Hari´s Märkte am Abend – 15.05.12 – Paul Krugman und die nackte Angst

22 Uhr - Handelsschluss

Ein bitterer Tag an den Märkten geht zu Ende. Nachdem endlich klar war, dass in Griechenland Neuwahlen kommen, hatten wir eine erneute kleine Chance auf eine Rally, die der Markt aber erneut verpasst hat. Denn der Markt hatte die Nachricht ganz gut verdaut und die 1340 im S&P500 und 6400 im DAX wurden von den Bullen zunächst erfolgreich verteidigt. Aber Schwäche in der letzten Stunde machte die leichte Stärke erneut zunichte und nun stehen wir im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Abgrund. Wenn wir nun nicht ganz schnell drehen, stehen wir vor der Gefahr eines gewaltigen Schwalls nach unten, das was ich gestern die "Klospülung" nannte. Dieser Schwall dürfte den DAX mindestens unter 6200, potentiell sogar unter 6000 drücken.

"Eigentlich" ist nun alles für eine gewaltige Rally bereit, alle wesentlichen Indikatoren der Markttechnik zeigen Extreme, die von überbordendem Pessimismus und nach unten überdehnten Zuständen berichten. Das Problem ist die gewaltige Unsicherheit über die Zukunft des Euros. Und wenn Sie nicht verstehen, was da in den Köpfen der Wallstreet herum geistert, dann empfehlte ich Ihnen nun mal in den kleinen Blog von Nobelpreisträger -> Paul Krugman <- zu schauen, der unter der Überschrift "Eurodämmerung" schlimmste Bilder der nahen Zukunft malt.

Ich teile seine keynesianische Meinung dazu was für Europa richtig wäre überhaupt nicht, warum habe ich gestern erklärt, weil diese Logik wie so vieles in der Volkswirtschaftslehre den menschlichen Faktor übersieht. Aber ich finde diesen Weltuntergangston schon bezeichnend und bemerkenswert. So wird auch Meinung gemacht, wer wundert sich in Anbetracht dieser "Visionen" noch darüber wo die Kurse stehen und das die amerikanischen Anleger ihr Geld repatriieren ?

Es gibt halt auch so etwas wie eine "Selbsterfüllende Prophezeihung" und Angst ist wie ein Krebsgeschwür, das weitere Angst nach sich zieht. Aber auch das ist etwas, was man als Ökonom nur dann verstehen könnte, wenn man sich mehr mit der menschlichen Psyche beschäftigen würde. Schauen Sie auch mal die Kommentare der Leser an, hier können Sie ein interessantes, weltweites Meinungsbild bekommen. So zum Beispiel "Thanos aus Athen: Mr Krugman is trying a new forecast, after seeing that his similar prediction for the breakdown of the euro zone before the end of last year has not been verified."

Zurück zum Markt, diese Unsicherheit und desaströse Erwartung ist das Problem. Ich bin sicher, der Markt hat gar kein Problem mit einem Euro-Austritt Griechenlands. Würde er morgen passieren, dürfte der Markt nach einem kurzen Schreck ganz schnell in den Rally-Modus wechseln, weil die Welt doch nicht untergeht. Und würde sich morgen in Griechenland eine stabile Regierung etablieren, würde der Markt sowieso in den Rally-Modus wechseln. Egal wie also diese Unsicherheit aufgelöst würde, es wäre gut für den Markt. Die Unsicherheit selber ist das Problem und solche düsteren Weltuntergangsszenarien wie von Paul Krugman. Wirtschaft ist eben doch zu mindestens 50% Psychologie.

Und deshalb stehen wir nun an der Klippe, der Markt ist so angeschlagen, dass der Crash im Sinne einer "Klospülung" nun ein sehr reales Risiko ist. Vergeht die Unsicherheit aber, egal aus welchem Grund, dürfte ein gewaltiger Short-Squeeze folgen.

Ein drittes theoretisches Szenario haben wir noch in den kommenden Wochen. Da es nun einfach dauert bis zur Wahl, haben wir die Chance, dass das Thema Griechenland temporär in den Hintergrund tritt und damit eine anämische Stabilisierung der Märkte erlaubt. Es sollte sich dann aber niemand einer Illusion hingeben, nach der Wahl dürfte es mit aller Macht weitergehen, denn wo soll denn die stabile Regierung herkommen die die Unsicherheit nimmt ? Die einen Parteien haben das Land abgewirtschaftet und sind für Filz und Korruption mitverantwortlich. Ich würde die als Grieche auch nicht wählen. Die anderen sind Radikale ohne jede Erfahrung, die selbst wenn man ihnen guten Willen attestiert, jede Menge Porzellan zerdeppern werden. Bei den sowieso blank liegenden Nerven auf der ganzen Welt, ist das das perfekte Szenario für Chaos an den Märkten.

So viel für heute zur Lage, glauben Sie mir, ich würde wirklich gerne Positiveres berichten.

Sich über einzelne Aktien Gedanken zu machen, macht in diesem Umfeld nach wie vor wenig Sinn. Trotzdem will ich Ihnen heute 6 Aktien gegenüberstellen, 6 Aktien die Sie alle kennen, insofern ist keine Überraschung dabei. Wichtig ist für mich aber sich immer wieder - und auch in solchen Phasen - klarzumachen, was kaufenswerte Aktien von denen unterscheidet, von denen man seine Finger lassen sollte. Und deshalb empfehle ich, sich anhand dieser Beispiele auch selber erneut diese Frage zu stellen. Fangen wir einfach an:

Nach ebenso schlechten Zahlen wie schlechtem Ausblick wurde heute ThyssenKrupp (WKN 750000) mit fast 5% Minus geschlachtet. Ich hatte schon mehrfach -> hier <- und -> hier <- auf die massiven Probleme des Unternehmens hingewiesen, die für mich letztlich auf Versagen des Managements und der Aufsichts-Organe beruhen. Nachdem dann gegen 15.35 Uhr die Meldung über den Ticker ging, dass die neuen Stahlwerke in Brasilien und USA vom neuen CEO nun "auf den Prüfstand" gestellt werden, machte der Markt in kürzester Zeit die Verluste weg und ThyssenKrupp drehte ins Plus.

Aus Sicht des Marktes ist das verständlich, denn das beinhaltet die Hoffnung, dass TK durch die Verluste nicht völlig in den Orkus gezogen wird. Nur ist das wirklich eine gute Nachricht ? Man baut auf dem Höhepunkt des Booms zwei neue Stahlwerke, versenkt dabei Milliarden - unter anderem auch wegen operativer Mängel - und will diese neuen Stahlwerke dann mitten in der Stahlbaisse verkaufen ?

Wäre es nicht so traurig, müsste man das als Kontraindikator werten und nun Stahlaktien kaufen, denn bei dem miesen Timing dass TK in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat, könnte diese Entscheidung genau den Tiefpunkt der Stahl-Baisse markieren. In jedem Fall würde sich nach meinem Verständnis von Verantwortung bei so einem Desaster der Rücktritt aller damals Verantwortlichen gehören, beginnend bei Aufsichtsratchef Gerhard Cromme. Alleine Ekkehard Schulz als "Sündenbock" zu opfern, reicht mir nicht. Aber ein Rücktritt Crommes wird sowieso nicht passieren, was schreibe ich hier. Dafür müsste Berthold Beitz mit seinen 98 Jahren die schützende Hand über Cromme zurück ziehen, was wohl kaum passieren dürfte, weil er einen Nachfolger an der Spitze der Krupp-Stiftung braucht.

Egal wie "billig" ThyssenKrupp aussieht, für mich gilt in Anbetracht derartig eklatanten Versagens weiterhin: Finger weg. Denn auch wenn die Stahlkonjunktur nun drehen sollte, die speziellen Probleme von ThyssenKrupp gehen nicht so schnell weg und die Absicht etwas "auf den Prüfstand" zu stellen ist ja nett, passiert ist deswegen noch lange nichts. Wenn man nun die Wende bei deutschen Stahlunternehmen spielen will, ist man in meinen Augen in der finanziell soliden Salzgitter (WKN 620200) besser aufgehoben.

Ebenso eine "Igitt-Aktie" ist und bleibt für mich persönlich Nokia (WKN 870737), die immer weiter fallen und fallen und nun bald bei 2€ ankommen dürften. In letzter Zeit mehren sich zu Nokia nun auch die Stimmen, die die Zukunft des Konzerns generell in Frage stellen. Ich bin froh bei 4€ ausgestoppt worden zu sein und diesen Stop auch honoriert zu haben. Ich halte es für einen Fehler, mit der verblassenden Erinnerung an die alte Nokia vor Augen, nun rein auf Hoffnung auf eine Wende zu setzen. Das Börsenparkett ist gepflastert mit ehemaligen Marktführern, die nun ganz vom Kurszettel verschwunden sind. Auch zu Nokia habe ich unter anderem -> hier <- schon deutliche Worte gefunden. Alles spricht nun dafür, dass sich Nokia in einem verzweifelten Überlebenskampf mit ungewissem Ausgang befindet - daran muss ich mit meinem Kapital nicht teil haben.

Nach diesen beiden "Igitt-Aktien" macht es daher Sinn, sich mal die Gegenseite anzuschauen. Eche Blue-Chips also, die sich trotz aktueller Korrektur in einem intakten Aufwärtstrend mit guter Auftragslage befinden. Denn das sind die Aktien, in denen nach meiner Erfahrung Kapital besser aufgehoben ist, als bei einer blinden Wette auf einen Turnaround von "Fallen Angels". Denn denken Sie daran: The Trend is your friend !

Da fällt mir aus dem Automobilsektor zunächst Continental (WKN 543900) ein, die sich vor Aufträgen kaum retten können und durch die mögliche Aufnahme in den DAX weiter unterstützt sind. Alleine eine gewisse Unsicherheit um mögliche Kapitalmassnahmen seitens Schäffler ist hier kritisch zu sehen.

Aber auch der Klassiker BASF (WKN BASF11) hat für mich nun langsam wieder interessante Kurse und ein starkes, stabiles Geschäft. Wenn der Kurs oberhalb 55€ drehen sollte, ist der langfristige Aufwärtstrend voll intakt.

Ähnliches gilt für die SAP (WKN 716460), bei der ebenso wie bei BASF ein Ende der Korrektur auf dem aktuellen Niveau nur eine Bestätigung des Aufwärtstrends wäre. Um die mittel- und langfristigen Geschäftsaussichten bei SAP bin ich nicht bange.

Zuletzt der Nahrungsmittelkonzern Unilever (WKN A0JMZB), der in schöner Gleichmässigkeit nach oben strebt und mit seinem breit aufgestellten Geschäft wie Nestle (WKN A0Q4DC) ein Fels in der Brandung ist.

Diese vier Bluechips sind nur Beispiele, es gibt aktuell unzählige weitere derartige Qualitäts-Aktien. Oft sehen solche nach oben trendenden Aktien auf dem Papier nicht so billig aus, wie wir das von Turnaround-Spekulationen ala Klöckner (WKN KC0100) oder eine Reihe der Grundstoff-Aktien her kennen. Das liegt halt daran, dass das Geschäft einfach zu gut läuft und der Markt das schon honoriert hat. Sicher sind solche Titel daher auch nicht die, bei denen man sich eine schnelle Verdoppelung versprechen darf. Dafür bekommt man aber hohe Qualität und Stabilität und investiert mit dem Trend. In Zeiten grosser Unsicherheit sind das schon mal ein paar wichtige Kriterien, die man nicht unterschätzen sollte.

Beides kann im Depot theoretisch funktionieren, investiert in starke Bluechips wie oben mit dem Trend zu laufen, oder eine Turnaround-Wette wie bei Klöckner erfolgreich abzuschliessen. Beides sind nach meiner Erfahrung prinzipiell funktionierende Methoden. Was aber nicht funktioniert, ist blind auf ein Comeback alter "Grössen" wie Nokia zu spekulieren, ohne dass der Kurs dafür schon Anzeichen gibt. Das ist der berühmte Griff ins fallende Messer, den ich tunlichst vermeide wo ich kann.

Zum Abschluss heute noch ein Hinweis auf eine wie ich finde ganz spannende Entwicklung. Wenn man wie Mr-Market.de in seiner Reichweite steigt, bekommt man zunehmend Bitten, doch mal in dem einen oder anderen Artikel "positiv" über bestimmte Banken, Seiten etc zu schreiben. Sicher liesse sich damit als "Gegenleistung" auch Geld machen. Ich lehne dergleichen aber immer ab, weil das für mich verkappte Werbung ist, die die eigene Glaubwürdigkeit massiv in Frage stellt. Auf Mr-Market.de sollen Sie sich darauf verlassen können, dass Sie die ehrliche und ungeschminkte Meinung der Autoren lesen - ohne jegliche verkappte wirtschaftliche Interessen. Wenn ich hier mit Mr-Market mal Umsatz machen sollte, wird das ausschliesslich offen oder als Werbung deutlich kenntlich geschehen.

Heute will ich aber mal eine aktuelle Anfrage nicht ablehnen und ihre Aufmerksamkeit kostenlos auf die -> Wikifolio Plattform <- lenken, die sich mir heute per E-Mail vorgestellt hat. Wikifolio ist ein Beteiligungsunternehmen der Handelsblatt Verlagsgruppe. Eine Pressemitteilung, die die Grundidee erläutert, können Sie -> hier <- nachlesen.

Denn ich finde die Idee des "Trading via Social Networking" ganz spannend und innovativ. Ich habe zwar meine Zweifel, ob das dauerhaft zu grösserem Erfolg der Anleger führen kann, denn das Prinzip "Die Herde hat selten Recht" ist an der Börse universell gültig. Aber zumindest das Geld unerfahrener Anleger könnte vielleicht manchmal in Portfolios erfahrener Anleger mit hohem sozialen Track-Record besser aufgehoben sein, als bei bestimmten Bankprodukten, deren einziger Sinn die Provisionsmaximierung ist.

Jetzt ist natürlich auch das Startup "Wikifolio" keine karitative Veranstaltung und hat ein Interesse an wirtschaftlichem Erfolg. Insofern sollte man sich das Geschäftsmodell noch einmal genau anschauen, was ich bisher noch nicht getan habe. Solange das Unternehmen aber im Sinne eines "fairen Maklers" von allen Beteiligten nur offene Gebühren/Erfolgsbeteiligungen nimmt, finde ich das eine begrüssenswerte Idee, die einen Blick wert ist.

Schauen Sie einfach mal drauf, ich habe bisher mangels Zeit auch nur ein Auge auf die Plattform geworfen. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Meinung und Eindrücke hier im Blog kundtun. Denn das Thema "Trading via Social Networking" ist höchst spannend.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend !

Ihr Hari

** Bitte beachten Sie bei der Wertung der Inhalte dieses Beitrages den -> Haftungsausschluss <- ! **

10 Gedanken zu „Hari´s Märkte am Abend – 15.05.12 – Paul Krugman und die nackte Angst“

  1. Hey Hari,

    deine Artikel sprechen mir echt aus der Seele. Was hier gerade abgeht verstehe ich vorne und hinten nicht mehr.
    Jetzt bräuchte man eine klare Ansage, auch wenn es wehtut. Entweder die Beziehung wird beendet oder neu belebt. Wenn man so weitermacht wie bisher, dann gibt es den großen Knall. (Fast wie im wahren Leben ;))
    Nicht Mal mehr Gold ist sicher. Bin zur Zeit noch investiert, aber wenn sich das morgen nicht wieder aufwärts geht, dann werde ich hier glattstellen. Der GDX hat ja auch wieder die $41 gerissen und steht bei §39,34. Ich denke wenn hier morgen unter §39,664 stehen, dann müsste hier auch weiteres Abwärtsmomentum entstehen.
    Wie siehst du das aus deiner Sicht Hari?

    Viele Grüße,
    Wastl

    P.S. Hoffen wir Mal, dass das Börsenwetter weiterhin mit dem echten Wetter korreliert, dass soll nämlich am Ende der Woche besser werden.

  2. @ Wastl,

    beim GDX spricht in meinen Augen einfach alles dafür, dass wir eine Überdehnung nach unten haben. Und Gold verschwindet ja nicht einfach oder wird wertlos.

    Trotzdem kann ich Dir natürlich nicht sagen, wo dieser Fall endet, schau einfach mal auf 2008, da hast Du die Referenz für ein Worst-Case-Szenario. Damals war der GDX im Tief bei 16 USD, heute steht er noch bei 39 USD. Die theoretische Fallhöhe ist also noch immens und über 50%.

    Du must da einfach Deine eigene Entscheidung treffen. Was ich Dir sagen kann, ist wie ich persönlich damit umgehe. Ich habe ja wie hier geschrieben Ende letzter Woche alles auf kleinere Basispositionen abgebaut. Die halte ich nun aber durch dick und dünn. Und sobald die Wende da ist, springe ich mit Macht auf.

    Denn auch die Gummibandtheorie ist universell. Je weiter das Gummiband nun noch nach unten gedehnt wird, desto stärker dürfte es irgendwann in die Gegenrichtung schnappen. Die Frage ist nur, wer „irgendwann“ noch mit intakter Psyche im Markt ist und dann in der Lage ist auf den „Kauf-Knopf“ zu drücken. Ich habe vor dazu zu gehören.

  3. Hari, ich will noch eine Bemerkung zu der Situation in Griechenland machen. Als Anleger fände ich es sehr wünschenswert, wenn der Euro-Austritt Griechenlands nicht realisiert würde, und stattdessen eine demokratisch legitmierte Regierung die Staatsfinanzen in Ordnung brächte. Ein Euro-Austritt wird unvermeidlich zu Turbulenzen führen, würde den Euro letztlich aber stärken, da die Aussicht besteht, daß die verbliebenen Euro-Staaten der Probleme irgendwann Herr werden.

    Was ich als politisch denkender Mensch ganz und gar schrecklich fände, wäre, wenn die Neuwahlen in Griechenland nicht nur dazu führten, daß Griechenland aus dem Euro draußen wäre, sondern daß das griechische Volk dann wahrscheinlich einem Regime von linken oder rechten Extremisten überantwortet wäre. Ein solches Regime kann den Menschen dort nur Unglück bringen. Die wirtschaftliche und soziale Lage würde sich ganz furchtbar verschlechtern – sie ist ohnehin schon schlecht – und ich hoffe zutiefst für die Griechen, daß ihnen das erspart bleibt bzw. sie sich selber dieses ersparen.

    Was Krugman und den Keynesianismus angeht, in einem hat er schon recht: Mit reiner Spar- und Austeritätspolitik bewirkt man gar nichts, im Gegenteil. Heute las ich in der FAZ einen Vergleich mit der Situation nach dem 2. Weltkrieg. Die Staatsfinanzen wurden in Ordnung gebracht in einer Kombination, wenn man so sagen darf, aus Bilanzrezession und Finanzrepression. Der Staat bzw. der Privatsektor reduzierte seine Schulden, gleichzeitig stieg die Inflation bzw. wurden die Zinsen tief gehalten. keine schlecte Ausgangslage für Aktien übrigens. Ob man das nun akzeptiert oder nicht, aber der Chef des Investmentzweigs der Deutschen Bank, der DWS, vertrat diese These recht nachdrücklich.

    Dies wäre also kein finanzieller „Reset“ ,sondern aus dem (mit Geld) aufgepumpten Ballon wird die Luft sukzessive rausgelassen.

    Gute Nacht

    Tokay

  4. @ Natürlich Tokay, wie ich gestern schon sagte, man muss an der richtigen Stelle sparen und an der (anderen) richtigen Stelle investieren. Und zwar gleichzeitig. Und noch vor allen monetären Massnahmen muss man den Menschen eine Perspektive geben, nach der es sich zu streben lohnt, Wirtschaft ist eben zu 50% Psychologie.

    Was Krugman aber vorschlägt ist wieder das altbekannte Motto: wir verteilen heute das Geld und sparen dann später. Von dieser Gleichung funktioniert aber nur der erste Schritt, das schuldenbasierte Geldausgeben. Der zweite Teil hat aber noch nie funktioniert und wird auch in keiner Demokratie funktionieren. Und deshalb sind diese Ideen der 70er / 80er Jahre für mich am Problem vorbei und genauso falsch wie reines Sparen ohne Perspektive.

    Was das Thema Entschuldung durch Inflation angeht, natürlich – das ist mit Abstand noch der beste Weg für alle, so schmerzhaft er für die Vermögensbesitzer auch sein wird. Aber auch bei diesem Weg muss der Staatssektor massiv reduziert werden, auch daran führt kein Weg vorbei. Besser als ein ungeordneter Zusammenbruch ist das aber allemal. Die Notenbanken versuchen es ja auch, aber ob sie Erfolg haben werden wir sehen. Denn das was gerade in der Euro-Zone passiert, wirkt massiv deflationär, was man ja am Goldpreis gut nachvollziehen kann.

    Und was Griechenland angeht, ich wünsche den Griechen auch eine neue seriöse Regierung ausserhalb der alten „Gestalten“ von Pasok und Nea Dimokratia. Das beste was Europa nun tun könnte um das zu befeuern, ist knüppelhart die Alternative klar zu machen. Dann wird der griechische Wähler auch eine echte Wahl haben. Im Moment glauben doch aber grosse Teile den Schalmeienklängen, dass alles von alleine gut werden kann, wenn nur die „bösen Deutschen“ aufhören aufs Sparen zu drängen. Und das befeuert den Erfolg der Radikalen mit ihren schlichten Parolen. Erst wenn Europa diese Illusion glaubhaft nimmt und den Wählern klar macht, dass es eine Wahl für oder gegen den Euro und die EU ist, werden die Wähler vielleicht auch die kleineren bürgerlichen Parteien ernst nehmen, die nicht als Bauernfänger unterwegs sind. Denn es gibt ja halbwegs akzeptable Alternativen zu Pasok und Nea Dimokratia – die sind nur im Geschrei der Radikalen nicht mehr zu hören, differenzierte Ansichten sind halt mühsam und kompliziert und eignen sich nicht zur Massenbeglückung, bei Menschen voller Angst schon gar nicht.

    Vielleicht ist in dem Zusammenhang -> dieses <- Interview interesssant. Das ich mit den Ansichten der Drasi eher sympathisiere als mit denen der Syriza, dürfte wohl nicht überraschen. Es gibt die Alternativen zu den Radikalen, man muss ihnen nur Gehör verschaffen.

  5. Man muss das differenziert sehen. In den Südländern MUSS der private Sektor sparen. Nur: Diese private Ersparnis muss von jemandem aufgenommen werden. Und dieser jemand kann nur der Staat sein, denn sonst kommt die private Nachfrage zum Erliegen, sonst Brüning-Situation mit allen Folgen. Sanierung der Staatsfinanzen natürlich trotzdem, natürlich Arbeitsmarktreformen, damit die jungen Leute eine Chance kriegen.

    Die EZB Politik wirkt m.E. nicht deflationär, denn die tiefen EZB-Zinsen übersetzen sich nicht in tiefe Zinsen im Privatsektor, im Gegenteil führen höhere (Konjunktur-)Risiken zu höheren Spreads bei den Kreditzinsen. Deswegen flieht ja alles in Bundesanleihen. Deswegen sollte der Bund auch sparen, er sollte nicht die Ersparnisse des Südens aufsaugen, diese werden in den Südländern benötigt. Problem dabei ist, dass das nicht von heute auf morgen wirkt. Bei der Agenda 2010 war’s auch so.

    Was Griechenland angeht, fürchte ich, geht es nur mit den Stimmen von Nea Dimokratia und Pasok. Am besten wäre es gewesen, Papademos hätte weitermachen können. Nimmt man die derzeitigen Umfragen zum Nennwert, muss man schlimmes befürchten. Ich fürchte auch, man kann den Griechen bis zur Wahl nicht mehr klar machen, daß sie im Euro bleiben können nur bei Zustimmung zur Sanierung der Staatsfinanzen. Sie wollen offenbar im Euro bleiben, aber nicht die Reformen mitmachen. Und das verstehen die Griechen nicht, dass das nicht geht. Das ist das Problem.

  6. Es gibt nichts Schöneres am Morgen, als ex Dividende übersehen zu haben. Der Schreck ist besser als ein Kaffee!

  7. @Tokay:
    „Sanierung der Staatsfinanzen. Sie wollen offenbar im Euro bleiben, aber nicht die Reformen mitmachen. Und das verstehen die Griechen nicht, dass das nicht geht. Das ist das Problem.“
    Die Frage für mich ist, wie soll das denn rechtlich funktionieren, dass beim Aufkündigen der Sparanstrengungen Griechenland aus dem Euro fliegt. Sprich, auf welcher Basis kann man die Griechen rauswerfen?

  8. @ Wastl, auf gar keiner. Aber wenn kein Geld mehr fliesst, dann hat Griechenland gar keine Wahl. Irgendwer muss ja die Gehälter der Polizei, Beamten, Politiker etc zahlen und in Euro geht es dann nicht mehr. Also bleibt nur die eigene Währung oder der völlige Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung.

    Das ist ein Zwang mit der normativen Kraft des Faktischen, die Frage ob weiter gezahlt wird ist die Kernfrage. Ziselierte juristische Formulierungen in Verträgen sind schon lange nicht mehr relevant. Hätte man sich an die „NoBailOut“ Klausel gehalten, wäre der Euro nun etwas kleiner aber schon auf dem Wege der Genesung. Insofern ist die Frage nach der Grundlage müssig.

    Übrigens, wie die Situation eskaliert kann man -> hier <- nachlesen. Das ist bei Radikalen immer das Gleiche, wenn sie wittern das ihre Bauernfängermethoden verfangen, dann erhöhen sie die Tonlage. Wir kennen das auch aus unserer Geschichte.

    Wenn die EU da nicht ganz schnell klare Ansage macht, erleben wir bei der nächsten Wahl ein Desaster. Und dann wird die Versuchung hoch sein, den Griechen nachzugeben, genau darauf spekulieren die Wähler der Syriza doch. Wenn aber erneut nachverhandelt wird, ist bewiesen, dass man mit aggressiver Geste seine selbstverschuldeten Schulden auf Kosten der anderen Bürger Europas los werden kann. Die Konflikte die dann aufbrechen würden, weil andere Länder in das gleiche Horn stossen, würden Europa zerstören.

  9. @Wastl: Hari hat das Wesentliche dazu bereits geschrieben. Zur Ergänzung folgendes: Die nächste große Kredittranche soll im Juni fließen. Das wird aber nur dann geschehen, wenn die sogenannte Troika aus IWF, EU und EZB der griechischen Regierung bescheinigt, daß die vertraglich zugesagten Reformschritte unternommen wurden. Ist das nicht der Fall, wird die Tranche nicht ausgezahlt werden, und der griechische Zahlungsverkehr wird dann binnen kurzem zum Erliegen kommen. Denn dann müsste die EZB sofort ihre Finanzierungsgeschäfte mit griechischen Banken beenden. Die griechischen Banken könnten dann noch einige Stunden das Bargeld auszahlen, das sie haben und sich ggf. noch besorgen können, aber dann wäre finito.

    Die griechische Notenbank müsste also, um den Zahlungsverkehr wieder herzustellen, ihren „Plan B“ ausrollen, sprich die Geschäftsbanken mit einer vorbereiteten Ersatzwährung versorgen(nach vorangegangenem „Bank Holiday“). Wer dann am Geldautomat etwas ziehen wollte, würde dann Scheine dieser Währung bekommen. Diese wäre natürlich viel weniger wert als jetzt der Euro, weshalb die Griechen dieser Tage – offensichtlich in Vorwegnahme dieser Maßnahme – ihre Konten plündern. Die Umstellung müsste nicht zwangsläufig gleichmäßig erfolgen; man könnte z.B. Sparkonten weniger stark abwerten als Kreditkonten. Dann müssten in den Bankbilanzen Buchpositionen gebildet werden, , in die dann später anfallende Bankgewinne eingebucht werden könnten, da den Banken ja dann Verluste entstünden. So die Expertendiskussion…

    Ach ja, und der deutsche Steuerzahler wäre mit geschätzt 80 Mrd. Euro dabei: Nämlich über die beiden Hilfspaketen und über die deutschen Anteile der Forderungen der EZB, die dann abgeschrieben werden müssten.

    Meine Anerkennung gilt übrigens den mittelosteuropäischen Ländern, die die Rettungspolitik bisher mitgetragen haben, obwohl sie deutlich ärmer sind als die Griechen.

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