Stellen wir uns ein theoretisches Parallel-Universum vor, voll mit Milliarden an Galaxien, die wiederum Milliarden an Sternen mit Planeten besitzen.
Theoretisch könnte sich auf jedem Planeten Leben entwickeln, aber Leben ist im Bauplan dieses Universums eigentlich nicht vorgesehen, es ist eine Anomalie, eine Verunreinigung und die Gesetze dieses Universums sprechen eigentlich dagegen.
Trotzdem, in einer zufälligen Versuchsanordnung mit Milliarden von Milliarden von Gelegenheiten, wird es wie beim Lottogewinn vielleicht den einen Planeten geben, in dem zufällig alle Parameter so perfekt zueinander passen, dass sich doch Leben entwickelt - die Ausnahme von der Regel eben, die Anomalie.
Das Leben erhebt sich dort aus den Urmeeren, es entwickelt Intelligenz und eine Zivilisation und irgendwann schaut ein Wissenschaftler hoch zu den Sternen, erkennt die unfassbare Kette an Zufällen, die das Leben überhaupt erst ermöglicht haben und schliesst daraus, dass das ja der Gottesbeweis sein muss. Denn nur ein wohlmeinender Gott mit seinem kreativen Design kann diesen extremen Zufall bewusst herbeigeführt haben, dass alle Dinge so perfekt am richtigen Platze sind - solche Zufälle gibt es doch nicht!
Leider hat die Kausalkette einen massiven Denkfehler, den man in der Astronomie das -> Anthropische Prinzip <- nennt. Denn nur weil der Zufall so zugeschlagen hat, kann der Wissenschaftler da stehen, zu den Sternen schauen und den Zufall bewundern und als göttliches Handeln einordnen - in allen anderen Fällen wäre er gar nicht da! Wir können das Universum also nur deshalb bewundern, weil die Bedingungen für unsere Existenz vorhanden sind und wir stehen nur deshalb auf einem so für uns "perfekten" Planeten wie der Erde, weil nur hier unsere Existenz Realität werden konnte.
Nun fragen Sie sich sicher, was das mit Börse zu tun hat?
Sehr viel, denn ein ähnlicher Denkfehler wird bei der Geldanlage bei vermeintlich "sicheren" Aktien gemacht, die schon 100 Jahre überdauert haben. Daraus wird dann gerne abgeleitet, dass diese ja auch weitere 100 Jahre existieren werden, also "sicher" sein sollten.
Das ist ein schwerer Fehler, der die Brutalität der technologischen Umbrüche unterschätzt. Und es ist ein Gedankenfehler ähnlich dem Anthropischen Prinzip. Denn die Unternehmen die wir heute dafür bewundern, dass sie 100 Jahre überdauert haben, sind das Selektionsergebnis aus vielen anderen Unternehmen, die vorher untergegangen sind, die wir aber schon vergessen haben.
Die Tatsache dass ein Unternehmen alt ist, beweist also gar nichts. Die einzige wirkliche Frage ist, ob das Geschäftsmodell auch in die Zukunft hinein trägt. Nur dieses Wissen verschafft Sicherheit.
Wie schnell das gehen kann, bekommen wir gerade heute wieder real vorgeführt. Da gab es doch mal eine riesige, weltweite Kette an Läden um Videos und CDs zu leihen - Blockbuster. Und nun gibt es aber Netflix (NFLX) und Streaming.
Gestern hat Netflix (NFLX) erneut -> superbe Quartalszahlen <- geliefert und wird heute deutlicher höher eröffnen:
Gleichzeitig -> schließen die letzten Blockbuster Stores <-. Vor 10 Jahren war das noch ganz anders herum, ein wirklich brachialer Umbruch.
Wir sehen daran, dass wir nie die Macht des technologischen Fortschritts unterschätzen sollten. Wer sich dem entgegen stellen will, kann gleich eine Dampfwalze mit dem eigenen Körper aufhalten wollen. Und 100 Jahre alte Geschäftsmodelle mit permanenter Dividendenzahlung nützen auch herzlich wenig, wenn ihre Zeit gekommen ist und das Bessere der Feind des Guten ist.
Eine andere Branche die diese Erfahrung zuletzt gemacht hat, bekommt nun eine kurze Verschnaufpause. Wir haben gesehen, wie solide Apothekenketten wie CVS Health (CVS) in den Boden gerammt wurden, weil Amazon seinen überdimensionalen Fuß in den Markt gesetzt hat:
Nun gibt es eine Verschnaufpause, denn -> Amazons Eintritt in den Markt verzögert sich <-, weil es Probleme bei den Verhandlungen mit den Krankenhäusern beim Umgang mit sensiblen Medikamenten gibt.
CVS steigt deswegen gestern 4%, ist das die Wende? Nun für eine ausgedehnte Erholungsbewegung ist die Nachricht vielleicht gut, das grundlegende Problem geht aber nicht weg und wird nur verzögert. Die zu grossen Margen (die berühmten Apothekerpreise) sind nun offensichtlich und Amazon - oder jemand anders - wird diese immer wieder angreifen und am Ende obsiegen. Die Margen einer CVS werden also unter Druck bleiben, so oder so. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben und wie der Markt gestern die Hälfte des "Pops" schon wieder abverkauft hat zeigt, dass das einige diese skeptische Sicht teilen.
Beides sind ganz tagesaktuelle Beispiele für Disruption. Beispiele dafür, wie hoch erfolgreiche Geschäftsmodelle durch Innovation und Technologie plötzlich in Frage gestellt werden und dann verschwinden. Auch der mit fossilen Quellen befeuerte Motor wird sicher früher oder später den Weg alles Vergänglichen gehen und mit ihm eine Reihe von Unternehmen, die zu lange daran festgehalten haben.
Die Botschaft dieses Artikels ist also, dass es keine Sicherheit gibt, die sich aus einer langen Vergangenheit herleiten lässt. Die Zukunft muss vielmehr jeden Tag wieder neu erobert werden, nicht nur im Leben, sondern auch an der Börse. "Sicher" sind Aktien mit Geschäftsmodellen, die absehbar auch die nächsten 10 Jahre tragen werden, blind verlassen, kann man sich aber auf gar nichts und muss immer am Ball bleiben.
Wer glaubt, man könne eine heute noch so sicher und stabil aussehende Aktie einfach 30 Jahre weglegen und gar nicht beachten, spielt russisches Roulett mit seinem Depot. Die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung hat sich so immens beschleunigt, dass die Welt in 30 Jahren eine völlig andere sein wird. Und selbst dass immer gegessen wird, kann man wiewohl wahrscheinlich, doch nicht als 100% sicher betrachten, denn was wissen wir schon, was mit Implantaten in Zukunft alles möglich sein wird?
Nehmen wir die Zukunft Schritt für Schritt und schauen auch bei "soliden" Aktien wenigstens einmal im Jahr darauf, ob deren Geschäftsmodell noch trägt. Das ist mein Rat in einer sich wandelnden Welt.
Ihr Hari
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Disruption wird Mainstream:
https://kurier.at/politik/inland/digitalisierung-ist-nicht-das-problem/400368989