Muss man als Euro-Anleger seine Dollar Positionen absichern?



Im Forum der Community sind auch immer wieder grundlegende Fragen, die es Wert sind, in einem Artikel beantwortet zu werden.

Erfahrene Anleger haben oft den positiven Wunsch, ihr diversifiziertes Depot auch in den Währungen der Welt auf mehrere Beine zu stellen. Dazu haben wir hier schon Vieles besprochen.

Was aber, wenn jemand den gegenteiligen Wunsch hat? Was wenn der Besitz ausländischer Währungen auch als Risiko betrachtet wird und nicht nur als Chance zur Diversifizierung? Es gibt ja sogar von Fonds- oder ETF-Abietern oft spezielle "währungsgehedgte" Varianten, die diesen Wunsch befriedigen. Was ist davon zu halten?

Was also, wenn der Anleger sich fragt, ob er sich vor Währungsschwankungen absichern oder diese zumindest etwas abmildern sollte? Da halten viele Anleger doch US Werte in Euro und ein starker Euro bringt dann Kursgewinne manchmal wieder auf Null.

Sollte sich so ein Anleger also mit Währungsabsicherung (Hedging) beschäftigen?

Um die Frage aufzurollen, muss ich zunächst etwas ganz Grundsätzliches wiederholen. Denn jeder ist der Meinung er wüsste was eine Währung ist, aber ist das wirklich so?

Denn wenn wir den "Wert" einer Sache betrachten, müssen wir diese in einem Maßstab betrachten. Bei den Arabern gab es mal eine Zeit, in der alles in Kamelen ausgedrückt wurde, auch der Wert von Menschen. Dieses provokante Beispiel einer Währung, der Kamel-Währung, dient jetzt nicht nur der Auflockerung, sondern hat trotzdem Sinn, denn die "Kamelwährung" war eben auch eine, in ihr wurde Wert ausgedrückt.

Und genau darin liegt das Dilemma von Währungen. Wenn wir uns als Bürger des Euros oder des Schweizer Franken, oder in Deutschland sozialisiert mit der stabilen D-Mark, über den Wert einer Sache unterhalten, drücken wir das immer implizit in unserer Währung als "objektivem Maßstab" für Wert aus. Und das ohne darüber nachzudenken und ohne uns bewusst zu machen, dass es ein höchst schwammiger Wertmaßstab ohne jede Objektivität ist.

Wenn also ein typischer Anleger sieht, dass die Kursgewinne an der Wallstreet durch einen steigenden Euro in seinem Euro-Depotausweis fast auf Null gebracht werden, schliesst er daraus, dass das nicht gut ist und er gegensteuern muss. Diese "Null" scheint also als objektiver Wertmaßstab wahrgenommen zu werden. Aber ist das wirklich so?

Wären wir dagegen Bürger eines Entwicklungslandes und hätten einen persönlichen Erfahrungshorizont darin, dass die eigene Währung permanent an Wert verliert und gleichzeitig eine Hochinflation herrscht, wie zum Beispiel in Brasilien, würden wir ganz anders reden. Wir würden dann versuchen den Wert einer Sache in einer stabileren Währung auszudrücken und diese als Wertmaßstab benutzen - dem US Dollar zum Beispiel.

Also, den Wert einer Währung kann man immer nur in einer anderen Währung ausdrücken. Deshalb gibt es Währungspaare, wie wollte man auch den Wert des Euro in Euro ausdrücken, das Ergebnis wäre immer nur 1. Gold kann man als XAUUSD also in Dollar ausdrücken, den Euro als EURUSD in Dollar und so weiter.

Was passiert also, wenn ein Asset - zum Beispiel eine Aktie - in Euro gerechnet fällt und gleichzeitig in Dollar gerechnet steigt, eben weil EURUSD stark steigt? Ist das Asset dann mehr "wert" oder "weniger" wert oder spielt das gar keine Rolle?

Die Antwort ist keineswegs so einfach wie es scheint, sie liegt vielmehr im Auge des Betrachters.

Aus Sicht einer fiktiven Weltwährung wie der -> Sonderziehungsrechte des IWF <-, also aus Sicht von jemandem der theoretisch in den wichtigen Ländern der Welt mit Lokalwährungen kauft, hat sich der objektive Wert des Assets kaum verändert, denn in der "Weltwährung" ist er gleich geblieben. Die beste Entsprechung dieser "Weltwährung" ist übrigens Gold mit seiner vieltausendjährigen Geschichte.

Aus Sicht von jemandem aber, der alle Kosten in Euro begleichen muss, hat sich die Kaufkraft des Assets (der Wert) für anderen Waren verringert, wobei das auch nur teilweise für Waren gilt, die auch im Euro hergestellt werden. Denn wenn die Ware aus dem Dollarraum eingeführt wird, hat sich der Preis bei der Einfuhr verringert, was in einer theoretisch ideal preisreagiblen Welt, den "Wertverlust" des eigenen Zahlungsmittels komplett ausgleicht.

Aber wie auch immer, wenn man im Euroraum Ausgaben hat und diese mit dem Wert des Assets begleichen will, ist der "Wertverlust" subjektiv real.

An dieser Stelle haben wir daher auch den ersten Fall, für den eine Währungsabsicherung Sinn macht und auch von Firmen genutzt wird. Eine Firma die ihre Waren ins Ausland verkauft und mit den Einnahmen die Gehälter ihrer Mitarbeiter bezahlen will, will sich vielleicht nicht von Währungsschwankungen abhängig machen und "hegded" daher ihre zukünftigen Verkäufe. Das ist übrigens das Kernthema des Futures und Optionsmarktes, aus diesem berechtigten Bedürfnis heraus, die Zukunft schon heute absichern zu können, ist er ursprünglich entstanden.

Für einen privaten Anleger wäre das aber nur ein relevantes Szenario, wenn dieser seine laufenden Ausgaben für Leben und Wohnen aus nicht in Euro notierenden Einnahmen bestreiten müsste. Dann wäre ein Gedanke an Währungshedging sinnvoll, denn für den Preis von nicht unerheblichen Gebühren schliesst man dann Währungsrisiken aber auch Chancen aus.

Für einen privaten Anleger der im Euroraum lebt und arbeitet und durch die Arbeit genug verdient, um seinen Ausgaben zu bestreiten, besteht dieser Grund und damit der Bedarf an Währungsabsicherung aber eher nicht!

Gäbe es denn einen anderen Grund Auslandswährungen abzusichern - zu "hedgen"? Ja, bei Klumpenrisiken, wenn man zu stark von den Währungsentwicklungen abhängig ist und die Risiken nicht tragen kann.

Der klassische Fall waren die bekannten Hypothekendarlehen in Schweizer Franken, die vor Jahren viele eingegangen sind, weil da die Zinsen niedriger waren. Da haben Menschen ihr ganzes Gehalt in das Abzahlen dieses Hauses gesteckt und damit dort als "Klumpenrisiko" das ganze Vermögen gesammelt und gleichzeitig auch ihr "Dach auf dem Kopf" aufs Spiel gesetzt.

Das war russisches Roulett. Denn wenn sich der Schweizer Franken günstig entwickelte, hatte man einen Währungsgewinn, den man gerne eingestrichen hat. Wenn es aber anders herum lief, wurde die Schuld trotz Abzahlen *immer mehr wert*, ein Desaster das an die Existenz gehen konnte.

In so einem Fall, mit so einem Klumpenrisiko, ist Währungsabsicherung also ein Thema. Es gibt also konkrete Fälle, in denen man dem Thema nahetreten sollte.

Es sind Fälle, in denen man entweder ein zu großes Klumpenrisiko in einer Fremdwährung hat oder laufende Einnahmen oder Ausgaben nicht von Währungsschwankungen abhängig machen will, um einen stabilen und planbaren Betrieb sicher zu stellen.

Nun nähern wir uns aber dem Fall des langfristigen Anlegers. Dieser Anleger arbeitet im Euro und lebt im Euro, hat im Euro seine Lebensversicherung, seine Rentenversicherung und vielleicht auch seine Immobilie.

Und dann hat er auch noch ein internationales Aktiendepot, mit Aktien aus aller Welt, viele davon aus dem Dollarraum. In diesem Depot will der Anleger langfristig ansparen, über mindestens 10, eher 20 Jahre.

Sollte der Anleger nun dieses Depot "währungshedgen"?

Wenn es einen guten Grund gibt ja. Aber gibt es einen guten Grund? Ich behaupte in der Regel NEIN!

Denn welchen Vorteil hat der Anleger denn davon? In Euro ausgewiesen werden die Aktien im Depot sowieso. Jederzeit in den Euro verkaufbar sind sie auch. Währungsabsicherung kostet aber jedes Jahr Gebühren und das nicht unerheblich. Und in 20 Jahren, wenn er sein Depot verkaufen will, kann der Anleger leicht in jede Währung wechseln die ihm beliebt. Warum also schon vorher jedes Jahr jede Menge Kosten produzieren?

Hinzu kommt, dass ja keiner weiss, wie sich die Währungen langfristig zueinander entwickeln. Aktien in anderen Währungen können also ein Nachteil, aber auch ein Vorteil sein. Sicher ist nur der Nachteil der Gebühren, wenn man Währungen absichern will.

Weiter kommt hinzu, dass es ja nicht so einfach ist zu sagen, dass beispielsweise eine Apple nun eine "Dollar-Aktie" wäre, denn das ist schlicht falsch. Welche Währungsabhängigkeiten wir im Depot haben, wird alleine durch die Währungsräume definiert, in denen das Unternehmen Geschäfte macht.

Apple erzielt also schon Gewinne in allen "Weltwährungen", auch in Euro übrigens, ob Apple diese dann in der Bilanz optisch in Dollar oder in Euro oder in jeder anderen Währung ausweist und konsolidiert, hat keine Auswirkungen auf den Wert des Unternehmens, es sieht nur optisch anders aus. Oder in anderen Worten, würde Apple seine Bilanz optisch in Euro konsolidieren, wäre der Kurs an der Wallstreet immer noch der Gleiche.

Gleiches gilt umgedreht für vermeintlich "deutsche Aktien" wie BMW. BMW verkauft nicht nur massiv in den Dollarraum, sondern produziert in Spartanburg auch massiv im Dollarraum. Wer BMW also im Depot hat, hat teilweise auch den Dollar im Depot. In welcher Währung der Kursstand dieser immer gleichen BMW dann ausgewiesen wird, ist doch nebensächlich.

Gibt es also einen Grund, alle Dollarpositionen in Euro abzusichern? Nein. Nur dann, wenn man eine Glaskugel hat und der festen Meinung ist, dass sich der Euro zum Dollar langfristig weiter festigt.

Man hat dann also eine direktionale Meinung, man will den Euro zum Dollar handeln, man ist eher ein Trader der auf die weitere Entwicklung des Währungspaares wettet. Was hat das mit Investieren zu tun? Sie ahnen es, wenig. 😉

Vielmehr wird anders herum ein Schuh daraus. Ein Anwender, der im Euroraum lebt und arbeitet und seine Versicherungen und Immobilien hier hat, hat ein Klumpenrisiko im Euro, dessen Risiko wie oben dargestellt, Anleger aus Emerging Marktes viel besser verstehen als Anleger, die nur halbwegs stabile Währungen kennen.

Woher wissen wir denn, dass es den Euro noch in 20 Jahren gibt? Woher wissen wir, dass unsere Ansprüche und Versicherungen dann zuverlässig abgewickelt und umgerechnet werden? Wir können darauf hoffen, aber wir wissen es eben nicht sicher!

Deshalb hat jemand, der im sonstigen Leben ein Klumpenrisiko im Euro hat und seine Erträge aus seinen Depots auch nicht fürs tägliche Leben braucht, nicht nur keinen Bedarf für Währungshedging, er hat so gar ein aktives Interesse an Währungsdiversifizierung!

Zusammenfassung

Ich sehe also keinen sinnvollen Grund, als langfristiger Anleger mit obigem Profil, seine Anlagen mit Währungsabsicherung durchzuführen. Es kostet via Gebühren nur Performance und generiert keinen Mehrwert, da niemand weiss, in welche Richtung sich die Währungskorrelationen in den kommenden Jahrzehnten entwickeln und welche Währungen überleben und welche nicht. Und in Euro tauschen kann man immer noch irgendwann in der Zukunft, wenn man das Geld wirklicht braucht oder sich real ein guter Kurs eingestellt hat. Warum also blind vorher darauf wetten?

Wer aber eine klare Meinung dazu hat, wie sich EURUSD im nächsten Jahr entwickeln wird und das spielen will, ist ein Trader. Das ist völlig legitim und kann man machen, es ist aber eine direktionale Wette im Markt und nichts anderes - ein Trade, kein Investment. Trades sind ja nicht verboten, nur braucht ein reiner Investor sie nicht.

Schlusswort:

Vielleicht kann ich denen, die es nicht mögen wenn Ihr Depot bei steigendem Euro so "schwach aussieht", vielleicht noch mit einem Gedankenexperiment helfen. Denn es ist mehr ein optisches Problem, denn ein Reales.

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein tolles 100.000€ Depot. Nun gehen Sie für Ihre Firma für ein Jahr auf Assignment nach Ulan Bator in die Mongolei. Da das Land das Internet abgeschottet hat, können Sie von dort ihr Depot nicht direkt aufrufen.

Da sie aber nicht den Kontakt zur Wertentwicklung verlieren wollen, richten Sie sich bei einem mongolischen Börsendienst ein Musterdepot ala Onvista ein, das dem ihren zu Hause entspricht. Nur starren Sie da die Kurse dummerweise ganz komisch in mongolischen Tugrik an, der Währung des Landes. Da der Tugrik im Jahr stark zu Euro und Dollar verliert, sieht Ihr Depot im Jahr genial aus, Performance 48,7%!!

Glücklicherweise sind Sie nicht dumm und geben nichts darauf, da Sie wissen, dass es die Folge der Abwertung des Tugrik ist und Ihre Apples und Johnson&Johnsons im Depot immer noch die gleichen Firmen sind. Als sie zu Hause sind, haben Sie das Tugrik-Intermezzo schnell vergessen.

Wenn das so ist, wenn Sie Ihr Depot erst in 10 oder 20 Jahre wirklich brauchen und bis dahin akkumulieren wollen, warum sorgen Sie sich dann aktuell darum, ob Ihr Depot in Tugrik, Euro, Krone, Franken, Dollar oder was auch immer ausgedrückt wird?

Sie wissen doch gar nicht, in welcher Währung Sie in in 20 Jahren Ihre Brötchen bezahlen. Sie wissen doch gar nicht, wie sich die Währungen bis dahin verändern. Sie wissen doch gar nicht, ob es Ihre aktuelle Währung dann überhaupt noch gibt?

Warum dann also heute, zB bei einem "währungsgehedgten" Fonds oder ETF Gebühren für etwas zahlen, was keinen Mehrwert generiert? Ihre Apples und Johnson&Johnsons im Depot sind immer die Gleichen, egal in welcher Währung diese in der Depotübersicht saldiert werden.

Punkt gemacht? Wortreich war es sicher. Ich hoffe aber auch hilfreich.

Ihr Hari

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