22 Uhr - Handelsschluss
Da war er, der gestern antizipierte "First of Month Jumper", ich habe ihn heute genossen, bevor erneut ein dürftiger ISM Index und weitere Konjunkturdaten die Bewegung erst einmal temporär ausbremsten. Im späten Handel nahmen die Indizes dann aber wieder Fahrt nach oben auf, aus meinem Intraday Trade war ich da aber schon wieder draussen.
Gerade wegen der eigentlich enttäuschenden Daten kann ich hier nur wieder feststellen, wie gut der Markt diese verdaut hat. Ich weiss ich höre mich nun wie eine Platte mit Sprung an, weil ich immer das Gleiche sage. Aber in Anbetracht der Korrektur-Ankündigungen die seit Wochen permanent aus alle Medien quellen, ist das nach meiner Ansicht auch nötig um den Fokus auf das Wesentliche nicht zu verlieren. Es bleibt also dabei, die Bullen haben die Oberhand und den Bären gelingt es nicht, selbst solche Vorlagen zu verwandeln.
Insofern habe ich zum Markt als Ganzes nun nichts Neues zu sagen. Auch wenn sehr viel nun instinktiv für eine baldige Korrektur spricht, gibt es für mich bei objektiver Betrachtung bisher keine Signale, dass die Bullen den Markt nicht mehr im Griff hätten. Um das zu ändern müsste ich erst einmal einen Absturz sehen, der am Folgetag nicht erneut für Käufe genutzt wird, sondern für weitere Abgaben sorgt.
Es bleibt zwar ein komisches Gefühl, dass es nach diesem langen Anstieg bald mal wieder "scheppern" sollte, aber komische Gefühle sollte man besser nicht zur Grundlage von Anlageentscheidungen machen und da viele derzeit dieses komische Gefühl haben, bestätigt diese Skepsis im Markt eher die Stabilität der Anstiegsbewegung. Denn grosse Abstürze kommen, wenn alle nur nach oben schauen und alle investiert sind und davon sind wir nach meiner Wahrnehmnung noch deutlich entfernt. Das aktuelle Marktsentiment von Cognitrend bestätigt diese Sicht nachdrücklich, Sie können es -> hier <- oder über meine "Hilfreichen Links" nachlesen.
Denken Sie bei aller positiven Erwartung aber bitte daran, was ich letzten Freitag -> hier <- zur Marktlage sagte. Wir haben im Bereich oberhalb DAX 7000 eine derart grosse Menge an Widerständen, dass ich mit nicht vorstellen kann, dass wir da einfach so wie ein Messer durch Butter durchmarschieren.
Kommen wir heute also schnell zu einzelnen Titeln:
Zu Aixtron (WKN A0WMPJ) habe ich mich ja in einem eigenen Artikel -> hier <- schon geäussert und das wird auch die letzte Erwähnung der Aktie hier für einige Zeit sein.
Bei Veolia (WKN 501451) wurde gestern in einer dürren Nachricht nach dem Board-Meeting der CEO Antoine Frérot und seine Restrukturierungspolitik bestätigt. Der Markt begrüsste diese Nachricht und schickte Veolia gestern 2% nach oben, heute folgte dann eine gewaltige Rally mit zeitweise 14% Plus ! Ich bin gestern wie angekündigt - nach Bestätigung des Managements - bei Veolia wieder eingestiegen, habe aber erst 50% meiner Zielgrösse wieder erreicht. Denn mir war diese Nachricht gestern einfach noch zu dürr und warf weitere Fragen auf.
Denn ich gehe weiter davon aus, dass an den Fusionsgelüsten die dem EDF CEO und ex Veolia CEO Henri Proglio nachgesagt wurden, eine Menge dran war und ist. Und eine Neuauflage der Akquistions- und Verschuldungspolitik Proglios würde der Markt bei Veolia sicher nicht goutieren, was man auch daran sieht, wie begeistert der Markt heute reagiert, nachdem das Gespenst wieder weg zu sein scheint.
Denn die aktuellen Zahlen sind in meinen Augen keineswegs der Grund für den heutigen Anstieg, weil das alles im wesentlichen schon vorher bekannt war. Ursache ist eher die Erleichterung, dass der eingeschlagene Restrukturierungs-Weg fortgesetzt wird, verbunden mit der heute bekannt gewordenen Aussicht, dass ein Verkauf des Transportgeschäftes (Eisenbahn etc) frisches Geld in die Kasse spülen würde. Was wir heute im Titel sehen, werte ich also als eine Erleichterungsrally darüber, dass es mit dem Turnaround doch noch klappen könnte. Und der Umfang der Rally zeigt, welches Potential in Veolia steckt wenn der Turnaround gelingt.
Insofern habe ich durch meine noch nicht voll aufgebaute Position nun ein paar Tagesgewinne verpasst, aber es gibt schlimmere Probleme. Sollte die Strategie des Schuldenabbaus konsequent weiter geführt werden und die Gerüchte um einen Management-Wechsel wirklich endgültig vom Tisch sein, ist die Veolia-Turnaround-Story wieder völlig intakt und der Titel in meinen Augen mittel- und langfristig voller Chancen. Nach der heutigen gewaltigen Erleichterungs-Rally wäre ein Rücksetzer in den nächsten Tagen unter 10€ aber völlig normal. Wer nun an der Seitenlinie steht, bekommt also in den nächsten Tagen vielleicht noch eine Chance.
Sehr gut sieht weiterhin Continental (WKN 543900) aus. Hier habe ich meinen Einsatz in der gestrigen Schwäche erhöht und für mich stehen bei dieser Aktie aktuell alle Ampeln auf grün. Mittel- und langfristig finde ich grosse innovationsstarke Autozulieferer wie Continental, Johnson Controls (WKN 857069) oder die leider nicht börsennotierte Bosch sogar spannender und interessanter als die Autohersteller selber.
Denn die absehbaren Umbrüche beim Ersatz des Benzinmotors durch andere Antriebstechnologien, bergen für die etablierten Autokonzerne durchaus erhebliche Risiken und die Gefahr, dass neue Wettbewerber auftauchen. Alleine die Tatsache, dass die Autohersteller eine ihrer Kernkompetenzen in der sie über 100 Jahre Kompetenz aufgebaut haben - den Motorenbau - möglicherweise langfristig verlieren könnten, ist ein Risiko das man bei längerer Betrachtung der Entwicklung nicht unterschätzen sollte, auch wenn es für eine aktuelle Investition noch keine Relevanz hat. Denn wenn es den grossen Zulieferern gelingt, hier komplette Antriebskonzepte zu verkaufen, würde sich das Rollenbild von Koch und Kellner zwischen Autoherstellern und Zulieferern langfristig drehen.
Bei den grossen, technologisch führenden Zulieferern dagegen - zu denen die drei obigen Namen definitiv gehören - überwiegen daher für mich die Chancen des Paradigma-Wechsels, denn gerade diese Unternehmen werden in der Lage sein sich durch kritische Innovation völlig unabkömmlich zu machen. Alle drei Unternehmen investieren gerade auch massiv in den Bereich des Elektroantriebs bzw der Speichertechnologie. Und als I-Tüpfelchen kommt dazu, dass der Besitz einer innovativen Elektro-Speichertechnologie obigen Unternehmen auch jede Menge neue Kunden und Geschäftsfelder ausserhalb der Autoindustrie ermöglichen könnte.
Man darf aber nicht unbesehen jeden Autozulieferer positiv sehen, denn wer wie zb ZF Getriebe herstellt, dürfte in der Welt der Elektroautos seine Probleme bekommen, wo klassische Getriebe schlicht wegfallen. Mit Continental oder Johnson Controls befindet man sich aber in meinen Augen auf der richtigen Seite der Entwicklung.
Bei Itron (WKN 888379) sollte man nun genau hinschauen. Nach dem sensationellen 24% Anstieg vom 16.02.12 ist der Kurs nun um ca. die Hälfte des Anstieg wieder abgebröselt. Das ist nach solchen Bewegungen ganz typisch und keineswegs ein Zeichen von Schwäche. Ich kann mir gut vorstellen, dass spätestens auf dem Niveau des Hochs vom 09.02.12 - also bei ca. 43 USD - Schluss mit der Konsolidierung ist und sich der Blick wieder nach oben richtet. Heute hat Itron schon zum ersten Mal seit Tagen wieder deutlich im Plus geschlossen.
Bei Repsol (WKN 876845) ging es seit gestern trotz positivem Umfeld für Ölaktien deutlich abwärts, weil der Markt sich um eine Zwangsverstaatlichung der YPF Beteiligung in Argentinien sorgte. Allerdings konnte sich der Titel heute im weiteren Handel dann schon wieder deutlich erholen. Auch ich bin mit einer Position bei Repsol dabei. Man sieht daran wieder, wie wichtig politische Stabilität ist und warum ich Minenwerte nicht mag, die primär in den kritischen Ländern Südamerikas unterwegs sind. Während ich bei Repsol das Risiko bewusst eingegangen bin, weil selbst eine Verstaatlichung der YPF den Konzern zwar schütteln aber nicht aus der Bahn werfen würde, wären derartige Aktionen für einige kleinere Minen wohl der Exitus. Da der Markt bei solchen politischen Entwicklungen gerne zu kurzfristigen Übertreibungen neigt, ergibt sich für am Einstieg Interessierte möglicherweise in den nächsten Tagen einen attraktive Gelegenheit.
Gold und Silber haben sich nach dem gestrigen Absturz heute stabilisiert. Gold schloss deutlich über 1700 USD und Silber über 35 USD. Eine derartige Gegenbewegung ist aber normal nach so einem Absturz und sagt noch nicht viel aus. Ich denke Morgen am Freitag werden wir klüger sein. Denn dreht Gold Morgen wieder unter 1700 USD, sollte man sich wohl auf eine ausgedehntere Schwächephase einstellen. Steigt Gold Morgen aber weiter, spricht viel dafür, dass der Absturz gestern nur ein "One Day Wonder" aufgrund Bernankes Aussagen war.
Zum Abschluss noch ein paar wertende, persönliche Worte zum scheinbar gescheiterten Vergleich im Streit Kirch vs Deutsche Bank:
Aus der juristischen Sicht der Deutschen Bank kann ich die Ablehnung des Vergleiches gut nachvollziehen, denn da wären dann möglicherweise sofort Haftungsklagen wg vermeintlicher "Untreue" gegen Aufsichtsrat und Vorstand möglich gewesen, da ohne zwingende Not eine derart grosse Summe gezahlt werden würde. Abgesehen davon war wohl nach Presseberichten auch der Widerstand Rolf Breuers gross, der als Folge des Vergleichs möglicherweise mit einer Schadensersatz-Klage der Deutschen Bank hätte rechnen müssen.
So sorgt die gut gemeinte Verschärfung der Haftungsregeln für Aufsichtsorgane nun dafür, dass die Firmen es schwer haben bei Konflikten auf Organebene Vergleichsbereitschaft zu zeigen und derartig wichtige Konflikte eher bis zum letzten Mann austragen müssen. Denn der Ermessensspielraum des Managements ist durch die verschärften Haftungsregeln nun deutlich eingeschränkt.
Aus meinen persönlichen Erfahrungen in den Chefetagen bin ich der festen Überzeugung, dass die derzeitigen Haftungs-Regelungen schon zu weit gehen und den Unternehmen und damit den Aktionären schaden. Denn dadurch wird nach meiner Ansicht freies unternehmerisches Handeln gebremst und eine Kultur des "dreifachen juristischen Hosenträgers" etabliert, in der nur Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer von Wachstum reden können.
Und damit es keine Missverständnisse gibt, natürlich ist es richtig, dass echte Untreue strafbar ist und insofern ist die Haftung der Organe wg Untreue auch gar nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass der juristische Untreue-Begriff so schwammig ist, dass eine verlässliche Abgrenzung zwischen strafrechtlicher relevanter Untreue und schlichter unternehmerischer Fehleinscheidung praktisch unmöglich ist. Das erlaubt es Dritten im Nachhinein - dann wenn jedermann sowieso klüger ist - Fehl-Entscheidungen des Managements einer derartigen Anschuldigung auszusetzen. Als Organ einer solchen Gesellschaft ist man dem weitgehend ausgeliefert, weil derartige Verfahren unabhängig von echter nachweisbarer Schuld sowieso fast immer in einem Vergleich enden, denn die Belastung ist selbst durch eine völlig ungerechtfertigte Klage einfach zu hoch. Und wie die Justiz in die Hirne der Beteiligten schauen will um echte Untreue von schlichter Fehleinschätzung trennen zu können, hat mir noch nie so richtig jemand erklären können.
Die Folge davon ist eben die allein auf Absicherung ausgerichtete "Kultur des dreifachen juristischen Hosenträgers", durch die logische und für das Unternehmen wahrscheinlich sinnvolle Entscheidungen nicht mehr getroffen werden, wenn sie mit der Gefahr einer späteren Haftungsklage verbunden sind. Denn falls sich eine komplexe unternehmerische Entscheidung im Nachhinein als falsch heraus stellt, kann man einen Untreue-Vorwurf immer konstruieren, wenn man nur will. Letztlich lähmt diese nach meiner Wahrnehmung überzogene Gesetzeslage Innovationsbereitschaft und verantwortliches Handeln der Managements. Denn Entscheidungen werden nun lieber an drei verschiedene, teure, externe Gutachter delegiert, als diese selber aus unternehmerischer Überzeugung heraus zu treffen und gegenüber den Aktionären zu vertreten.
Richtig wäre es in meinen Augen dagegen, den Eigentümern - den Aktionären - noch mehr direkte Durchgriffsrechte zu geben um einen versagenden Aufsichtsrat und damit das Management abzulösen, gleichzeitig aber die Organe besser gegen Haftungsansprüche zu schützen. Denn zu unternehmerischem Erfolg gehört zwangsläufig auch der Mut zum Risiko und der Mut Neues zu wagen. Neues ist aber immer mit der Möglichkeit des Scheiterns und höheren Risiken verbunden und hinterher ist man halt immer klüger. Wenn einem permanent das Damoklesschwert des juristisch schwammigen Untreue-Paragraphen über dem Kopf schwebt, wird man als Management eher dem ausgetretenen, weil sicheren Pfad folgen. Mittelfristig beraubt man mit dieser "Hosenträger-Philosophie" aber eine Wirtschaft der Wettbewerbsfähigkeit - denn es gilt immer noch: "No Risk no Fun" und ohne Risiko ist Innovation unmöglich !
Das Verfassungsgericht hat die Hürden für den Untreue-Vorwurf zwar zuletzt leicht erhöht, in meinen Augen die ganze Problematik für unser Wirtschaftssystem aber noch nicht erkannt. Ich wiederhole, das Problem ist nicht der Untreue-Paragraph an sich, sondern die Unbestimmtheit und Dehnbarkeit der Definition, die man in meinen Augen zu leicht als Kampfmittel einsetzen kann um Eigeninteressen durchzusetzen. Wen das Thema interessiert, der kann sich zum Beispiel -> hier <- einlesen.
Aus inhaltlicher Sicht, kann ich aber die mir aus der Presse bekannte Argumentation der Deutschen Bank gar nicht nachvollziehen. Insbesondere die Behauptung Kirch sei schon vorher Pleite gewesen ist in meinen Augen am Thema vorbei. Denn selbst wenn er kurz davor stand oder mitten drin war, haben die öffentlichen Äusserungen Breuers jede Hoffnung auf eine geordnete Planinsolvenz nach meiner Ansicht zunichte gemacht. Man kann trefflich über die Höhe des Schadens streiten, dass aber eine derartige Aussage des Vorstandschef der grössten deutschen Bank über einen seiner Kunden massive wirtschaftliche Auswirkungen hat, sollte selbst wirtschaftlichen Laien einsichtig sein.
Letztlich läuft die Argumentation der Deutschen Bank ja in meiner Interpretation darauf hinaus, dass den Aussagen eines Bank CEOs keine besondere Bedeutung beigemessen werden muss, wenn er sich locker mit Bezug auf Dritte zu seinen Kunden äussert. Eine interessante Sicht, ganz besonders wenn man sich vor Augen führt, wozu sich Josef Ackermann so alles publikumswirksam geäussert hat. Für mich persönlich waren die Aussagen Rolf Breuers damals einfach ein klarer Pflichtverstoss eines Bankers, der eine Treuepflicht einem grossen Kunden gegenüber hatte. Und so etwas darf in meiner Welt nicht ohne schmerzhafte Konsequenzen bleiben.
Insofern hoffe ich und bin zuversichtlich, dass die Herren Gauweiler und Co. der Deutschen Bank nun weiter die Hölle heiss machen und auch die Frage theoretischer Interessenskonflikte der Deutschen Bank im Umfeld der Kirch-Insolvenz beleuchten. Am Ende kommt dann vielleicht sogar ein höherer Schadensersatz heraus - wer weiss. Verrückterweise könnten die Aufsichtsorgane der Deutschen Bank diese höhere Summe dann aber problemlos durchwinken, weil es dann ja ein höchstrichterliches Urteil wäre. So viel zu den absurden Effekten, zu denen eine für mich überzogene Haftungspraxis für Aufsichtsorgane führt.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend !