Optionen, der „Hexensabbat“ und die „Stillhalter“ erklärt



Heute möchte ich auch im freien Bereich mal wieder eine grundsätzliche Erklärung mit Ihnen teilen. Denn auch das gehört zum Kern von Mr-Market, die grundsätzlichen Erklärungen des Marktverhaltens und das in einer Sprache, die von praktischer Kenntnis und nicht nur von angelesenem, theoretischem Wissen zeugt.

Unter dem dramatischen Titel "Hexensabbat", wird ja gerne der gleichzeitige Verfall der Optionen auf Aktien, sowie der Optionen und Futures auf Indizes an den Terminbörsen zusammen gefasst - auch kurz "Options Expiration" oder hier noch kürzer "OpEx" genannt.

Und es ist manchmal medial beliebt, daraus ein grosses, "raunendes" Geheimnis zu machen - man kann sich dann als "Eingeweihter" und "Profi" gerieren, der die wirklich wichtigen Dinge an der Börse verstehen würde und sich so von der vermeintlichen "Masse" abheben.

Nur gut, dass immer mehr sich darum bemühen, die Prinzipien des Options-Handels für jedermann zu erklären und den Schleier des "Geheimnisvollen" zu zerschlagen. Dieser Artikel ist von mir ein kurzer Beitrag zum Thema im freien Bereich. Einen Blick wert sind aber gerade auch die umfangreichen Dienste von Jens Rabe, die Sie unter -> Optionsstrategien für die Praxis <- finden.

Mit dem medialen Geraune um die OpEx, ist dann gerne auch eine Überbewertung dieses Geschehens verbunden, so als ob Bewegungen schon Wochen vorher wesentlich auf die kommende OpEx zurück zu führen seien. Es ist ja medial wichtig immer "Gründe" für Marktbewegungen zu benennen, weil man damit Kompetenz vorschützen kann. Dass sich der weise Mann gerade dadurch auszeichnet, dass er weiss, was er nicht weiss, ist für medialen Erfolg eher hinderlich. 😉

Dummerweise ist schon seit längerer Zeit der "Hexensabbat" auch nicht mehr, was er mal war und mit dem dramatischen Titel ausgedrückt wurde. Ich kann mich in den letzten Jahren nicht mehr an viele Termine erinnern, zu denen "Triple-Witching" die berühmten "wilden Ritte" gezeigt hat und auch Ende März war es vor Kurzem wieder so, der "Hexensabbat" löste nur ein bei mir erwartetes, lauwarmes Gähnen aus.

Man kann natürlich nur spekulieren, warum sich das geändert hat und die OpEx "ruhiger" wurde und die Gründe dürften vielfältig sein. Aber zumindest eine qualifizierte Spekulation kann man begründet machen, dafür muss man aber verstehen, worum es bei der OpEx geht und vor allem was die sogenannten "Stillhalter" sind.

Das ist recht einfach. Wenn Sie als Anleger eine Put-Option auf den DAX kaufen wollen, heisst dass ja, dass Sie das Anrecht erwerben zu einem Zeitpunkt X den DAX zu einem Preis Y zu verkaufen. Das ist die "Option", das Recht genau das zu tun und dieses Recht hat einen Preis, den Preis der Option. So einfach ist das zunächst.

Wenn Sie nun ein bischen weiter denken, stellt sich sofort die Frage, von wem Sie diese Option denn kaufen, denn Sie brauchen ja eine Gegenpartei. Bei den bei kleineren Privatanlegern bekannteren "Optionsscheinen" - die sozusagen Derivate echter Optionen sind - ist das klar, das ist die Emissionsbank, die den Optionsschein begibt und die Preise stellt.

Und genau diese Gegenpartei ist der "Stillhalter". Es ist die Partei, die diese oben beispielhaft genannte Put-Option auf den DAX "schreibt". Der Unterschied in der Begrifflichkeit - schreiben vs emittieren - kommt daher, dass Optionen völlig standardisiert sind, während bei Optionsscheinen sich der Emittent die Parameter frei nach Gusto - und damit in der Regel zu seinem Vorteil - auswählt. "Schreiben" heisst also, dass man in einer fest definierten, standardisierten Option - zB eben DAX Put 12.000 - die Rolle des Stillhalters einnimmt, der die Option begibt. Diese Rolle ist zum Emittenten des Optionsscheins ähnlich, aber nicht identisch, weil die Menge der Freiheiten was man "begibt", bei echten Optionen eben wesentlich geringer ist.

Diese Partei, der Stillhalter, hat zwangsläufig das gegenläufige Interesse zu Ihnen als Käufer der Put Option auf den DAX. Während Sie in dem Beispiel als Käufer der Option den DAX abwärts wünschen, hat der Stillhalter - die Gegenpartei - im gleichen Volumen das Interesse, den DAX oben zu halten. Und da es bei Optionen um fixe Marken geht die den Unterschied machen, kommt es dabei sehr digital auf den Kampf an, ob der DAX am Ende oberhalb oder unterhalb der für die Option relevanten Marke schliesst.

Wir halten also fest, bei klassischen Optionen zählt die fixe Marke im Sinne Hopp oder Flop am Ende, es sind alle Ausstattungsmerkmale der Option standardisiert und darüber hinaus wird der Preis der Option nicht vom Emittenten (Stillhalter) gestellt, sondern ergibt sich im freien Spiel der Marktkräfte an dafür spezialisierten Handelsplätzen (Terminbörsen), zum Beispiel der Eurex.

Wenn wir uns das vor Augen halten, wird noch unklarer, was das Geraune über die geheimnisvollen, mächtigen "Stillhalter" soll, denn am Ende stehen sich doch zwangsläufig völlig identische Volumina gegenüber. Für eine bestimmte Marke im DAX wie zum Beispiel 12.000, muss doch das Volumen das auf einen Kurs über 12.000 hofft identisch zu dem sein, das auf einen Kurs unter 12.000 hofft. Und das ist auch so, das Volumen ist identisch.

Der Unterschied entsteht dadurch, dass in der Vergangenheit natürlich die Stillhalter vor allem Grossadressen wie Banken waren, die also Optionen in grossen Volumina begeben haben, denen aber viele kleine (unerfahrenere) Optionskäufer entgegen standen.

Und aus diesem Ungleichgewicht entstand Macht. Denn nun stellen Sie sich mal vor, der DAX steht knapp unter 12.000, es ist noch 30 Minuten Zeit bis zum Verfall der Option und der Stillhalter (eine Grossbank mit hohen Volumina in dieser Option) hat das Interesse dass der DAX knapp über 12.000 schliesst, damit die Option verfällt. Es ist klar was passiert, die Grossbank gibt dem DAX mit ihrer "Feuerkraft" einen "Stups" und freut sich über einen Abschluss über 12.000.

Das genau ist, was zum "Hexensabbat" immer passiert ist, das war der ausgetragene Kampf der Beteiligten, der zu wilden Bewegungen geführt hat, gerade in den letzten Stunden.

Die besondere Macht der Stillhalter entstand also dadurch, dass diese gebündelte Interessen haben, während sich die vielen tausend einzelnen Options-Käufer ja nicht organisieren können. Es ist wie bei einer Schlacht im Prinzip gleich grosser Heere, bei denen das eine aber eine intelligente, straffe Führung hat und das andere ziellos ohne Anführer vor sich hin wuselt. Der Sieger steht schon vorher fest.

Wenn Sie nun mitgedacht haben, wird Ihnen aber schnell klar, dass die gleiche Grossbank die diese 12.000er Put Option auf den DAX geschrieben hat, diverse andere Optionen im Markt hat, die vielleicht gegenläufige Interessen generieren.

Solange alle diese Optionen in ähnlichen Volumina existieren, gleichen sich die widerstreitenden Interessen wieder aus, womit die Grossbank eben kein besonderes Richtungsinteresse hat.

Und das ist auch der Kern. Besonderes Richtungsinteresse zur OpEx entsteht immer bei den Marken, bei denen die Optionsvolumina stark über den Durchschnitt hinaus ragen. Diese Marken sind besonders umkämpft, wenn sich die OpEx bzw die Tripple-OpEx, der Hexensabbat, nähert.

Das nur zur ganz groben Erklärung, was zur OpEx passiert, im Detail geht die Thematik natürlich viel tiefer. Und nun, da wir verstanden haben was ein Stillhalter ist und warum die in der Vergangenheit etwas "machtvoller" waren - es also Sinn machte sich an deren Interessen zu orientieren - können aufmerksame Leser und fixe Denker auch sofort erahnen, was eine sinnvolle Erklärung dafür ist, dass die OpEx zunehmend ruhiger wird.

Denn die Welt, in der Stillhalter nur Gross-Adressen waren, denen viele kleine "dumme" Anleger gegenüber standen, ist definitiv vorbei. Die Vielzahl der leistungsfähigen, elektronischen Broker die nun überall existieren, haben dazu geführt, dass auch "normale" Trader wie Sie und ich, mit "normalen" Depots das Schreiben von Optionen zu ihrer Strategie gemacht haben. In dieser Strategie lebt man dann vor allem von der Optionsprämie, wie ein Geldverleiher vom Zins.

Das Schreiben von Optionen wurde also in den letzten Jahren zunehmend demokratisiert und dieser Prozess dauert an. Damit stehen sich nicht mehr so simpel ein paar wenige riesige Stillhalter und Massen kleinere Käufer gegenüber, die "Heere" auf beiden Seiten nähern sich in ihrer Struktur an. Damit verschwindet aber auch der eine grosse Vorteil im Sinne eines gleichgerichteten Interesses, der den Stillhaltern bisher einen Vorteil im Ringen um eine Marke gewährt hat. Und so wird die OpEx ruhiger.

Das ist eine - nur eine - Theorie, warum sich das Verhalten des Marktes am Hexensabbat beruhigt. Aber zumindest eine durchdachte Theorie. Es spielen sicher auch andere Faktoren herein, das Aufkommen der Algos wie auch die steigende Dominanz der US Anleger ist sicher Thema. Die haben ihre OpEx eben erst Abends nach MEZ, sie dominieren den deutschen Markt aber trotzdem und je kleiner der durchschnittliche Stillhalter im Verhältnis zum Marktvolumen des DAX wird, desto weniger ist dieser in der Lage, einen zielgerichteten Einfluss auf den Verlauf zu nehmen.

So weit ein kurzer, oberflächlicher Ausflug in die Welt des Hexensabbats und der Optionen, ich hoffe es hebt ein paar Schleier und hilft beim Verständnis und vielleicht macht es auch Lust auf mehr. Ein grosses Geheimnis, zu dem das Thema manchmal gerne gemacht wird, ist das Geschehen an den Terminbörsen wie der Eurex definitiv nicht. Aber wie bei allen wichtigen Themen am Markt, braucht es etwas Fleiss um sich einzuarbeiten.

Ihr Hari

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