22 Uhr - Handelsschluss
Eigentlich sollte man ja meinen, dass auch Mr. Market mittlerweile volkswirtschaftliche Zukunfts-Prognosen nicht mehr ernst nimmt. Denn eine statistische Studie zur Trefferquote würde wohl reinen Zufall zu Tage fördern, wenn nicht sogar einen Kontraindikator.
Aber heute liess sich Mr. Market mal wieder verschrecken, denn die EU-Kommission prognostizierte die Wirtschaftsleistung 2012 der Euro-Zone auf die Kommastelle. Ich finde es einfach faszinierend, dass die EU-Kommission die Zukunft so exakt vorher sehen kann und verstehe ehrlich gesagt in Anbetracht dieser unglaublichen Fähigkeit nicht, warum dort überhaupt noch jemand der Volkswirte arbeitet. Denn wer so exakt die Konjunktur und Wirtschaftsleistung über 10 Monate hinweg in die Zukunft prognostizieren kann, der könnte an der Börse doch mit dem Wissen in Kürze zum Multimilliardär aufsteigen. Wenn ich doch nur so klug und brilliant wie diese Leute wäre ..... 😉
Aber lassen wir lieber meinen tiefschwarzen Sarkasmus, Mr. Market lief heute bis zu dieser Bekanntgabe mutig Richtung 6900 im DAX, nur um als Folge dieser Prognose zusammen zu sacken. Und ehrlich gesagt, ich halte Mr. Market in Wirklichkeit für ziemlich klug und auch er weiss genau, dass diese Vorhersagen schlichter Kokolores sind. Aber es ist halt eine willkommene Gelegenheit und Ausrede, mal ein paar Gewinne mitzunehmen.
Beschleunigt werden solche Bewegungen durch eine zunehmende Zahl Algos im Markt, die automatisch Nachrichten scannen und auf bestimmte Keywörter innerhalb von Millisekunden reagieren. Das muss für uns Menschen aber kein Nachteil sein, denn so intelligent sind Algos noch nicht, dass sie die Relevanz bestimmter Schlagzeilen zuverlässig einschätzen können.
Heute konnte man Intraday auch wunderbar erkennen, wie der erste Schwung der Abgaben aus Europa kam und um die Öffnung der Wallstreet herum, der zweite Schwung aus den USA hinterher. Denn es waren die Lieblinge der amerikanischen institutionellen Anleger, die klassischen deutschen Industrienamen wie Volkswagen, Daimler und Co. , die erst im zweiten Schwung so richtig verprügelt wurden.
Wie geht es jetzt weiter, werden Sie sich fragen. Aus den obigen Zeilen entnehmen Sie sicher schon, dass ich das für eine reine technische Korrektur halte. Denn ich hatte hier ja schon erwähnt, dass ich mir einen temporären Rücksetzer unter 6800 nun gut vorstellen kann. Und wir sind dann auch prompt im späten Handel wieder über die 6800 gestiegen und haben bei DAX 6809 geschlossen, wie man im Chart hier von ca. 21.30 Uhr gut sehen kann.
War es das also schon wieder mit der Korrektur ? Kann gut sein, genau so wahrscheinlich ist aber das Gegenteil. Denn ich glaube eher nicht, dass der Markt so schnell schon wieder genügend Kraft zum Anstieg über 7000 gesammelt hat. Und sollte ich mich irren, wäre das nur Ausweis unbändiger Stärke. Ich kann mir also eine weitere Seitwärtsbewegung gut vorstellen und auch noch einen weiteren Absacker in den nächsten Tagen.
Falls das passieren sollte, wäre das dann in den nächsten Tagen möglicherweise die Gelegenheit für alle an der Seitenlinie, noch einen brauchbaren Einstieg in den Markt zu finden. Viele werden es trotzdem nicht schaffen, denn aus den gleichen psychologischen Gründen aus denen sie bisher bei keinem Rücksetzer eingestiegen sind, werden sie auch dann wieder befürchten, dass es nun noch weiter runter geht. Erst wenn wir dann über die 7000 nach oben ausbrechen, wird der psychische Druck so gross werden, dass diese Zögernden dann nachspringen.
Schauen wir uns den DAX Chart für den theoretischen Fall einer weitergehenden Korrektur an, sollte die erste nennenswerte Unterstützung unterhalb des heutigen Niveaus bei ca. 6650 liegen. Das wäre ein naheliegender Punkt für eine Wende, denn dort hatten wir schon am 10.02. und am 16.02 eine Wende. Sollte diese Linie nicht halten, liegt eine sehr starke Unterstützung im Band oberhalb 6400. Spätestens da reche ich fest mit der Wende nach oben. Denn selbst DAX 6400 stellen den aktuellen bullishen Trend noch nicht in Frage !
Ich werde mich jetzt also mit meiner freien Liquidität auf die Lauer legen und bei meinen Lieblingsaktien Kaufaufträge zum "abfischen" eingeben, die ungefähr mit DAX 6650-6700 korrelieren. Eine paar kleinere Nachkäufe habe ich heute schon bei ca. DAX 6750 getätigt. Etwas Liquidität spare ich mir aber auf, um im Falle des Falles bei DAX 6400 noch einmal nachlegen zu können. Und sollte der Markt doch nun schon wieder massiv hochdrehen, lege ich nach, sobald wir glaubhaft nach oben Fahrt aufnehmen. Denn besser spät als nie.
Was Einzelaktien angeht, habe ich mich ja zur trostlosen Deutsche Telekom (WKN 555750) -> hier <- heute schon geäussert.
Höchst interessant fand ich heute das Geschehen bei der Commerzbank (WKN 803200). Zum ersten Mal seit Monaten habe ich zur Commerzbank wieder so etwas wie eine Meinung, da sich für mich der Nebel der Nachrichten nun langsam lichtet. Denn so schlecht waren die Zahlen in meinen Augen nicht und der Rückgang ist deshalb wohl vor allem der erneuten Kapitalerhöhung geschuldet. Positiv finde ich aber, wie der Markt damit umgegangen ist. Denn die Kapitalerhöhung soll ja nun um die 10% des Kapitals betragen, womit die derzeitigen Aktionäre entsprechend verwässert werden. Abgegeben hat die Aktie aber heute nur ca. 6% und hat die 1,9€ gehalten.
Bei mir verstärkt sich damit der Eindruck, dass es das bei der Commerzbank in Sachen Kapitalmassnahmen und Eigenkapital nun wirklich war und wir uns in den nächsten Quartalen alleine mit dem operativen Geschäft befassen können. Denn nun sollte das von der EBA geforderte Eigenkapital gesichert sein. Sollte meine Interpretation der heutigen Geschehnisse stimmen, sind die heutigen 1,9€ möglicherweise eine mittelfristige Kaufgelegenheit.
Veolia (WKN 501451) bröselt nun weiter nach unten und hat die 9€ unterschritten, womit meine Entscheidung von Dienstag zum Ausstieg dann doch scheinbar richtig war - ich hatte mich damit ja schwer getan und lange überlegt. Wenn Sie jetzt noch in dem Titel sind, rate ich das Boardmeeting vom 29.02. im Auge zu behalten. Je nachdem was da nach draussen dringt, kann der Kurs von Veolia an dem Tag erheblich ausschlagen. Natürlich auch im Vorfeld schon, wenn vorher schon etwas zur Presse durchgestochen wird. Ob der Ausschlag dann nach oben oder nach unten kommt, kann ich Ihnen nicht sagen und habe noch nicht einmal eine ferne Ahnung, das wissen nur die paar Insider. Aber ein Anleger sollte sich überlegen, ob er vor so einer potentiell kursbewegenden Situation überhaupt investiert sein will oder das lieber von der Seitenlinie beobachtet.
Positiv ist weiterhin wie sich Gold und Silber hält. Gerade Silber hebt nun richtig ab und ich habe Ihnen heute mal den Chart der letzten Tage auf 1-Stunden Basis mitgebracht. Bei dem kleinen blauen Pfeil bin ich übrigens letzten Freitag Nachmittag im Handelssystem Long Silber (XAGUSD) gegangen. Heute Abend bin ich dann um 20.45 Uhr bei 35,5 USD wieder temporär ausgestiegen, das ist der Pfeil rechts oben. Sollten wir nun einen kleinen Rücksetzer bekommen, steige ich Morgen aber voraussichtlich wieder ein.
Warum der Einstieg am letzten Freitag Nachmittag ? Weil der V-förmige Turnaround vorher am Donnerstag 16.02. für mich wie eine Wendemarke aussah, was sich ja dann auch bewahrheitet hat. Schaut man sich den längerfristigen Chart an, hat Silber nun aber gut Luft nach oben bis ca. 40 USD.
An diesem Beispiel kann man auch die zwangsläufige und natürliche Diskrepanz sehen, die zwischen dem was man selber macht und dem was man Dritten schreibt entsteht. Ich bemühe mich hier, Ihnen nur die Dinge im Blog nahe zu bringen, von denen ich auch selber wirklich überzeugt bin und die sich auch anhand des Marktes nachvollziehen lassen. Solche Aussagen müssen so gesichert sein, dass sie in der Regel 24 Stunden Bestand haben, sonst würden sie zu dem Medium "Blog" nicht passen. Selber bin ich im Handelssystem natürlich viel aktiver und gehe stellenweise auch grössere Risiken ein. So habe ich mich am Donnerstag 16.02. zu Gold und Silber ja hier noch neutral geäussert, allerdings auf die überraschende Stärke bei den Minen und die Möglichkeit des Beginns einer relevanten Bewegung hingewiesen.
Ich selber war aber schon einen Tag später (am Freitag) bereit im Bereich Silber etwas zu riskieren, weil diese Wende im Chart so überzeugend aussah. Nur kommunikationsfähig war das in meinen Augen noch nicht, weil das mehr auf Riecher beruhte als auf nachvollziehbaren Marktdaten. Und ich hätte die Position auch schon kurz danach gnadenlos geschlossen, wenn sie sich nicht bestätigt hätte. Erst jetzt, eigentlich seit Dienstag, zeigt der Markt das hier etwas Grösseres im Gange ist, das über einen kurzfristigen Zucker hinaus geht. Und am Dienstag habe ich das Thema hier auch ausführlich besprochen und ein Einstieg danach am Mittwoch wäre immer noch sehr profitabel gewesen.
Warum weise ich Sie bewusst auf diese Diskrepanz hin ? Weil ich Ihnen damit erklären will, warum ich hier nie in einem "Musterdepot" meine Bewegungen 1-zu-1 veröffentlichen werde und ich auch von dem Prinzip "Musterdepot" eher wenig halte. Denn egal was man Ihnen sagt, es ist in der Regel nicht das, was die schreibende Person mit dem eigenen Geld wirklich macht. Es ist eher ein Kunstprodukt nur für Sie als Kunden.
Denn der Zeitverzug zwischen Handlung und Veröffentlichung und die Notwendigkeit Bewegungen überhaupt erklären und rechtfertigen zu müssen, sorgt zwingend dafür, dass der Schreiber immer die Schere im Kopf hat die lautet: "was packe ich den jetzt meinen Lesern ins Depot und wie kann ich das rechtfertigen". Dabei folgt gerade ein guter Trader einer Bewegung auch mal schnell und instinktiv aus Erfahrung, sichert sie ab und schaut einfach was passiert. Die Notwendigkeit der Rechtfertigung hemmt aber das Handeln und schadet der Performance.
Ich will damit Musterdepots nicht perse verdammen. Sie können durchaus vernünftig und sinnvoll zusammen gestellt sein und damit für unerfahrene Anleger einen Mehrwert schaffen. Aber sie sind fast nie das, was sie oft vorgeben zu sein: eine echtes Abbild des Handelns der Person hinter der Tastatur mit eigenem Geld.
Was ich hier mit diesem Blog versuche, ist daher eher das Gegenteil - eben nicht fixe Vorlagen, die Sie einfach nachbilden können ohne nachzudenken. Wer das sucht, findet im Internet genug Angebote. Und für Ihr Handeln im Markt, sind Sie ganz alleine verantwortlich. Ich will Ihnen statt dessen lieber helfen, selber so viel Wissen und Erfahrung zu sammeln, dass Sie keine Musterdepots mehr brauchen. Und ich will Ihnen Ideen aufzeigen und Ihnen Zusammenhänge und Techniken nahe bringen. Damit gewinnen Sie nach meiner Ansicht langfristig viel mehr, als wenn Sie nur den Bewegungen eines anderen hinterher laufen. Und ich will auch gerne selber etwas von Ihnen lernen, wenn Sie interessante Beiträge liefern. Denn auch ich werde nie aufhören zu lernen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Abend !
Ihr Hari
Hallo Hari,
wie verhälst du dich eigentlich mit Stop-Loss? Setzt du welche oder reagierst du manuell? Ich kann mir gut vorstellen, dass wenn so ein steiler Markt korrigiert, dass sehr schnell und heftig ausfallen kann.
Schönes Wochenende
@ Ramsi, kann man so pauschal nicht sagen und hängt von den Umständen ab. Wenn ich vor dem Schirm präsent bin, was ich ja meistens bin, habe ich keine Stops im Markt sondern diese „im Kopf“. Ich weiss ja was ich will und bin erfahren genug, mich von meiner Emotion nicht so schnell aus dem Konzept bringen zu lassen.
Wenn ich aber mal über Tag weg vom Trading-Desk bin, operiere ich auch mit automatischen Stops im System.
Das Kernproblem der Stops ist in meinen Augen das Overnight-Risiko. Wenn Du also Abends einen sinnvollen Stop setzt, über Nacht ein Absturz kommt mit GAP am folgenden Morgen, dann würde Dein Stop möglicherweise ganz mies ausgeführt und als Folge macht der Kurs einen Gap-Fill nach oben. Und wenn Du das nächste mal drauf schaust wunderst Du Dich, mit welch miesem Kurs Du ausgeführt wurdest.
Eine richtig sichere Sache sind Stops daher nur Intraday. Bei längeren Zeiträumen kann man keinen pauschalen Rat geben, es gibt Argumente dafür und dagegen und hängt sehr vom Stil und der Präsenz des Handelnden ab.
Bei Marktteilnehmern die ihre Emotion noch nicht sicher im Griff haben, finde ich aber, dass die Vorteile der Stops die Nachteile überwiegen. Lieber mal ein paar mal schlecht ausgestoppt, als einmal richtig und ungebremst in den Orkus rauschen.
hi hari, erstmal wieder vielen dank für deine tollen einschätzungen und marktanalysen! also ich hab veolia `leider´NOCH, es sah heute morgen ja echt nicht gut aus…. aber jetzt sind wir wieder über 9…. vielleicht u i hoffe es geht morgen gut aus! zur commerzbank, ich denke wir sollten noch etwas konsolidieren! hoffe ich zumindest 😉 ! nochmals danke für deine mühe jeden abend! das hilft !! gruss t