Sie wissen aus vielen Artikel hier auf Mr-Market, wie wichtig es ist, sich nicht dem Markt entgegenzustellen und diesen zu bekämpfen, sondern ihm zu folgen. Viele, viele Jahre haben wir in der Community so profitiert und das Depot vervielfacht, während die, die glaubten klüger als der Markt zu sein und Crash-Gurus hinterher gelaufen sind, dabei ihre Depots ins Minus gedrückt haben.
Trotzdem gibt es Momente, in denen auch ich eine Dissonanz spüre, ein großes Loch zwischen dem was der Markt macht und dem, was ich glaube er normalerweise tun *würde* bzw *sollte*. Das kommt selten vor, aber es kommt vor und dann ist es fast immer eine Sondersituation, die für alle schwer einzuschätzen ist.
Und so einen Moment haben wir gerade im Zuge des Corona-Virus, der außerhalb Chinas zwar bisher noch im Griff zu sein scheint, aber innerhalb Chinas noch keineswegs beherrscht wird, sondern sich weiter ausbreitet.
Wer das visualisiert dargestellt sehen will, kann das -> hier bei John Hopkins <- jederzeit tun.
Dabei muss man nun zwei Dinge auseinander halten. Unsere eigenen Ängste, dass wir wie die Mitarbeiter bei Webasto angesteckt werden, sind die eine Sache. Darum geht es hier nicht und die Börse interessiert sich auch nicht für Individuen, außer sie sind Präsidenten mit Millionen an Followern bei Twitter.
Was die Börsen aber interessiert sind leerstehende Fabriken, stillgelegte Bänder, Zwangsferien und eine Störung der Lieferketten.
Und genau das haben wir zunehmend in China, der Werkbank der Welt und werden wir bei Fortschreiten des Virus in China schon bald auch hier mit Lieferschwierigkeiten bemerken, weil Vorprodukte fehlen. Auch das Gesundheitswesen steht unter diesem Risiko, weil in China auch Fabriken für Grundstoffe stehen, die zur Medikamentenproduktion benötigt werden und nur schwer zu ersetzen sind.
Vergleiche zu SARS sind dabei schief und leiten auf einen falschen Pfad, SARS hatte nicht so hohe Fallzahlen und hat sich nicht so ausgebreitet, wie der neue Corona-Virus.
Eine Reihe von Firmen haben schon vor Problemen wegen zusammenbrechender Lieferketten und fehlender Vorprodukte gewarnt oder ihre Fabriken in die Zwangsferien geschickt, Tesla, Apple, Nintendo und viele andere sind schon dabei. Und weitere werden folgen, mit jedem Tag mehr.
Alles hängt nun von der weiteren Entwicklung der Ansteckungszahlen ab, die an einem kritischen Punkt sind, denn langsam müssten sich nun Chinas Abschotttungsmaßnahmen bemerkbar machen, wenn sie tatsächlich eine positive Wirkung haben, es sind jetzt bald 3 Wochen seit dem Beginn vergangen.
Nun sind die Börsen ja aber dafür bekannt, dass sie als Seismographen schon kleine Risiken im Vorfeld erahnen und abstrakt in die Kurse einbacken. Börsen sind die besten Frühindikatoren die wir haben, die hören sozusagen schon das Gras wachsen.
Warum passiert das dann beim Virus nicht? Warum wurde die startende Korrektur, die vom Virus getriggert wurde schon aggressiv gekauft, obwohl es keinerlei Entwarnung und auch keine sich abflachenden Fallzahlen gibt?
Zum Einen spielt sicher eine Rolle, dass die Ausbreitung bisher weitgehend auf China beschränkt werden konnte. Wenn in Europa oder China die Fallzahlen hoch gehen sollten, wird das aber zu einer anderen Börsen-Reaktion führen.
Und wenn man die neuen Erkenntnisse ernst nimmt, nach denen das Virus bis 9 Tage auf Klinken und Handgriffen überleben kann und die Infizierten auch mit nur minimalen Symptomen ansteckend sind, erscheint es unwahrscheinlich, dass das Virus wirklich auf China begrenzt bleiben kann.
Aber selbst wenn man vom positiven Fall einer Begrenzung auf China ausgeht, bleibt doch die immense Gefahr für die Lieferketten, die der Markt aktuell einfach zu ignorieren scheint. Täglich kommen nun neue Nachrichten von Unternehmen herein, die in ihren Liefer- und Produktionsketten Probleme haben oder diese befürchten. Noch ignoriert der Markt das weitgehend.
Und genau dabei dürfte zum Anderen das frische Geld der Notenbanken eine Rolle spielen. FED, PBOC (People Bank of China) und wie sie alle heissen, fluten die Märkte mit Liquidität und Liquidität treibt.
Ich habe an anderer Stelle schon erklärt, dass selbst im Armageddon, im Weltuntergang, Kurse theoretisch steigen könnten, wenn die Notenbanken nur genug "drucken" und alles an Assets aufkaufen, was bei Drei nicht auf dem Baum ist.
Es ist diese Liquidität, die die Kurse wieder treibt und die Ängste vor ausfallenden Lieferketten in einer vernetzten Weltwirtschaft überlagert.
Und genau da liegt nun meine persönliche Dissonanz.
Denn ich bin nicht sicher, ob Liquiditätsspritzen noch helfen, wenn echte Waren einfach fehlen, wenn Medikamente nicht mehr lieferbar sind. Die Notenbanken haben hohe Macht, sie sind aber nicht allmächtig, weil man Geld nicht essen kann.
Eine Notenbank kann weder eine Pandemie mit einem erneuten Quantitative Easing (QE) bekämpfen, noch kann sie kranke Arbeiter wieder gesund machen, sie kann bestenfalls die wirtschaftlichen Folgen mindern, das wars dann aber schon.
In nun 30 Jahren, in denen ich an der Börse unterwegs bin, habe ich Demut gelernt dem Markt zuzuhören und ihn nicht zu bekämpfen. Diese Haltung hat seit 2009 zu hohen Gewinnen geführt, die andere verpasst und bekämpft haben.
Deshalb stellen wir uns bei Mr-Market auch nicht gegen die aktuelle Stärke und sind dabei. Allerdings haben wir ein wenig Luft heraus genommen, Teil-Gewinne mitgenommen und stehen sozusagen "Gewehr bei Fuss", um die eigenen Positionen abzusichern.
Denn ich traue dem Geschehen nicht, ich sehe die Lieferketten nun in Gefahr, wenn der Anstieg der Fallzahlen jetzt nicht ganz schnell endet und danach sieht es nicht aus. Und ich frage mich, wann der Markt durch die herabrieselnde Liquidität anfängt hindurch zu schauen und beginnt die zumindest große Konjunktur-Delle zu sehen, die da nun aus China kommen könnte - wenn nicht mehr.
Und über die Lieferketten hinaus, stellt sich ja vielleicht bald auch die Frage nach der Stabilität des chinesischen Systems, denn Repression kann man nur so lange aufrecht erhalten, solange die Vertreter der Repression selber nicht betroffen sind. Es gibt nicht viele Szenarien, die so ein ausgefeiltes System zum Einsturz bringen können, eine landesweite Gesundheitskrise gehört aber dazu.
Manchmal hat man eben eine Dissonanz zum Markt, daran ist nicht Anormales, das gehört dazu. Es ist wichtig diese zu erkennen und dabei eine rationale Schlußfolgerung zu ziehen. Man darf sehr wohl höhere Vorsicht walten lassen, das ist rational.
Nur *gegen* den Markt stellen sollte man sich nicht, denn der hat immer Recht - bis er die Richtung wechselt und dann wieder Recht hat. 😉
Ich halte höhere Wachsamkeit - nicht Panik, Wachsamkeit - in den kommenden Wochen nun für geboten, die Risiken sind nun deutlich erhöht, während sie das im ganzen 4. Quartal 2019 nicht waren.
It doesn´t matter until it matters.
Ihr Michael Schulte (Hari)
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4 Gedanken zu „Die große Dissonanz“
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