenn ein Löwe im Gebüsch auch nur wahrscheinlich war. Und genau die, die sich so verhalten haben, haben eher überlebt als die, die es immer genau wissen wollten und argumentierten: "Es könnte ja auch ein vollgefressener Löwe oder nur eine Hyäne sein, man muss ja nicht immer gleich Panik schieben". Der Satz ist in der Savanne nur bis zum ersten Fehler wahr, danach ist das Thema final erledigt. 😛

Übrigens kleiner Exkurs in die Gegenwart zum mittlerweile missbrauchten und dadurch entleerten Begriff des "Rassismus". Wie beim Löwen, wer mehrfach hört, immer wieder liest oder sogar selber erfahren hat, dass junge männliche Migranten aus dem Magreb gerne Messer bei sich tragen und diese benutzen, geht unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussagen instinktiv auf die andere Straßenseite, wenn eine solche Gruppe ihm feixend und selbstbewusst entgegen kommt. Ob das objektiv gerechtfertigt ist, ist ohne Belang, alleine das Hörensagen als Erfahrungswissen genügt.

Und sich so zu verhalten ist kein Rassismus, sondern einfach nur das instinktive Überlebensmodell der Mustererkennung, das über hundertausende Jahre in uns hinein "gemendelt" wurde. Ein "Rassist" ist vielleicht der, der solche pauschalen Kategorisierungen ganzer Gruppen in die Welt setzt, aber nicht der, der einfach nur auf ein subjektiv empfundenes Gefahrenpotential reagiert.

Der gleiche Mensch geht übrigens auch auf die andere Straßenseite, wenn ihm deutsche Glatzen in Springerstiefeln entgegen kommen. Diskriminierung oder Rassismus ist das nur für Verwirrte, für die Fremdwörter Glückssache sind. Es ist vielmehr einfach evolutionsgerechter Umgang mit empfundenen Risiken und an keine besondere Gruppe gebunden und auch gegen keine Gruppe gezielt gerichtet.

Jetzt sind wir aber auch soziale Wesen und es ist es trotzdem sozial für eine Gesellschaft sinnvoll, ja es bringt eine Gesellschaft in Form von frischen Ideen sogar voran, dass wir in einem *sicheren Environment* diesen Reflex der Vorsicht überwinden und auf fremde Menschen offen zugehen. Denn vielleicht ist das ja kein Messerträger und keine aggressive Glatze, sondern eigentlich ein richtig netter Kerl und auch das kommt auch bei jungen Männern aller Coleur immer wieder und immer öfter vor! 😉

Daran erkennt man übrigens auch den Unterschied zwischen dem wahrlich Xenophoben und dem sich normal verhaltenden Menschen. Der echte Rassist, wird den anderen Menschen auch im sicheren Environment ablehnen und nicht auf ihn zugehen, weil der ja vermeintlich "minderwertig" sei. Der normale Mensch wird sich dagegen öffnen und auf den anderen zugehen. Das alles in einen Topf zu werfen, wie es zuletzt vermehrt passiert, ist so neben der Realität, dass es kaum mehr zu ertragen ist.

Aber in einer dunklen Gasse, in einer eben nicht sicheren Situation, dann wenn da ein Löwe am Wasserloch liegen könnte – steckt man die potentielle Gefahr in eine Schublade, weicht man aus und das ist genau richtig so und wurde von der Evolution aus gutem Grund so trainiert. Da ist kein "Racial Profiling", sondern schlicht instinktives, situationsadäquates Risikomanagement.

Die Bereitschaft einer potentiellen Gefahr mit Zuwendung und Öffnung zu begegnen, setzt also eine sichere Umgebung voraus, die die gefühlten Risiken ausschaltet. Erst dann kann man sich öffnen und das ist höchst normal und nur das, was uns die Evolution aus gutem Grund als Überlebensverhalten mitgegeben hat.

Weswegen ja der Weg der US Gesellschaft mit Waffen für alle im Kern falsch ist und weswegen das Gewaltmonopol des Staates so unendlich wichtig ist und es so verheerend ist, wenn dieser dabei Schwäche zeigt wie in Deutschland. Genau das zersetzt die Gesellschaft mehr als alles andere.

Denn nur da, im "sicheren Raum", wo man sicher weiss, dass der potentiell gefährliche Gegenüber keine Waffe und dunklen Absichten mit sich trägt, kann man sich ihm öffnen. Nur eine sich sicher fühlenden Gesellschaft, kann eine offene, vertrauensvolle Gesellschaft sein. Das hat übrigens vor einiger Zeit auch Lindner von der FDP mit seinem verunglückten Beispiel von der Schlange vor dem Bäcker gesagt und wurde dafür auch von Leuten kritisiert, die diesen wichtigen Unterschied offensichtlich nicht begreifen wollen oder können.

Die Unsicherheit ob jemand anders gefährlich ist, erzeugt dagegen Misstrauen und zerstört eine Gesellschaft, weswegen es so viele Normen und Rituale in allen Kulturen gibt, die letztlich Sicherheit und Gemeinsamkeit vermitteln sollen. Wer das durch moralische Appelle ersetzen will und auch noch etablierte Normen negiert, hat zur menschlichen Natur und menschlichen Gesellschaften herzlich wenig verstanden und legt die Axt an diese.

Nun fragen Sie sich vielleicht, was das mit der vorherigen Frage zu tun hatte und die Antwort ist eine ganze Menge, denn es geht hier auch eindeutig um Mustererkennung.

Der Migrant aus dem Magreb oder die "Glatze" vom "FC Dicker Ömmel" wird aus 50 Meter Entfernung instinktiv in einer Zehntelsekunde in unserem Gehirn per Mustererkennung eingeordnet und die Entscheidung getroffen, ob die Straßenseite zu wechseln ist oder ob man nur sein Pfefferspray in der Jackentasche fester umfasst.

Diese Entscheidung ist weder ausführlich mit der Ratio Schritt für Schritt hergeleitet, noch ist es eine "Bauchentscheidung". Es ist weder das Eine noch das Andere, denn es ist eindeutig eine reproduzierbare, rationale Musterkennung und Einordnung am Werk, auch beim Löwen am Wasserloch übrigens.

Bei dieser Mustererkennung werden aber in dieser Zehntelsekunde so unglaublich viele Daten eingeordnet, wie man sich das normalerweise nie klar macht. Und deshalb ist es eine so grandiose Geistesleistung, die wahrscheinlich ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Menschheit überlebt und sich über den ganzen Planeten ausgebreitet hat.

Denn es wird natürlich auch das Gesicht des Entgegenkommenden bewertet und dabei die Frage, ob der gefährlich oder vertrauenswürdig erscheint. Unsere automatische Mustererkennung trifft diese Entscheidung in eben der gleichen Zehntelsekunde und es ist *keine* Bauchentscheidung im Sinne gefühligen Ratens, es ist eine ganz harte Datensammlung im Sinne einer Einordnung von Daten nach trainierten Kriterien in Schubladen.

Diese Fähigkeit Gesichter zu "lesen" wird übrigens beim Menschen schon in frühester Jugend trainiert, weil sie so überlebenswichtig ist. Und Erwachsene haben ein natürliches evolutionäres Programm, das uns bei Babys besonders intensiv die Mimik spielen und die Augen aufreissen lässt, weil wir den Babys damit helfen und deren Überleben fördern. Achten Sie mal darauf, wie andere Menschen instinktiv Babys begegnen und welche Mimik dabei verwendet wird, ohne nachzudenken oder das je bewusst "gelernt" zu haben. Und wenn es nicht schon unsere Eltern gemacht hätten und uns nicht weitergegeben hätten, wären wir vielleicht nicht mehr da.

Wenn Sie es immer noch nicht glauben, denken Sie mal über Folgendes nach. Sie können doch zuverlässig in Millisekunden erkennen, ob jemand traurig oder wütend oder ärgerlich ist. Nun erklären Sie sich oder mir mal, woran Sie das erkennen. Womit wir - Sie ahnen es - auch bei der oft an mich herangetragenen Frage sind, warum ich ein Chart so oder so finde und dann muss ich immer anfangen zu rationalisieren. 😉

Ich garantiere Ihnen, Sie scheitern beim Versuch das Erkennen einer Stimmung im Gesicht eines Menschen algorithmisch, rational herzuleiten und mir zu erklären. Es ist trotzdem keine Bauchentscheidung, Ihr Gehirn macht da einen zuverlässigen Prozeß, der zwar nur schwer beschreibbar, aber trotzdem kein gefühliges Raten im Sinne einer Bauchentscheidung ist.

Diese Kunst ist vielmehr absolut reproduzierbar und verlässlich. Diese Kunst scheitert aber beim Gesicht des Chinesen, weil unsere Mustererkennung darauf in jungen Jahren nie trainiert wurde. Weswegen Chinesen "alle so gleich aussehen", obwohl sie genau so Unterschiede haben wir wir.

Und damit komme ich nach Löwen, Messerträgern, Glatzen und Chinesen endgültig wieder zur Marktechnik zurück. Denn das Erfassen der Essenz einer bestimmten Chartstruktur, ist genauso wenig immer präzise erläuter- und herleitbar, wie die Identifikation eines ärgerlichen Gesichtes - aber nichtsdestotrotz real und zuverlässig.

Das bedeutet aber umgedreht *nicht*, dass es nur ein irrationales Bauchgefühl, also eine Form von Raten ist. Es ist vielmehr der Ausdruck dessen, worin unser Gehirn mit Abstand am Besten ist, bei der Mustererkennung in Millisekunden, wir sind als Menschen wahre "Mustererkennungsmaschinen".

Sicher kann ich meine Mustererkennung im Nachhinein mühsam rationalisieren, das versuche ich ja auch und kann sicher wesentliche Teile davon vermitteln. Das passiert hier im Premium-Bereich ja jeden Tag und ist auch Sinn des Blogs.

Trotzdem bin ich mir bewusst, dass das nie vollständig möglich sein wird und es immer Teile gibt, die abseits der Bewusstheitsschwelle ablaufen. Zu "rationalisieren", ist ja nichts weiter als der Versuch, etwas das automatisch unter der Bewusstseinsschwelle abläuft, über diese zu heben.

Das gelingt mir, aber wahrscheinlich auch nur teilweise, wie bei jedem von uns. Sie mögen zum Beispiel bestimmte Menschen nicht und andere finden Sie sympathisch. Warum? Versuchen Sie das mal zu rationalisieren, dann verstehen Sie die Problematik die durchaus auch bei Marktstrukturen existiert, wenn auch nicht so ausgeprägt, weil Chartbilder weniger komplex sind als Menschen und Sympathien.

Gerade für Menschen die es gewohnt sind wie ein Buchhalter alle Dinge rational im Sinne einer "Detailanalyse" herzuleiten, ist das Obige schwierig zu akzeptieren. Und doch ist es Teil des Kerns der uns als Menschen ausmacht.

Es gibt eben viel mehr als nur Rationalität auf der einen Seite und Glauben bzw Raten auf der anderen Seite, wie wir uns das so gerne suggerieren. Es gibt einen fetten Elefanten im Raum, der weder das Eine noch das Andere ist und der heisst Mustererkennung!

Ich operiere am Markt mit lange trainierter Mustererkennung und genau so wie Babys nur dann Gesichter zu lesen lernen, wenn sie viele Gesichter betrachten, kann man Marktstrukturen nur dann zu lesen lernen, wenn man viele Charts betrachtet.

Theoretische Abhandlungen zu Strukturen können genau so wie Mentoren (was ich für Sie sein will) Ihnen dabei helfen und den Weg abkürzen, sie können den Weg aber nicht ersetzen. Nur Zeit, Geduld und Übung macht den Jedi- wie Chart-Meister.

Wenn ich also Dinge im Markt einfach *sehe* und bei der Frage „warum siehst Du das“ erst einmal überlegen und dann rationalisieren muss, ist das kein "Hokuspokus", sondern die Realität wie alle Menschen mit Mustererkennung operieren, auch Sie!

Mit "Bauchgefühl" und gefühligen Entscheidungen hat das nichts zu tun, Mustererkennung kann gut trainiert geradezu "wissenschaftlich" präzise sein, sonst würden Sie Ihren Partner oder Ihre Kinder nicht in einer Zehntelsekunde aus hunderten Gesichtern zuverlässig heraus erkennen können.

Amen 😉

Ihr Michael Schulte (Hari)

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