Investieren ist so einfach, aber ….

Der folgende Grundlagenartikel ist leicht abgwandelt im Januar diesen Jahres im Premium-Bereich erschienen. Er richtet sich an alle, die erst damit beginnen, ihren Weg am Markt zu suchen oder die bisher nie so richtig auf einen grünen Zweig gekommen sind. Denn er adressiert ein Grundproblem vieler Anleger.

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"Investieren" ist die Tätigkeit, mit der fast jeder anzufangen versucht, der mit dem Markt zum ersten Mal in Kontakt kommt.

Man könnte etwas spitz fragen: Woran erkennt man den totalen Anfänger, der noch viele, viele Fehler vor sich hat?

Die Antwort ist: "Er kann das Wort Buffett schon buchstabieren, ist von Value-Investing fasziniert und fängt an Buchwerte zu vergleichen, um selber "Perlen" zu entdecken. Und wenn er ein KBV von 0,5 findet, dann wird er ganz nervös." 😉

Ja, ich weiss, das ist ein wenig böse, aber mit dem berühmten Schuss Wahrheit. Die längere Erklärung, warum dieses Denken Anfänger auszeichnet und warum es eher der falsche Ansatz ist, steht in einem Artikel von 2014, den Sie kennen sollten:
-> Gedanken zum langfristigen Vermögensaufbau und vom Zerrbild des Value-Investing <-

Man soll ja aber nicht nur erklären wie es nicht geht, sondern auch zeigen wie es geht. Und das will ich heute und in einem zweiten Folgeartikel beispielhaft tun. Und Ihnen dann im Folgeartikel den Aufbau eines sehr einfachen Investitionsdepot liefern.

Vorher müssen wir aber noch einmal ins Theoretische. Denn zunächst einmal möchte ich betonen, was auch in obigem Artikel sehr nachdrücklich geschrieben wurde:

Für (fast) jeden von uns ist es wichtig, ein ruhiges Basisdepot zu haben, mit dem wir mit begrenzten Risiken, einfach mit dem Markt mitlaufen!

Das gilt auch für Trader, auch denen tut diese ruhige Basis in der Regel gut und mit dieser Basis ist es auch nicht das Ziel "den Markt zu schlagen", sondern einfach nur mit beherrschbaren Risiken mit dem Markt mitzulaufen - zu investieren eben. Denn das ist schon mehr, als viele schaffen, die sich für klüger als der Markt halten und genau deshalb am Ende schlechter abschneiden.

Denn es gibt zwei Arten den Markt schlagen zu wollen.

Die eine Methode ist die Methode der Markttechnik. Das ist die Methode, die wir hier auf Mr-Market präferieren. Der Kern dieser Methode ist, dass wir den Markt genau beobachten und so seine grossen Schwingungen mitnehmen bzw die Täler vermeiden.

Diese Methode ist schwierig genug und der Markt ist ein harter Gegner. Aber sie ist auch für normale Anleger realistisch umsetzbar und wir haben als kleine Anleger da keinen unaufholbaren Nachteil gegenüber den Profis.

Die andere Methode, mit der man den Markt schlagen kann, ist die Fundamentale. Bei der Methode, muss es das Ziel sein, zu einer Aktie sozusagen "klüger zu sein" als der Markt. Heisst konkret, dass man die Zukunftsaussichten, die Risiken, die Geschäftserwartungen usw des Unternehmens besser einschätzen kann, als das, was schon in den Kursen enthalten ist.

Genau das ist die Grundlage davon, am Markt "unentdeckte Perlen" zu entdecken. Genau das ist die Grundlage von "Value-Investing" und vielen anderen Arten, nach fundamentalen Gesichtspunkten Aktien zu selektieren.

Das Dumme ist, diese Methode ist für uns als Individuen *noch viel schwieriger* als die Methoden der Markttechnik. Denn das was die Kurse ausmacht, ist ja schon das Ergebnis eines Erkenntnisprozesses, an dem alle Marktteilnehmer mitgewirkt haben. Und die sind nicht doof, denn das sind auch Sie und ich und dann noch all die Profis dazu, die weit bessere Informationsquellen als wir haben.

Beschreiben wir das fundamentale Wissen um eine Aktie mal mit Schulnoten. Sagen wir, dass die Qualität dessen, was der Markt an öffentlichem Wissen über eine Aktie besitzt, einer Schulnote 3 entsprechen würde.

Wenn das so ist, hat der normale Anleger, der einen oder zwei mediale Artikel zu so einer Aktie liest und daraus seine fundamentale Entscheidung ableitet, die Schulnote 5. Der weiss bestenfalls Bruchstücke und definitiv viel weniger als der Markt. Er bildet sich aber gerne ein, wie unglaublich klug er ist. 😉

Nun nehmen wir an, dieser Mensch ist fleissig, er begnügt sich also nicht mit dem Artikel und forscht selber. Er liest vieles über die Aktie, studiert den Geschäftsbericht und saugt Informationen auf. Je nach dem wie gut und intensiv er das macht, erreicht er Schulnote 4 und nähert sich bei viel Fleiss der Note 3 an, weil er nun auch weiss, was der Markt schon in den Kurs der Aktie eingearbeitet hatte.

Das erfordert schon sehr, sehr viel Fleiss und ist für normale Anleger mit Beruf, nur für sehr wenige Werte gleichzeitig möglich. Nur schlagen kann der Anleger den Markt damit immer noch nicht. Aber wenigstens mit dessen Wissen gleich ziehen, das ist ja schon was.

Erst wenn besonderes Wissen oder Einsicht hinzu kommt, das/die die Mehrheit nicht besitzt, dann hat der Anleger die Chance die Note 2 zu erreichen und damit "klüger" als der Markt zu sein. Und dieses "Besondere" sind zum Beispiel besondere fundamentale Branchenkenntnisse, also Wissen, dass nur jemand hat, der auch in der Branche unterwegs ist.

Das kann zum Beispiel jemand sein, der in genau der Branche arbeitet und daher tiefere Einsichten hat oder jemand der sich seit vielen Jahren mit der Thematik befasst hat, die das Geschäftsmodell der Aktie bestimmt. Solche Menschen haben überhaupt erst die Chance, einen echten Mehrwert bei fundamentaler Betrachtung zu erzielen - die anderen eher nicht.

Und um da hin zu kommen, erfordert es Fleiss, Wissen, Erfahrung, Fleiss, Wissen, Erfahrung. Nichts was man "mal eben" am Nachmittag im Internet macht.

Genau das - dieser "Note 2 Zustand" - ist auch der Zustand, den gute (Value-)Investoren zu erreichen suchen. Sie haben sich dann so tief im Unternehmen eingegraben und sein Umfeld so intensiv abgeklopft, dass sie tatsächlich für diesen einen Wert etwas "klüger" als der Markt sind. Sie wissen mehr und können die Zukunft besser einschätzen.

Was glauben Sie wohl, was Buffetts Leute gemacht haben, bevor sie aktuell diesen -> eher kleinen Mittelständler <- gekauft haben. Sie haben über Wochen und Monate gegraben, intensiv mit dem Management gesprochen, abgewogen und den Markt sondiert. Und dann - dann! - haben sie zugeschlagen, nicht nur weil ein oder zwei Finanzkennzahlen gut aussehen.

Da der Markt aber schon ein hohes Mass an Wissen über die börsennotierten Unternehmen vereint, besteht der Preis für so eine Strategie, neben hoher Qualifikation aus enorm viel Zeit und Energie, die man einsetzen muss. Das ist etwas das der normale Anleger im Normalfall gar nicht aufbringen kann, zumal auch oft die Grundlagen fehlen. Denn ein Geschäftsmodell korrekt einzuschätzen ist ja nichts, das man einfach so kann, das ist das Ergebnis von viel Erfahrung. Wie ich mich da trotz all meiner massiven Erfahrung realistisch selber einschätze, habe ich im oben verlinkten Artikel deutlich gemacht, das sollte Warnung für jeden sein, der weiss was Demut ist.

Aber, es geht durchaus diesen Zustand zu erreichen. Der fundamentale Pfad sich einen Edge zu erarbeiten, funktioniert durchaus, ich will hier nicht Value-Investing schlecht reden, im Gegenteil. Aber es hat eben einen hohen zeitlichen und intellektuellen Preis.

Absurderweise ist aber genau das die Methode, in der fast jeder Aktien-Anfänger in grenzenloser Selbstüberschätzung versucht, seine ersten Schritte am Markt zu machen. Das sind dann die, die ich oben mit "kann das Wort Buffett schon bustabieren" etwas sarkastisch beschrieben habe. Ich habe da eine Aktie "entdeckt" - dieser Satz sagt schon alles und ist der zuverlässige Vorbote grosser Enttäuschungen. 😉

Und wie bekommt man die Note 1 und ist eindeutig klüger als der Markt, werden Sie sich nun fragen? Ganz einfach, das sind die echten Insider, die Dinge über das Unternehmen wissen, die man eigentlich nicht an der Börse verwerten dürfte. Gemacht wird es von den Sekundär-Insidern trotzdem, darüber habe ich auch schon vor Jahren in der Wiwo geschrieben: -> Warum Deutschland eine schärfere Handelsüberwachung braucht <-

Um es also in aller Deutlichkeit zu sagen:

Sich auf der fundamentalen Seite einen Edge gegenüber dem Markt zu erarbeiten, ist für normale Anleger mit begrenzter Zeit sehr, sehr schwierig - ausser sie haben sowieso einen ganz besonderen Zugang zur Branche und Aktie. Punkt - kein aber.

Der Rest ist Illusion. Besonders bei SmallCaps treibt diese Illusion dann besondere Blüten, hier wirkt die Selbstüberschätzung besonders stark. Gerne wird dann argumentiert, dass weil diese Aktien nicht so in aller Munde sind, sich hier eher etwas "entdecken" lässt, das der Markt noch nicht sehen kann.

Das stimmt auch, ist aber einäugig argumentiert, denn das Prinzip wirkt beidseitig: Auch die Insider haben einen weit höheren Wissens-Vorsprung, als bei breit beobachteten Aktien. Und der Markt kann in beide Richtung falsch einschätzen, wenn er nicht genau hinschaut. Eine kleine Aktie kann zu billig, aber auch zu teuer sein und der Grund für das Eine und das Andere ist oft von Aussen nicht zu sehen.

Um es wieder in Schulnoten auszudrücken, nehmen wir eine Aktie wie Apple, die mit für jeden verständlichem Produkt-Portfolio, zu den best-beobachteten Aktien der Welt gehört. Hier braucht man nur eine Handvoll kluge Reports zu lesen und man ist schnell auf einem Wissen über Apple, das der Note 4+ oder 3- entsprechen würde, man ist also schnell dran an dem, was der Markt auch weiss.

Umgedreht kann man sich bei Apple aber so viel anstrengen wie man will, mehr als eine 3+ oder 2- ist nicht drin, selbst wenn man jemanden aus dem Apple-Management kennt. Denn so eine Aktie hat praktisch keine "Geheimnisse" mehr und wenn sind sie so geheim, dass es vielleicht gerade mal Tim Cook und ihre Getreuen in ihren Köpfen herum wälzen. Was Apple macht, ist über Zulieferer so gut zu beobachten, da gibt es also keine grossen Überraschungen, mit denen man einen Vorteil erreichen kann. Man kann bei Apple aber eben auch nicht so schnell böse überrascht werden.

Beim kleinen Unternehmen dagegen, zu dem es kaum belastbare Informationen gibt, ist man entweder im Zustand Note 5 oder Note 1, denn die Kurse werden zu einem hohen Masse von den Insidern gemacht und wenn man nicht dazu gehört, ist man denen ausgeliefert. Ich könnte endlose Beispiele bringen, bei denen so Unternehmen dann völlig überraschend um 40% abschmieren oder völlig in den Boden gerammt werden. Dieses Risiko wird aber durch das Ego ausgeblendet, das nur die Chance sieht, man "könnte" ja da etwas entdecken. Stimmt man "könnte", das ist aber keine profitable Strategie.

Nein, mein Fazit zu sehr kleinen Unternehmen ist, dass man entweder zum Kreis der Insider und Branchenexperten gehört oder besser als fundamental orientierter Anleger fern bleibt. Je kleiner das Unternehmen, desto stärker wirkt diese Logik. Das "Warum" habe ich schon 2012 hier erklärt:
-> Zur Marktkapitalisierung - warum ich Pennystocks nicht anfasse <-

Mir ist klar, dass viele Neueinsteiger in den Aktienmarkt diese Botschaft nicht wahr haben wollen, "billige" und kleine Unternehmen zu suchen, hat was von "Schatzsuche". Aber ich sehe meine Rolle hier nicht darin, immer nur Süssholz zu Raspeln.

Es tut mir leid, es ist einfach unser leidiges Ego, das uns immer wieder einflüstert wie klug wir wären - nein, sind wir nicht. Der Markt ist klüger als wir, ausser in den seltenen Fällen, in denen wir uns mühsam einen fundamentalen Edge erarbeitet haben oder sogar Insider sind.

Und um das klar zu sagen: Ich habe diese Fehler in jungen Anlegerjahren auch alle gemacht und mir diese Selbstüberschätzung auch erlaubt. Ich war aber in der Lage zu reflektieren und zu lernen, manche können das nicht und sind dazu verdammt, den gleichen Fehler immer zu wiederholen.

Und nun habe ich so viel Erfahrung, so viel Wissen darum wie Unternehmen funktionieren und so viel Zeit diesen Pfad der Unternehmensanalyse zu beschreiten, wie hier im Kreis wahrscheinlich nur sehr wenige. Und ich beschreite den Pfad trotzdem nicht mehr, weil ich die Erkenntnis habe, das selbst ich dazu nicht genügend "Insider" bin. Der "Magazinleser" bildet es sich aber immer noch ein - witzig oder? 😉

Fazit:

Den Markt und seine Bewegungen zu beobachten und ihm mit den Mitteln der Markttechnik zu folgen und manchmal ein Schnippchen zu schlagen, ist schwierig und herausfordernd. Es ist aber immer noch einfacher, als fundamental klüger als der Markt sein zu wollen.

Ist also Investieren doch nicht so einfach? Doch ist es, wir machen es uns nur schwer, weil wir extrem Schwieriges (den fundamentalen Edge) und Schwieriges (den markttechnischen Edge) als Erstes in unserer Anlegerkarriere versuchen.

Schon klar, wie sind ja auch sooooo klug. Und all die anderen, all diese "Haris" da draussen, die uns dann die Aktie verkaufen, die für uns ja ach so "günstig" ist, die sind ja sooooo doof. Schon klar. 😉

Nein, wenn wir wirklich klug sind, fangen wir unsere Anlegerkarriere damit an, einfach mit geringem Risiko mit dem Markt mitzugehen und seine Rendite abzuschöpfen. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen zu Ihrem eigenen Wohl hier noch einmal "einhämmern" möchte.

Und erst wenn wir das können und diese gesunde Basis haben, dann machen wir uns daran, den Markt schlagen zu wollen, in dem wir in einem Bereich ganz besonders gut werden und die Note 2 erreichen. Das ist die Kür, das ruhige Investmentdepot dagegen die Pflicht.

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Im zweiten Teil, sowie in Folgeartikeln, geht es dann um einen konkreten Vorschlag für die ersten Schritte in die Welt des Investierens, die bleiben aber dem Premium-Bereich vorenthalten. Natürlich ist das ein böser Cliffhanger, das soll auch einer sein. 😉

Ihr Hari

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

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