Verlierer und Gesundbeter

Was vor einer Woche noch der Beginn einer Korrektur war, hat in den US nun in wenigen Tagen voll auf die langfristige Trendlinie und 200-Tage-Linie des S&P500 durchgeschlagen.

Solange der Trend aber Bestand hat, ist er weiter unser Freund und die Chance auf eine gute Ausgangslage zum Jahresende immer noch vorhanden.

Aber natürlich besteht nun die reale Möglichkeit, dass dieser Trend bricht und sich die Korrektur zu etwas weit Größerem auswächst.

Was wiederum bedeutet, dass man sinnvoller die Regel befolgt, nach der man auf das Beste hofft, sich aber auf das Schlimmste vorbereitet. Optimismus ist also angesagt, verbunden aber mit der Bereitschaft gnadenlos in Deckung zu gehen, wenn sich dieser Optimismus als falsch heraus stellen sollte.

Es ist nicht unsere Aufgabe als Anleger, jetzt zu erraten, was der Markt in den nächsten Wochen machen wird. Es ist unsere Aufgabe, auf das konsequent und klar zu reagíeren, was der Markt tatsächlich macht. Insofern kann man aktuell beides gleichzeitig tun. Man kann sich Chancen zurecht legen und sich trotzdem wohl bewusst sein, dass nicht mehr viel fehlt, um in volle Deckung zu gehen und alle Chancen zu beerdigen.

Vor diesem Hintergrund und einer Ausgangslage, wie sie eigentlich an *jedem* Wendepunkt der Börsengeschichte immer wieder gegeben ist, ist es faszinierend zu beobachten, wie die medialen Mechanismen immer gleich ablaufen und die Anleger sich davon beeinflussen lassen.

Ganz typisch ist aktuell wieder, wie die Verlierer aus den Löchern kommen, die seit Jahren praktisch immer falsch gelegen und die Depots ihrer Jünger geschrottet haben, weil sie seit Jahren den Markt bekämpfen. Nun ist endlich deren Zeit mal "siehste" zu rufen - wirklich lustig. Das Dumme ist nur die Vergeßlichkeit der Anleger, da kann so ein "Marktexperte" monate- und jahrelang nur Mist erzählt haben, wenn in den Anlegern dann aber die Unsicherheit und Angst hoch kriecht und dieser "Experte" diese Angst bedient, wird er plötzlich ernst genommen.

Aber natürlich sind auch die Gesundbeter wieder unterwegs, die vor allem auf der "Sell Side" bei Fonds und Co. angestellt sind und deren schlichte Aufgabe es ist, die Anleger bei der Stange zu halten. Die versuchen Beruhigungstabletten zu verteilen, was aber so pauschal auch falsch ist, weil wenn ein Markt so einbricht wie aktuell, sehr wohl eine abstrakte, wenn auch kleine Crash-Gefahr existiert und dieser Einbruch sehr wohl der Beginn von größeren Schmerzen sein könnte. Könnte - der Konjunktiv ist dabei wichtig!

All dieses "Meinungs-Gerede" über das was der Markt vermeintlich morgen machen muss, das entweder Klickgenerierung oder dem Ego dient, ist aber in Wirklichkeit nicht hilfreich und eher weißes Rauschen, bei dem ich Ihnen nur eindringlich empfehlen kann, dieses so weit wie möglich auszublenden und sich davon nicht beeinflussen zu lassen.

Machen Sie sich klar, dass die Apples und Amazons dieser Welt genau die gleichen sind wie vor 2 Wochen, nur dass sie jetzt 5-10% billiger zu haben sind. Und natürlich können die Preise die am Markt aufgerufen werden, auch noch einmal 10% fallen, niemand kann Ihnen das vorhersagen. Das ist schon alleine logisch, weil der Markt nun lange ohne Korrektur nach oben übertrieben hat, da kann das Pendel auch mal nach unten in die Gegenrichtung ausschlagen.

Es ändert aber nichts daran, dass wir für die gleichen Unternehmen nun bessere Preise haben als vor 2 Wochen, warum also entdecken nun plötzlich so viele die Weissagungen, dass der "Untergang" nun unvermeidlich vor uns liegt? Weissagungen, die sie vor 2 Wochen noch nicht tangiert haben?

Ich sage es Ihnen, weil diese Anleger sich vom "Meinungs-Gerede" anstecken lassen. Wir Menschen sind halt soziale Wesen, böse Zungen sagen auch "Herden-Tiere".

Wer aber am Markt Erfolg haben will, der wird vom Meinungs-Gerede anderer nur gestört, weil der hat seine eigenen etablierten Mechanismen die ihm schon sagen, was die Lage ist und was zu tun ist. Der ist dagegen an Beobachtungen, an unabhängigen Analysen, an Zusammenhängen und an Ideen interessiert, also an allem was ihn bereichert, aber nicht an dem was andere glauben, was der Markt zu machen hat. So jemand denkt in Szenarien und Wahrscheinlichkeiten und kann mit Unsicherheit umgehen.

Und weil das so ist, komme ich wieder auf die Lagebeschreibung am Anfang zurück. Wir müssen als rationale Anleger nun einfach damit leben, dass nun große Chancen und großes Risiko eng beeinander liegen. So ist das schon immer in so Momenten, schon immer solange es Börsen gibt.

Wenn der S&P500 hier auf der 200-Tage-Linie wieder dreht und ein recht wahrscheinlicher, zweiter Test der Linie auch positiv ausgehen sollte, haben wir gerade einen wunderbaren Einstiegspunkt zum Jahresende vor uns. Wenn der S&P500 hier aber einbricht und den Trend verliert, ist das ein bedeutender Bruch, den man nicht einfach ignorieren darf.

Beides ist wahr und man kann sein Handeln auch auf beide Alternativen einrichten. Man kann auf das Beste hoffen und sich auf das Schlimmste vorbereiten. Man kann Chancen ergreifen und gleichzeitig ganz hart das Risiko begrenzen, wenn es nötig wird. Und man kann eine gekaufte Position zügig wieder verkaufen und eine verkaufte Position zügig wieder kaufen, wenn eine Wende es erfordert.

All das kann man, man muss es nur tun! Wenn man aber damit beschäftigt ist die Zukunft zu erraten, wird das kaum gelingen.

Bedenken Sie bitte, der von vielen erhoffte Moment, an dem man "sicher" wieder in den Markt einsteigen kann, ist der Moment an dem alle Chancen schon Geschichte sind. Es muss so sein, es kann gar nicht anders sein, die Reflexivität des Marktes sorgt dafür.

Machen Sie sich bewusst, dass alle in die Zukunft gerichtete Vermutungen nur Szenarien sind, die unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten haben. Grundsätzlich ist immer alles möglich, aber nicht alles ist gleich wahrscheinlich.

Genau dieses Spiel mit Wahrscheinlichkeiten, macht den erfolgreichen Anleger aus. Wer sich auf einen Ablauf festlegt und sich einbildet dass es genau so kommen "muss", gehört garantiert *nicht* zu dieser erfolgreichen Kategorie, auch wenn jedes blindes Huhn auch mal ein Korn finden kann.

Nicht durch die Verleugnung der Unsicherheit, sondern im Umgang mit ihr, trennt sich eben die Spreu vom Weizen.

Übrigens, der DAX ist eine ganz andere Geschichte als der S&P500. Der sieht nun wirklich äusserst bedenklich aus, nachdem die Topbildung doch getriggert wurde. Ein Rebound dürfte es hier schwer haben, schnell über 11.800 zurück zu kommen und die heutige Nachricht, dass die Brexit-Gespräche erst einmal wieder gescheitert sind, wird auch nicht helfen.

Der DAX ist und bleibt aber der (schlappe) Schwanz des Hundes US Markt. Heisst wenn die US Märkte einen Rebound hinbekommen, hat auch der DAX eine Chance zurück zu kommen. Brechen die US Märkte dagegen ein, kann man den DAX wohl endgültig abschreiben und muss weit tiefere Kursziele ins Auge nehmen.

Ich habe Ihnen schon vor Monaten gezeigt, wie stark Europa und auch der DAX gegenüber den US Märkten hinterher hängt. Das hat mit vielen Faktoren zu tun und nicht nur einem. Teil der Faktoren dürfte aber auch sein, dass in diesem unserem Lande eine Menge strukturell schief läuft und wir uns nach meinem persönlichen Eindruck derzeit immens "anstrengen", die Grundlagen unseres Wohlstands in einer Mischung aus Naivität, ideologischer Aufladung und moralischer Selbsterhöhung zu zerstören.

Das hat nichts mit einzelnen Wahlergebnissen oder einzelnen Parteien zu tun, es ist ein strukturelles Problem. Durch den auch von den Notenbanken befeuerten, andauernden Boom, ist wohl bei vielen Mitbürgern in Vergessenheit geraten, was die Grundlagen des Wohlstands sind. Man könnte auch sagen, wesentliche Teile der Gesellschaft sind selbstgefällig geworden.

Und ich habe nicht den Eindruck, dass das bald besser wird, erst die nächste Krise kann da vielleicht die Wahrnehmung wieder etwas verrücken. Aber das ist eine ganz andere Geschichte und soll hier nicht Thema sein, zumal Deutschland nicht die Welt und noch nicht einmal Europa ist.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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