Was bedeutet eine Kapitalerhöhung?

Wesentlicher Bestandteil von Mr-Market ist, dass ich Finanz- und Börsenthemen erkläre. Und zwar (hoffentlich) so konkret und mit Praxisbezug, dass man davon wirklich etwas mitnehmen kann.

Weswegen wir heute doch "Lehrer Bömmel" mal fragen können: Wat is en ... Kapitalerhöhung?

"Da stelle mehr uns janz dumm. Und da sage mer so: En Kapitalerhöhung, dat is ene jroße schwarze Firma, die hat hinten un vorn e Loch. Dat eine Loch, dat is de Stammkapital. Und dat andere Loch, dat krieje mer später." 😉

Ernsthaft, um sich der Logik einer Kapitalerhöhung zu nähern, muss man erst einmal verstehen, wie der Gewinnanteil berechnet wird, den man als nichtwissender Anleger vom nachsteuerlichen Gewinn des Unternehmens ausgeschüttet bekommt - zum Beispiel als Dividende.

Denn als Gesellschafter eines Unternehmens, will man ja am Gewinn teilhaben, egal ob es sich um eine GmbH oder AG handelt. Gewinn kann eine jährliche Ausschüttung sein oder auch der Verkaufsgewinn viele Jahre später. Aber immer ist es der Gewinn, der einen sein Kapital in einem Unternehmen binden lässt. Warum sollte man ohne Gewinn sich auch an einem Unternehmen beteiligen?

Dieser Gewinn wird von der Gesamtsumme anteilig berechnet, je nachdem wie viel einem von dem Unternehmen anteilig gehört. Nun fluktiert der Kurs einer Aktiengesellschaft ja aber täglich, der Kurs kann es als Massstab also nicht sein.

Was den eigenen Anteil am Unternehmen bestimmt, ist vielmehr der Anteil am Stammkapital des Unternehmens, der über den Nennwert der Aktie errechnet wird. Das Stammkapital ist beim Start eines Unternehmens vereinfacht gesagt das, was die Gesellschafter bei Gründung eingezahlt haben.

Nehmen wir als einfaches und konkretes Beispiel eine ganz kleine AG. In die hat in unserem Fall ein Gründer bei Gründung 100.000€ eingezahlt. Das ist das Stammkapital (und am Start auch das Eigenkapital) und wenn man dazu theoretisch 1.000 Aktien ausgibt, hat jede Aktie dann einen Nennwert von 100€. Macht wieder 100.000€ Stammkapital, gestückelt in 1.000 Aktien.

Nun kann es ja sein, dass diese AG in Wirklichkeit schon bald eine Million wert ist, weil vielleicht ein Mitbewerber ein Übernahmeangebot in dieser Höhe gemacht hat. Das Stammkapital, das die Gewinnverwendung bestimmt, ist aber immer noch 100.000€, der Nennwert einer einzelnen "Aktie" ist immer noch 100€, der "Kurs" aber 1.000€, weil so über 1.000 ausgegebene Aktien die Million zusammen kommt, die schon geboten wurde und daher den Marktwert des Unternehmens markiert.

Nun stellen wir uns vor, dieser Gründer, der da für 100.000€ Grund(Stamm)-Kapital eine AG aufgebaut hat, ist ein sehr netter Mensch. Obwohl er weiss, dass ein Mitbewerber schon 1 Million für das Unternehmen bietet, erlaubt er einem Freund den Einstieg in das Unternehmen zu gleichen Teilen.

Dazu muss eine Kapitalerhöhung um weitere 100.000€ Stammkapital durchgeführt werden, die alleine der Freund "befüllt". Am Ende hat die GmbH dann also 200.000€ Stammkapital und Gründer wie Freund, halten je 50% am Stammkapital. Sollten also mal Gewinne anfallen, die ausgeschüttet werden, sind diese 50/50 zu teilen.

Wer jetzt aufgepasst hat, dem ist schon klar, dass dieser Gründer wirklich ein *sehr* netter Mensch war. Denn obwohl das Unternehmen schon eine Million wert ist, gibt er die Hälfte des Unternehmens für nur 100.000€ ab.

Vorher gehörte dem Gründer also 100% an einem Unternehmen, das eine Million wert ist. Nun gehört dem Gründer 50% an einem Unternehmen, das 1.100.000€ wert ist. Die 100.000€ der Kapitalerhöhung muss man ja oben darauf rechnen, die fliessen dem Unternehmen ja als Cash zu. Trotzdem ist das für den Gründer ein sehr schlechtes Geschäft. Das nennt übrigens man die "Verwässerung" der Altgesellschafter, hier in einer ganz extremen Form.

Der Punkt des Beispiels ist, theoretisch ist eine Kapitalerhöhung ein Nullsummenspiel für die Altgesellschafter, weil dem Unternehmen ja ein fairer Gegenwert für die neuen Geschäftsanteile zufliesst. Das aber nur, wenn die neuen Gesellschafter den vollen Wert des Unternehmens bezahlen. Und der Wert bemisst sich bei Aktien am Börsenwert.

Nun ist auch das kein völliges Nullsummenspiel, weil die Neugesellschafter ja wiederum selber Anteil an Ihrem eigenen, neuen Stammkapital haben und dieses nicht nur den Altgesellschaftern zufliesst. Im Beispiel würde es also nicht reichen, dass der Freund 500.000€ in die GmbH einbringt, nein er müsste 1.000.000€ einbringen. Dann hätten beide Gesellschafter nach Kapitalerhöhung 50% an einem Unternehmen, das 1 Million + 1 Million Cash = 2 Millionen wert ist. Für beide wäre das dann also neutral, für den Gründer der schon vorher Unternehmensanteile im Wert einer Million hatte ebenso, wie für den Freund, der eine Million einzahlt und Unternehmensanteile im Wert einer Million dafür erhält.

Aber lassen wir diesen Effekt mal beiseite, der fällt bei prozentual kleineren Kapitalerhöhungen auch nicht so ins Gewicht. Wir machen es uns daher ganz einfach:

Wenn eine Firma ihr Stammkapital um 10% erhöht und angenommen die Neugesellschafter zahlen den vollen Marktpreis des Unternehmens für ihre Anteile, ohne Abschlag, dann sollte es doch keinen Grund für einen Kursverlust an der Börse geben, oder?

Denn die Altgesellschafter haben dann für den prozentualen Verlust an Unternehmensanteilen, über das frische Kapital ja einen fairen Gegenwert bekommen. Warum fällt der Kurs nach Kapitalerhöhungen dann trotzdem so oft?

Die Antwort liegt in einer zeitlichen Disparität zwischen Ankündigung der Kapitalerhöhung und der Bekanntgabe, wofür das Kapital verwendet wird. Und liegt daran, dass Unternehmen ja mit Kapital arbeiten.

Wenn ein Unternehmen beispielsweise mit dem 5-fachen des Buchwertes am Markt bewertet wird und man führt dem nun reinen Cash zu, ist dieser Cash ja nicht 5x Cash wert, sondern nur Cash, also nur Buchwert. Erst wenn der Cash produktiv und sinnvoll investiert verwendet wird, bekommt er das gleiche Multiple, wie es auch das Unternehmen hat.

In anderen Worten, zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung weiss der Markt ja nicht, ob das Management damit vielleicht nicht Schulden abbezahlt oder es für Boni vergeudet. Und das rechtfertigt einen Sicherheitsabschlag.

Nehmen wir aber mal theoretisch an, zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung wäre bekannt, dass das Unternehmen das frische Kapital zum Kauf einen Mitbewerbers verwenden wird, der ein identisches Multiple hat, zum Marktpreis gekauft wird und eine sinnvolle Erweiterung des Geschäftes darstellt. Nehmen wir also mal an, der Markt wüsste zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung, dass für die 10% Kapitalerhöhung auch das Geschäft (Umsatz, Gewinn, Zukunftschancen) linear um 10% erhöht wird.

Dann - genau dann - gäbe es keinen Grund für einen Kursabschlag mehr und es fände wahrscheinlich auch keiner statt! Denn die alten Aktionäre hätten ja nichts verloren.

Genau das weiss der Markt nun aber nicht und ist bei so Kapitalerhöhungen eben höchst selten. Und deshalb gibt es sehr oft danach einen Abschlag.

An der Höhe des Abschlages kann man also erkennen, wie der Markt über die Fähigkeiten des Managements denkt, mit dem Geld etwas Sinnvolles anzustellen.

Als sehr grobe Daumenregel kann man sagen: Wenn ein Unternehmen das Stammkapital in einer Kapitalerhöhung unter Auschluss der Altgesellschafter um 10% erhöht ...

  • .... und der Kurs fällt, geht der Markt davon aus, dass das Unternehmen das frische Kapital zumindest teilweise für nicht-produktive Ausgaben "vergeuden" wird.
  • .... und der Kurs gar nicht fällt, ist sich der Markt der profitablen Verwendung der Kapitalerhöhung recht sicher.
  • .... und der Kurs sogar steigt, erwartet der Markt einen konkreten, hoch profitablen Deal oder die Kapitalerhöhung löst ein vorher vorhandenes, konkretes Problem.

So .... ich hoffe ich konnte ein paar Mechanismen verdeutlichen und bei einigen von Ihnen vielleicht einen kleinen "Aha-Effekt" auslösen. Es bleibt aber ein komplexes Thema, das ich oben sehr vereinfacht habe, um es sinnvoll erklären zu können.

Bitte sehen sie mir daher diverse Unschärfen nach, falls Sie sich auch im Thema auskennen. Ich habe diese Unschärfen zugelassen, um das Thema nicht zu überkomplizieren. Ich lade Sie dann aber ein, es besser zu erklären. 😉

Ihr Hari

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