DAX-Betrachtung: Bleibt alles anders
Ein Gastkommentar von Tokay
Der seit der Doppelkrise vom Sommer 2011(Eurokrise, Fiscal Cliff in den USA) laufende Bullenmarkt besteht weiterhin fort. Naturgemäß wird nun vermehrt die Frage gestellt, wie lange die Sache noch gut gehen könne. Einerseits steht das Thema „DAX 10000“ einmal mehr auf der Agenda, auf der anderen Seite machen diverse Crash-Szenarien die Runde, was dann mit der Höhe der Börsenkredite oder den Aktivitäten der einschlägigen Gurus(George Soros, Warren Buffett) begründet wird.
Schauen wir uns dazu das nachfolgende Langfristchart an. Der Bullenmarkt wird nach wie vor durch zwei große Linien geprägt:
- einmal durch die Linie DE, die die obere Begrenzung des seit 2009 gültigen Aufwärtstrends markiert;
- dann durch die Linie ABC, die die untere Begrenzung des seit 2011 gültigen Aufwärtstrends bezeichnet;
- relevant ist außerdem die „innere Linie“(fein gestrichelt), die ein Maximum an Hoch- und Tiefpunkten seit 2009 miteinander verbindet und daher den mittleren Trend seit 2009 am besten wiedergibt.
Wir erkennen, dass der DAX momentan ziemlich deutlich nach oben gelaufen ist, ohne dass man aber von einem „überhitzten“ Zustand sprechen kann. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder der DAX setzt seinen Anstieg entlang der oberen langfristigen Begrenzungslinie DE fort mit dem Ziel 10700 Punkte oder er sinkt weiter ab bis zur Untergrenze des 2011er Trends, der ABC-Linie. Diese liegt derzeit bei ca. 9100 Punkten.
Bei letzterer wiederum gibt es zwei Alternativen: Anstieg entlang der Linie ABC(Ziel wären auch hier wieder die 10700 Punkte) oder weiteres Absinken bis zur „inneren Linie“, welche derzeit bei ca. 8750 Punkten markiert. Bis hierhin könnten die Kurse fallen, ohne dass man von einem Ende des Bullenmarktes sprechen müsste. Wird diese Grenze allerdings unterschritten, wird es kritisch. Wichtig jedoch ist vor allem, dass Rückgänge vom heutigen Niveau aus vorerst nur als Korrekturen zu betrachten sind.
Tritt keine dieser Möglichkeiten ein, sollten die Kurse weiter nach oben laufen. Die gezeigten Linien hätten dann bis spät ins Jahr 2014 hinein Bestand, sollten sie nicht vorher invalide werden. Erst bei Punkt F bzw. bei 10500 Punkten, würde eine Entscheidung darüber fallen, ob die Kurse weiter entlang der ABC-Linie steigen oder ob sie sich dann endgültig Richtung „innere Linie“ oder Richtung untere Begrenzung des langfristigen Aufwärtstrends zurückentwickeln. Jedoch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Die Kursanstiege seit 2011, das wissen wir, beruhen vor allem auf der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. Der Markt agiert nicht gegen die Notenbank. Da die Unternehmensgewinne weniger stark gestiegen sind, sind vor allem die Bewertungen der Unternehmen gestiegen. Das war auch möglich aufgrund deren verbesserter Perspektiven. Somit müsste es zu weiteren Kursanstiegen kommen, sofern die oben genannten Gründe auch in diesem Jahr überwiegend fortbestehen.
Da Zinsen und Gewinne sich nicht sehr stark ändern dürften, gibt es wenig Anhaltspunkte für eine massive Überbewertung, um das mindeste zu sagen. Auch liegen die Bewertungen kaum über denen früherer Jahre, so dass wenig Anlass für eine „Mean Reversion“ besteht. Unter Druck dürften die Kurse allerdings dann kommen, wenn das Fed früher oder entschiedener als erwartet zu einer Politik der Zinserhöhungen überginge oder wenn die Gewinndynamik der Unternehmen entschieden nachließe. Dann kämen nicht nur die Kurse an den US-Börsen unter Druck, sondern auch bei uns. Aber solange die Rahmenbedingungen so bleiben wie bislang, sollten die Kurse weiterhin ansteigen. Der Markt antizipiert im Moment noch dieses positive Szenario. Wir wissen allerdings, wie schnell sich die Meinung des Marktes ändern kann.
Tokay
Diskutiere diesen Beitrag im Forum
*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***
Vielleicht noch eine Ergänzung hierzu.
Ich habe mich gefragt, wie sieht diese Entwicklung denn auf dem amerikanischen Markt aus. Die Zäsur von 2011, die gibt es im S&P 500 so nicht. Und zwar einfach deswegen weil die Amerikaner zwar den Fiscal Cliff, nicht aber die Eurokrise hatten. Von der waren sie zwar auch betroffen, jedoch nur mittelbar. Die Baisse von 2011 kann daher im S&P 500 auch als Korrektur gelesen werden anstatt als Bärenmarkt. Die praktische Konsequenz ist folgende: Das Trendverhalten, welches im DAX ab September 2011 gemessen wurde, ist im im S&P 500 ab März 2009 zu messen, einfach weil es den aufgrund der Doppelkrise hervorgerufenen Strukturbruch so nicht gab. Die Diagnose für den S&P 500 ist im Ergebnis trotzdem dieselbe: Fortbestand des Aufwärtstrends, solange dieser nicht nachhaltig verletzt wird.
Es wird langsam spannend. Die 200-Tage-Linie liegt bei ca. 8.800 Punkten, auf gleicher Höhe etwa wie die „innere Linie“. Die untere Begrenzungslinie des 2011er Trends liegt jetzt bei 9.200 Punkten. D.h. die kommenden Tage werden wahrscheinlich richtungweisend dafür sein, wie es in den nächsten Monaten weitergeht.
Ich empfehle, den heutigen „Steffens Daily“ zu lesen – nicht so sehr die Ukraine ist das Problem, sondern der gegen US-Dollar immer teurer werdende Euro, was absolut nachvollziehbar ist.
Die 2011er Trendlinie wurde nach unten durchbrochen. Sie ist damit noch nicht gänzlich invalide, doch lauert jetzt die 200 Tage Linie=innere Linie. Wir werden jetzt einen heißen Kampf zwischen Bullen und Bären erleben.