Vom Draufschauen

Es gibt ja ganz viele, für die sind Charts nur Ansammlungen von bunten Linien. Das stimmt aus deren Sicht auch, mehr können die wirklich nicht sehen.

Es gibt aber auch ganz viele, für die sehen die Gesichter von Japanern irgendwie alle gleich aus. Das stimmt aus deren Sicht auch, Unterschiede können die wirklich nicht erkennen.

Ich würde diese beiden Sätze bestimmt nicht ohne Grund untereinander schreiben. Und so ist es auch. Der Grund ist die menschliche Mustererkennung, über die ich heute schreiben will. Denn die wird von vielen nicht verstanden, man macht sich einfach keine Gedanken darüber, warum man das eine erkennt und das andere nicht. Und man macht sich nicht klar, wie entscheidend unsere menschliche Mustererkennung mit Training, mit Übung zu tun hat.

Um das zu verstehen, müssen viele erst einmal eine Art "Reset" der Denkstrukturen vollführen. Besonders schwer haben es dabei besonders oft Menschen in Berufen wie Ingenieur, Unternehmensberater, Juristen - also alle die im Job die Wirklichkeit mit analytischen Ansatz in viele kleine Fitzel zu zerlegen versuchen und über diese Fitzel rationalisieren. Diese Denkstrukturen färben dann auch gerne ins Private ab, sie legen sich über unser Verhalten im Leben.

Wenn Sie zu diesen Menschen gehören, habe ich eine Aufgabe für Sie. Beschreiben Sie mal exakt und im Detail, so wie Sie vielleicht auch einen Schriftsatz fürs Gericht aufbauen oder die Funktionsweise eines Motors erklären, woran Sie im täglichen Leben ein freundliches Gesicht erkennen.

Versuchen Sie es mal! Schreiben Sie es mal auf!

Ich verspreche Ihnen, Sie werden ganz schnell an Ihre Grenzen stossen. Vielleicht schreiben Sie noch was von hochgezogenen Mundwinkeln und Grübchen in den Augenwinkeln auf und dann endet Ihr Versuch zu 99,9% schon.

Und dann komme ich daher und sage Ihnen, dass auch der "Joker" in Batman hochgezogene Mundwinkel und Grübchen in den Augenwinkeln hat. Und dass schon Kleinkinder mit 3 Jahren vor dem Angst haben und ihn nicht freundlich finden. Und dann sind Sie mit Ihrem Versuch das aufzuschreiben auch schon gescheitert. 😉

Sie können es schlicht nicht. Sie können nicht im Detail begründen, warum ein Gesicht freundlich ist. Das ist ein Faktum. Aber Sie wissen sofort wenn Sie einer freundlich anlächelt, das ist ganz unzweifelhaft. Wie kann dieser krasse Widerspruch sein? Sie wissen etwas instinktiv, das sie nicht herleiten können!

Und natürlich brauchen Sie gar nicht erst versuchen es aufzuschreiben, denn die klügsten KI Spezialisten des Planeten plagen sich gerade damit ab, genau diese Gesichtserkennung Computern beizubringen und sind dabei, es unter großem technologischem und sensorischem Aufwand für ein rein statisches Bild hinzukriegen. Eine Mimik fliessend im Gespräch zu lesen, das was schon unsere Kleinkinder können, davon sind die Maschinen aber immer noch weit entfernt.

Sie müssen also zwangsläufig dabei scheitern, das Erkennen eines freundlichen Gesichts mit den Methoden eines Ingenieurs, Juristen oder Unternehmensberaters aufzuschreiben. Denn was es so schwer macht, ist der bottom-up Ansatz der vom Detail das grosse Ganze herleiten will, der also den Wald über die Bäume definiert. Die Vermessung des Krümmungsgrades des Mundwinkels hilft Ihnen hier nicht weiter.

Gute menschliche Mustererkennung sieht aber einfach den Wald, die Bäume interessieren nicht und darin sind wir Menschen den Maschinen weiter unendlich überlegen. Das menschliche Gehirn erreicht das, in dem es keine Präzision sucht, sondern mit einer 90% Erkennung zufrieden ist und die Fehlsignale in Kauf nimmt.

Wenn man so will "rät" unser Gehirn also permanent, weil es sichtbare Strukturen mit erlernten Mustern abgleicht, was aber auch dazu führt, dass man unser Gehirn mit kleinen Abweichungen hinters Licht führen kann, weil es diese gar nicht wahrnimmt. Wer gut liest kennt doch auch, dass man einzelne falsche Buchstaben in Wörtern einfach überliest, wenn der Satz ansonsten Sinn macht.

Der Grund ist eben, dass wir als gute Leser die Wörter nicht mehr aus Buchstaben zusammensetzen, sondern die Worte als Ganzes aus dem Kontext heraus erfassen. Das ist Mustererkennung, die wir in Millisekunden permanent ausführen. Das ist das Ergebnis von ganz viel Üben, Üben, Üben.

Und nun frage ich Sie nochmal: Wie hat ein Kleinkind gelernt, freundliche von gefährlichen Gesichtern zu trennen? Durch verkopfte Detailanalysen des Krümmungsgrades der Mundwinkel? Wirklich? 😛

Und genau so ist es auch mit den Mustern in Charts. Letztlich sind Charts nichts anderes als eine spezielle Form von Lesen. Ein geübtes Auge erkennt sofort in einer Zehntelsekunde bestimmte Strukturen im Ringen von Angebot und Nachfrage und leitet daraus in Spiegelung an vergangenem Verhalten Schlussfolgerungen ab.

Wie bei Gesichtern ist das aber keine exakte Wissenschaft, es ist eine intelligente Annäherung, der Abgleich mit bekannten Mustern eben. Wenn dann am Markt etwas ganz Neues passiert, kann man es ebensonwenig gleich erkennen, wie das Gesicht eines fremden Menschen.

Und wie kann man diesen Blick lernen? Ganz einfach, wie auch Kinder lernen. Nicht in verkopften, theoretischen Abhandlungen, sondern in dem Sie sich Tonnen von Charts anschauen, jeden Tag. Mit Fleiss und Disziplin - Training eben.

Und wie ein Sportler hat man dabei idealerweise einen Trainer, der einem Hinweise gibt, wo man besonders darauf achten soll. Genau das liefert Mr-Market im Premium-Bereich jeden Tag. Jeden Tag bestimmt 10-20 Charts mit einer Interpretation der Chartstruktur, das Wesentliche mit wenigen Linien heraus gearbeitet. Die Details dabei? Irrelevant - auf den Wald kommt es an, nicht auf die Bäume!

Wer also lernen will Muster im Markt zu erkennen, sollte 2 Dinge tun.

Erstens sich mal die theoretischen Grundstrukturen reinziehen. Es schadet ja nicht zu wissen, was es alles so gibt. Dazu gab es hier Links die völlig ausreichend sind.

Zweitens dann Üben, Üben, Üben. Praxis, Praxis, Praxis. Sich eine Watchlist anlegen und jeden Tag die Charts darin verfolgen. Jeden Tag diszipliniert, ein Jahr lang! Dann auf die Muster schauen, die jeden Tag im Premium-Bereich geliefert werden, um die Wiedererkennung zu steigern.

So einfach ist das. Nun werden genau die, die diese Worte am Dringendsten ernst nehmen sollten, sich dagegen innerlich sträuben. Es "muss doch" eine abstrakte, saubere Erklärung geben, wie das ideale Muster aussieht und worauf man achten muss! Wo ist der Kurs in dem ich das am Wochenende lernen kann?

Nein gibt es nicht. Die Frage beinhaltet das Problem. Und selbst wenn es ein ideales Muster gäbe, das man detailliert beschreiben kann und so eine Handlungsanweisung zu Einstieg und Ausstieg formulieren, die universell gültig ist, würde es die Reflexivität zerstören, weil der Markt sich wandelt wenn alle das Gleiche machen. Die Frage ist ebenso sinnlos wie der der Versuch, ein freundliches Gesicht im Details zu beschreiben.

Ein Muster erkennt man oder nicht. Wenn man anfangen muss es mühsam herzuleiten, hat man schon verloren. Menschliche Mustererkennung ist ein Wunder, wir sollten unseren Blick auf den Wald nutzen und uns nicht zwischen einzelnen Bäumen verirren.

Ihr Hari

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