22 Uhr - Handelsschluss
Die Arbeitsmarktdaten waren heute schwach, aber eigentlich nur so schwach wie erwartet. Trotzdem war der Markt nicht in der Lage, daraus einen Bounce zu generieren, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen ist. Denn damit hat sich der Charakter des Marktes geändert, in den Wochen davor hätte das Setup immer für einen Bounce gereicht und das war auch eigentlich das wahrscheinlichere Szenario. Nicht aber heute. Der darauf folgende Abgabedruck arbeitete - wieder einmal - genau die gestern gezeigte Schulter-Kopf-Schulter Formation bis zum Ziel bei S&P500 1372 ab, schloss noch ein Gap knapp darunter, dann lief der Abgabedruck aus. Negativ ist aber auch zu sehen, dass der US Markt im späten Handel nicht zur einer kleinen Gegenbewegung in der Lage war, dass lässt Raum für weitere Schwäche am Montag.
Im DAX war das heute zwangsläufig mal wieder ein Schlachtfest und die klassischen deutschen Aktien aus Automobilsektor oder Industrie wurden hart getroffen. Volkswagen, BMW, Daimer alles ca. 4% im Minus. Rheinmetall sogar 6%. Und das alles ohne Nachricht. Denn das sind einfach genau die Aktien, die von institutionellem Geld an der Wallstreet gehalten werden. Und diese werden als Erstes verkauft, wenn der "Heimatindex" fällt. Man kennt das langsam schon, der DAX ist ein Hebelpapier für ausländische Anleger und kein konservativer Index. Und ein Index deutscher Anleger schon gar nicht. Nur weil man das weiss, fühlt es sich nicht besser an, trotzdem sollte man den Zusammenhang begreifen. Wer konservativ anlegen will, darf nicht nur im DAX sein !
In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen nachdrücklich, -> diesen <- aktuellen Artikel zu lesen, der auf einer Studie von Ernst & Young beruht. Er bestätigt genau das mit aktuellen Zahlen, was ich Ihnen hier ja immer wieder wie oben predige. Dabei muss man noch berücksichtigen, dass die in der Studie genannten 54% ausländischer Aktionäre das reale Bild noch schönen. Denn in den 42% deutscher Aktionäre sind ja die ganzen Grosspakete wie der Quandts bei BMW enthalten. Im Sinne der Aktionärsstruktur ist das ja auch richtig so. Nur stehen diese Pakete im Handel doch gar nicht zur Verfügung, die sind quasi "aus dem Markt" genommen. Würde man das Handelsvolumen im Xetra betrachten und die Frage beantworten, wieviel des täglichen Handelsvolumen von ausländischen Aktionären stammt, schätze ich den Wert eher auf 60-70% !
Wenn man das verstanden hat, kann man sich im DAX viele Überlegungen "warum" sich ein Aktie aus Sicht der Unternehmensnachrichten bewegt einfach sparen. Denn die Gründe für Bewegungen sind oft auch einfach in der Situation der institutionellen, ausländischen Aktionäre begründet. Und wenn die mal wieder ihre Margin-Calls haben, wird halt alles rausgehauen, Unternehmensnachrichten in einem "fernen Land" interessieren da keinen. Es ist schlicht immer wieder das gleiche Spiel und ich finde es erstaunlich, dass dann in der Presse trotzdem nach lokalen "Gründen" geforscht wird, die in der Realität gar nicht marktbewegend sein können.
Wie geht es nun nächste Woche weiter ?
Nun, da ich nach wie vor für das 2. Quartal an die volatile Range 6400-7100 im DAX glaube, sind Kurse unter 6600 für mich prinzipiell eher wieder Kaufkurse. Aber vielleicht nicht gleich Montag, denn die Schwäche heute im späten Handel lässt Böses ahnen.
Hoffnungsvoll über den sehr kurzfristigen Blick hinaus, stimmt mich in dem Zusammenhang, dass heute die europäischen Banken zu den stärksten Titeln gehörten, die auch ab Mitte Februar als erste fielen und mit ihrer Schwäche eine Signal für die Einschläge waren, die in den Indizes dann erst Wochen später kamen.
Was ist denn seit Mitte Februar alles passiert ? Listen wir doch mal auf:
1) Wir haben die Euro-Krise rund um Spanien in den Kursen der Banken verarbeitet. Ob vollständig weiss niemand, aber zumindest teilweise.
2) Wir haben die Sorge um eine abstürzende Konjunktur in China in den Kursen der Rohstofftitel verarbeitet. Alle aktuellen Daten aus China stützen nun die These der weichen Landung.
3) Wir haben die Sorge um die Wahlen in Frankreich und Griechenland in den Kursen verarbeitet. Ab Dienstag kommender Woche dürfte der Markt da nach vorne schauen.
4) Wir haben die Verweigerung der FED für unmittelbare weitere Stimuli verarbeitet.
5) Und zuletzt, jetzt, verarbeiten wir durchwachsene Wirtschaftsdaten aus den USA, in Form einer schon lange fälligen Korrektur in den US Indizes.
Aus dieser Liste kann man sehr wohl schliessen, dass wir ab kommender Woche durchaus Chancen auf wieder besseres Börsenwetter haben. Das ist natürlich keine Sicherheit, auch ein Zusammenbruch der Märkte ist bei der aktuellen Schwäche nicht ausgeschlossen. Aber ich rede hier ja über Wahrscheinlichkeiten. Und wenn alle euphorisch sind und nur noch über DAX 8000 reden, ist das Risiko eines Absturzes wesentlich höher, als wenn sich alles so mies anfühlt wie derzeit, und all die Sorgen und Ängste die ich oben aufgelistet habe, zumindest teilweise schon eingepreist sind.
Ich würde diesen Gedankengang bei meinen Überlegungen berücksichtigen. Das ist ausdrücklich keine Aufforderung auf reinen Verdacht nun Risiken nach oben einzugehen. Aber das ist der Hinweis, sich den klaren Blick nicht durch die gerade allgemein schlechte Stimmung verstellen zu lassen. Denn wenn man sich mit der Emotion der Massen mittreiben lässt, wird man die Chancen nicht sehen können, die bestimmt früher oder später kommen. Ich habe sehr selektiv bei ein paar wenigen Titeln heute Abend wieder zugegriffen.
Zu einzelnen Aktien will ich heute nicht viel sagen, macht ja auch keinen Sinn, wenn einfach nur alles im Gleichschritt abstürzt.
Wacker Chemie (WKN WCH888) lieferte Zahlen und Ausblick im Rahmen der Erwartungen. Nach einem kurzen positiven Hüpfer bis 65€ setzen dann aber massive Verkäufe ein, die den Kurs wieder bis 60€ drückten. Meine Erklärung dafür ist, dass das heisse Geld, das sich in Erwartung eines riesigen Sprungs vor den Zahlen positioniert hatte, danach schnell wieder enttäuscht abgesprungen ist, weil sich keine sofortige Rally anschloss. Für die Kursentwicklung der nächsten Wochen muss das aber nicht negativ sein. Ich habe meine bei 60,8€ eingegangene Long-Position heute nicht verkauft und warte erst einmal ab, welche Richtung der Kurs einschlägt, wenn sich die Volatilität nach den heutigen Zahlen verzogen hat. Mein Stop liegt bei 56€, etwas unter dem Tief vom 24.04.12.
Dramatisch weiter abgestürzt ist heute Nokia (WKN 870737) mit einem Minus von fast 10%. Ich weiss nicht so recht was der Auslöser war, möglicherweise die unbestimmten Meldungen zur Tablet-Strategie, die bei mir gleich den Gedanken ausgelöst haben: "die sollen erst einmal ihre Hausaufgaben im Brot und Butter Geschäft auf die Reihe bekommen und das finanzielle Ausbluten stoppen, bevor sie eine weitere Baustelle aufmachen". Wie auch immer, wie hier schon mehrfach und deutlich kommuniziert, gilt für mich bei Nokia weiterhin "Finger weg !".
Ein Lichtblick war dagegen Veolia (WKN 501451), die ganz brauchbare Zahlen lieferten, die vom Markt zunächst mit einem Plus von 4% honoriert wurden, bevor die allgemeine Marktschwäche die Gewinne wieder wegnahm. Veolia könnte - wie französische Aktien überhaupt - nächste Woche durchaus gut laufen, denn wenn die Wahl in Frankreich vorbei ist, führt das dazu, dass der Markt nach vorne schaut, statt auf die Wahl zu starren. Nur für den theoretischen Fall, dass der mutmassliche neue Präsident Hollande bei der Wasserversorgung sozialistisch/dirigistische Anwandlungen haben sollte, müsste man sich bei Veolia wohl auf schwere Einschläge einstellen. Aber derartige Gesetzesvorhaben werden wohl eher nicht in der Woche direkt nach der Wahl in Gang gesetzt.
Bei Gold (XAUUSD) wurde meine gestrige Aussage bestätigt, dass man das noch nicht überbewerten sollte, weil die Entscheidung schlicht noch nicht gefallen ist. Gold und die Minen stabilisierten sich heute etwas und hier gilt es für mich einfach abzuwarten.
Zum Abschluss habe ich für Sie etwas zum Lesen. Es ist ein langer Artikel des bekannten und sehr erfolgreichen Hedge-Fund Managers David Eichhorn von Greenlight Capital. Ich empfehle das in Ruhe einmal komplett zu lesen, es beschreibt die Makro-Sicht aus seiner Warte, in meinen Augen sehr vernünftige und richtige Ansichten. Er benutzt dazu das Bild der "Simpsons" um die durchschnittliche amerikanische Familie zu beschreiben. Wenn Sie die Simpsons nicht kennen, werden Sie ein paar Namen mal "googeln" müssen um alles zu verstehen.
Manchmal würde man sich wünschen, unsere Wirtschafts- und Finanz-Ministerien auf beiden Seiten des Atlantiks würden von solchen intelligenten Leute geführt. Aber das kann ja gar nicht sein, das sind ja alles nur "böse Zocker", die an allem Schuld sind und vor denen uns Notenbanken und Politik schützen müssen. 😉
Lesen Sie -> hier <-. Zwei Zitate als "Appetizer":
(1) "For the super wealthy, zero rates supported by a Bernanke put on the bond market encourage outsized income through leveraged speculation. For everyone else, zero rates reduce the standard of living because greater food and energy costs soak up income"
(2) "But, the Fed is filled with academics who thoughtlessly rely on econometric models that reflexively indicate that repeated Jelly Donut orgies are the best way to get a sugar rush into the economy." 😉
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende !
Ihr Hari
1 Gedanke zu „Hari´s Märkte am Abend – 04.05.12 – Wochenabschluss“