Wie reagiert die Börse auf kriegerische Konflikte?



In der Community hatte sich am letzten Freitag eine Diskussion um die Lage im Nahen Osten entfaltet, die von so allgemeinem Interesse sein dürfte, dass ich dazu auch im freien Bereich schreiben möchte.

Dabei geht es mir primär darum, Grundprinzipien klar zu machen, denn es gibt weit verbreitete Missverständnisse darüber, wie und warum Börsen Preise bilden.

Zur aktuellen, konkreten Lage um den Iran, will ich mich hier nicht äußern, das können Sie alles medial nachlesen. Faktum ist, dass die Spannungen steigen und wir alle nun rätseln dürfen, wer da nur pokert und wer es ernst meint.

Auch die konkreten Risikobereiche eines potentiellen Krieges um den Iran, können Sie leicht selber herausfinden, Stichworte "Nahost-Flächenbrand", "Atomwaffen" etc.. Alles keine Stichworte, die man gerne hört.

Die Frage hier im Artikel ist dagegen ganz abstrakt gestellt und der Iran ist nur ein aktuelles Beispiel:
Wie reagiert die Börse auf kriegerische Konflikte?

Es gibt dazu ja auch das Bonmot "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" und da ist durchaus was dran, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Zunächst einmal ist entscheidend, dass man versteht, warum sich Kurse bewegen. Die meisten glauben, Kurse würden die Gegenwart bewerten, das ist aber *falsch*!

Denn Aktienkurse preisen ganz grundsätzlich Zukunfts-Erwartungen an wirtschaftliche Entwicklungen ein, die sich auf die Unternehmen auswirken.

Das ist alles was man tief durchdringen muss, dann ist auch die Reaktion auf Konflikte klar.

Märkte sind dabei reine Preisfindungsmaschinen für die im Index enthaltenen Unternehmen, keine moralischen Bewertungsmaschinen

Wenn wir uns also mal als Beispiel den Verlauf des S&P500 zum Irakkrieg 2003 anschauen, dann sehen wir das:

Nun dürfen wir nicht glauben, dass hier nur der Irakkrieg im Zeitraum auf die Kurse gewirkt hat, die Haupttreiber sind auch damals weiter Konjunktur und Notenbanken gewesen. Aber die Kriegssorgen waren eben Teil des Bildes und haben es verändert.

Wir sehen, dass der Tiefpunkt praktisch mit dem Kriegsbeginn zusammenfällt, was es öfters gibt und worauf auch die Daumenregel "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" beruht.

An diesem Bild können wir nun aber ein paar wichtige Erkenntnisse festmachen:

Erstens, dieses Chart sagt gar nichts über den Irak aus. Es bewertet nur die wirtschaftlichen Erwartungen an die Unternehmen die im S&P500 sind.

Wenn ein Krieg auf die Unternehmen keine Auswirkungen hat, bewegen sich die Kurse auch nicht. Zur Zukunft des Iraks oder der Sinnhaftigkeit dieses Krieges, der am Ende auf einer großen Lüge fusste, macht dieses Chart also *nicht die klitzekleinste Aussage!*

Zweitens, wir sehen wie Erwartungen die Märkte bewegen. Mit dem Irak-Krieg waren Sorgen einer Ausweitung bis zum Konflikt der Großmächte verbunden. Auch die Frage ob die Ölfelder des Nahen Ostens in Flammen aufgehen, sorgte die Märkte im Vorfeld und liess via Erwartungen die Kurse im Vorfeld fallen. Denn all das würde sich dann auf Unternehmen des S&P500 auswirken und deshalb wurden die Erwartungen im Vorfeld düsterer und die Kurse fielen.

Drittens, innerhalb von Tagen, wurde der durchschlagende Sieg der US-Truppen klar, weswegen diese Sorgen ausgepreist wurden und die Erwartungen an das Geschäft der Unternehmen im S&P500 sich normalisierte. Deshalb stiegen die Kurse wieder.

Erneute, eine Aussage über den Irak ist damit in keinster Weise verbunden gewesen! Der Irak ist nicht Teil des S&P500, also bewertet der Markt den Irak auch nicht.

Ich wiederhole also:

Aktienkurse preisen ganz grundsätzlich Zukunfts-Erwartungen an wirtschaftliche Entwicklungen ein, die sich auf die Unternehmen des Index auswirken.

Sonst nichts!

Wenn beispielsweise ein schrecklicher Krieg mit tausenden Toten zwischen verfeindeten Stämmen in Afrika losbricht, der aber ohne wirtschaftliche Effekte auf Lieferketten etc ist, interessiert das die Kurse gar nicht, weil es keine Auswirkungen auf die Unternehmen hat. Es gibt dann viele Gründe diesen Krieg zu verdammen und Mitgefühl zu haben, es gibt vielleicht auch Gründe zu helfen, die Börse wertet aber nur die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Unternehmen, so wie die Mathematik die Toten zählt.

Wenn aber auch nur das kleinste Risiko existiert, dass die Lieferketten wegen eines Konfliktes gestört werden könnten, fallen die Kurse schon bevor es passiert, weil die Erwartungen der erhöhten Unsicherheit angepasst werden.

So funktioniert Börse. So funktioniert Mathematik. So funktioniert alles, was Dinge "misst" und die Aktienmärkte bewerten (messen) letztlich wirtschaftliche Effekte auf Unternehmen. Sie geben der zukünftigen Entwicklung eines Unternehmens ein Preisschild.

Es sind immer *Erwartungen* an *wirtschaftliche Entwicklungen* die zählen, sonst nichts. Wenn wir bei einem konkreten Konflikt wissen wollen, welche Kursrisiken existieren, müssen wir uns also wirtschafte Entwicklungen bzw potentielle Verwicklungen deutlich machen und bedenken, dass der Markt diese schon im Vorfeld einpreist, weil er eben klug ist und sich genau diese Gedanken macht.

Erneut, Märkte sind reine Preisfindungsmaschinen, keine moralischen Bewertungsmaschinen.

Gerne wird dann davon gefaselt, dass Märkte ja "kalt" oder "zynisch" seien, weil sie so reagieren. Das ist aber Geschwurbel, das Äpfel und Birnen völlig durcheinander wirft und in der Regel den Sinn hat, bei den Wählern eine billige, emotional-politische Dividende einzustreichen. Denn genau so gut könnte man auch sagen, ein Betonklotz eines Hauses sei "kalt" oder die Mathematik, denn bei der ist 2+2 auch immer 4 und nichts anderes.

Diese ganze Kategorisierung mit menschlichen, moralischen Maßstäben für Kursverläufe, ist auf jeden Fall völlig am Thema vorbei. Denn die Märkte bewerten den Krieg nicht, die haben dazu keine Meinung. Die bewerten die *wirtschaftlichen Auswirkungen*, genauer gesagt die *erwarteten Auswirkungen* für die jeweils im Index enthaltenen Unternehmen. Nicht mehr und nicht weniger.

Ganz spannend ist das übrigens, wenn Sie sich -> hier in diesem lesenswerten Artikel <- mal den Kursverlauf des 2. Weltkrieges vor Augen führen.

Da war es aus Sicht der US Märkte nicht so, dass der Tiefpunkt gleich beim Kriegsbeginn war, weil die Bedrohungs-Erwartungen aus Sicht der USA erst Ende 1941 den Höhepunkt erreichten. 1939 hat man das noch für einen begrenzten europäischen Konflikt gehalten.

Der absolute Tiefpunkt aus Sicht der US Märkte war Ende 1941, als Deutschland auf dem Höhepunkt der Macht war und bis auf UK ganz Europa (auch weitgehend den europäischen Teil Russlands) unterworfen hatte und die Japaner bei Pearl Harbour angegriffen hatten.

Zu dem Zeitpunkt waren die finsteren Erwartungen, dass das amerikanische Festland von Osten wie Westen auch Kriegsschauplatz werden könnte - Stichwort -> Amerikabomber <-.

Mit Midway kam die Wende und die Erwartungen für die US Unternehmen, näherten sich schnell dem Normalzustand an und mit ihnen die Kurse, zumal die Kriegsproduktion ja ein Konjunkturprogramm war.

Ein deutscher Index hätte einen ganz anderen Verlauf genommen, weil hier eben die Erwartungen der Auswirkungen auf deutsche Unternehmen bepreist worden wären.

Ich hoffe das hilft ein wenig. Wenn Sie wissen wollen, wie sich ein möglicher Krieg an der Börse auswirkt, müssen Sie sich also:

  • Klarmachen, mit welchem Index Sie das betrachten wollen, denn nur die Auswirkungen auf die Unternehmen des Index werden bewertet, sonst nichts!
  • Klarmachen, dass die Zukunftserwartungen die Kurse bestimmen, die Gegenwart ist schon Geschichte!
  • Klarmachen, welche potentiellen Auswirkungen der Krieg auf die betrachteten Unternehmen haben könnte, denn nur die werden bewertet, nicht der Krieg selber!
  • Klarmachen, dass Unsicherheit sofort eingepreist wird und die Erwartungen drückt und wieder entweicht, wenn ein Verlauf klar wird.

Konkret bezogen auf den Iran kann man sagen, dass dieser wirtschaftlich weitgehend irrelevant ist und das Thema Öl durch die Sanktionen schon eingepreist ist, soweit es sich rein um die iranischen Kapazitäten handelt.

Die Risiken für Kurse beziehen sich also auf die abstrakte Eskalationsgefahr eines solchen Konfliktes bis hin zum Atomkrieg zwischen Iran und Israel und auf den damit verbundenen "Flächenbrand im Nahen Osten".

Wenn Sie also die Kurse des S&P500 im Vorfeld wegen Spannungen um den Iran fallen sehen sollten, können Sie sicher sein, dass es solche "Flächenbrand-Sorgen" sind, die vom Markt dann verarbeitet werden.

Schon eine Sperre der Straße von Hormus wäre wohl ein Preisschock für Öl. Dann wird es ernst.

Solange dieses Risiko des Flächenbrandes aber nicht virulent wird, ist der Iran für die Börsen kein großes Thema.

Ich hoffe das hilft ein wenig bei der Einordnung.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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