MiFID II, Inducement und die Marktkapitalisierung

Der Finanzmarkt ist komplex. Das stimmt. Er ist aber noch weit komplexer und weit stärker miteinander verwoben, als wie wir uns das gemeinhin als "unbedarfte" Anleger vorstellen.

Wenn wir zum Beispiel unser sauer verdientes Kapital am Finanzmarkt anlegen und dafür einen Fonds kaufen, dann gehen wir ja auch unausgesprochen davon aus, dass das Fondsmanagement für die typischerweise 1,5-2% Gebühr pro Jahr, ausschliesslich unsere Anleger-Interessen optimiert.

Tja .....

Die Realität ist wohl weit komplexer. Weil haben Sie sich mal gefragt, woher die Fondsmanager eigentlich die Research-Informationen haben, aufgrund derer diese dann Anlage-Entscheidungen treffen?

Klar, ohne nachzudenken, gehen wir davon aus, dass die ihren eigenen Research machen. Und bei den sehr guten Top-Managern, ist das wohl auch der Fall. Aber gilt das so uneingeschränkt und wenn nein, wer beeinflusst die Anlage-Entscheidungen dann?

Um dieses eminent wichtige Thema geht es in einem Artikel, den ich am Donnerstag 16.07.15 16:40 in Hari Live geschrieben habe und den Sie unten nun etwas überarbeitet und aktualisiert finden. Und ja, das Thema ist sehr komplex, aber in dieser Komplexität ist eine Menge Information versteckt, mit der andere dickes Geld verdienen.

Mir ist völlig klar, dass ich mit diesem Artikel hier im freien Bereich nicht viele Leser finden werde. Zu "sperrig" und "schwierig" ist das Thema. Aber versuchen Sie es doch mal. Und wenn Sie das dann zum ersten Mal überhaupt lesen, fragen Sie sich mal warum?

Wenn Sie dann wirklich bis zum Schluss gelesen und sich auch die Links angeschaut haben, dann gehören Sie auch zu denen, die bei uns in der Mr-Market Community bestimmt sehr gut aufgehoben sind. 😉

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Sie wissen ja, dass ich bei zu kleinen Unternehmen immer sehr skeptisch bin, was die Marktkommunikation und den Einfluss von Insidern angeht. Im Artikel -> Warum ich Pennystocks nicht anfasse <- hatte ich das dargelegt.

Sie wissen auch, wie oft ich mich schon über so "Jubelperser" Analysten-Kommentare gerade bei kleineren Unternehmen mokiert habe. Ein offenes Geheimnis ist dabei nämlich, dass Unternehmen ihre Analysten manchmal selber "incentivieren" und "motivieren", damit es überhaupt mal jemand tut. Und umgedreht werden solche Analysen auch als "Zuwendung" und "Anreiz" (Inducement) an Fondsmanager weiter gegeben, was einen Vorteil im Spiel um Wissen darstellt. In beiden Fällen sitzt der normale Anleger aber unwissend am Katzentisch.

Das ganze Thema ist hoch komplex und die Abhängigkeiten vielfältig und verwoben. Es ist für mich persönlich hoch problematisch, wenn ein Fondsmanager, der eigentlich das Geld seiner Anleger objektiv verwalten soll und dafür von denen per Management-Fee bezahlt wird, dann eben nicht objektiv handelt, weil ihn sich Dritte mit "Inducements" gewogen halten.

Natürlich läuft das schon heute alles "total sauber" und "total objektiv". 😉 Die Lebenserfahrung gebietet aber, dass Analysen genau so objektiv sind, wie zwei Sachverständigengutachten, die in einem Gerichts-Verfahren von miteinander streitenden Parteien aufgeboten werden und sich problemlos völlig widersprechen können, alles ganz "objektiv" natürlich. 😉

Es ist halt einfach so, dass viele Dinge nicht objektiv sind und mit subjektiver Einschätzung zu tun haben. Und selbstverständlich wird niemand in diesen Graubereichen seinem Auftraggeber bewusst gegen das Schienbein treten. Und so entstehen dann so gegensätzliche Gutachten und eben auch Analystenkommentare. Ganz "objektiv subjektiv" sozusagen. 😉

Und natürlich macht es für die grossen Marktspieler auch Sinn, sich die Verwalter grossen Geldes gewogen zu halten und so in ihrem Investitionsverhalten zu beeinflussen, auch wenn das für die Geldverwalter natürlich die Gefahr eines Interessenkonflikt gegenüber den eigentlichen Auftraggebern - den Anlegern - herauf beschwört.

Das Thema ist sehr schwierig, weil nur weil man etwas von Dritten liest, wird der Fondsmanager ja in seiner eigene Entscheidung nicht objektiv zu einem abweichenden Handeln gezwungen. Insofern kann man argumentieren, dass hier gar kein Problem existiert, Papier ist geduldig und die Entscheidung trifft am Ende der Fondsmanager.

Andererseits hat jede Information ihre Wirkung und die verändert dann das Investitionsverhalten. Insofern ist da schon ein Problem.

Legal ist das bisher alles, da habe ich keinen Zweifel. Aber ist es auch legitim und sollten wir Anleger dafür unsere Kapital geben? Das ist die schwierige Frage, um die es hier geht.

Mit MiFID II soll hier nun eine Änderung kommen, mit der nicht mehr alle "Inducements" in Form von Research legal wie bisher sind. Und das bedeutet einen wichtigen Einschnitt.

Wenn Sie das aber bisher alles für ein Gerücht gehalten haben, dann lesen Sie in dieser Branchennachricht mal, was von einer Tagung des -> DVFA <- als Verband der "Investment Professionals" berichtet wird, in dem die bekannten Fondsgesellschaften sitzen: -> MiFID und "Inducement" <-

Zitat:

"MiFID II schränkt die Gewährung von "Inducements" erheblich ein. Sie gestattet unabhängigen Beratern und Portfolio-Managern nicht, für die Erbringung ihrer Dienstleistung monetäre oder nichtmonetäre Vorteile von Dritten anzunehmen."

Aha. 🙂 Das war also bisher scheinbar der Normalzustand. Haben Sie es gewusst, liebe Anleger? Und mit MiFID II soll das anders werden. Ist das nun schlimm oder überfällig?

Nun nimmt der DVFA hier lobenswerterweise keine rein schwarz/weisse Position ein und ja, es wird auch negative Seiteneffekte dieser Reform geben. Wer in so komplexe Zusammenhänge eingreift, erzeugt nicht ausschliesslich positive Effekte. Aber auf den Saldo und die Richtung kommt es am Ende an und mit der Richtung habe ich keinerlei Problem, auch wenn die MiFID in Summe ohne jede Frage ein "bürokratisches Monster" ist.

Hier muss ich die Bürokratie aber auch mal zumindest teilweise in Schutz nehmen, denn sie ist auch deshalb so kompliziert, weil es eben ohne diese Regeln jede denkbare Vorteilsnahme geben würde und dabei grosse Kreativität herrscht.

Im Gegenteil, ich halte diese Änderung für uns Anleger für einen Vorteil. Denn wenn es weniger "Jubelperser-Analysen" gibt, muss man bei Kleinunternehmen wieder das tun, was zwar mühsam ist, aber einen echten Edge generieren kann: sich intensiv damit beschäftigen. Oder eben die Finger ganz weg lassen, wenn man den Zeitaufwand nicht betreiben kann und will, was meine Strategie ist.

Natürlich habe die Stimmen recht die sagen, dass damit kleine Unternehmen noch seltener vom Research erfasst werden. Die Frage ist halt, wie viel ist Research wert, dem vielleicht ein Interessenskonflikt zu Grunde liegt?

Wer es genau wissen will, findet -> hier internationale Anwälte zum Thema <- und -> hier die BAFIN zum Thema <-

Wer übrigens die ganze Problematik in ihrer extremen Komplexität noch nicht begriffen hat - was wirklich keine Schande ist, auch ich will nicht behaupten alles zu durchdringen - für den zitiere ich hier aus dem obigen kenntnisreichen Artikel der Anwälte:

This view holds that if MiFID II requires fund managers to either pay for the research information themselves, charge their clients or build the information systems in house, medium and small fund management houses may be driven to closure or merger, presenting less choice for investors.

Nun alles klar?

Sie lieber Anleger, der Sie Ihrem Fondsmanager bisher 1,5 oder sogar 2% per Annum dafür gegeben haben, dass er mit seinem ganzen Wissen und Können und seinem eigenen Research Ihr Geld verwaltet, können aus diesem Satz indirekt entnehmen, dass es im Moment eben zu oft wohl nicht "Inhouse Informationen" und "eigenes Research" sind, mit denen Ihr Fondsmanager agiert, sondern Informationen, die die grossen Adressen der Branche "kostenlos" verteilen - natürlich nur ganz objektiv und ohne jedes Eigeninteresse. 😎

Wundert sich da noch jemand, dass so wenige Fondsmanager den Markt schlagen können und so viele einen Gleichlauf zeigen? Die Fondsmanager, die immer wieder eine sehr gute Performance zeigen - und in unserem Forum besprechen wir davon ja auch immer wieder eine Auswahl - gehören möglicherweise zur lobenswerten Minderheit, die mit eigenem Hirn und Research agieren und nicht nur nachkauen, was die "Big Boys" so verlauten lassen.

Und das ist der Punkt. Wenn MiFID II das ein wenig verbessert: be my guest!

Was denken Sie?

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1 Gedanke zu „MiFID II, Inducement und die Marktkapitalisierung“

  1. Wie wahr………

    Im Grunde dreht sich halt alles um Goldgräber und Schaufelverkäufer…
    Ich finde es sehr gut, dass du immer wieder auch auf die Mechanismen „im Hintergrund“ eingehst. Objektiv und neutral, ohne konfuse Verschwörungstheorien die man auf anderen Seiten häufig lesen kann.

    Wir leben in interessanten Zeiten. Die vermeintliche Informationsfreiheit durch das Internet hat sich im Grunde als permanente Nebelkerze erwiesen. Das Bildungssystem verhindert sogar das kritische Denken.
    Und gerade das wäre heutzutage so wichtig.
    Seiten wie diese sind wahre Goldgruben in der sonst mit Interessenskonflikten gestörten Finanzberichterstattung.

    Danke

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